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Die HYPERION beginnt mit der Erkundung des fremden Raums der Ash'Gul'Kon. Hier sollen Tess Kensington befreit und Informationen über die Spinnenskorpione und ihre Herkunft gesammelt werden. Dabei erwartet die Crew ein überraschendes Wiedersehen. Unterdessen sieht sich die Allianz mit einer Invasion auf ihrem Gebiet konfrontiert. Dies ist der 37. Roman aus der Reihe "Heliosphere 2265".
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Seitenzahl: 142
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Heliosphere 2265
Band 37
von Andreas Suchanek
Ende des Jahres 2268 steht die Menschheit am Abgrund. Der übermächtige Imperator Björn Sjöberg konnte bei einem Staatsstreich im Februar 2266 die Macht an sich reißen. Im Würgegriff von Überwachung, Geheimpolizei und absoluter Kontrolle gibt es auf den Kolonien der ehemaligen Union keine Freiheit mehr.
Nach zahlreichen Rückschlägen, verlorenen Freunden, Kämpfen und Gefangenschaft erscheint für die aus den Rebellen hervorgegangene Solare Republik endlich ein Lichtblick am Horizont. Präsidentin Jessica Shaw ist es gelungen, die Interstellare Allianz zu gründen. Gemeinsam mit den Rentalianern, den Parliden, den Aaril und den Kybernetikern bildet die freie Menschheit eine Schicksalsgemeinschaft.
Doch die gute Nachricht wird getrübt. Die Ash’Gul’Kon, Spinnenskorpione, die Äonen in einem Tachyonengefängnis eingeschlossen waren und im November 2267 entkommen sind, holen zum großen Schlag aus. Ein lange vorbereiteter Plan wird umgesetzt. Die Tachyoneneinheit, bestehend aus zwei genetisch manipulierten Menschen, soll die Zeit im Bereich aller besiedelten Planeten der galaktischen Völker einfrieren, um den Ash’Gul’Kon den letzten Vernichtungsfeldzug zu ermöglichen.
Die HYPERION fliegt ins System der feindlichen Aliens und verändert erfolgreich die Zieleinstellung des Geräts. Während den Welten der Allianz damit eine Ruhephase vergönnt ist, werden die Spinnenskorpione sowie das Imperium in der Zeit eingefroren.
Commodore Jayden Cross, Commander Noriko Ishida und die Crew der HYPERION können dank eines im Schiff integrierten Neutralisators so den fremden Weltraum erkunden, bewegen sich dabei aber massiv verlangsamt gegenüber dem normalen Zeitablauf außerhalb des Ash’Gul’Kon-Gebietes.
Kurz vor der endgültigen Sicherheit für die Republik gelingt es einer Flotte aus Schiffen der Spinnenskorpione, in eines der Allianzsysteme einzufallen. Damit steht erneut alles auf dem Spiel. Denn mit dem Feind im eigenen Raum könnte der erste Dominostein fallen und in einer Kettenreaktion die gesamte Allianz in den Abgrund reißen.
Die HYPERION fliegt durch den Schlund in jenen Bereich, der viele Jahrhunderte eingeschlossen war. Hier sollen Tess Kensington befreit und Antworten auf die Fragen zum Fortpflanzungsvirus gefunden werden.
Doch kurz nach dem Einflug bricht ein Raumschiff aus dem übergeordneten Phasenraum hervor. Die HYPERION und das unbekannte Schiff sind auf Kollisionskurs.
»Ausweichmanöver!«
Instinktiv hielt Jayden den Atem an. Das fremde Schiff, auf dessen Seite der Name JAYDEN CROSS II deutlich erkennbar war, steuerte frontal auf sie zu.
Die Finger von Lieutenant Peter Task flogen so schnell über die Konsole, wie es nur einem Menschen gelingen konnte, der die Navigation intuitiv beherrschte. Die HYPERION fiel seitlich weg. Das andere Raumschiff hielt sich an das Protokoll und kippte zur gegenüberliegenden Seite.
Wenige hundert Meter voneinander entfernt, passierten beide Raumer einander.
Jayden merkte erst jetzt, dass er den Atem angehalten hatte. Nun atmete er aus und versuchte, seinen rasenden Puls zu beruhigen. Die Bezeichnung des fremden Raumschiffs …
Er schluckte.
Vor gut einem Jahr war die JAYDEN CROSS zusammen mit ihrer Kommandantin – Captain Kirby Belflair – verschwunden. Nach einer Attacke der Assassinen hatte sich jede Spur verloren. Die Worte Yuna Ishidas, ausgesprochen Tage zuvor auf der NOVA-Station, kamen ihm in den Sinn: Manchmal findet man das, was man am meisten liebt, dort, wo man es am wenigsten erwartet.
Doch ein Liberty Kreuzer sah anders aus als das, was vor ihnen im All schwebte. Das Raumschiff wirkte wie ein in die Länge gezogener Schwerer Kreuzer. Ein schmales Vorderteil ging in angeflanschte Antriebssegmente über.
»Status«, sagte Captain Noriko Ishida, die Kommandantin der HYPERION, nachdrücklich.
»Transponder ausgelesen«, meldete Lieutenant Commander Jane Winton. »Es ist die JAYDEN CROSS II. Allerdings ergeben die zusätzlichen Metadaten keinen Sinn.«
»Weshalb?«, fragte er.
»Laut der Daten ist das Schiff auf dem Mars angefertigt worden. Vor wenigen Tagen. Zuständig zeichnen das Raumkommando sowie eine Sicherheitsabordnung von ZENTRUM.«
Ein Schauer jagte über Jaydens Rücken. Es gab wohl kaum jemanden, der diese Bezeichnungen aus der Ära der Freeman-Diktatur nicht kannte, wurden sie doch im Geschichtsunterricht ausführlich besprochen.
»Sir«, ergänzte Winton. Mit einer fahrigen Bewegung strich die »alte Dame der Raumfahrt«, wie sie mittlerweile an Bord genannt wurde, ihr schulterlanges hellblondes Haar zur Seite. »Die Sensoren haben ein zweites Raumschiff erfasst, das per Traktorstrahl an die JAYDEN CROSS II gekoppelt ist. Laut Transponder handelt es sich um die DARK KNIGHT.«
Ishida starrte mit verblüfftem Gesicht zur Sensorspezialistin. »Captain Aurys Schiff?«
»Ganz genau.«
Jayden erinnerte sich noch gut an den Augenblick, als das Raumschiff des Piratencaptains gegen die EMPIRE gekämpft hatte, um dem Alpha-Centauri-Verband die Flucht zu ermöglichen. Aury hatte dazu beigetragen, dass Jayden aus der Gefangenschaft des Imperiums befreit werden konnte. Kurz vor der Zerstörung verschwand das Schiff in einem violetten Riss, der plötzlich mitten im All aufgetaucht war.
»Wir werden gerufen«, meldete Lieutenant Commander Michael Larik. Der Marsianer schwieg einen Augenblick, betrachtete die Daten auf seinem Terminal sehr eingehend. »Angeblich von einer Captain Belflair.«
»In die Holosphäre«, befahl Jayden, wobei seine Stimme ärgerlicherweise kratzig, ja, heiser klang.
In einem Regen aus Photonen erschien ein vertrautes Antlitz. Schweigen senkte sich auf die Kommandobrücke herab, gespiegelt von der Stille auf der anderen Seite. Niemand sagte ein Wort, als habe jeder Angst davor, die Erhabenheit des Moments zu zerstören.
Jaydens Universum wurde reduziert auf sie … Kirby. Sie hatte sich kaum verändert. Ihr dunkelblondes Haar war wie immer zu einem kecken Pferdeschwanz gebunden, Lachfalten umrahmten die Augen. Ein paar winzige Sommersprossen bedeckten ihre Nase, worüber sie sich ständig aufregte. Er durfte sie nie darauf ansprechen.
Der Moment erschien ihm unwirklich. Natürlich hatte er gehofft, Tage, Wochen, dann Monate. Am Ende hatte er ihren Verlust bereits fast akzeptiert. Yuna Ishidas Bemerkung war ihm mehr wie ein Versuch des Trostes erschienen. Doch nun war sie da. Einfach so. Hier.
Er wollte etwas sagen. Einen lockeren Spruch, der die Spannung auflöste. Stattdessen sagte er leise: »Hi.«
Kirby erschien es nicht anders zu gehen. Sie schluckte und rang nach Worten. »Hi.«
»Dieser Dialog wird in die Annalen der Geschichten eingehen«, kam es prompt von Lieutenant Commander Peter Task. »Eloquent, aussagekräftig, auf den Punkt.«
»Ich schwöre Ihnen, Sie kriegen von mir höchstpersönlich ein zweites Mal den Erios-Virus verpasst, wenn Sie nicht die Klappe halten«, fluchte Sarah McCall. »Das ist so romantisch.«
»Ja, ist klar.Ichbin derjenige, der ständig stört und zickt und Menschen umbringt.«
»Fangen Sie wieder mit den alten Kamellen an?«
»Ruhe!«, fuhr Ishida auf.
»Es scheint, als habe sich auf deinem netten kleinen Schiff nichts verändert«, sagte Kirby prompt.
»Nett?«, echote Jayden. »Klein?«
»Du hast recht.« Sie winkte grinsend ab. »Lass uns nicht über Äußerlichkeiten sprechen.« Kurz darauf wurde sie ernst. »Es ist schön, dich zu sehen.«
»Was ist passiert?«
»Ich denke, das besprechen wir am besten persönlich. Mein Chefingenieur ist noch dabei, unsere Schilde zu stabilisieren. Irgendwie scheint die Galaxis ein wenig in Unordnung geraten zu sein.«
»Also …«
»Nein, lass mich raten«, unterbrach Kirby. »Dafür seid natürlich ihr verantwortlich. Wie immer.«
»Schuldig im Sinne der Anklage«, gab Jayden zu. »Wir haben schließlich einen Ruf zu verlieren.«
Ishida schaltete sich ein. »Captain Belflair, der Außenminister und Diplomat Schnatzberg waren an Bord Ihres alten Schiffes, als sie von der NOVA aufbrachen.«
»Das ist richtig. Beiden geht es gut.« Sie seufzte. »Aber viele andere haben wir verloren. Es war eine schwere Zeit. Wirklich, es gibt eine Menge zu erzählen.« Sie funkelte Ishida an. »Und Ihre Mutter hatte bei alldem die Hände im Spiel.«
»W… Meine …« Ishida starrte Kirby verdutzt und gleichermaßen schockiert an.
»Also das …« Jayden überdachte seine Worte. Er wechselte einen Blick mit Ishida und zuckte die Schultern. »Mal ehrlich, wundert Sie das noch?«
»Ich schlage vor, dass ich zusammen mit meinem I.O. zu euch auf die HYPERION transloziere. Wenn wir unsere Schiffe nahe genug beieinander stationieren, damit die angepassten Schilde sich überlappen, dürfte das kein Problem sein«, schlug Kirby vor.
»Ausgezeichnete Idee«, stimmte er zu.
Larik beendete die Kommunikationsverbindung.
»Commander Akoskin, Sie haben das Kommando.«
Gemeinsam mit Ishida verließ Jayden die Brücke.
Interlink Kreuzer HYPERION, im Gebiet der Ash’Gul’Kon, Schiffszeit: 22. November 2268, 00:25 Uhr
Die Porta des Translokationswurmlochs zerfaserte. Zwischen den goldgelben Funken erschien Jaydens Antlitz. Kirby spürte, wie ihre Handflächen feucht wurden. Es war ihr egal. Tatsächlich genoss sie das Kribbeln in ihrem Magen, den beschleunigten Puls, ihr pochendes Herz.
Wieder breitete sich Schweigen aus.
Jaydens Gesicht wirkte schmaler. Die Uniform saß zwar perfekt, doch er hatte abgenommen, das sah sie sofort. Allerdings auf eine ungesunde Art; er wirkte ausgezehrt. Um die Augen herum lagen Schatten. In seinem erkannte sie eine Schwere, die zuvor nicht da gewesen war. Ein Dreitagebart zierte sein Gesicht. Ein Teil des für ihn so typischen frechen Schalks, den sie so sehr mochte, glitzerte in seinen Augen.
Sie trat von der Plattform.
Neben ihr erklang ein Räuspern. »Commander Aliou Nymba«, stellte Kirbys I.O. sich vor.
»Captain Noriko Ishida«, sagte Jaydens Kommandantin mit einem Aufatmen. Sie ergriff die verbale Rettungsleine sofort. »Warum unterhalten wir uns nicht und überlassen dem Commodore und Ihrer Captain den Raum?«
»Sie müssen nicht …«, versuchte es Jay.
»Ich bestehe darauf, Sir.«
Fluchtartig verließen beide Stellvertreter den Raum.
Das Schott rastete ein.
»Also das …«, sagte er.
Doch Kirby unterbrach die Worte. Mit einem Schritt trat sie nach vorne und zog ihn in eine Umarmung. »Männer!«
Es mochte gegen das Protokoll verstoßen und vermutlich zum Gesprächsthema an Bord werden, aber das war ihm egal. Er erwiderte den Kuss gierig. Wie Ertrinkende klammerten sie sich aneinander.
In seinem Blickfeld wurden Skalen und Daten von seinem BioTat eingeblendet. Der Puls beschleunigte, die Endorphinproduktion stieg an, der Blutdruck ging in die Höhe. Mit einem Gedankenbefehl befreite er das Sichtfeld von allen Anzeigen.
Sie ließen sich fallen und genossen den Moment.
Bis ein Seufzen ausgestoßen wurde.
Aus dem Interkom.
»CARA?«, sagte Jayden.
»Das ist so romantisch«, erklang die Stimme der Junior-K.I., untermalt von einem Schniefen.»Ich habe schon nicht mehr damit gerechnet. Lasst euch nicht stören.«
»Vielleicht gehen wir in mein Quartier«, bemerkte er grummelnd.
Kirby grinste noch immer, als sie bereits auf dem Weg waren. Im Verlauf ihres Abenteuers im Mars-2-System hatte sie oftmals darüber nachgegrübelt, wie ihre Mannschaft wohl nach außen hin wirken mochte.
Ian McAllister, Fähnrich und gleichzeitig L.I., quasi ein Welpe. Zwei weitere Fähnriche auf der Kommandobrücke. Eine Chefärztin, die wahrscheinlich Stahl zerbeißen konnte. Aliou, der ihr anfangs als Aufpasser zugeteilt worden war. Ein Navigator, der ursprünglich Eriin-Pirat gewesen war, was aber fast niemand wusste. Eine Taktik- und Waffenspezialistin, die einen Teil der Krankenstation zerschossen hatte, um das psychologisch-medizinische Subsystem FREUD auszuschalten. Oh, und natürlich eine Kommandantin, deren Schicksal alterniert worden war, die ein BioTat in sich trug und durch eine reine Form von Aetas biologisch unsterblich war.
Hm. Gar nicht so schlecht im Vergleich zur HYPERION. Den Exotik-Wettbewerb gewinnt Jay trotzdem jederzeit.»Du siehst nicht gut aus.«
Er lachte laut auf, nickte im Vorbeigehen zwei Offizieren zu, die daraufhin ebenfalls grinsten. »Sowas hört man immer gerne. Nach einem Jahr.«
»Du dachtest, ich bin tot?«
»Eine Zeit lang, ja. Nun weiß ich, wie du dich gefühlt hast.«
»Ja, weißt du, ich wollte es unbedingt mal ausprobieren.« Sie knuffte ihn in die Seite. »Sag schon, haben die ein Schiff nach mir benannt? Ein Restaurant?«
»Eine Raumstation.«
Kirby blieb entgeistert stehen.
Es bereitete Jayden eine diebische Freude, dass ihre Gesichtszüge entgleisten. »Das war natürlich ein Scherz.«
»Aha, der Mister hat heute seinen humorigen Tag.« Sie setzte sich in Bewegung. »Wer kam nur auf die Idee, dich zum Commodore zu befördern?«
»Hm. Also, ich würde sagen, das waren Admiralin Jansen, die Präsidentin und Pelsano. Allerdings war letzterer in Wahrheit die Kriegshand. Er hat uns nur geholfen, weil er Alexis, meine Mutter, aus dem Weg räumen musste, die den Körper der Präsidentin übernommen hatte.« Zugegeben, ausgesprochen klang das alles ziemlich abenteuerlich, ja, chaotisch.
»Körpertausch? Deine Mutter? Kriegshand?«, fragte Kirby. »Ich war doch nur ein Jahr weg.«
Jayden spürte einen inneren Stich. Sie wusste noch gar nichts. Vom alles verzehrenden Zweifrontenkrieg gegen das Imperium und die Ash’Gul’Kon, all den Ereignissen seitdem. »Hast du nicht mit Captain Aury gesprochen?«
»Nur kurz«, erklärte sie. Sie stiegen in den Lift, der sie zur Kommandobrücke brachte. »Na ja, zuerst mit dem Biokonstrukt, das sich danach in die Luft gesprengt hat. Daher musste ich einen Spaziergang im All unternehmen. Ohne Skinsuit.«
»Bitte, was?«
Sie winkte ab. »Auf jeden Fall hat er erzählt, dass du nun einen neuen Rang bekleidest.«
»Sonst nichts?«
Sie schüttelte den Kopf.
Jayden grinste. Er hob beide Hände in die Höhe und ließ die Linien des Interfaces seines BioTats aufleuchten. »Aufgrund interessanter Umstände kam ich zu einem BioTat. Na, was sagst du?«
»Ich hasse dich«, sagte Kirby trocken.
»Wie bitte?«
Sie hob die Handflächen in die Höhe. Im Inneren waren die schwarzen Linien des BioTats erkennbar. »Ich hab auch eines. Die verwendete Technik dürfte sich allerdings von deinem unterscheiden.«
Sie lachten beide.
Dann wurde sie wieder ernst. »Es gibt ein paar sehr negative Dinge, die ich dir sagen muss. Andererseits …«
Ihr kam eine Idee.
Die Lifttüren glitten auseinander.
Sie betraten die Kommandobrücke. Ein kurzer Gruß in die Runde folgte, dann wandten sie sich nach rechts, wo sein Bereitschaftsraum lag. Erst als die Tür hinter ihnen wieder einrastete, griff Jayden ihre Hüfte. Bestimmt zog er sie zu sich heran. »Wo waren wir?«
Dieser Kuss dauerte länger. Viel länger.
Irgendwann lösten sie sich zögerlich voneinander. »Bevor wir darüber sprechen, in welcher unserer Kabinen wir heute gemeinsam übernachten – und ich schlage definitiv die an Bord meinesneuenSchiffes vor – müssen wir einiges besprechen.«
»Was ist passiert?«, fragte Jayden sofort. »Wo warst du das letzte Jahr?«
Kirby streckte die Hände aus, umschloss die seinen. »Was hältst du davon, wenn ich es dir zeige? Es gibt da eine Technik, die man verwenden kann. Da wir beide ein bioneurales Tattoo besitzen, ginge das. Allerdings muss ich dich warnen. Erinnerungen, Gefühle, nichts bleibt verborgen.«
»Okay.«
»Falls du dich also in der Zwischenzeit getröstet hast …«
Er knuffte sie in die Seite. »Immer noch so frech wie am Anfang.«
»Das fasse ich mal als ›nein‹ auf.«
Sie leitete die Vernetzung ein.
Beide standen in Jaydens Bereitschaftsraum, hielten einander an den Händen und hatten die Augen geschlossen, als die Erinnerungen zum jeweils anderen flossen.
*
Dezember 2268
Die Spezialisten eilten geschäftig zwischen den Terminals hin und her, Offiziere standen dazwischen, prüften Daten und leiteten Befehle weiter, die zügig ausgeführt werden mussten. Neu berechnete Fertigstellungszeiten wurden sofort auf Isas Pad übertragen, wichtige Statusinformationen mit Ton angekündigt.
Ihr gegenüber saß Präsidentin Jessica Shaw. Die mächtigste Frau der Solaren Republik wirkte energiegeladen und strahlte nach außen einen beständigen Strom positiven Elans ab. Isa wollte nicht darüber nachdenken, wie es im Inneren Shaws aussehen musste. Ein Körpertausch, eine Gefangenschaft, ein Mordversuch und eine Beinaheauslöschung innerhalb weniger Wochen konnten jeden noch so starken Menschen bis in die Grundfesten erschüttern. Doch falls das so war, ließ Shaw sich nichts anmerken.
Jessica trug ein blaues Businesskostüm, hatte dazu passende mandarinenfarbene Ohrringe angelegt und untermalte das Ganze mit einem ornamentverzierten rentalianischen Armband.
Ein Icon auf beiden Pads leuchtete auf und riss sie aus den Fortschrittsstudien, für die sie sich in einen Nebenraum des Command-Centers zurückgezogen hatten.
»Ah, darauf habe ich schon gewartet«, sagte die Präsidentin erfreut.
Ein verbaler Befehl reichte aus und das präsidiale System projizierte eine Holosphäre über den Schreibtisch. Drei Parlidenschiffe schwebten, ein gleichschenkliges Dreieck bildend, um einen der Phasendurchbrüche herum. Das taten sie bereits seit vielen Tagen. Gewaltige gravimetrische Verzerrungen gingen von den Raumern aus.
Isa hielt den Atem an.
Ein Wabern glitt über den Phasenraumdurchbruch, das Geschwür im Raum, hervorgerufen von Sjöbergs Dunkler Welle. Es verschwand. Zurück blieb unbeschädigtes All.
»Sie tun es tatsächlich«, hauchte sie.
»In ein paar Wochen gibt es keine Wandertrichter mehr, keine Schlünde«, sagte die Präsidentin. »Kirkov weiß gerade nicht, was ihn getreten hat. Natürlich ist jeder froh über diese Hilfe. Leider kann er jetzt kaum noch Phrasen zu einer ungerechten Verteilung von Ressourcen innerhalb der Allianz dreschen.«
Isa genoss das kurze Gefühl des Triumphs. Wenigstens von politischer Seite schien keine Gefahr zu drohen. Die Verhältnisse waren stabil, das Volk der Republik stand hinter der Präsidentin.
Trotzdem fiel es ihr schwer, sich auf das Positive einzulassen. Die Ash’Gul’Kon und das Imperium waren in der Zeit eingefroren. Bedauerlicherweise stand eine Angriffsflotte der Spinnenskorpione nur wenige Minuten außerhalb des Systems dazu bereit, einzufallen, sobald die Zeit wieder mit normaler Geschwindigkeit ablief. Alle Mitgliedssysteme des Allianzbundes waren kurz vor dem Einsatz der Tachyoneneinheit angegriffen worden.
Der HYPERION-Crew war es zu verdanken, dass es die Interstellare Allianz überhaupt noch gab. Leider hatte nicht jedes Mitgliedsvolk so viel Glück gehabt.
Die Präsidentin deutete Isas Blick richtig. »Gibt es Neuigkeiten?«
»Sie haben sich festgesetzt. Kaum zu glauben, oder? Wir haben Einsatzflotten von fünf Mitgliedswelten, trotzdem schaffen die Ash’Gul’Kon es, einen Brückenkopf zu halten. Irgend so ein riesiger Brüter sorgt beständig für Nachwuchs.«
Die Präsidentin deaktivierte ihr Pad, lehnte sich zurück und ließ mit einem Befehl die Holosphäre verschwinden. »Laut neuesten Berichten haben sie die ersten Raumstationen und Habitate gestürmt. Das Fortpflanzungsvirus dürfte in der Zwischenzeit dafür gesorgt haben, dass Skorpionnachwuchs zur Verfügung steht.«