Herzflüstern am Meer - Tina Keller - E-Book

Herzflüstern am Meer E-Book

Tina Keller

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Beschreibung

Livia hat alles erreicht, was sie sich je gewünscht hat – nur sich selbst hat sie verloren. In einer kleinen Pension am Meer trifft sie auf Leonard, der eine längst vergessene Sehnsucht in ihr weckt. Wird sie den Mut finden, ihm ihr Herz zu öffnen? Während eines Interviews bricht die erfolgreiche Sängerin Livia Stern plötzlich zusammen – ein Moment, der ihr Leben für immer verändert. Ausgebrannt von der Jagd nach Ruhm und der ständigen Kontrolle ihres Managers, flieht sie in eine kleine Pension an der Ostsee, um endlich zur Ruhe zu kommen. Dort begegnet sie Leonard, zu dem sie sich sofort hingezogen fühlt und der ihre Seele berührt. Als Livia langsam zu sich selbst zurückfindet und ihre Gefühle für Leonard immer stärker werden, holt sie ihre Vergangenheit unerbittlich ein. Wird Livia stark genug sein, für ihre Liebe und ein neues Leben zu kämpfen? Begleite Livia auf ihrer Reise an die Ostsee und erlebe eine bewegende Geschichte über die Kraft der Liebe und die magischen Wendungen des Lebens.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Livia

Kapitel 2

Livia

Kapitel 3

Livia

Kapitel 4

Livia

Kapitel 5

Livia

Kapitel 6

Leonard

Kapitel 7

Livia

Kapitel 8

Leonard

Kapitel 9

Livia

Kapitel 10

Leonard

Kapitel 11

Livia

Kapitel 12

Leonard

Kapitel 13

Livia

Kapitel 14

Livia

Kapitel 15

Leonard

Kapitel 16

Livia

Kapitel 17

Leonard

Kapitel 18

Livia

Kapitel 19

Livia

Kapitel 20

Leonard

Kapitel 22

Livia

Kapitel 23

Livia

Kapitel 24

Livia

Kapitel 25

Livia

Kapitel 26

Livia

Epilog

Livia

Zwei Jahre später

Impressum

Originalausgabe Oktober 2024

Herzflüstern am Meer

© Copyright:

Tina Keller, Berlin, Deutschland, 2024

Covergestaltung:

Nancy Salchow

Paar © Tetiana, Haus © Being Imaginative 

Adobe Stock

https://stock.adobe.com/de

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck oder andere Verwertung

nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Tina Keller

c/o Internet Marketing

und Publikations-Service

Frank W. Werneburg

Philipp-Kühner-Str. 2

99817 Eisenach

[email protected]

Tina Keller

Herzflüstern

am Meer

Liebesroman

Livia hat alles erreicht, was sie sich je gewünscht hat – nur sich selbst hat sie verloren. In einer kleinen Pension am Meer trifft sie auf Leonard, der eine längst vergessene Sehnsucht in ihr weckt. Wird sie den Mut finden, ihm ihr Herz zu öffnen?

Während eines Interviews bricht die erfolgreiche Sängerin Livia Stern plötzlich zusammen – ein Moment, der ihr Leben für immer verändert.

Ausgebrannt von der Jagd nach Ruhm und der ständigen Kontrolle ihres Managers, flieht sie in eine kleine Pension an der Ostsee, um endlich zur Ruhe zu kommen. Dort begegnet sie Leonard, zu dem sie sich sofort hingezogen fühlt und der ihre Seele berührt.

Als Livia langsam zu sich selbst zurückfindet und ihre Gefühle für Leonard immer stärker werden, holt sie ihre Vergangenheit unerbittlich ein.

Wird Livia stark genug sein, für ihre Liebe und ein neues Leben zu kämpfen?

Begleite Livia auf ihrer Reise an die Ostsee und erlebe eine bewegende Geschichte über die Kraft der Liebe und die magischen Wendungen des Lebens.

Formularbeginn

Formularende

Kapitel 1

Livia

Ich sitze in meiner luxuriösen Berliner Penthouse-Wohnung, umgeben von Designer-Möbeln und goldgerahmten Kunstwerken. Die Stadt erstreckt sich unter mir, und die ersten Sonnenstrahlen des Tages dringen durch die bodentiefen Fenster. Doch der Glanz und Glamour meiner Umgebung prallen an mir ab wie Regentropfen an einer Scheibe. Ich fühle mich leer.

Mein Handy vibriert unaufhörlich auf dem gläsernen Couchtisch, ein weiteres Zeichen für das ständige Getriebe meines Lebens.

„Livia, du musst unbedingt deine Teilnahme an der Charity-Gala bestätigen“, schreibt Marc, mein Manager und gelegentlicher Liebhaber.

„Und vergiss nicht, dass wir morgen den Flug nach London haben. Die Pressekonferenz wird anstrengend werden, und ich will dich fit haben. Sowas wie gestern darf auf keinen Fall nochmal passieren.“

Ich seufze tief und lege das Handy zur Seite. Marc hat recht, wie immer. Meine Karriere fordert von mir Präsenz und Perfektion. Es gibt keine Zeit für Schwäche oder Selbstzweifel. Und „sowas wie gestern“ schon gar nicht.

Ich weiß nicht, was gestern mit mir los war. Es war eigentlich nur ein harmloses Interview. Aber dann brannten die Lichter plötzlich heiß auf meiner Haut, und das Studio fühlte sich viel zu eng an. Alles war zu schwer und zu viel. Ich saß auf diesem Stuhl, aber es war, als wäre ich nicht wirklich da.

„Wie schaffst du es, bei all dem Druck so stark zu bleiben?“, fragte der Moderator.

Seine Stimme schnitt durch das dumpfe Rauschen in meinem Kopf. Normalerweise hatte ich eine fertige Antwort parat, aber dieses Mal suchte ich vergeblich nach Worten. Meine Hände begannen zu zittern, und das Studio verschwamm vor meinen Augen. Der Lärm der Kameras, das Murmeln der Crew – alles wurde zu einem lauten Dröhnen in meinem Kopf. Ich wollte tief durchatmen, doch die Luft blieb mir im Hals stecken.

„Livia?“, hörte ich den Moderator sagen, aber seine Stimme schien weit weg zu sein. Der Raum drehte sich und mein Herz raste. Ich wollte etwas sagen, doch alles in mir schrie, dass ich aufgeben sollte. Mein Kopf sank leicht nach vorn, die Welt wurde immer dunkler, und dann... nichts. Alles war schwarz.

Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einer Couch. Der Raum war still, nur das leise Summen von Geräten war zu hören. Ich blinzelte und versuchte, meine Umgebung zu erfassen. Mein Kopf fühlte sich schwer an und alles war verschwommen.

„Ist alles okay? Brauchen Sie noch etwas?“, fragte eine fremde Stimme.

Ich setzte mich langsam auf und hielt mich an der Armlehne fest.

„Wie lange war ich weg?“, fragte ich.

„Nur ein paar Minuten“, antwortete jemand. „Der Moderator hat das Interview abgebrochen. Sie müssen sich wirklich ausruhen.“

Meine Hände zitterten, und ich spürte, wie der Druck in meiner Brust nicht nachließ.

„Ich fahre jetzt nach Hause“, sagte ich schließlich und stand wackelig auf.

Ich ignorierte die besorgten Blicke der Crew, schnappte mir meine Tasche und machte mich auf den Weg nach draußen. Die frische Luft schlug mir ins Gesicht, als ich auf die Straße trat, aber sie brachte keine Erleichterung. Alles fühlte sich zu viel an. Ich wusste, dass ich weg musste – weit weg von Marc, von der Bühne, von den Erwartungen. Ich brauchte eine Pause. Aber wohin sollte ich gehen?

Natürlich hat irgendjemand Marc von meinem Zusammenbruch erzählt. Und natürlich hatte er dafür absolut kein Verständnis. Ich muss funktionieren, immer und überall; egal, wie. Ich muss mich eben zusammen reißen. Schließlich muss man was für seinen Erfolg tun.

Aber das habe ich. Wahrscheinlich viel zu viel. Formularende

Seit ich vor zehn Jahren meinen ersten Hit landete, hat sich mein Leben in ein endloses Kaleidoskop aus Blitzlichtern, Applaus und Termindruck verwandelt. Ich erinnere mich noch an den ersten Auftritt, der alles veränderte.

Mit 20 Jahren stand ich auf der Bühne eines kleinen Clubs, meine Gitarre in der Hand und einen Funken Hoffnung in meinem Herzen. Die Menge war klein, aber begeistert. An jenem Abend war ich einfach Livia, ein Mädchen mit einem Traum. Doch als ich den letzten Akkord spielte und die Menschen jubelten, wusste ich, dass ich für mehr bestimmt war.

Der Weg zum Ruhm war schnell und gnadenlos. Plattenverträge, Interviews, ausverkaufte Konzerte – mein Leben wurde zu einem Wirbelsturm. Marc kam bald darauf ins Spiel, ein Manager mit einem scharfen Auge für Erfolg und dem eisernen Willen, mich an die Spitze zu bringen. Unter seiner Anleitung stieg ich in die Charts auf, gewann Preise und wurde zum Liebling der Medien.

Doch mit dem Ruhm kamen auch die Schattenseiten. Paparazzi, die jeden meiner Schritte verfolgten, Klatsch und Tratsch in den Boulevardblättern und eine ständige Erwartung, die mich erdrückte.

Mein Leben fühlt sich an wie ein endloser Wirbelsturm. Jeden Tag hetze ich von einem Termin zum nächsten, als ob das Hamsterrad, in dem ich gefangen bin, nie stillsteht. Marc hält mich auf Trab – immer neue Auftritte, immer neue Verpflichtungen. Es scheint, als wäre ich nur noch eine Maschine, die für die Öffentlichkeit funktioniert, anstatt ein Mensch, der wirklich lebt. Der Kalender diktiert meinen Tag, und meine Zeit gehört längst nicht mehr mir.

Ich kann mich kaum daran erinnern, wann ich das letzte Mal wirklich durchgeatmet habe. Früher habe ich Musik aus Liebe gemacht, aus einer tiefen Leidenschaft heraus. Ich wollte die Menschen berühren und etwas Echtes schaffen.

Aber irgendwo auf diesem Weg zwischen Chart-Erfolgen, endlosen PR-Terminen und Glitzerpartys habe ich mich selbst verloren. Der Ruhm kam schnell – zu schnell. Ein paar Hits, ein charismatisches Auftreten, und schon hatte ich mich von der aufstrebenden Sängerin in eine gefeierte Pop-Ikone verwandelt.

Am Anfang fühlte sich das aufregend an. Ich war jung und wild und wollte alles. Die Bühne war mein Zuhause, die Lichter und das Jubeln haben mich regelrecht aufgeladen. Doch irgendwann hat sich das Blatt gewendet. Der Druck, immer abliefern zu müssen, hat mich aufgefressen. Marc machte mir klar, dass es keine Pausen gibt – nicht in dieser Branche. Jeder Atemzug muss geplant sein, jede Bewegung muss sitzen. Und ich? Ich habe mitgemacht. Bis jetzt.

In letzter Zeit wache ich morgens auf und fühle nichts als Erschöpfung. Meine Songs kommen nicht mehr von Herzen. Sie sind gefällige Produktionen, maßgeschneidert für den Erfolg. Mein Leben ist eine glitzernde Fassade. Ich bin immer dort, wo es blitzt und funkelt – aber tief in mir herrscht eine bedrückende Stille.

Marc merkt nicht, wie es mir geht. Oder vielleicht will er es nicht merken. Er drängt mich, noch härter zu arbeiten, noch mehr zu geben. Aber ich kann nicht mehr. Ich spüre, dass mein Körper und mein Geist am Ende sind. Die Panikattacken kommen immer häufiger. Mein Schlaf ist kaum erholsam, und die Musik, die mich früher getröstet hat, bringt mir keine Freude mehr.

Und dann diese Ohnmacht gestern. Das kann ich einfach nicht länger ignorieren. Ich muss endlich an mich denken; an Livia, den Menschen. Ich brauche ganz dringend eine Pause.

Ich blättere durch die Seiten eines Modemagazins, in dem ich abgelichtet bin. Die Schlagzeile lautet: „Livia Stern – Die Diva des Jahrzehnts.“

Die Presse liebt es, mich als Diva zu bezeichnen. Es passt perfekt zu dem Bild, das sie von mir gezeichnet haben. Die glamouröse Sängerin, die immer perfekt gestylt ist, das letzte Wort hat und das Rampenlicht sucht.

Die „Diva“, die sich angeblich in überzogenen Forderungen verliert, launisch ist und alles auf ihre eigene Art will. Sie sehen nur die Fassade, die ich aufgebaut habe, um in dieser gnadenlosen Industrie zu überleben. Aber die Wahrheit ist, dass ich gar nicht so bin.

In Wirklichkeit bin ich oft einfach nur erschöpft. Die Ansprüche, die man mir nachsagt, sind meistens nichts anderes als verzweifelte Versuche, ein Stück Kontrolle über mein Leben zu behalten. Wenn ich verlange, dass die Garderobe ruhig sein soll oder dass ich vor einem Auftritt eine Stunde für mich brauche, dann geht es nicht darum, extravagant zu sein. Es geht darum, in einem Leben, das mir kaum noch Luft lässt, wenigstens einen Moment für mich zu schaffen. Aber in der Öffentlichkeit wird das natürlich als „divenhaftes Verhalten“ dargestellt.

Es gibt zahllose Geschichten über meine angebliche Unnahbarkeit und meine „Attitüde“ – alles Fiktionen, die Marc und mein PR-Team oft sogar noch fördern. Ein Image, das sich gut verkauft. Die Wahrheit ist, dass ich mich vor den endlosen Erwartungen und dem ständigen Blitzlicht verstecke. Ich brauche diese Schutzmauer, weil ich ohne sie nicht durchhalten würde.

Ich habe mich oft gefragt, warum ich das alles überhaupt mitmache. Warum ich es zulasse, dass die Menschen nur die glitzernde, unnahbare „Livia Stern“ sehen und nicht die echte Livia. Die, die einfach nur Musik machen wollte.

Aber in der Branche, in der ich mich bewege, ist die Realität zu unspektakulär. Die Leute wollen die Diva sehen, die große Show. Also gebe ich ihnen das. Aber unter der Oberfläche bin ich einfach nur müde und sehne mich nach etwas Echtem.

Die Ironie ist, dass ich diese „Diva“ immer öfter spiele, weil es das ist, was die Leute von mir erwarten. Doch je mehr ich diese Rolle spiele, desto weiter entferne ich mich von dem Menschen, der ich wirklich bin.

Mein Handy vibriert erneut. Dieses Mal ist es eine Nachricht von Sarah, meiner Assistentin.

„Livia, wir müssen unbedingt über deinen Zeitplan sprechen. Marc hat noch einige Termine hinzugefügt. Du hast kaum noch Pausen. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass du das schaffst. Marc will wie immer zu viel.“

Ich starre auf die Nachricht und bin unfähig, darauf zu antworten. Es ist, als ob mein Körper und Geist nach Luft ringen und doch ersticken. Plötzlich steht mein Entschluss fest: Ich brauche eine Auszeit, bevor ich komplett zusammenbreche.

Die Ostsee kommt mir in den Sinn – die unbeschwerten Sommer meiner Kindheit, die kleinen Pensionen und die beruhigende Weite des Meeres. Das ist genau das, was ich jetzt brauche.

Doch der Weg zur Auszeit ist nicht einfach, denn Marc ist natürlich alles andere als begeistert.

„Livia, das kannst du nicht machen!“, schreit er völlig hysterisch ins Telefon. „Es ist absolut unmöglich. Was ist das überhaupt für eine Schnapsidee? Wie kommst du auf so einen Blödsinn? Wir haben Verpflichtungen. Deine Fans, die Presse – alle erwarten dich. Nein, es gibt keine Auszeit. Nicht jetzt. Das kommt überhaupt nicht in Frage.“

„Marc, ich kann nicht mehr“, stöhne ich. „Ich bin völlig ausgebrannt. Wenn ich jetzt nicht eine Pause mache, werde ich das nächste Mal nicht nur bei einem Interview zusammen brechen, sondern mitten auf der Bühne. Das wäre eine Katastrophe. Denk nur mal an die Schlagzeilen. Und dann habe ich gar nichts mehr zu geben.“

„Livia, du weißt, dass ich nur das Beste für dich will“, behauptet Marc.

In Wirklichkeit will er natürlich nur das Beste für sich, nämlich das Geld. Er verdient sich an mir schließlich dumm und dämlich.

„Aber wir haben Verträge und Verpflichtungen. Du kannst nicht einfach alles stehen und liegen lassen.“

„Ich werde die wichtigsten Termine noch wahrnehmen“, verspreche ich matt. „Aber danach muss ich weg. Nur für eine Weile.“

Marc stöhnt theatralisch auf.

„Ich hoffe, du bist dir bewusst, dass du nach dieser Pause härter arbeiten musst als je zuvor, um wieder ins Rampenlicht zu kommen.“

„Ja, das weiß ich“, erwidere ich und fühle eine Mischung aus Erleichterung und Nervosität. Hauptsache, ich kann endlich mal wieder durchatmen. Alles andere ist mir egal.

„Na gut, ich werde das irgendwie hinkriegen“, knurrt Marc ungnädig. „Du bist wirklich eine Diva, Livia. Du kriegst deine Karriere auf dem Silbertablett serviert – und willst davon eine Pause machen. Einfach unglaublich. Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber ich habe echt was gut bei dir.“

„Danke, Marc“, ringe ich mir erschöpft ab.

Er ist wirklich ein Arsch.

Die nächsten Tage vergehen wie im Flug. Ich nehme an der Charity-Gala teil, lächele in die Kameras und gebe Interviews, während mein Inneres nach Ruhe schreit. Der Flug nach London ist anstrengend, und die Pressekonferenz ist eine endlose Abfolge von Fragen und Antworten. Doch ich halte tapfer durch, immer mit dem Gedanken an die bevorstehende Auszeit im Hinterkopf.

Während der Gala in London merke ich, wie die Müdigkeit an mir zehrt. Das ständige Lächeln, die Smalltalks, die unterschwellige Erwartungshaltung – alles fühlt sich an wie ein schwerer Mantel, der mich erdrückt. Ich sehe mich selbst in den Spiegeln des opulent dekorierten Ballsaals. Mein Spiegelbild lächelt, doch meine Augen verraten die Erschöpfung. Ich spüre Sarahs besorgten Blick und nicke ihr leicht zu, um ihr zu zeigen, dass alles in Ordnung ist – auch, wenn es das nicht ist.

Nach der Gala bin ich endlich in meinem Hotelzimmer. Ich werfe meine Schuhe in die Ecke und lasse mich auf das große, weiche Bett fallen. Mein Handy vibriert, und ich sehe, dass Marc eine Nachricht hinterlassen hat.

„Großartig gemacht, Livia. Na, es geht doch. Du wirkst kein bisschen angeschlagen. Willst du dir das mit deiner Pause nicht nochmal überlegen? Jeder hat mal einen schlechten Tag. Die Presse liebt dich. Ruh dich aus. Morgen wird ein langer Tag.“

Ich schalte das Handy aus und vergrabe mein Gesicht im Kissen. Tränen der Erschöpfung laufen über meine Wangen.

Nein, ich werde es mir ganz bestimmt nicht anders überlegen. Ich spüre mit jedem Tag deutlicher, wie sehr ich diese Auszeit brauche. Und Marc wird mich diesmal nicht vom Gegenteil überzeugen. Diesmal werde ich für mich einstehen.

Am nächsten Tag, nach einem weiteren ermüdenden Interview-Marathon, sehe ich endlich das Licht am Ende des Tunnels. Ich bin zurück in Berlin, und die letzte Verpflichtung ist abgeschlossen. Es ist Zeit, meine Koffer zu packen und die Stadt hinter mir zu lassen. Die Freude über meine bevorstehende Auszeit gibt mir neuen Schwung. Marc hat sich natürlich den Mund fusselig geredet, um mich davon zu überzeugen, dass ich keine Pause brauche, aber ich bin standhaft geblieben.

Ich verbringe den Abend damit, meine Sachen zu packen. Mein Penthouse fühlt sich fremd und leer an, obwohl es voller schöner Dinge ist. Ich gehe durch die Räume und betrachte die Kunstwerke an den Wänden, die teuren Möbel, die sorgfältig arrangierten Dekorationsstücke. Alles scheint mir so bedeutungslos.

Die Nacht wird unruhig und ich wache immer wieder auf. Meine Gedanken kreisen um die kommenden Wochen. Ich weiß, dass diese Pause notwendig ist. Aber ein Teil von mir hat Angst davor, was ich finden werde, wenn ich die Zeit habe, über mein Leben nachzudenken.

Schließlich gebe ich auf und setze mich mit einer Tasse Tee ans Fenster. Der Blick auf die nächtliche Skyline Berlins hat etwas Beruhigendes. Die Lichter der Stadt funkeln wie Sterne, und ich atme tief ein und lasse die Stille auf mich wirken.

Ab morgen werde ich endlich Ruhe haben. Ich weiß gar nicht mehr, wie sich das überhaupt anfühlt. Aber ich nehme mir fest vor, es mit allen Sinnen zu genießen.

Kapitel 2

Livia

Der Regen prasselt unaufhörlich gegen die Windschutzscheibe, während ich auf der Autobahn Richtung Ostsee fahre. Der Scheibenwischer kämpft gegen das Wasser, doch es fühlt sich an, als ob er den Kampf schon längst aufgegeben hätte – so wie ich. Ich sitze steif hinter dem Steuer. Meine Hände krampfen sich um das Lenkrad, während meine Gedanken wie ein Wirbelsturm durch meinen Kopf jagen.

Berlin liegt mittlerweile weit hinter mir, doch in meinem Kopf bin ich immer noch dort. Bei den endlosen Terminen, den Meetings, den ständigen Anrufen von Marc. Marc hat mich in den letzten Monaten wie eine Maschine behandelt; ohne Pause, ohne Erbarmen. Ich spüre immer noch das Vibrieren meines Handys in der Tasche, als ob es jeden Moment wieder losgehen könnte. Doch es bleibt stumm. Zum ersten Mal seit Jahren habe ich es ausgeschaltet.

Die Kilometer fliegen an mir vorbei, aber der Druck auf meiner Brust löst sich nicht. Das Burnout hat sich wie eine unsichtbare Last in meinem Leben festgesetzt; und egal, wie schnell ich fahre, es bleibt. Ein Teil von mir fühlt sich schuldig, einfach alles hinter mir zu lassen.

Ich blicke auf die leere Beifahrerseite. Früher saßen hier oft Freunde, die mit mir unterwegs waren. Jetzt ist der Sitz leer – so wie sich mein Leben oft leer anfühlt. Ich bin immer von Menschen umgeben, doch in Wahrheit bin ich allein. Alle erwarten etwas von mir, aber keiner sieht mich wirklich.

Die Landschaft verändert sich langsam. Die flachen Felder und Wälder kündigen die Nähe zur Küste an. Die kleinen, friedlichen Dörfer wirken wie aus einer anderen Zeit. Ich atme tief ein, doch es fällt mir schwer, den Stress abzuschütteln. Der Gedanke, dass niemand an der Ostsee weiß, wer ich bin, beruhigt mich ein wenig. Keine Kameras, keine ständige Aufmerksamkeit. Einfach nur Stille.

Die Straßen werden enger, und der Regen lässt endlich nach. Die Wolken über mir lichten sich, und ich sehe am Horizont ein schwaches Blau des Himmels. Es ist, als ob der Himmel mich sanft in Richtung der Ruhe führt, die ich so dringend brauche. Die Luft verändert sich und ich kann das Meer schon fast riechen.

Als ich den Blinker setze und von der Autobahn auf eine schmale Landstraße abbiege, sehe ich die ersten Schilder, die mir den Weg zur Pension Meeresruhe weisen. Der Name klingt wie ein Versprechen. Noch ein paar Kilometer, und ich bin da. Ein Hauch von Erleichterung macht sich in mir breit.

Als ich aus dem Auto steige, umfängt mich die frische, salzige Luft der Ostsee wie eine sanfte Umarmung. Ich versuche, die Ruhe dieses Ortes in mich aufzunehmen, aber mein Körper ist immer noch angespannt. Die letzten Monate waren eine einzige Hetzjagd, und selbst jetzt spüre ich den Druck wie ein unsichtbares Gewicht auf meinen Schultern.

Die Pension steht ruhig und einladend vor mir. Sie hat eine wunderschöne blaue Farbe, weiße Kassetten-Fenstern und Efeu auf dem Dach. Der traumhafte, gepflegte Garten erstreckt sich bis zur Küste. Der Name Meeresruhe könnte nicht passender sein. Ich habe mich so sehr nach einem Ort gesehnt, an dem niemand etwas von mir erwartet und wo ich mich endlich von all dem Trubel erholen kann. Der Gedanke, dass ich hier wahrscheinlich unerkannt bleiben kann, gibt mir Sicherheit.

Ich greife nach meiner Tasche und schließe kurz die Augen. Der Gedanke an die Stadt und die ständigen Anforderungen von Marc lässt mein Herz unruhig schlagen. Bei meinem letzten Auftritt habe ich es kaum geschafft, auf der Bühne zu stehen, ohne zusammenzubrechen. Die Anspannung und die Erwartung, immer perfekt zu sein, hat mich fast zerstört.

Als ich die Tür zur Pension öffne, umfängt mich der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee, vermischt mit Holz und Lavendel. Die glatten Holzdielen unter meinen Füßen knarren sanft, und die Wände strahlen in einem warmen Cremeweiß, das vom Sonnenlicht durchflutet wird.

Mein Blick wandert über bequeme, elegante Sessel in weichen Pastelltönen, die wie gemacht sind, um sich hinein zu kuscheln. Auf einem Couchtisch aus hellem Eichenholz steht eine Vase mit frischen Strandblumen, die sich sanft im Luftzug wiegen.

An den Wänden hängen Bilder von alten Fischerbooten und stürmischen Meeren, deren Farben lebendig strahlen. In der Ecke des Raumes entdecke ich ein gut sortiertes Bücherregal. Alles wirkt einladend, gepflegt und harmonisch, als wäre es ein Ort, der dafür geschaffen wurde, Menschen zur Ruhe kommen zu lassen. Genau das Richtige für mich.

Die Möbel und die Einrichtung haben eine zeitlose Eleganz, nichts ist übertrieben oder protzig. Es ist einfach nur gemütlich und stilvoll.

Ich streiche mit den Fingern über das glatte Holzgeländer der Treppe und spüre, wie die Anspannung in meinen Schultern langsam nachlässt. Hier gibt es keine Erwartungen, nur diese friedliche Stille, die mich sanft umfängt.

„Willkommen in der Pension Meeresruhe“, höre ich eine tiefe, warme Stimme hinter mir.

„Ich bin Leonard Landmann.“

Ich drehe mich um und stehe einem ausgesprochen attraktiven Mann gegenüber, der ungefähr in meinem Alter sein müsste. Alles an ihm strahlt eine fast greifbare Ruhe aus, die mich innehalten lässt. Groß und athletisch, mit breiten Schultern, die in einem lässigen Hemd stecken, wirkt er wie jemand, der mit sich und der Welt völlig im Einklang ist. Sein Dreitagebart unterstreicht den markanten Kiefer, und seine braunen Augen leuchten warm, als er mich ansieht. Es ist nicht die Art von Blick, die neugierig oder aufdringlich ist, sondern ein ruhiger, wissender Ausdruck.

„Guten Tag. Ich bin Livia Behringer“, stelle ich mich mit meinem echten Namen vor.

Ich beobachte ihn, während er sich hinter den Empfangstresen begibt und in einem dicken Buch blättert – wahrscheinlich das Gästebuch. Seine Bewegungen sind langsam, fast bedächtig. Kein hektisches Tippen auf einem Tablet, keine schnellen Befehle. Einfach nur Gelassenheit. Es fasziniert mich, wie jemand so viel Ruhe in sich tragen kann. Er ist das genaue Gegenteil von mir.

„Sie sind wahrscheinlich müde von der langen Fahrt“, sagt er, ohne von seinem Gästebuch aufzusehen.

„Wir haben hier keine Eile. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen.“

Ich nicke. Wie kann er das so genau wissen? Es ist, als hätte er meine Anspannung gespürt. Strahle ich das so deutlich aus?

Als er schließlich wieder aufschaut, begegne ich seinem Blick und merke, wie mein Herz einen kleinen Sprung macht. Es ist nicht nur seine Ausstrahlung, die mich in seinen Bann zieht. Leonard sieht verdammt gut aus, und das auf eine unaufdringliche, fast lässige Art. Nicht wie die aufgesetzte Perfektion, die ich aus meinem Leben in Berlin kenne, sondern etwas Echtes.

„Ich werde Ihnen Ihr Zimmer zeigen“, erklärt er, und ich folge ihm durch den Flur. Während ich hinter ihm her schlendere, merke ich, wie sich ein Teil meiner Anspannung löst, als hätte allein seine Präsenz schon eine heilende Kraft. Ob er weiß, welche Wirkung er auf andere Menschen hat? Wahrscheinlich nicht. Leonard scheint jemand zu sein, der einfach ist – ohne groß darüber nachzudenken.

Und irgendwie ist das genau das, was mich so sehr anzieht.

Als ich die Tür zu meinem Zimmer öffne, trifft mich die Schlichtheit des Raumes wie eine kalte Dusche. Ich trete ein, schließe die Tür hinter mir und lasse meinen Blick langsam durch den Raum schweifen. Die weißen Wände sind kahl. Es gibt keine Bilder und keinerlei Dekoration. In der Mitte des Zimmers steht ein einfaches Holzbett mit einer cremefarbenen Bettdecke, daneben ein kleiner Nachttisch und eine Stehlampe. Dazu gibt es einen Tisch, zwei Stühle und einen kleinen Fernseher. Kein Sound-System, keine Minibar, kein Luxus.

Ich stelle meine Tasche ab und seufze leise. Ist das wirklich alles? Ich hatte mir die Pension idyllisch vorgestellt, aber vielleicht ist der Begriff idyllisch etwas dehnbar. Ein Bad mit einer Regendusche zum Beispiel. Oder eine Minibar, in der eine Flasche Champagner darauf wartet, geöffnet zu werden. Stattdessen entdecke ich in der Ecke des Raumes nur einen kleinen Schrank mit einem Wasserkocher. Keine Espresso-Maschine, kein Zimmerservice. Einfach… nichts.

Ich gehe zum Fenster und ziehe die Gardinen zur Seite. Der Blick auf das Meer ist atemberaubend. Die Wellen rollen in gemächlichen Bewegungen an den Strand. Der Himmel ist weit und wolkenlos, und die Brise, die durch das Fenster hereinweht, riecht nach Salz und Freiheit.

Doch selbst dieser Ausblick kann meine Enttäuschung nicht verdrängen. Ich bin etwas ganz anderes gewöhnt. Normalerweise bin ich von allem umgeben, was man sich nur vorstellen kann: Fünf-Sterne-Hotels, Luxus-Apartments, Designer-Möbel, Spitzen-Gastronomie, 24-Stunden-Butler.

Aber hier? Hier gibt es rein gar nichts an Komfort. Ich könnte genauso gut zelten gehen. Ich schüttele den Kopf und frage mich, wie ich die nächsten Tage ohne all die gewohnten Annehmlichkeiten überstehen soll. Warum habe ich diese Pension überhaupt gebucht? Habe ich nicht richtig hingeguckt? Vielleicht hätte ich das lieber Sarah überlassen sollen, die sich sonst auch darum kümmert.

Ich setze mich auf das Bett, das knarrend unter mir nachgibt.

---ENDE DER LESEPROBE---