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Der Krieg geht in seine entscheidende Phase. Das Imperium und die Allianz ringen um jedes Sonnensystem und die Schlacht nimmt an Härte zu. Jayden, Kirby und die Crews ihrer Schiffe stellen sich der Herausforderung. Doch auch die Stimme, Yuna Ishida, Imperator Sjöberg und die unterdrückte Bevölkerung von Terra bleiben nicht untätig. Die große Abschlusstrilogie für den Diktatur-Zyklus (Bände 1-50) Dies ist der 49. Roman aus der Reihe "Heliosphere 2265".
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Seitenzahl: 195
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Table of Contents
»Kampf um Terra«
Was bisher geschah
Prolog
Die Ruhe …
1. Kriegsrat
2. Der Schatten der Stimme
3. Im Zentrum der Dunkelheit
4. Zwischen den Welten
5. Ein Imperium am Abgrund?
6. Aus dem Schatten
7. Typisch
8. Die Mission
9. Was geht hier nur vor?
10. Interrupt
11. LEVIATHAN
12. Shutdown
13. Ein Spaziergang
14. Ein heißer Empfang
15. Ein letzter Appell
16. Hass
17. Chaos
18. Ein Schatten erwacht
19. Haben Sie einen Geist gesehen?
… vor dem Sturm
20. Was geht hier vor?
21. Das Marsprojekt
22. Entscheidungen
23. Analyse und Taktik
24. Alles zerfällt
25. Verantwortung
26. Ein überraschendes Wiedersehen
27. Komm mit uns
28. Die Ankunft
29. Was geschehen wird
30. An vorderster Front
31. Ich gebe niemals auf
32. Ein Wiedersehen
33. Keine Chance
34. Ein Wirbelsturm
35. Das Ende einer NOVA?
36. Wir kommen
37. Anfang und Ende
Epilog
Vorschau
Seriennews
Die Crew der HYPERION
Impressum
Heliosphere 2265
Band 49
von Andreas Suchanek
Anfang des Jahres 2270 haben sich die Fronten der galaktischen Machtblöcke verhärtet. Das bisher übermächtige Imperium unter Björn Sjöberg musste zahlreiche Rückschläge hinnehmen. Der Mars wird von Rebellen kontrolliert, Randwelten wurden aufgegeben. Trotzdem herrscht die Inner Security Police mit eiserner Hand.
Die Interstellare Allianz konnte sich stabilisieren und den Großangriff der Ash’Gul’Kon zurückschlagen. Menschen, Rentalianer, Kybernetiker, Aaril und Parliden bilden eine immer stärker werdende Gemeinschaft. Eine Verteidigungsflotte wurde errichtet, die Infrastruktur ausgebaut.
Kirby Belflair, Sienna McCain und Ian McAllister erreichen nach einer abenteuerlichen Reise den Mars. Mit Entsetzen erkennen sie, dass niemand anderes als Juri Michalew der Rote Vater ist und damit der Anführer des marsianischen Widerstands.
Commodore Cross und die Crew der HYPERION werden unterdessen der Flotte der Freiheit zugeteilt. Der Sturm auf das Imperium beginnt. Die Einheiten werden nach außen für Beobachter sichtbar aufgeteilt, vereinen sich aber im Geheimen und nehmen Kurs auf Alpha Centauri. Ein brutal geführter Kampf beginnt, in dem Sjöberg und die I.S.P. alle Register ziehen. Am Ende trägt die Flotte der Interstellaren Allianz den Sieg davon. Der Fall des Imperiums scheint besiegelt.
Auf SOL-1 hat Kevin Rosenbaum den Körper von Abigail Rosen übernommen und deren Geist ausgelöscht. Er will Sjöberg töten und dadurch die Nanokiller auslösen. Für ihn ist das die Reinigung des Imperiums von all jenen, die die Diktatur unterstützen. Niemand soll später entkommen.
Auf dem Mars werden Kirby, Ian und Sienna von der eintreffenden JAYDEN CROSS II gerettet. Es gelingt ihnen, die gegen den Planeten gerichteten Laser auf die angreifenden Schiffe zu richten und den vorbereiteten Gravitationskern zu einem Schild umzufunktionieren. Damit verliert Sjöberg endgültig die Kontrolle über den Roten Planeten.
Der temporale Fixpunkt, an dem entweder Kirby oder Jayden ausgelöscht werden sollen, scheint damit erreicht. Ein Umstand, den die Stimme der Ash’Gul’Kon sich zunutze machen will. Im Geheimen haben die Spinnenskorpione Fraktale geborgen, um einen neuen TRION-Tunnel zu errichten. Der Geist – die übermächtige K.I. der Ash’Gul’Kon – soll dort eingespeist werden, was Zeitreisen wieder möglich machen würde. Da es zwei temporale Fixpunkte gibt, kann einer davon durch eine Korrektur des Zeitstroms ausgelöscht werden. Das Ziel: Commodore Jayden Cross soll sterben. Damit würden auch all seine Siege verschwinden und die Ash’Gul’Kon zu den Herrschern der Galaxis.
Doch von all dem ahnt die Allianz nichts.
Der Kampf um Terra beginnt.
»Versprich es mir. Versprich mir, dass du auf dem ersten Schiff bist, das Terra erreicht.
Wir haben es begonnen, also müssen wir es auch beenden. Befreie die Erde.«
(Die letzten Worte von Admiral Santana Pendergast,
NOVA-Station, 09. Mai 2267)
Ein Aufatmen ging durch das System.
Jayden stand neben Admiralin Isa Jansen, die ihrerseits einen kurzen Blick mit Präsidentin Jessica Shaw wechselte. Auf der Kommandobrücke des Flaggschiffs herrschte Stille. Jeder Blick war auf das gerichtet, was die Sensoren in die Holosphäre projizierten.
Trümmer trieben durch das All, wrackgeschossene Raumer stießen Sauerstoff und Stichflammen aus. Rettungsmannschaften kümmerten sich bereits um die im All Treibenden, Marines gingen an Bord der Schiffe, die sich ergeben hatten. Befreit von den Nanokillern hatte ein Teil der Flotte von Alpha Centauri die Seiten gewechselt.
Zu wenige, wie Jayden fand.
Doch der Gedanke war nur kurz.
Sie hatten es geschafft! Alpha Centauri gehörte der Allianz, es war den gierigen Klauen Sjöbergs entrissen worden, der bis zum Blut hatte kämpfen wollen. Nur durch die Hilfe eines überlaufenden Schiffes hatten sie die Geiseln befreien und deren Leben retten können.
Der Planet im Zentrum der Holosphäre wurde größer. Die Automatik zoomte ihn im gleichen Maß heran, in dem sie sich näherten.
Die Sensoren bestätigten, dass alle Verteidigungsanlagen zerstört oder deaktiviert waren. Für die Raumschiffe der Systemverteidigung galt dasselbe. Am Boden hatten sich die Menschen erhoben und zogen durch die Gassen, Niederlassungen der I.S.P. wurden zerstört, E.C.s aus ihren Büros gezerrt. Androiden nahmen die Unterstützer Sjöbergs in Schutzhaft, damit sie nicht gelyncht wurden. Später würde ein ordentliches Gericht über ihr Schicksal entscheiden.
Die Kameradrohnen der Frontreporter zeichneten alles auf. Erste Aufnahmen wurden in das GalNet gespeist und die Hacker der Allianz nutzten jedes Schlupfloch, um die Filter zu umgehen. Ein Hauch von Freiheit hatte seinen Weg ins Imperium gefunden.
Admiralin Isa Jansen hatte den Rücken gerade durchgestreckt, die Arme dahinter verschränkt und blickte mit glitzernden Augen auf die Übertragung. Jayden wusste, an wen sie gerade dachte. Ihm ging es ebenso.
»Wir schwenken in einen geostationären Orbit ein«, meldete der Navigator.
Weitere Androiden und Gleiter wurden ausgeschleust, Marines sicherten die Regierungsgebäude auf der Oberfläche. Die Spezialisten aktivierten den Phasenstromtunnel. Lazarettschiffe flogen ein, um die Verwundeten zu versorgen. Digitalforensiker analysierten die Computer der feindlichen Schiffe, um potenziell wichtige Daten zu extrahieren. Die Protokolle waren längst erprobt, sie liefen bei jeder befreiten Welt gleich ab.
Obgleich hier alles anders war.
Alpha Centauri lag in direkter Nachbarschaft zu Terra. Ein Großteil der Flotte würde hierher verlegt werden, um dieses Einfallstor und Symbol zu halten.
»Wir haben es geschafft«, sagte die Präsidentin, als könne sie es selbst nicht glauben.
Unter ihren Augen lagen dunkle Ringe. In den wenigen Jahren, die sie ihr Amt nun innehatte, war sie sichtlich gealtert.
»Es ist der erste Schritt«, bremste Admiralin Jansen die Euphorie. »Sjöberg ist in die Enge getrieben. Er wird alles in die Waagschale werfen, um das Ende abzuwenden. Darauf müssen wir vorbereitet sein.«
Die Worte erzeugten einen Schauer, der Jaydens Rückgrat hinabrann und zahlreiche Erinnerungen mit sich brachte. Der Imperator zog stets ein weiteres Ass aus dem Ärmel … und wer wusste das besser als Jayden?
Es war noch nicht vorbei.
Doch es war der Anfang.
Der Anfang vom Ende.
I
IL HYPERION, Alpha Centauri, 01. Oktober 2270, 09:00 Uhr
3 Wochen später
In diesen Augenblicken war Noriko dankbar für die Existenz von Holo-Konferenzen. Auf diese Art brandeten die Emotionen der teilnehmenden Offiziere nicht ungefiltert auf sie und ihre empathischen Sinne ein. Während Commodore Cross und Commander Tess Kensington an ihrer Seite saßen und die typische Ruhe ausstrahlten, rutschten zahlreiche Männer und Frauen unruhig auf ihren Sitzen hin und her.
Ein Teil des Tisches – nämlich der, an dem sie saßen – war real. Doch die Holoemitter erweiterten die Platte und generierten die Abbilder der übrigen Anwesenden. Wer sprach, wurde herangezoomt, die Admiräle waren ständig auf deutliche Sicht geschaltet.
Über dem Tisch schwebte ein Abbild der Milchstraße.
»… und halten«, erklärte Admiralin North gerade. »Unsere Verluste waren erheblich, doch wir konnten den ersten Verteidigungsring des Imperiums vollständig aufbrechen und die äußere Schale einnehmen.«
Die Befehlshaberin der zweiten Flotte hatte die Randwelten befreit und sich dann der nächsten Schale zugewandt. Entsprechend den Expansionsphasen der Solaren Union war das Imperium in drei Schalen unterteilt. Die Äußerste Schale beherbergte die Randwelten. Je tiefer eine Flotte in den Raum vordrang, in dem die älteren Kolonien sich befanden, desto besser waren die Verteidigungsanlagen ausgebaut.
»Irgendwelche Probleme?«, fragte Präsidentin Shaw.
»Keine, die wir nicht bewältigen könnten, Ma’am«, erwiderte Admiralin North. »Allerdings benötigen wir eine Atempause. Verwundete müssen versorgt, Schiffe instandgesetzt und die Versorgung sichergestellt werden. Ich weiß, dass Zeit ein entscheidender Faktor ist, aber wir haben unser Limit erreicht.«
Präsidentin Shaw lächelte milde. »In dieser Phase können wir uns durchaus ein Durchatmen leisten. Sjöberg ist eingekreist, sein Imperium beschränkt sich nun auf den Kern und die zweite Schale.«
»Er wird jedes verbliebene Geheimprojekt aktivieren«, gab Admiralin Jansen zu bedenken. »Erst in der zweiten und dritten Schale befinden sich die wirtschaftlich starken Welten. Er wird militärisches Gerät produzieren und alles zur Verteidigung aufbieten, das möglich ist.«
»Was haben wir zu erwarten?«, wandte sich Präsidentin Shaw an Admiralin Rebeca Sirkov, die aus dem Alzir-System zugeschaltet war.
Die Frau mit dem schulterlangen blonden Haar und den stahlblauen Augen leitete den militärischen Geheimdienst und arbeitete eng mit Sam Drake vom Geheimdienstkontrollgremium zusammen.
»Soweit wir das beurteilen können, hat der Imperator begriffen, dass die neuen genetischen Züchtungen nicht mehr rechtzeitig fertiggestellt werden können«, erklärte Sirkov. »Sein Fokus liegt auf dem Bau von Leichten und Schweren Kreuzern. Da die meisten Produktionswerften auf diese Standardmodelle eingestellt sind, kann er hier am schnellsten Nachschub produzieren. Die Nanokiller sind zwar auf allen Welten außerhalb des Sol-Systems durch TEMPUS wirkungslos geworden, doch die I.S.P. sitzt fest im Sattel. Es kommt allerorts zu Aufständen und Scharmützeln, aber sie werden brutal niedergeschlagen. Noch kann der Widerstand zwar agieren, ohne mit einem Knopfdruck ausgeschaltet zu werden, aber er besitzt kaum militärisches Gerät oder Infrastruktur.«
Noriko warf einen kurzen Blick auf das Holodisplay auf der Tischplatte. Nach der Aktivierung von TEMPUS waren nun alle Menschen, die mit Nanokillern infiziert worden waren, für fünf Jahre sicher. Der Killbefehl wurde schlicht verzögert. Zahlreiche Kommandanten waren kurzerhand übergelaufen, ganze Flotten hatten die Waffen gestreckt. Die E.C.s auf den Raumschiffen hatte keine Chance gehabt, nicht ohne die genetisch optimierten Soldaten, die durch das eingeschleuste Kill-Gen gestorben waren.
Die Wut der Offiziere gegen ihre Unterdrücker war immens.
Doch es gab auch andere, die an das glaubten, was Sjöberg propagierte: Überlegenheit der Menschheit durch Stärke. Ein einzelner starker Führer, keine langsame, schwerfällige Demokratie. Sicherheit statt Freiheit. Und wer mit dem Strom schwamm, ohne in irgendeiner Art aufzufallen oder anders zu sein, dem ging es gut.
»Halten Sie die befreiten Welten, Patricia«, wandte Shaw sich an Admiralin North. »Ich will auf jeder Welt Marines und Androiden. Setzen Sie, wo möglich, auf automatisierte Verteidigung. Wie steht es um das Phasenstromnetz?«
»Die Tunnel sind zu allen eroberten Welten etabliert«, berichtete Admiralin Jansen und berührte eine Kontrollfläche außerhalb des projizierten Bereichs.
Rote Punkte flammten in der Holosphäre auf, wo Phasenstromportale positioniert waren.
»Wir haben Stützpunkte eingerichtet und dort schnelle Eingreiftruppen positioniert. Jedes System kann innerhalb weniger Stunden erreicht werden. Lazarettschiffe und Ingenieurseinheiten stehen bereit. Allerdings bindet das auch einen Großteil unserer Kräfte.«
Die Flotte der Allianz war bis zum Maximum ausgelastet. Farbcodierungen machten deutlich, wo Einheiten der Aaril, der Rentalianer, der Parliden und Kybernetiker im Einsatz waren. Um den eroberten Bereich zu halten, mussten in jedem System zumindest kleine Flottenverbände positioniert werden.
Dadurch schrumpften die Offensiveinheiten so weit zusammen, dass ein Sturm gegen die schwer bewaffnete zweite Schale kaum machbar schien.
Sjöberg saß im Sol-System wie die Spinne im Netz. Noriko gab sich keinerlei Illusionen hin, sicher würde er eine weitere Teufelei aushecken. Mochte es auch so aussehen, als hätten sie alle Zeit der Welt, war das doch ein Trugschluss.
Die Gespräche wandten sich der Logistik, Flottenmoral und Verlusten zu. Nach einer guten Stunde beendete die Präsidentin die Holo-Konferenz, damit sich jeder seinen Aufgaben widmen konnte. Einstweilen lautete die Devise, den eroberten Bereich zu halten, Verwundete zu versorgen und die Infrastruktur so weit auszubauen, dass sie im Falle eines Angriffs kein System verloren.
»Sie sind beunruhigt, Commodore«, rutschte es Noriko heraus, als sie schließlich allein waren.
Commodore Cross ließ das Holodisplay auf dem Tisch mit einer Geste verschwinden. Er trug einen Dreitagebart und wie alle Offiziere umgab ihn eine Sphäre der Müdigkeit. »Das Problem an Momenten der Ruhe ist, dass man sehr viel nachdenkt. Mein Companion entwirft ständig Szenarien, was Sjöberg als Nächstes vorhat.«
»Falls es Sie beruhigt: Die Mehrheit an Bord schwimmt auf einer Welle der Euphorie«, erklärte Noriko. »Die Eroberung von Alpha Centauri hat allen die notwendige Hoffnung gegeben. Wir ducken uns nicht länger unter jedem Hieb Sjöbergs weg, sondern sind zum Gegenangriff übergegangen.«
»Vergessen wir nicht die Wahrheit hinter diesem Sieg«, meldete sich Commander Tess Kensington zu Wort. »Ohne Captain Johann Vlcec und der OBRÀNCE hätten wir verloren.«
»Selbst der beste Plan wird von der Realität in Stücke gerissen«, erwiderte Cross. »Hoffen wir, dass die Admiralität noch ein paar Asse im Ärmel hat. Andernfalls steht uns das Schlimmste noch bevor. Die zweite Schale –«
»Vergessen wir nicht, dass wir uns hier auf Alpha Centauri befinden, mitten unter den Kernwelten des Imperiums. Das an sich ist schon ein Stachel in Sjöbergs Fleisch. Und es gibt uns verschiedene Angriffsmöglichkeiten«, unterbrach Kensington.
»Das ist richtig, bedauerlicherweise ist das auch Sjöberg nur allzu bewusst«, merkte Cross an. »Er wird die wichtigsten Industriewelten ebenso schützen, wie er Alpha Centauri überwachen lässt. Falls wir in den Interlink- oder Phasenraum gehen, wird er das bemerken.«
Dem konnte Noriko nur beipflichten.
Sie hatten einen Sieg davongetragen, doch gleichzeitig wurden ihre weiteren Optionen massiv eingeschränkt. Und über allem hing die Frage: Was plante Sjöberg als Nächstes?
Mit einem pneumatischen Zischen schlossen sich die Schotthälften hinter Jayden. »Wie weit sind wir?«
Das technische Labor, das direkt an den Maschinenraum anschloss, wirkte chaotisch. Auf der Arbeitsplatte im Zentrum lagen Feinmechanikwerkzeuge, Kalibrierer, Pads und Kristallspeicherplatten.
Commander Giulia Lorencia leitete als Chefingenieurin nicht nur den Maschinenraum, sie war auch diesem Projekt zugeteilt. Ihre sonst so makellose Uniform war zerknittert, dunkle Ringe lagen unter den Augen der L.I..
Lieutenant Commander Michael Larik dagegen wirkte zwar nicht ausgeruht, aber auch nicht völlig überarbeitet. Der Marsianer mit den breiten Schultern und dem üblichen Augenbrauentattoo hatte bis eben konzentriert Eingaben an einem Pad vorgenommen.
Nun sah er auf. »Commodore! Wir sind noch bei der Auswertung. Die Konvertierung der Datei hat einige Datenlücken hinterlassen.«
Jayden schwang sich auf den Konturensitz am Ende des Tisches. »Berichten Sie.«
»Wir konnten die Daten, die Captain Belflair Ihnen geschickt hat und die Sie dank Ihres BioTats auslesen konnten, in eine für uns lesbare Form konvertieren. Dank verschiedener Forensik-Algorithmen sind achtzig Prozent wieder lesbar. An den wichtigen Stellen haben wir Commander Kensington und Doktor Tauser hinzugezogen.«
Das Datenpaket von Kirby hatte eingeschlagen wie ein Torpedo. Zusammen mit Ian McAllister und Sienna McCain war sie bis nach Terra vorgedrungen. Dort hatten die drei in einem alten Labor der Kensingtons wichtige Informationen bergen können und waren dann zum Mars geflohen. Aufgrund der Nachricht, die aus aufgezeichneten Erinnerungen bestand, hatte die Präsidentin die JAYDEN CROSS II losgeschickt. Was weiter geschehen war, blieb noch im Dunkeln, da eine Kommunikation aktuell nicht möglich war. Dank des Interphasenschildes konnte die JAYDEN CROSS II sich unangreifbar durch das Sol-System bewegen, darüberhinaus zeigten die Gravitationssensoren, dass der Rote Planeten immer noch existierte. Was zu der Hoffnung Anlass gab, dass das auch für Kirby und ihre gesamte Besatzung galt, weshalb Jayden sich ausnahmsweise keine Sorgen um sie machte.
Doch mit Kirbys ursprünglicher Nachricht waren auch zwei Geheimnisse von enormer Tragweite offenbart worden. Zum einen die Tatsache, dass sich Kevin Rosenbaum nach seinem vermeintlichen Tod hatte retten können und im Körper von Abigail Rosen befand.
Zum anderen gab es einen Datenstrom in den aufgezeichneten Erinnerungen. Kirby hatte die Informationen aus dem Labor der Kensingtons mit übertragen – es waren Aufzeichnungen über die Ash’Gul’Kon.
»In den Daten«, sprach Lorencia weiter, »wurde auch der Planet erwähnt, den wir nach dem Kollabieren der temporalen Sphäre und unserer anschließenden Flucht aus dem System der Spikos gesehen haben.«
Eine Welt, die zuvor nicht da gewesen war. Doch mit dem Erwachen des Geistes war sie erschienen.
»Erwähnt?«, hakte Jayden nach. »Gibt es keine weiteren Details?«
»Es wird lediglich davon gesprochen, dass die Welt den Spikos in höchster Not den Weg weist«, erklärte Lorencia. »Dazu alle möglichen Vermutungen der Kensingtons.«
»Wir können von Glück sagen, dass die sich gerade so ruhig verhalten.« Larik nippte an seinem ViKo. »Aber wenn sie in Wahrheit irgendeine Waffe konstruieren, könnten wir von der Dürre in den Sandsturm geraten.«
»Von ›ruhig verhalten‹ kann keine Rede sein«, gab Jayden zu bedenken. »North hat davon berichtet, dass in fast jedem Randsystem Sporenschiffe stationiert waren. Sie unterstützten die Einheiten des Imperiums.«
»Wenn ich mir die Zahlen so anschaue, dann ist das ein reines Ablenkungsmanöver«, sagte Lorencia. »Trotz unserer Massenzerstörung bei der Flucht haben die Ash’Gul’Kon noch mehr als genug Einheiten, um uns das Leben schwer zu machen. Sie unterstützen Sjöberg meiner Meinung nach lediglich, damit ihre Abwesenheit nicht auffällt. Möglicherweise auch, um sich Zeit zu erkaufen.«
Im Stillen stimmte Jayden dieser Einschätzung vorbehaltlos zu. »Die Admiralität hat zwei Einheiten in den Raum der Ash’Gul’Kon geschickt. Sie beobachten im Stealth-Modus, was geschieht. Bisher scheint alles ruhig und es gibt auch keine Versuche, groß aufzurüsten.«
»Am Ende zaubern die doch immer irgendetwas aus dem Hut«, knurrte Lorencia. »Wo ich Überraschungen doch so hasse.«
»Jansen hat mir versichert, dass nach Terra umgehend die Ash’Gul’Kon in den Fokus rücken«, erklärte Jayden. »Aber einstweilen können wir die Flotte nicht noch weiter aufteilen.«
»Jansen und Shaw stufen Sjöberg als das größere Problem ein«, schloss Larik. »Die Frage ist, ob das die richtige Entscheidung ist.«
Sie befanden sich in einem Zweifrontenkrieg, das wusste jeder. Griffen sie an dieser Stelle die Spinnenskorpione an, mochte Sjöberg durchaus Zeit bleiben, eine weitere Teufelei auszuhecken. Umgekehrt waren die Ash’Gul’Kon zweifellos ebenfalls nicht untätig.
Jayden vermied den Gedanken an die Stimme, die Hand und den Geist so gut wie möglich. »Haben Sie eine Kopie der Daten an die KSI geschickt?«
Die Künstliche Superintelligenz hielt den Geist der Ash’Gul’Kon in Schach und war aus einem Zusammenschluss zahlreicher Künstlicher Intelligenzen und menschlicher Bewusstseinsinhalte entstanden, darunter jenen von Kirby und Jayden.
»Natürlich«, entgegnete Lorencia. »Bedauerlicherweise kam mal wieder keine Antwort. Falls das einer Ihrer Wesenszüge ist, Sir, tun Sie uns damit keinen Gefallen.«
Jayden musste schmunzeln. »Sie kenne mich doch, L.I., wenn die KSI nach mir käme, hätte sie schon längst Raumschiffe losgeschickt, um ganz viel kaputt zu machen.«
»Solange das die Ash’Gul’Kon betrifft, bin ich voll dafür.« Lorencia fuhr sich müde über das Gesicht. »Sjöberg mag ja ein Wahnsinniger sein, aber wenn ich daran denke, wie diese Kreaturen ganze Kolonien ausgelöscht haben … Ganz zu schweigen von ihrem Brutverhalten!«
Immerhin das war vorbei.
Durch eine Impfung, die Doktor Petrova entwickelt hatte, dienten menschliche Körper den Spinnenskorpionen nicht länger als Brutstätten. Jayden zweifelte nicht daran, dass diese einen anderen Weg finden würden, sich fortzupflanzen, doch wenigstens dieses Grauen blieb den Menschen nun erspart.
Er erhob sich.
»Ziehen Sie weitere Spezialisten hinzu, wenn nötig«, befahl er. »Wir brauchen die vollständige Auswertung dieser Daten. Die Kensingtons verfügten über gewaltige Ressourcen und wollten unbedingt, dass ihre Tochter diese Informationen erhält. Dafür muss es einen Grund geben.«
»Aye, Sir«, erwiderten beide.
Jayden verließ das Labor und machte sich auf den Weg zur Kommandobrücke. Gespräche mit Alpha 365, Janis und Sarah McCall standen an. Die HYPERION war nach ihrer Beschädigung wieder einsatzbereit, wenn auch angeschlagen. Auch die übrigen Raumer des Verbands waren mit einem blauen Auge davongekommen. Er fragte sich, wann und wie es weiterging. Was plante die Admiralität für den Verband?
JAYDEN CROSS II, Sol-System, In einem Orbit um den Mars, 01. Oktober 2270, 10:09 Uhr
»Ich habe mich noch nie so sehr gefühlt, als säße ich auf dem Präsentierteller wie in diesem Augenblick«, sagte Lieutenant Ian McAllister.
»Wir sind die Zielscheibe«, warf Lieutenant Commander Sienna McCain ein und machte es damit nicht unbedingt besser.
Kirby schwieg, obgleich ihr Companion alle möglichen Zahlen einblendete, die sie nicht minder beunruhigten.
In der Holosphäre auf der Kommandobrücke der JAYDEN CROSS II war der Mars dargestellt, in dessen geostationären Orbit das Schiff eingetaucht war. Eine durchscheinende Sphäre umhüllte den Planeten. Pure gerichtete Gravitation, die keine feste Materie hindurchließ. Um diese Sphäre herum wurden fünfhundertzweiundvierzig Punkte angezeigt. Raumschiffe, die nur darauf warteten, dass der Schild ausfiel oder sich eine Lücke auftat. Zweifellos würden sie die JAYDEN CROSS II innerhalb von Sekunden aus dem All blasen und den Planeten in eine Hölle verwandeln.
»Wie steht es um den Generator?«, fragte Kirby.
»Einsatzbereit«, erwiderte Commander Aliou Nymba, ihr I.O. und ruhender Pol. »Bedauerlicherweise benötigt die Aktivierung so viel Energie, dass wir sie nur auf eine Art bekommen: eine Verbindung zu den Phasenraumgeneratoren des Gravitationsschildes.«
»Was den Phasenstromtunnel aktivieren, den Schild aber deaktivieren würde«, schloss Kirby. »Die Schiffe der Allianz benötigen Stunden, die Angreifer hätten den Phasenstromgenerator aber innerhalb von Minuten zerstört.«
»Womit das Einfallstor für die Allianz erst einmal geschlossen bleibt«, kommentierte Lieutenant Commander Czem Özenir. Der Navigator hatte aktuell nicht viel zu tun und aktualisierte daher diverse Protokolle.
»Sie behalten den Schild im Auge, richtig, Ian?«, hakte Sienna nach.
Das Technikgenie, das mittlerweile den Maschinenraum leitete, grinste. »Aber klar. Wir wollen ja nicht, dass da drüben jemand einfach mal so rumballert.«
»Ihr Humor ist goldig«, kommentierte Özenir trocken.
Tatsächlich feuerten die feindlichen Einheiten in unterschiedlichen Intervallen mit Lasern, Torpedos und sogar Antimateriebomben auf den Schild. Bisher ohne Ergebnis – sah man davon ab, dass es jedes Mal einen Alarm auslöste. Vermutlich sollte es die Bewohner des Mars und die Mannschaft der JAYDEN CROSS II mürbe machen. Eine Taktik, die durchaus aufging. Wer saß schon gerne dauerhaft vor einem geladenen Torpedorohr, das unversehens alle paar Augenblicke losging?
»Irgendwelche Ideen, IAN?«, richtete Kirby ihre Frage an die K.I. des Schiffes.
»In der aktuellen Situation sehe ich keine Optionen, der Zerstörung zu entgehen, falls der Schild deaktiviert wird. Auf der Basis aller früheren Entscheidungen des Imperators ist davon auszugehen, dass er den Planeten umgehend zerstören wird. Ohne den Interphasenschild kann die JAYDEN CROSS II nicht entkommen. Meine bescheidene Meinung dazu: Das ist typisch.«
»Wie bitte?«
»Sie gehen zu sorglos mit diesem Schiff um«, stellte IAN klar. »Die hier verbauten Technologien gehören zu den fortschrittlichsten, die existieren. Allein der Interphasenschild könnte die gesamte Schiffstechnologie revolutionieren. Doch der erste Einsatzort führt in das Heimatsystem eines Diktators. Hier geht es immerhin um meinen Körper. Hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt, ein Abbild meines Speichers in die KSI zu laden, würde eine Zerstörung mein Ende bedeuten. Sie hätten eine überragende Intelligenz wie meine einfach zerstört. Von der armen CARA gar nicht zu reden, die das Pech hat, auf der HYPERION zu wohnen.«
Kirby warf einen fragenden Blick zu Ian, der mit den Lippen lautlos das Wort »Pubertät« formte. Künstliche Intelligenzen entwickelten sich ständig weiter und durchliefen dabei durchaus ähnliche Phasen der Entwicklung wie ein Mensch.
»Die Kommandobrücke ist mit Kameras ausgestattet«, erklang es prompt aus dem Interkom. »Ich kann also alles sehen. Im Gegensatz zu Menschen bin ich nicht etwas so Ordinärem unterworfen wie der Pubertät. Es ist beleidigend, so etwas anzudeuten, selbst wenn es von dir kommt, Ian.«
Da es Ian McAllister gewesen war, der die Künstliche Intelligenz im Marssystem gereinigt hatte, wodurch diese wieder menschenfreundlich geworden war, hielt sie große Stücke auf ihn. Nicht umsonst hatte ihr Ableger auf der JAYDEN CROSS II auch Ians Namen gewählt.
»Deiner Meinung nach werden wir also sterben?«, fragte Commander Nymba trocken. »Nicht einmal dein überlegener Intellekt kann uns retten?«
»Auch ich bin nicht allmächtig. Nur fast«, entgegnete IAN. »Aber nett von Ihnen, dass Sie mein Wissen verbal anerkennen. Ich werde weitere Szenarien ablaufen lassen, um mögliche Auswege zu evaluieren. Bisher führen jedoch alle Szenarien zu einer vollständigen Zerstörung des Schiffes.«