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Commodore Jayden Cross befindet sich in der Gefangenschaft von Imperator Sjöberg, der seinen lange angestauten Hass an dem Gefangenen auslässt. Das Symbol der Solaren Republik soll endgültig gebrochen werden, um es neu zu formen. Unterdessen übernimmt ein neuer Commodore das Kommando über den HYPERION-Verband, ausgewählt von der Präsidentin selbst. Der Auftrag: Kontakt zu den überlebenden Assassinen herstellen. Eine Mission, die in Lukas Akoskin Erinnerungen an dunkle Zeiten wachruft. Dies ist der zweiunddreißigste Roman aus der Serie "Heliosphere 2265".
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Seitenzahl: 166
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Table of Contents
„In der dunkelsten Stunde“
Was bisher geschah
Prolog
Alzir-System, Interlink-Kreuzer HYPERION (angedockt an Alzir-12), 17. August 2268, 07:30 Uhr
Sol-System, Terra, SOL-CENTER in Paris, 22. August 2268, 00:14 Uhr
IL HYPERION, Im Interlink-Flug, Bereitschaftsraum des Captains, 01. September 2268, 09:11
Vor 22 Jahren (2246)
Sol-System, Terra, Paris, SOL-CENTER, 8. September 2268, 17:46 Uhr
IL HYPERION, Im Anflug auf das Intermédiare-System, 22. September 2268, 10:03 Uhr
Vor 18 Jahren (2250)
Sol-System, Terra, SOL-CENTER, 09. September 2268, 11:03 Uhr
Intermédiare-System, IL HYPERION, 22. September 2268, 11:55 Uhr
Vor 14 Jahren (2254)
Sol-System, Terra, SOL-CENTER, 22. September 2268, 12:44 Uhr
Intermédiare-System, Kampfkreuzer der OA, 22. September 2268, 13:05 Uhr
Vor 10 Jahren (2258)
Sol-System, SOL-CENTER, Ebene 13, 22. September 2268, 15:08 Uhr
Intermédiare-System, IL HYPERION, 22. September 2268, 15:14 Uhr
Vor 10 Jahren (2258)
Sol-System, Terra, SOL-CENTER, 22. September 2268, 16:23 Uhr
Intermédiare-System, IL HYPERION, 22. September 2268, 17:44 Uhr
Vor 3 Jahren (2265)
Sol-System, Terra, SOL-CENTER, 22. September 2268, 17:45 Uhr
Alzir-System, IL HYPERION, Im Anflug auf Alzir-12, 14. Oktober 2268, 09:38 Uhr
Epilog I - Ein kurzes Flüstern
Epilog II - Team-Up
Epilog III - Wir brauchen Hilfe
Vorschau
Nachwort
Die Charaktere von Heliosphere 2265
Impressum
Heliosphere 2265
Band 32
von Andreas Suchanek
Anfang des Jahres 2268 herrscht Chaos in der Milchstraße. Das übermächtige Solare Imperium, mit Imperator Björn Sjöberg an der Spitze, hält seine Welten im Würgegriff. Gleichzeitig greifen die zurückgekehrten Ash’Gul’Kon, Spinnenskorpione, die ihrem temporalen Gefängnis entkommen konnten, alle Völker an.
Um überhaupt eine Chance gegen die Gegner zu besitzen, versucht die Präsidentin der aus der Rebellion entstandenen Solaren Republik, Jessica Shaw, eine Allianz zwischen den kleineren Sternennationen zu formen. Parliden, Aaril, Rentalianer und die Kybernetiker sollen mit der Republik in einer interstellaren Gemeinschaft vereint werden. Doch das Ziel ist fern, die Hürden groß.
Fernab der Politik formt die Space Navy einen Verband, bestehend aus der SJÖBERGS UNTERGANG, der IKARUS, der IONE KARTESS und der HYPERION für eine neue Mission. Im NORTHSTAR-System kommt es zu einem Kampf gegen einen imperialen Schiffsverband unter dem Kommando von Admiralin Kendra Ironstone. Während seine Leute entkommen, ergibt sich Commodore Cross der Admiralin, erschießt sich jedoch kurz vor der Gefangennahme selbst. Einzig dem bioneuralen Tattoo in seinem Körper ist es zu verdanken, dass die Verletzungen geheilt werden können. Er wird an Imperator Sjöberg übergeben.
Im Alzir-System hat Alexis Cross erfolgreich den Körper mit Präsidentin Shaw getauscht, ihre Intrige ging auf. Damit regiert sie als Staatsoberhaupt die Republik und kennt nur ein Ziel, das sie rücksichtslos verfolgt: Sie will Republik und Imperium vereinen. Um Chaos zu säen, entlässt sie Isa Jansen. Die Admiräle Juri Michalew und Yoshio Zhang werden wieder in den Rat eingegliedert. Nun steht die größte Herausforderung an. Sie muss verhindern, dass die Interstellare Allianz Realität wird ...
In einem Moment schwebte das andere Raumschiff noch neben ihnen, beschleunigte mit Höchstwerten, um die Eintauchgeschwindigkeit von 0,75 LG für den Interlink zu erreichen. Im nächsten war es fort, verging in einer lautlosen Explosion. Der Anblick fesselte Commodore Jayden Cross auf eine fast perfide Weise.
Wie ein überdimensionaler Sturm aus Feuer, der in der Dunkelheit des Alls entstand, voller Energie und Kraft, entblätterte sich die tödliche Blüte.
„Die IKARUS ist zerstört“, sagte Commander Lukas Akoskin. Eine Offensichtlichkeit, die er nicht hätte aussprechen müssen.
„Damit gibt es nur noch uns“, fügte Ishida hinzu. Seine I.O. wirkte gefasst, einzig in ihren Augen sah er die Angst. „Was sollen wir tun?“
Sie richtete die Frage völlig unnötigerweise an ihn. Woher sollte er das wissen? Bis vor wenigen Stunden war er Gefangener des Imperiums gewesen, eingekerkert in eine winzige Zelle. Nahrungs- und Schlafentzug waren nur zwei der perfiden Methoden, mit denen Sjöberg ihn hatte brechen wollen.
Von dem Verband, mit dem Ishida irgendwie das Kunststück zuwege gebracht hatte, in das Sol-System einzudringen, existierte nur noch die HYPERION. Wie lange das so blieb, war fraglich.
„Warum haben Sie das getan?!“ Er konnte es nicht verhindern. Die Worte entschlüpften seiner Kehle. Eine Anklage, die Wut kanalisierte und widerspiegelte. „Ich war bereit, zu sterben!“
Der Boden erzitterte. Die üblichen Geräusche, die er schon viel zu oft gehört hatte, drangen an Jaydens Ohr. Deckplatten, die herabfielen. Kondensierende Kühlflüssigkeit, die verströmt wurde. Überschlagblitze, die zwischen elektronischen Elementen hin und her schossen.
Es zischte. Dann roch er verbranntes Fleisch. Akoskin war in seinem Sitz zusammengesunken, eine verkohlte Stelle auf Brusthöhe. Task lag bereits am Boden, ein Trümmerstück ragte aus dem Bauch des Navigators. Ohne Autopilot wären sie längst Geschichte.
Jane Winton, die neue Sensorspezialistin, lag mit gebrochenem Genick neben ihrem Konturensessel. Einzig Michael Larik hämmerte noch immer wie wild auf seine Kommunikationskonsole ein.
„All die Toten sind unwichtig“, sagte Ishida. „Wir tun das für Sie!“
Entsetzt erhob sich Jayden aus dem Sitz. Die Haltegurte verschwanden einfach. „Was reden Sie da?“
Er stolperte, brach in die Knie. Vor ihm lag Lieutenant Commander Tess Kensington. Ihr Körper war halb menschlich, halb Ash’Gul’Kon. Die Augen, eines davon schwarz wie Kohle, eines humanoid, schienen ihn zu durchbohren. „Aber so ist es doch, Commodore. Um Sie herum sterben alle. Nur Sie scheinen ewig zu leben.“
Ishida war plötzlich da. „Wir alle kämpfen, aber Sie haben aufgegeben.“ Sie hielt ihm den Pulser gegen die Schläfe. „Wollen Sie noch mal abdrücken? Sie Feigling.“
Dann standen sie alle auf.
Die Toten, die Verletzten, die Zerstörten, erhoben sich. Anklagende Blicke richteten sich auf Jayden, verhöhnten ihn für sein Versagen. Sie kamen näher. Schläge prasselten auf seinen Körper ein. Irgendwann zog sich sein Geist zurück. Er ließ es geschehen.
Imperator Björn Sjöberg saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem bequemen Sessel. In der einen Hand hielt er eine Tasse aus hauchdünnem weißen Porzellan, auf der das Emblem des Imperiums prangte. In der anderen einen Keks. Genüsslich biss er hinein und spülte den krümeligen Teig mit einem Schluck des wertvollen Nachtschattentees aus dem japanischen Sektor hinunter.
Eine transparente Wand trennte ihn von dem klinisch sauberen Labor, in dem Abigail Rosen in Jayden Cross einen weiteren Albtraum auslöste. Hier im Beobachtungsraum war es gemütlich. Edler Teppichboden, ein hochauflösendes Holoband, Massagesessel.
Neben Björn saß Harrison Walker, der Chef der I.S.P. und sein engster Vertrauter seit den Tagen vor dem coup d‘etat. Das dichte schwarze Haar seines Freundes wurde langsam etwas lichter, was aber nur wenigen auffiel. Die Haut war so wachsbleich wie eh und je. Natürlich trug er die typische rabenschwarze Uniform der Inner Security Police. Auf der linken Brustseite leuchteten die mit silbernen Lumineszenzfasern aufgestickten Initialen I.S.P., am Kragen wiesen ihn Abzeichen als den Mann an der Spitze des staatlichen Sicherheitsapparates aus.
„Wie viele davon hat er jetzt hinter sich?“, fragte Björn.
„Sechsunddreißig“, erwiderte Harrison. „Das Mapping ist übrigens abgeschlossen. Die Neuronale Restrukturierung kann jederzeit beginnen.“
Björn stellte die Tasse ab. „Zuerst will ich noch meinen Spaß mit ihm haben. Dieser Mann wird – wenn ich mit ihm fertig bin – körperlich und geistig gebrochen sein. Aber vorher wird er sich wünschen zu sterben. Der Unterschied zwischen Realität und Virtualität wird danach für ihn nicht mehr erkennbar sein. Dann ist er nur noch eine sabbernde dumme Hülle.“ Der Hass sprudelte förmlich aus ihm heraus. „Erst dann werden wir ihn so verändern, dass er zu einem folgsamen Schoßhündchen wird.“ Er seufzte. „Er wird höchstpersönlich auf der EMPIRE den Auslöser für die Salve betätigen, die die NOVA-Station in Trümmer sprengt.“
„Ein schöner Gedanke“, sagte Harrison. Er hatte weder sein Gebäck noch den Tee angerührt. Typisch für ihn. Der Mann entwickelte sich zum Asketen. „Ich habe weitere Rückmeldungen von Alexis erhalten.“
„So?“
Harrison nickte kurz und abgehackt. „Die Verhandlungen für die Interstellare Allianz haben begonnen. Sie wird dafür Sorge tragen, dass sie scheitern.“
Björn musste sich eingestehen, dass er die Mutter von Cross unterschätzt hatte. Die Frau hatte Format. Bereits kurz nachdem die Rebellen sie von Terra entführt hatten, hatte sie einen geheimen Kommunikationskanal ins Imperium etabliert. Und nun war es soweit. Dank der Körpertauschmaschine stand Alexis an der Spitze der sogenannten Solaren Republik. „Wenigstens eine gute Nachricht.“ Er erhob sich. „Die anderen warten?“
„Das tun sie. Die neuesten Berichte sind gerade eingegangen.“
Beinahe hätte Björn das Wort „Ash’Gul’Kon“ ausgespuckt. Er warf noch einen kurzen Blick auf Jayden Cross, der mit Schrammen und blauen Flecken übersät auf der Liege festgeschnallt war. Sein Körper war ausgemergelt. Sofort besserte sich Björns Laune. Cross war der Beweis: Am Ende gewann er, der Imperator, doch immer wieder. Ein von Gravitationsschlünden zerfressenes Alzir-System, die vollständige Kontrolle über die Welten der ehemaligen Union und eine tote Außenministerin der Republik zeugten davon. Die Gefangennahme von Jayden Cross – dem Symbol der Freiheit und des Widerstands – war ein weiterer Sieg.
Gemeinsam mit Harrison verließ er Ebene 13 des SOL-CENTER.
(3 Monate nach der Schlacht im NORTHSTAR-System)
Commander Lukas Akoskin erreichte das Schott zu CARAs Serverraum nahezu gleichzeitig mit der Kommandantin der HYPERION.
Captain Noriko Ishida wirkte müde. Ihr bis zur Hüfte reichendes schwarzes Haar war zerzaust, als habe sie sich in Rekordzeit in ihre Uniform geworfen. Die leicht geröteten Wangen betonten die Wut, die in ihrem Gesicht stand. „Sie wurden auch herbeordert?“
Lukas nickte. Glücklicherweise hatte er seine Schicht auf der Kommandobrücke bereits wieder angetreten. Während der Sekundäroffizier die Taktikkonsole übernahm, war er hierher geeilt. „Die L.I. hat deutlich gemacht, dass es dringend ist.“
Das Schott glitt mit einem pneumatischen Zischen zur Seite und gab den Blick auf eine unerwartete Szene frei.
Giulia Lorencia, die Chefingenieurin der HYPERION, stand mit in die Hüfte gestemmten Armen vor einem breitschultrigen hochgewachsenen Mann. Alpha 365 wartete ein wenig abseits und beobachtete alles stoisch-gelassen.
Bei ihrem Eintreten wandten sich alle Blicke Ishida und Lukas zu. Seine Retinaimplantate erfassten sofort die biometrischen Daten aller im Raum Anwesenden und glichen sie mit seiner implantierten Datenbank ab. Taktische Algorithmen entwarfen automatisch Kampfszenarien. Die erweiterten Muskeln in seinem Körper spannten sich an.
Dann kam das Ergebnis.
Bevor Ishida etwas sagen konnte, flüsterte er ihr aus dem Mundwinkel zu: „Das ist Commodore Cliff Hawking.“
Sie nahm die Information ohne ein Wort zur Kenntnis.
„Schön, dass Sie sich auch noch zu uns gesellen, Captain Ishida“, sagte Hawking mit eiskalter Stimme. Er hatte kurzes schlohweißes Haar und kalte blaue Augen. Seine Gesichtszüge wirkten von Nahem noch kantiger.
„Commodore“, sagte Ishida und grüßte militärisch. „Man hat mir lediglich mitgeteilt, dass Sie der neue Oberbefehlshaber des Verbands sind. Ich wusste nicht, wann Sie Ihren Antrittsbesuch absolvieren.“
„Das Vorrecht des Befehlshabers“, stellte er emotionslos klar. „Eine Anmeldung ist nicht notwendig.“
„Gehört aber zum guten Ton“, gab Ishida Kontra.
Lukas konnte förmlich spüren, wie die Anspannung im Serverraum stieg. Und dazu musste er keins seiner Inserts bemühen, die er als ehemaliger Assassine trug.
Hawking lächelte. Ein Lächeln, das dem eines Hais glich, kurz bevor er seine Beute in blutige Fetzen riss. „Captain Ishida, mäßigen Sie Ihren Ton. Ich bin von Präsidentin Shaw höchstpersönlich für diesen Posten ausgewählt und ernannt worden. Der laxe Umgang, der unter Cross geherrscht hat, wird bei mir der Vergangenheit angehören. Verstehen wir uns?“
„Absolut, Sir. Ihr Quartier wird bereits vorbereitet. Darf ich fragen ...“
„Das wird nicht nötig sein“, unterbrach er sie unverschämterweise. Lukas wurde klar, dass der Mann nicht nur unfreundlich war. Er gab nichts auf das Protokoll und schien es darauf anzulegen, Ishida zu provozieren. „Als Ersatz für die zerstörte SJÖBERGS UNTERGANG wird dem Verband die IVO COEN zugeteilt. Sie wird mein Flaggschiff sein.“
„Er ist hier, um CARA zu isolieren“, warf Lorencia ein. Sie glich einer Furie, die kurz davor stand, sich auf den Commodore – und die beiden Techniker in seiner Begleitung – zu stürzen.
„Wie bitte?“, fragte Ishida.
„Auf Befehl der Präsidentin wird die Künstliche Intelligenz CARA in ihren Speicherbänken isoliert. Meine Männer haben bereits die Hardwareverbindungen getrennt. Die einzige Verbindungsmöglichkeit besteht nun noch in den Drahtlosports, die jetzt mit einer Sicherheitsplombe versiegelt werden.“
„Warum wurde ich darüber nicht informiert?“ Ishidas Stirn umwölkte sich.
„Das tue ich doch hiermit.“
„Gemäß dem Protokoll muss der Captain eines Raumschiffes über massive Eingriffe in die interne Infrastruktur 24 Stunden vorher informiert werden!“
Hawking lächelte wieder, dieses Mal arrogant. „Nun, über den Begriff ‚massiv‘ lässt sich streiten. Aber bitte, Sie können gerne eine Beschwerde bei der Admiralität einreichen.“
Über die Jahre in seiner Tarnidentität als Macho hatte Lukas sich ein hohes Maß an Selbstbeherrschung antrainiert. Es kostete ihn viel Überwindung, diese jetzt aufrechtzuerhalten. In solchen Augenblicken verfluchte er militärische Hierarchien.
Hawking gab seinen Männern ein Zeichen, die daraufhin auf die Elektronikkomponenten zutraten.
Lorencia wollte eingreifen, doch die Kommandantin hielt die Chefingenieurin zurück.
Während die zwei Techniker arbeiteten, wandte Hawking sich Alpha 365, Ishida, Lorencia und Lukas zu. „Ich mache es kurz. Wie bereits erwähnt wird die IVO COEN mein neues Flaggschiff. In Absprache mit der Präsidentin wird es dem rentalianischen Raumschiff LU-Irgendwas verboten, weiter Teil der Formation zu bleiben. Das hier ist ein menschlicher Verband und kein Zirkus. Die Alpha-Einheiten werden zum neuen MINDLAB gebracht, wo die Technik der Schiffe untersucht wird. Da die Alpha-Kommandanten eine unbekannte Variable darstellen, wird ihnen das Kommando entzogen. CARA wird auf unbestimmte Zeit isoliert, da sie schwer einzuschätzen ist und bei mehr als einer Gelegenheit Unzuverlässigkeit bewiesen hat.“ Er schaute in die Runde, als erwarte er Widerspruch. Da niemand etwas sagte, nickte er zufrieden. Die Techniker waren fertig. „Schön, ich begebe mich auf mein Schiff. In den nächsten Tagen erhalten wir neue Einsatzorder. Bis dahin werden alle Raumschiffe in Gefechtsszenarien die neue Gefechtsdoktrin testen. Aus den Ergebnissen erstelle ich ein internes Ranking, die Punkte haben außerdem Einfluss auf die zukünftigen Beurteilungen.“
Er nickte kurz, dann eilte er hinaus.
Als das Schott einrastete, fuhr Ishida herum. „Alpha.“ Sie trat an ihn heran und ergriff seinen Arm. „Sorgen Sie dafür, dass alle Kommandooffiziere erfahren, was hier gerade geschehen ist. Ich muss mit Tauser und Petrova darüber sprechen.“
„Aye, Ma’am.“
„Giulia“, sie wandte sich an ihre Lebensgefährtin. „Was auch geschieht, du machst einstweilen nichts an CARAs Speicherbänken. Keine Überbrückung oder so etwas.“
„Aber ...“
„Er wartet genau darauf.“
„In Ordnung.“
„Mister Akoskin, wir müssen in den Holokonferenzraum. Schnell.“
Gemeinsam hasteten sie aus dem Serverraum und durch das Schiff. Die letzten Arbeiten an der HYPERION waren nach der fatalen Beschädigung im NORTHSTAR-System erst vor wenigen Tagen abgeschlossen worden.
Das Raumschiff konnte diesmal allerdings nicht von den neuen Gefechtsköpfen, verbesserter molekular verdichteter Hüllenpanzerung und anderen Upgrades profitieren. Stattdessen waren die Instandsetzungsarbeiten auf das Notwendigste reduziert worden.
Auf Befehl von ganz oben. „Ich frage mich, was da vorgeht“, sagte Ishida. „Zuerst wird Jansen entlassen, dann werden wir gerade mal so irgendwie zusammengeflickt und nun erhalten wir ausgerechnet Hawking?“
Lukas griff auf die Eintragungen in seiner Datenbank zu. „Er ist ein hoch dekorierter Commodore, der sich in der Schlacht bei NOVA hervorgetan hat. Pendergast und Jansen verzichteten jedoch darauf, ihm ein wichtiges Kommando zuzuteilen, weil er von seinen Einstellungen eher rechts der Mitte liegt.“
„Sehr diplomatisch ausgedrückt.“ Sie stiegen in den multidirektionalen Lift. „Die Aussage ist glasklar. Die Präsidentin vertraut uns nicht mehr. Damit könnte ich sogar leben. Aber die Isolation von CARA …“
„Was haben Sie vor?“
Der Lift erreichte sein Ziel.
Sie stürmten geradezu über die Brücke hinein in den Holokonferenzraum. Abgesehen von schwarzen Bodenplatten, ebensolchen Wänden und einer schuldbewusst dreinschauenden Sarah McCall war der Raum leer.
Lukas schluckte.
Seitdem sie beide ihre Affäre wieder aufgenommen hatten, verging kaum eine Nacht, in der sie nicht wild und hemmungslos übereinander herfielen. Es war wilde ungezügelte Leidenschaft, die dafür sorgte, dass sie sich beide lebendig fühlten. Da der Körper von McCall ebenfalls Inserts aufwies – obgleich die sich lediglich auf Muskelerweiterungen und Robustheit von Knochen und Haut bezogen –, musste er nicht vorsichtig sein. Darunter hatte bereits das eine oder andere Möbelstück gelitten.
Mit einem Kopfschütteln verbannte er die Gedanken.
„Ist sie noch frei?“, fragte Ishida geradeheraus.
„Wie bitte?“ Wie dahingezaubert lag der Bambiblick auf Sarahs Gesicht.
„Keine Spielchen jetzt, wir haben nicht viel Zeit“, sagte Ishida beschwörend. „Ist Tess noch frei?“
In einem Regen aus Photonen materialisierte sich das Holoabbild von Kensington. „Das bin ich. Meine Algorithmen befinden sich in einem sekundären Speichercluster, den Hawkings Techniker nicht angetastet haben. Sie wussten nichts von mir. Vermutlich hat Admiralin Jansen vergessen, das zu erwähnen, bevor sie aus der Navy entlassen wurde.“
Lukas atmete synchron mit der Kommandantin auf.
„Sehr gut“, sagte Ishida. „Halten Sie Ihre Präsenz soweit es geht bedeckt. Nur die Brückenoffiziere dürfen wissen, dass Ihre Speichereinheit nicht isoliert wurde. Wie geht es CARA?“
„Ich kann über ein unidirektionales Interface Daten an sie schicken, aber Antworten kommen nicht durch.“
„Klären Sie sie bitte darüber auf, dass diese Idee von keinem unserer Leute stammt und dass ich persönlich alles tun werde, um sie dort wieder herauszuholen. Das ist ein Versprechen. Sie muss nur etwas durchhalten.“
„Werde ich tun.“
„Gut.“ Ishida ließ per Gestensteuerung ein Terminal aus dem Boden fahren. Sie nahm diverse Eingaben vor, Feedbackgeräusche von Icons ertönten. Dann materialisierte das Gesicht eines Alpha-Kommandanten.
„Was kann ich für Sie tun, Kommandantin Ishida?“
Der Mann glich Alpha 365 frappierend. Nach der Gefangennahme von Jayden Cross hatten sich die Alpha-Kommandanten – auf den Befehl des Commodores – Ishida unterstellt.
„Sie müssen den Verband sammeln und das System verlassen“, sagte die Kommandantin ruhig. „Bisher wurde keiner von Ihnen in unser Militär eingegliedert, daher unterstehen Sie nicht der Befehlshierarchie der Navy. Man will Ihre Schiffe untersuchen und Sie alle gefangen nehmen.“
„Ich verstehe.“
„Mit diesem Kommunikationsstrom sende ich Ihnen die Daten eines Sonnensystems. Warten Sie dort, bis ich mich wieder bei Ihnen melde.“
„Verstanden.“
Sie unterbrach die Verbindung.
Minuten später konnten sie in der aktivierten Außenübertragung verfolgen, wie sich der gesamte Verband in Bewegung setzte.
„Vermutlich bekommen gerade ein paar hohe Würdenträger einen Herzinfarkt“, kommentierte Sarah. Sie grinste.
Ishida ging nicht darauf ein. Sie wusste ebensogut wie Lukas, dass es keines Genies bedurfte, um sie hinter der Abreise der Alpha-Kommandanten zu vermuten. Glücklicherweise beging sie damit keine Straftat. Die Kommandantin schüttelte kurz den Kopf, dann etablierte sie eine weitere Verbindung.
Das hundeähnliche Gesicht eines Aliens erschien in der Holosphäre. „Ich grüße Sie, Noriko.“
„Hallo Lu. Mir wurde soeben eine schlechte Nachricht überbracht.“
„Wir wurden bereits informiert“, erwiderte der Rentalianer. „Man möchte uns nicht länger im Verband haben.“
Noriko nickte. Lukas wusste, dass die Rentalianer mittlerweile ebenso mit menschlicher Gestik vertraut waren, wie sie umgekehrt mit den wichtigsten Gefühlsäußerungen der Hundealiens. „Wir wissen nicht, was hinter den Kulissen geschieht. Aber etwas hat sich verändert.“
„Der Rudelführer ist nicht erfreut“, sagte Lu. „Die Verhandlungsteilnehmer erreichen nur sehr schwierig Teilerfolge und eure Präsidentin erschwert die Verhandlungen massiv. Es wirkt, als habe sie ihre Entscheidung überdacht, eine Allianz zu gründen und torpediere das gesamte Verfahren nun.“
„Die LU wird also abfliegen?“, fragte Ishida.
„So ist es.“ Er jaulte auf, ein Zeichen von Trauer. „Doch ihr habt in der Besatzung der LU-MEN-SO-FI Freunde gewonnen. Falls ihr einmal Hilfe benötigt, zögert nicht, uns zu kontaktieren.“
„Das werden wir tun. Und umgekehrt gilt dasselbe. Es war uns eine Freude, die Rentalianer an unserer Seite zu haben. Vielleicht wird das eines Tages ja Normalität sein.“
Sie verabschiedeten sich, dann unterbrach Lu die Verbindung.
„Es wirkt ein wenig, als schlage die Präsidentin gerade alles in Scherben“, kommentierte Lukas. „Was werden wir als Nächstes tun?“
„Gefechtsszenarien durchführen“, sagte Ishida. „Viel mehr bleibt uns nicht übrig.“
Gemeinsam gingen sie zum Ausgang. Das Tesshologramm entmaterialisierte.
„... sie hat sich wirklich sehr verändert“, murmelte Sarah. Sie wirkte besorgt. „Und so abrupt.“
„Alles in Ordnung?“, fragte Lukas.
„Alles bestens“, sagte sie.
Sie betraten die Kommandobrücke. Der graue Alltag ging weiter.
*
Commodore Jayden Cross saß in der fünf auf fünf Quadratmeter großen Zelle, kauerte auf seiner Pritsche. Abgesehen von grauen Betonwänden gab es nichts zu sehen oder zu tun; nichts, was sein Denken beschäftigte. Wochen waren vergangen, seit er erwacht war.
In vielen schlaflosen Augenblicken verfluchte er das Bioneurale Tattoo. Das verdammte Ding hielt ihn am Leben. Und nicht nur das, die Wissenschaftler rund um Abigail Rosen hatten ein altes Virtualitätsgerät ausgegraben und modernisiert. Er konnte gar nicht zählen, wie oft sie ihn über die Kontaktpods bereits damit verbunden in virtuelle Albträume geschickt hatten.