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Commodore Cross und die HYPERION-Flotte erhalten ihren ersten Auftrag. Es ist eine Konfrontation mit der Vergangenheit für Captain Ishida, denn auf der Kolonie NORTHSTAR verlor sie einst Freunde und Kameraden. Nun gilt es, den Prototypen des Tachyonenfeldgenerators zu sichern, den Juri Michalew damals in Sicherheit brachte. Er könnte eine wichtige Waffe im Kampf gegen die Ash'Gul'Kon sein. Auch Alpha 365 ist wieder mit an Bord. Der Sicherheitschef muss sich dunklen Erinnerungen stellen, die ihn in die Zeit seiner Erschaffung zurückführen. Dies ist der neunundzwanzigste Roman aus der Serie "Heliosphere 2265".
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Seitenzahl: 153
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Table of Contents
„Projekt: NORTHSTAR“
Was bisher geschah
Prolog
Alzir-System, MINDLAB I, 03. März 2268, 09:30 Uhr
IL HYPERION, Im Randgebiet des Alzir-Systems, 02. April 2268, 10:28 Uhr
Eine Welt des KASSIOPEIA-Bundes, 01. Juni 2257
IL HYPERION, Auf dem Weg zur NORTHSTAR-Kolonie (Reisezeit: 14 Tage, 3 Stunden), 16. April 2268, 14:02 Uhr
Eine Welt des KASSIOPEIA-Bundes, 1. September 2259
Eine Welt des KASSIOPEIA-Bundes, 01. Juni 2263
IL HYPERION, Auf der Oberfläche der NORTHSTAR-Kolonie, 30. April 2268, 17:30 Uhr
Sol-System, Raumstation SOL-22, Oktober 2265
IL HYPERION, NORTHSTAR-System (Im Orbit der Kolonie), 30. April 2268, 19:45 Uhr
Kurz zuvor auf der HYPERION
An Bord des Alpha-Schiffes
An Bord der HYPERION
An Bord des Alpha-Schiffes
IL HYPERION, NORTHSTAR-System, 02. Mai 2265, 10:30 Uhr
Epilog I - Schlaglichter
Epilog II - Aus dem Schatten ...
Vorschau
Nachwort
Die Charaktere von Heliosphere 2265
Impressum
Heliosphere 2265
Band 29
von Andreas Suchanek
Ende des Jahres 2267 ist es Richard Meridian gelungen, den Jahrhundertplan erfolgreich zu vollenden. Er konnte das Tachyonengefängnis der uralten Rasse der Ash’Gul‘Kon öffnen, worauf die gefährlichen Aliens in die Milchstraße zurückkehren. Ein Krieg beginnt, der alle Zivilisationen bedroht.
Um überhaupt eine Chance gegen den neuen Feind zu besitzen, greift Präsidentin Shaw nach einem letzten Strohhalm: Sie will eine Allianz formen. So kommt es zu Gesprächen mit den Parliden, die schlussendlich in die gestellten Bedingungen einwilligen und alle versklavten Menschen frei lassen.
Damit sieht sich die Republik einer ungeahnten Herausforderung gegenüber, gilt es doch, Tausende traumatisierte Befreite zu behandeln - bei knappen Ressourcen. Ein zusätzliches Problem erscheint in Form von Admiral Juri Michalew. Der Auslöser des Staatsstreichs auf der Erde starb im Jahre 2266 nicht, wie bisher angenommen, sondern geriet wie so viele andere in die Gefangenschaft der Parliden. Alexis Cross sieht ihre Chance gekommen und geht ein Bündnis mit dem ehemaligen Offizier ein. Die Folgen sind unabsehbar.
Unterdessen kehrt Captain Jayden Cross gemeinsam mit Irina Petrova und Michael Larik von seinem Einsatz bei den Zukunftsrebellen zurück. Die Sternennation existiert nicht mehr, wurde von den Ash’Gul‘Kon ausgelöscht. Yoshio Zhang, der Oberbefehlshaber des dortigen Militärs und die Zieheltern von Tess Kensington konnten allerdings zusammen mit einigen Schiffen und Flüchtlingen gerettet werden.
Die Alternativversion von Admiral Pendergast will jedoch vermeiden, dass die Menschen der Sternennation als Brutkästen für die Ash’Gul‘Kon dienen, und aktiviert den Sonnenzünder im Tikara-System. Die Detonation löscht nicht nur die Ash’Gul‘Kon in diesem Sektor, sondern auch alle Welten des Sternensystems aus. Kann die Tat den Angriff der Spinnenskorpione zurückwerfen?
Zurück in der Republik erhalten Captain Cross, Noriko Ishida und ein Großteil der HYPERION-Besatzung endlich die wohlverdiente Beförderung – und der nächste Auftrag wartet bereits auf die Schiffe des neuen HYPERION-Verbands ...
Eine Welt des KASSIOPEIA-Bundes, 01. Juni 2250 (vor 18 Jahren)
Das Klacken der Stiefelsohlen auf dem Metallboden hallte von den Wänden wider. Ein feiner Geruch nach Kirschblüte lag in der Luft, Stimmengewirr drang an seine Ohren.
„Deine Bezeichnung?“ Die Stimme war sanft wie die einer Mutter, die mit einem Kleinkind sprach.
„Alpha 363“, kam die emotionslose Antwort.
„Was fühlst du, Alpha 363?“
„Nichts.“
„Sehr gut.“
Wieder erklang das Klacken.
Seine Hände zitterten. Er verschränkte sie hinter dem Rücken.
„Deine Bezeichnung?“ Die Stimme war jetzt viel näher.
„Alpha 364.“
„Was fühlst du, Alpha 364?“, fragte die Frau liebevoll.
„Nichts.“
„Sehr gut.“
Erneut hörte er das Klacken. Dann folgte Stille.
Sie steht vor mir.
Seine Handflächen waren schweißnass, doch er konnte es nicht abstellen, so sehr er sich auch bemühte. Ein Schauer jagte über seinen Rücken, die Nackenhärchen stellten sich auf.
„Wie ist deine Bezeichnung?“
„Alpha 365“, sagte er, die Stimme rau, wie Schmirgelpapier.
„Warum sind deine Augen geschlossen?“
Er öffnete sie, sah sich vorsichtig um. Die anderen schauten ihn mit stoischer Gelassenheit an, hatten sich rechts und links von ihm aufgereiht.
Genau wie er waren sie nackt. Perfekte Körper aus Muskelmassen, kein Gramm Fett zu viel. Ihr Antlitz war das Spiegelbild seines eigenen. Als hätten Maschinen ohne Seelen aus organischer Masse ihresgleichen geschaffen. Da war keine Emotion in den Gesichtern, kein Leben. Aber doch atmeten sie, genau wie er.
Woher weiß ich das alles?
Seine bewusste Existenz hatte vor wenigen Minuten begonnen. Er besaß den Körper eines jugendlichen Menschen, obgleich er erst so kurz existierte. Warum?
Ich wurde genetisch erschaffen.
„Nun?“, fragte die Frau vor ihm.
Sein Blick schweifte noch kurz über die kleine Gruppe aus Wissenschaftlern, die in weißen Kitteln, mit 3D-Pads in den Händen an der Seite standen.
Er wollte der Frau antworten, brachte aber kein Wort heraus. Sie war schön. Ihr weißer Kittel wirkte, als habe ein Engel seine Flügel zusammengefaltet. Das fein geschnittene asiatische Gesicht wurde eingerahmt von dunklen schulterlangen Haaren. Sie roch nach Kirschblüten und Seife. Ein Tattoo schlängelte sich ihren Arm herab wie eine schwarze Krake. Mit seiner verbesserten Sehfähigkeit erkannte er die unter dieser Tätowierung verborgenen Bioschaltkreise.
„Ich ... weiß es nicht“, sagte er dann.
Die Angst war wieder da.
Sein Instinkt hatte ihm längst klar gemacht, dass er anders war als die anderen rechts und links von ihm.
„Was fühlst du, Alpha 365?“
„Nichts“, sagte er.
Sie erkannte sofort, dass es eine Lüge war. Ihr Blick wurde hart. Er wollte nicht, dass sie böse auf ihn war, deshalb hatte er gelogen. Wenn er sich einordnete in die Norm, in das, was erwartet wurde, musste sie ihn doch mögen - oder?
Sie wandte sich der Gruppe am Rand zu. „Er hinterfragt die Dinge. Im Vergleich zu den anderen analysiert er langsamer, bewertet die Dinge sowohl rational als auch emotional. Er entspricht nicht der Norm.“
„Sollen wir ...“, fragte ein Mann.
Die Frau hob gebieterisch die Hand. „Nicht jetzt.“
„Aber, Doktor Shima ...“
Sie ignorierte ihn und ging einfach weiter. Das Prozedere schritt ununterbrochen voran. Sie stellte immer die gleichen Fragen, bekam stets die gleichen Antworten. Das Klacken wurde leiser, der Duft verwehte.
Irgendwann war sie am Ende der Reihe angelangt. Zwanzig Mal hatte sie ihre Frage gestellt, kam langsam zurückgelaufen und stellte sich zu der Gruppe.
„In Ordnung“, sagte sie. „Liquidieren.“
Die Tür öffnete sich und drei Personen in militärischen Servo-Suits kamen herein. In ihren Händen lagen Pulserwaffen, die sie nun auf die Reihe der Alphas richteten.
Die Angst wurde übermächtig.
Alpha 365 sackte zu Boden, krümmte sich wimmernd zusammen.
Schüsse hallten.
Rechts und links krachten die übrigen Klone seiner Reihe blutüberströmt auf die Bodenplatten, schauten mit gebrochenen Augen ins Nichts. Stille breitete sich aus. Er zitterte, aber - so seltsam es auch war, er lebte.
Das Klacken erklang.
Der Kirschblütenduft war wieder da, überdeckte den Blutgeruch von Zink und Eisen.
„Es tut mir leid“, sagte sie sanft. „Du bist fehlerhaft. Die Welt dort draußen will Perfektion. Wir werden allen zeigen, wie falsch sie damit liegen. Dank dir.“
Vorsichtig blickte er auf.
Sie lächelte. Es war ein warmes Lächeln, voller mütterlicher Wärme.
Die Reise von Alpha 365 begann.
Und noch Jahrzehnte später hallten die Worte in ihm wider, die Doktor Sakura Shima ihm zugeflüstert hatte.
Du bist fehlerhaft. Die Welt dort draußen will Perfektion.
*
(Gegenwart)
Alpha 365 öffnete die Augen.
Verblüfft darüber, noch am Leben zu sein, tat er ... nichts. Über ihm schwebten die Gesichter der Doktoren Irina Petrova, Janis Tauser und Siu Damato.
„Sie haben uns einen verdammten Schrecken eingejagt“, sagte Tauser. „Ich glaube, jetzt benötige ich einen Psychologen.“
Ein Witz, wie Alpha 365 sofort erkannte. Beruhigt registrierte er die Tatsache, dass dieser keine Emotion bei ihm auslöste.
„Er lacht nicht“, kam es von Tauser.
„Die korrekte Reaktion auf einen derart platten Witz wäre vermutlich ‚Fremdschämen‘, Doktor“, erwiderte er.
„Und ich hatte gehofft, dass Sie mit völlig neuen diplomatischen Fähigkeiten erwachen“, sagte der Psychologe seufzend.
Irina Petrova kicherte. „Nun kommen sie schon aus dem Tank.“
Er setzte sich auf, ignorierte die dargebotene Hand der Ärztin - er wollte sie nicht seinem Gewicht aussetzen - und schwang sich aus der Staseeinheit. Auf der Projektionsröhre wurde das aktuelle Datum angezeigt.
„Ich war etwa vier Monate von dem Virus befallen?“
„So ist es“, bestätigte Doktor Petrova. „Und wir vergessen einfach mal die Tatsache, dass Sie mich beinahe mit einem Skalpell aufgeschlitzt hätten. Ich bin nicht nachtragend.“ Sie klatschte in die Hände. „Jetzt sind Sie wieder völlig genesen. Natürlich müssen wir verschiedene Reaktionen Ihres Körpers noch testen, aber es scheint, als habe das Antivirus gut angeschlagen.“
Vorsichtig machte er erste Schritte, schaute sich im Labor um, spürte den kalten Boden unter seinen nackten Fußsohlen. Das hier war nicht die HYPERION. An der Seite schwebte eine Holosphäre, in der die Bilder eines Nachrichtenkanals übertragen wurden. Er sah gigantische Transporttender, ein explodierendes Schiff, Menschen mit Glatze, die auf Krankenbetten lagen. „Was ist passiert?“
„Das ist eine lange Geschichte“, sagte Doktor Tauser. „Vermutlich werden Sie lediglich zwei Stunden benötigen, um alle Berichte zu lesen und zu analysieren.“
„Eine Stunde“, korrigierte Alpha 365 im Reflex. Er zuckte zusammen, als ein Bild von Juri Michalew eingeblendet wurde. Seine Augenbraue wanderte in die Höhe. „Ich bin sehr gespannt.“
Aus den Augenwinkeln sah er, dass die Doktoren Petrova und Tauser sich einen kurzen Blick zuwarfen.
„Haben Sie gerade gezuckt?“, fragte der Psychologe.
Erst jetzt realisierte Alpha 365, dass sein Körper auf unangemessene Weise reagiert hatte, als das Bild von Admiral Juri Michalew aufgetaucht war.
Doktor Petrova streifte einen Scannerhandschuh über und kam auf ihn zu. Ihre Stiefelsohlen klackten auf dem Boden des Labors. Der Ton hallte in seinen Ohren wider.
Als habe jemand einen Schalter umgelegt, stiegen die Bilder in seinem Geist empor und überwältigten ihn. Wimmernd brach er in die Knie. Verwirrung erfasste ihn. Da waren Erinnerungen von Ereignissen, die er nie erlebt hatte. Aber doch waren sie da. Er sah eine Frau mit dunklem Haar, die - er sog tief die Luft ein - nach Kirschblüten roch. Juri Michalew stand vor ihm, ergriff seine Hand und schüttelte sie fest. Andere Alphas lagen tot am Boden, in Lachen frischen Blutes.
Emotionen spülten über ihn hinweg, zerrten ihn in einen Strudel aus Pein und Angst.
Hilflos trieb er davon.
*
„Auf Einschlag vorbereiten!“
Commodore Jayden Cross saß im Zentrum der Kommandobrücke in seinem Konturensessel und wartete auf das Unvermeidliche. Augenblicke nach der Warnung erzitterte das Schiff. Schadensmeldungen rasten über das Kommandodisplay.
„Commander Akoskin“, sagte Captain Ishida. Die frisch gebackene Kommandantin der HYPERION, an deren Kragen die neuen Abzeichen zu sehen waren, wirkte, als habe sie auf eine überreife Zitrone gebissen. „Korrigieren Sie mich, aber hatten wir tatsächlich vor, den Ash’Gul‘Kon eine offene Flanke zu präsentieren?“
„Nein, Ma‘am.“
„Dann schlage ich vor, dass Sie das schnell ändern. Und mit ‚schnell‘ meine ich gestern.“ Es kam selten vor, dass Ishida wie ein gereizter Rentalianer wirkte, aber wenn es so war, sah man sich besser vor.
Jayden schmunzelte. Die Beförderungen lagen erst kurz zurück und jeder wollte sein Bestes in der neuen Position geben. Er als Commodore hatte völlig neue Dinge zu bedenken, da er ab sofort einen Verband befehligte. Ishida musste die HYPERION kommandieren, während Akoskin ihr zuarbeitete.
Neue Herausforderungen für uns alle.
„Achtung: SJÖBERGS UNTERGANG“, sprach der Taktik- und Waffenoffizier mit eiskalter Stimme in das Aufnahmefeld des Phase 2-Funks. „Begeben Sie sich sofort wieder auf Ihre vorgegebene Position. Bestätigen Sie.“
„Immer mit der Ruhe“, drang die Stimme von Captain Isam Ortega aus dem Kom-System. Der Kommandant aus der zerstörten alternativen Zukunft hielt nicht sehr viel von der neuen Gefechtsdoktrin und machte das auch ständig deutlich. „Jetzt zeigen wir Ihnen mal, wie man das richtig erledigt.“
Jayden schloss für einen Moment die Augen. Er hatte ganz vergessen wie angenehm es war, mit Leuten zu dienen, die er kannte, und die Befehle tatsächlich befolgten.
Doch er als Commodore musste sich in diesem Fall zurückhalten. So war es abgesprochen.
„Der Verband der Ash’Gul‘Kon teilt sich auf“, meldete Lieutenant Commander Jane Winton von der Sensorkonsole. Die große schlanke 85-jährige wirkte unerschütterlich. Ihre Finger glitten über die Konsole, als bediene sie virtuos ein Musikinstrument. „Die Gefechts-K.I. klassifiziert die Verbände als BV I bis III in der Gefechtssphäre.“
Jaydens Blick wanderte zu dem Gebilde, das die alte Holosphäre abgelöst hatte. Insgesamt fünf Projektionsflächen waren im Zentrum der Kommandobrücke in den Boden eingelassen. Die primäre Sphäre ragte leicht erhöht in der Mitte empor, die übrigen umringten sie etwas tiefer gelegt.
„Jeder Verband besteht aus drei der größeren Einheiten“, meldete Winton. „Der rot markierte Raumer gehört der Stimme.“
Ishida nahm schnell ein paar Eingaben vor, worauf die eigenen Raumschiffe sich in der Taktiksphäre umgruppierten. „Commander Akoskin, erarbeiten Sie auf dieser Grundlage eine neue Rotation. Mister Task, Vektoränderung für die HYPERION und die IONE KARTESS.“ Sie richtete ihr Augenmerk auf Lieutenant Commander Larik, der ständig Daten empfing und intern oder extern übertrug. Im rötlichen Schein des Gefechtsalarms wirkte sein Augenbrauentattoo, das ihn als Marsianer kennzeichnete, wie ein lebendiges Geschöpf, das zuckte und sich wand. „Die IKARUS soll alle JET-Schiffe absetzen. Formation Delta-29, Pfeilgruppierung. Ziel ist das Raumschiff mit der Stimme.“
„Aye, Ma‘am“, wurde aus verschiedenen Kehlen erwidert.
Jayden war stolz auf Ishida. Kaum zu glauben, dass diese Frau noch vor drei Jahren dem Ende ihrer Karriere entgegengeblickt hatte. Heute befehligte sie souverän sein Flaggschiff.
In der Gefechtssphäre traf BV I (bestehend aus zwei Ash’Gul‘Kon -Schiffen) auf die SJÖBERGS UNTERGANG. Dem Raumschiff aus der Zukunft blieb kaum ausreichend Zeit zu begreifen, dass es hereingelegt worden war, da verging es bereits in einem grellen Feuerball.
„Die haben es wieder getan“, sagte Winton. „Ein Disruptorpuls, der das Schutzschild hat fluktuieren lassen. Dann haben sie eine der Ankerminen eingesetzt.“
Jayden nickte grimmig. In den letzten Wochen war Derartiges öfter vorgekommen. Nach der Zerstörung der Sternennation der Zukunftsrebellen hatten die Ash’Gul’Kon erneut Spähschiffe in die verschiedenen Sonnensysteme geschickt. Imperator Sjöberg hatte sich das aber nicht gefallen lassen und immer neue Wege ersonnen, die Raumer anzugreifen.
Kam es zum Kampf, setzten die Ash’Gul’Kon die Ankerminenwaffe ein. Sobald ein Schutzschild aktiviert wurde, zog der abrupte Energiefluss die Detonationswaffe an, die daraufhin in der sich etablierenden Blase erschien, die Energien potenzierte und damit das Schiff zerfetzte.
Bisher mussten bei bereits etablierten Schutzschilden diese allerdings zuerst destabilisiert werden. Die Spinnenskorpione hatten jedoch demonstriert, wie schnell sie sich weiterentwickelten: Seit Kurzem setzten sie eine Hochenergiewaffe ein, die die energetische Bindung der Schilde zum Fluktuieren bringen konnte. Die so angegriffenen Schutzschilde zogen die Ankerminenwaffe sofort an, worauf sie detonierten. Es schien, als hinke die Menschheit dem neuen Angreifer ständig zwei Schritte hinterher.
Die Antwort - oder eine der Antworten - auf die Waffe waren die JET-Schiffe auf der IKARUS. Das gigantische Trägerschiff entstammte ebenfalls der Zukunft und war mit wenigen weiteren Einheiten dem Untergang der anderen Zeitlinie entkommen. Es besaß eine geringe Offensiv-, aber unvergleichliche Defensivstärke. Anfänglich hatten die Konstrukteure auf Alzir-12 nur müde gelächelt. Dann hatten sie die JET-Schiffe gesehen. Insgesamt 56 davon konnte die IKARUS ausschleusen. Das waren die Offensivsysteme, die einen Unterschied machten.
Jeder JET war gerade groß genug, um einen einzelnen Offizier aufzunehmen. Sie besaßen die Form eines überdimensionierten Torpedos, ausgerüstet mit gestaffelten Laserlafetten und Antigravlanzen. Letzteres war eine Neuentwicklung, die - falls sie sich als sinnvoll erwies - auch auf den größeren Einheiten verbaut werden sollte. Alzir-12 hatte außerdem noch eine Abschussvorrichtung für Chondrit-Quader nachgerüstet.
Die Schiffe besaßen nur schwache Schutzschilde, waren aber äußerst wendig. Lediglich Piloten mit ausgezeichneten Reflexen durften sie fliegen.
Diese Kombination hatte die gesamte Gefechtsdoktrin geändert.
„Die IONE KARTESS stellt sich ihren Angreifern“, meldete Winton. „Ich orte multiple Sporen und Enterkapseln.“
„Vektor angepasst, Befehl ausgeführt“, sagte Lieutenant Commander Task.
Larik lauschte auf die eingehenden Kom-Nachrichten. „Die JETs haben ihr temporäres Gefechtsnetz etabliert. Separierung der zentralen Kontrolle erfolgt.“
Wie ein Schwarm, der von einem einzigen Gedanken kontrolliert wurde, stürzten sich die JETs auf das Führungsschiff der Ash’Gul‘Kon.
„Ma‘am“, meldete Akoskin. „Wir haben die IONE KARTESS verloren.“
„Das Führungsschiff explodiert“, kam es von Winton. „Die Stimme verwandelt sich soeben zu Staub und Asche zwischen den Sternen.“ Ein blinkendes Icon forderte ihre Aufmerksamkeit. Aufseufzend blickte sie auf. „Ma‘am, ein weiterer Verband fällt aus dem Phasenflug. Zehn Schiffe.“
„Wir werden gerufen“, meldet Larik. „Es ist die Stimme.“
„Zerstörungssignal von der IONE KARTESS“, kam es von Akoskin.
Ishida ließ ihre Faust wütend auf die Lehne ihres Kommandositzes donnern. „So eine verdammte Sch...“
„Soll ich die Stimme durchstellen?“, fragte Larik trocken.
„Natürlich, stellen Sie sie durch“, sagte Noriko bitter. „Sie wird uns ordentlich die Meinung sagen wollen.“
In der Holosphäre erschien in einem kurzen Photonenregen das Antlitz einer blondhaarigen Menschenfrau, die die Uniform einer Offizierin der Space Navy trug. An ihrem Kragen blitzten die Abzeichen einer Admiralin.
„Admiralin Jansen“, sagte Jayden, ein gezwungenes Lächeln auf dem Gesicht. „Es ist so schön ...“
„Sparen Sie sich das, Commodore. In den nächsten Stunden darf ich mir wieder hämische Kommentare im Admiralsrat anhören. Und jetzt raten Sie mal, warum?“
Auf der Kommandobrücke breitete sich Schweigen aus. Seine Offiziere hatten längst ihre Hände von den Touch-Oberflächen genommen. Einige wirkten betreten, andere wütend.
„Admiralin ...“
„Commodore“, unterbrach Jansen ihn. „Ich habe das Schlachtgeschehen live verfolgt. Mir ist durchaus klar, dass gewisse Vorwürfe unfair sein mögen. Captain Ishida, Commander Akoskin, gute Arbeit. Trotzdem gelten die IONE KARTESS, die SJÖBERGS UNTERGANG und die Hälfte der JET-Schiffe als verloren. Die Stimme befand sich natürlich nicht an Bord des markierten Raumschiffes.“ Sie atmete schwer aus. „Im Kampf mit den Ash’Gul’Kon gilt es, alles zu bedenken, jeden potenziellen Schachzug einzukalkulieren.“
Jayden erhob sich, trat an den Rand des Kommandopodestes und stützte seine Arme darauf ab. Das Licht wechselte von Rot zu hellem Gelb; die neuen bioelektrischen Polymer-Photolumineszenzstreifen - kurz: Polyphotostreifen - erschufen einen wärmeren Schein, als die alten Leuchtstreifen.
„Ich übernehme die volle Verantwortung, Ma‘am“, sagte Jayden. „Als Commodore hätte ich das große Ganze im Auge behalten müssen und dazu gehört es auch, alle Raumschiffe vollständig in den taktischen Verband zu integrieren.“
Jansen seufzte so schwer, als habe sie gerade ein stundenlanges Gespräch im Admiralsrat hinter sich. „Warum glaubt eigentlich immer jeder, dass ich das hören will? Commodore, es ist mir in dieser Phase völlig egal, wer die Schuld trägt. Mir ist durchaus bewusst, dass das Debakel durch ein bestimmtes Raumschiff entstand. Im Gefecht macht das jedoch keinen Unterschied. Sie müssen Ihre Kommandanten unter Kontrolle bringen.“ Sie lächelte böse. „Jetzt merken Sie mal, wie das ist. Sie haben mir und Santana auch ständig graue Haare beschert.“ Sie warf einen Blick auf ein Pad, das ihr gereicht wurde. „Aha, ich sehe schon, eine weitere Sitzung steht an. Das wird wieder lustig. Übrigens hat Admiral Pelsano das nächste Gefechtsszenario programmiert. Viel Spaß damit. Jansen, Ende.“