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Herr Schreiber ist Schriftsteller, ein beinahe schon überzeugt erfolgloser zumal. Er denkt mehr als er schreibt. Für alle Fälle hat er die Ablehnungsschreiben von Verlagen in Kalbsleder binden lassen. „Das macht einen besseren Eindruck – für die Nachwelt“, meint er. Aber dann blitzt ihm die Idee zum ganz großen Wurf doch noch auf – und Schreibers literarischer Hürdenlauf mit sich selbst kommt jetzt erst so richtig in Fahrt.
„Lustiges Selbstgespräch einer traurigen Gestalt.“ (Berliner Zeitung)
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Personen: Poet.
Ort: Schreibstube: Unordnung überall – auf dem Boden liegen Bücher, Bücher, Bücher.
Beim Einlass des Publikums tönt schleppende Musik.
Die Bühne ist akzentuiert beleuchtet.
Kurz vor Beginn des Stückes Bühnenlicht, Musik und das Licht im Zuschauerraum herunterfahren.
Näselnde Frauenstimme aus dem Off,
die Wilhelm Busch rezitiert:
Der Dichter, dem sein Fabrikat
So viel Genuss bereitet hat,
Er sehnt sich sehr, er kann nicht ruhn,
Auch andern damit wohlzutun;
Die Lippe sprüht, das Auge leuchtet,
Des Lauschers Bart wird angefeuchtet,
Denn nah und warm, wie sanftes Flöten,
Ertönt die Stimme des Poeten.
Unser Held, affektiert dramatisch:
Stammbäume – im Wald der Anthropoiden!
Er betritt mit mühevollen Schritten die Bühne;
unterm Arm trägt er ein Buch.
Was denken Sie – Gorilla? Schimpanse? Orang-Utan? – Aufgepasst!
Hebt den Zeigefinger.
Liest im Buch:
Menschenaffen sind biologisch und anatomisch enger mit uns verwandt als die übrigen Affen. Welche Spezies sollten wir als Schablone für uns selbst betrachten – Schimpansen oder Paviane? Ich stimme mit jenen überein, die sich für die Paviane entschieden hatten. Das menschliche Abenteuer begann mit unserer Übersiedlung in die Savanne. Diese bedeutete in der Geschichte der Primaten einen einmaligen Schritt – fast: Auch die Paviane ließen sich auf diesen schicksalhaften Schritt ein … und überlebten.
Klappt das Buch zu.
Nachdenklich:
Paviane … – warum eigentlich nicht? Wenn’s denn
Affen sein müssen …
Hält das Buch hoch.
Shirley C. Strum: Leben unter Pavianen. Fünfzehn Jahre Kenia – das macht ihr so schnell keiner nach. Auch ich nicht. Meine Beobachtungen sind eher bescheiden zu nennen.
Setzt sich.
Tierpark … Paviangehege … dritter Felsen links, dort kann man Rudolf treffen – nebst Katharina, seiner Frau, und Siegfried, seinem Sohn … genügsame Zeitgenossen: bescheidene Behausung, schlichtes Mobiliar – aber: Vollpension. Letzteres erwähne ich, damit Sie im Falle Ihres Besuches daran denken, die Bananen zuhause zu lassen. Man würde Sie nicht ernst nehmen und, glauben Sie mir, es ist kein Zuckerschlecken, das Gespött des gesamten Tierparks zu sein. Ist Ihnen schon einmal zu Ohren gekommen, wie es klingt, wenn sich so’n zoologischer Garten kollektiv befeixt und gattungsübergreifend vor Lachen am Boden kringelt? Mein lieber Herr Gesangsverein, dagegen avanciert der Lärm einer Kreissäge zum verträumten Plätschern eines Bergbaches.
Nachdenklich:
Ich beehre Rudolf seit drei Jahren, genau genommen: jeden zweiten Samstag und ein gutes Stündchen harre ich dann immer aus vor seinem Domizil. Rudolf bequemt sich in der Regel erst nach fünfundvierzig Minuten vom Stein. Vorhergehende Lockversuche ignoriert er beflissen – das heißt: Sein Hinterteil setzt sich nur dann in Bewegung, wenn er es will. Charakterkopf! Auch wegen des gebührenden Abstandes, den er penibel einzuhalten pflegt, ganz als wolle er mir gegenüber zum Ausdruck bringen: Homo sapiens sind nur mit Vorsicht zu genießen! Sie müssen wissen: Rudolf wurde einst gekidnappt, im Auftrag der Stadtverwaltung … ganz legal weggefangen. Armer Tropf! Jeden Tag begafft zu werden ist vermutlich auch für einen Affen nicht das Nonplusultra.
Schwärmt:
Aber mich mag Rudolf. Letzten Samstag kamen wir überein: Schimpansen sind doof!
Skeptischer Blick ins Publikum.
Was denken Sie? – Stamme auch ich von diesen asthangelnden Nachäffern ab?
Taxierend:
Liege ich mit der Vermutung richtig, dass Sie’s eher mit der biblischen Schöpfungsgeschichte halten? Oder zählen Sie zur Fraktion der Evolutionstheoretiker? Gewiss, Sie können glauben, was immer Sie wollen … ich jedenfalls setz’ weder auf das Erste Buch Moses, noch schenke ich der Wissenschaft mein Vertrauen. Sie müssen wissen: Einerseits provozieren Machtspiele mit Abhängigen bei mir einen unappetitlichen Brechreiz und andererseits bekomme ich im Supermarkt korrumpierter Wahrheiten faustdicken Hautausschlag. Auch von daher scheint’s mir – bei aller Sympathie für Rudolf – sinniger, von einer ganz anderen Herkunft auszugehen … ein bestimmtes Indiz spricht ja überdeutlich dafür.
Wecker klingelt.
Dazu später mehr.
Deaktiviert das Klingeln.
’Tschuldigung, aber um diese Zeit trinke ich immer.
Kramt eine Weinflasche und ein Glas hervor.
Sie gestatten doch?
Zieht Korken, schenkt sein.
Nachdenklich:
Anankasmus und Trunksucht …
Nippt am Glas.
… ein unzertrennliches Paar. Schon immer unzertrennlich gewesen. Ich jedenfalls kenne keinen Poeten, der nicht zum Club der lebenden Quartalssäufer gehört.
Trinkt das Glas in einem Zug aus, schüttelt sich.