Mücke und Elefant - Bernd Mannhardt - E-Book

Mücke und Elefant E-Book

Bernd Mannhardt

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Beschreibung

Der Schriftsteller Bernhard Mücke beantragt einen Rei­sepass. Der Punkt am Ende seiner Signatur stört den Amtsschimmel – dieser wiehert gewaltig!

 

Darauf­hin sieht sich Mücke genötigt, auf sein liebgewon­nenes Zeichen der Interpunktion zu verzichten. Direkt nach dem Behördengang stürzt er von einer Brücke in den Tod, die Kripo ermittelt.

 

Ein Zeuge der etwas anderen Art meldet sich zu Wort: Ein Grafologe, der Mückes Unterschrift unlängst analysiert hatte, gibt anhand des Schriftbildes zu bedenken, dass der Dichter aus einem ganz bestimmten Grund den Verlust seines Punk­tes nicht verkraftet haben könnte.

 

Die Ursache, die zum Ableben Mückes führte, über­rascht.

 

„Eine weitere Kostprobe seines tiefschwarzen Witzes, den er mit feinen Beobachtungen und Geschick zum Komödiantischen würzt.“                       
Doris Wirkner (Gießener Allgemeine)

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Bernd Mannhardt

Mücke und Elefant

Eine mordsfidele Geschichte

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Motto

Die Wahrheit ist unser wertvollstes Gut.

Lasst uns sparsam damit umgehen.

Mark Twain

Mücke und Elefant

Dreißig Jahre Grafologie, dreißig Jah­­re Signaturen – betrachtet, begriffen, bewertet. Dreißig Jahre! Was soll ich sagen: So ein Fall wie Bernhard Mücke ist mir noch nicht untergekommen. Aber der Reihe nach.

Das Revolverblatt titelte: Todes-Fall! Peng! Schriftsteller (43) stürzt von Brücke!  Peng, peng! Darunter zweispaltig, zwölfzeilig das Foto vom Ver­unglückten. Peng, peng, peng!

Das Abbild war zwar verpixelt, aber ab den unteren Augenlidern stand die Na­­se, die an die eines Rummelboxers erinnerte, kno­chen­scharf im Fokus. Rechtlich gesehen hät­te der gesamte Kopf unkenntlich gemacht wer­­den müssen.

Dem Chefredakteur Bartholomäus S. schien au­genscheinlich das Risiko gering, sich selbst ins Knie zu schießen. Vielleicht hatte eine Vorab-Recherche ergeben, dass Bernhard Mücke Single gewesen sei und dass Verwandte, sofern vorhanden, mit ihm über Kreuz gelegen hätten. Allem Anschein nach war S. Pragmatiker und mochte sich ge­dacht haben: Wo kein Kläger …

Und sollte dann doch noch jemand aus der Hecke springen, um das post­mortale Per­sönlichkeitsrecht einzufor­dern, zöge S. wie gewohnt Plan B aus der Schublade: „Be­schwerdeführern mit Geld das Maul stop­f­en!“ Er praktizierte in solchen Fällen „publizistisches Greenwashing“, wie er es nann­te, was Freikaufen von Problemen meinte. Dem allgemeinen Vernehmen nach war die Kriegskasse gut gefüllt und die Güterabwägung in Zweifelsfällen war intern klar geregelt: „Auflage vor Recht!“

„Spüren, was geschieht!“, warb die Zei­tung. Folglich war der aktuelle Aufmacher hart auf Kante genäht: „Wir berichten gefühls­­echt – für Sie!“ Der Autor jedenfalls, Christian N., kolportierte mit viel Liebe zum Detail, wie es zur De­formation der Na­se gekommen war. Und S. hat­te höchstpersönlich das Autorenprofil zu N. getextet, das unter dessen Bei­trag abgedruckt stand, wo­nach Christian N. "unser Experte fürs Haut­­nahe" war – mehr noch: eine „Edel­fe­der“ mit dem „Gespür fürs Ungewöhn­li­che“. Ferner galt N. als Spezialist für, wie Jour­nalisten so sagten, „steile Einstiege“ in Tex­te: „Hatte Gott gepfuscht, als er M.s Na­se schuf?“

Aber Butter bei die Fische:

 

6. Mai 2011, 23 Uhr, Potsdamer Ecke Kurfürstenstraße: Bernhard M. betritt die in rotes Schummerlicht getauchte Pinte. Dieser Laden fehlt ihm noch in seiner Raupensamm­lung. Verständlich, denn M. ist Roman­autor, und Erzähler gehen gerne in die Welt hinaus, um dort Menschen, Macken, Mei­­nungen zu beobach­ten. Ihre Eindrücke ver­dichten sie dann zu Storys.

Überrascht und freudig erregt sieht M. un­verhofft seinen Literaturagenten Dr. Jens D. (53) am Tresen sitzen. Zielstrebig steuert er den Mann an. Dieser steckt in einem De­s­ig­ner-Fummel aus Leder. Wenn D. nachts auf Trebe geht, weiß M., dann trägt er immer Designer-Fummel. Passt schon, denkt M. auch diesmal. Das Teil lässt D. vom Habitus zehn Jahre jünger erscheinen, zumindest bei günstigen Lichtverhältnissen.

An der Theke angekommen, legt M. von hin­ten seine rechte Hand flach und schwung­­voll auf der linken Schulter des nicht mehr ganz taufrischen Ledermannes ab. Es klatscht gewaltig.

„Ha, ha, ha!“, prustet M. Er hat vorgeglüht und schon ziemlich was intus. So fällt auch seine weitere verbale Begrü­ß­ung betont vertraulich aus: „Alte Dreck­­sau! Du hier?“ M. ist mit seinem Agenten per Du. Die raue Ansprache ist vom Faible für einen deutsch-amerikanischen Schriftsteller inspi­r­­iert: Charles Bukowski. M. will von den Bes­ten der Besten lernen. Schon öfter saß er mit seinem Agenten nach 22 Uhr und nach zwei brüderlich geteilten Flaschen Rotwein in irgendeiner Kaschemme an der Bar, wo sie dann über Bu­kowskis Ausspruch „Fast jeder kommt als Genie auf die Welt und wird als Idiot begraben“ philosophierten.

„Ich hoffe, du freust dich, mein dummes Gesicht zu sehen“, schiebt M. nach dem Schul­terklatscher nach.

„Immer wieder gerne“, erwidert der Ange­sprochene, „ha, ha, ha!“

Eine, höchstens zwei Sekunden später dreht er seinen Oberkörper blitzartig nach links und platziert seine rechte Faust mitten in M.s Gesicht. Rums! M. torkelt drei, vier Schritte nach hinten und fasst sich an die Visage. Er fühlt noch das über seinen Mund rinnende War­me, bevor ihm schwarz vor Augen wird und er seitlich wegkippt wie ein stüm­perhaft an die Wand gelehntes Brett.

Ach herrje, plötzlich liegt es ihm blank vor Augen wie ein gewetztes Messer: Der Mann an der Theke weist im Halbprofil nur eine gewisse Ähnlichkeit mit M.s Agent auf.

Wer hätte das gedacht? – Der Typ mit dem nunmehr blutbefleckten Siegelring am rechten Mittelfinger ist Niko P. (50), Inhaber der Destille, das heißt: Puffvater, Türsteher und Rausschmeißer in Personalunion.

Er ist eine kleine, aber sportliche Erscheinung – genau wie Dr. Jens D., und wie dieser auch mit einem Tick zu viel Kunst­fett im streng nach hinten gekämm­ten Haar.

Wirklich zum Verwechseln ähnlich!

 

Als Quellen wurden Niko P. und M.s Agent D. benannt, beide inzwischen im Ruhestand. Ersterer habe sich, so wusste Christi­an N. ebenfalls zu berichten, in ein weit entferntes Land abgesetzt: dorthin, wo immer die Sonne scheine und für Leute mit seiner Durchschlagskraft Milch und Honig flössen. Indessen verbringe Dr. Jens D. seinen Lebensabend in Jurys für Literaturpreise.

Natürlich: Auch unabhängig von M.s prä­­sen­tierter Nase ließen die Keywords „Bern­­hard“ und „Schriftsteller“ keine Zweifel aufkommen, von wem hier die Rede war.