Herzklopfen im Husky-Camp - Katharina Lundin - E-Book

Herzklopfen im Husky-Camp E-Book

Katharina Lundin

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Beschreibung

Schlittenhunde, Zimtschnecken und Herzklopfen: Große Gefühle in Lappland Im Huskycamp einer Freundin lernt Romy, die als Bibliothekarin in Arvidsjaur arbeitet, den Autor Jonas kennen, der in Lappland an seinem neuen Roman arbeitet. Die beiden freunden sich an – mehr jedoch nicht. Denn nach mehreren schmerzhaften Erfahrungen hat es Romy inzwischen perfektioniert, Männer auf Distanz zu halten. Als Jonas zurück nach Deutschland geht, bleiben die beiden in Kontakt. In Gesprächen über Bücher und das Leben merkt Jonas: Er ist hin und weg von Romy, möchte ihr unbedingt noch näherkommen. Und auch Romys Fassade beginnt allmählich zu bröckeln. Kann sie ihre Vergangenheit überwinden und sich Jonas völlig öffnen?

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Herzklopfen im Husky-Camp

Katharina Lundin wurde 1985 geboren und lebt in Fellbach bei Stuttgart. Nach dem Studium der Germanistik und Anglistik hat sie zehn Jahre als Redakteurin in der Verlagsbranche gearbeitet, bevor sie in den die Unternehmenskommunikation gewechselt ist. 

Katharina Lundin liebt sowohl Hunde als auch nordische Länder, und im Winter 2017 hat sie die perfekte Schnittmenge daraus für sich entdeckt: Schlittenhunde-Touren in Schwedisch-Lappland. Die Umgebung von Arvidsjaur hat sie auch zu ihrem ersten Roman inspiriert. 

Wenn sie nicht gerade selbst die Nase in einem Buch hat, findet man Katharina Lundin auf der Pilates-Matte oder bei der Suche nach dem besten Cappuccino in Stuttgart. 

Schlittenhunde und Herzklopfen: Große Gefühle in Lappland

Im Huskycamp einer Freundin lernt Romy, die als Bibliothekarin in Arvidsjaur arbeitet, den Autor Jonas, der von seinem Verlag nach Lappland geschickt wird, kennen. Die beiden freunden sich an – mehr jedoch nicht. Denn nach mehreren schmerzhaften Erfahrungen ist Romys Bedarf an Männern erst einmal gedeckt und sie hat es inzwischen perfektioniert, diese auf Distanz zu halten.

Als Jonas zurück nach Deutschland und auf Lesereise geht, bleiben die beiden in Kontakt. Als er Romy von seiner Schreibblockade erzählt, kommt sie auf eine „Spielidee“: Sie gibt Jonas für jede Stadt oder Lesung eine Aufgabe – umgekehrt möchte Jonas, dass Romy in jeder E-Mail ein Buch nennt, das sie beim Lesen inspiriert, an etwas erinnert oder starke Gefühle in ihr ausgelöst hat.

Bald ist Jonas hin und weg von Romy, er möchte ihr unbedingt noch näherkommen, als er es in Lappland konnte. Und auch Romys Fassade beginnt allmählich zu bröckeln. Werden die beiden ihre Vergangenheit überwinden und endlich zueinander finden?

Katharina Lundin

Herzklopfen im Husky-Camp

Ullstein

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Originalausgabe bei Ullstein eBooksUllstein eBooks ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin September 2024 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2024Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © PrivatE-Book powered by pepyrusISBN 978-3-8437-3219-2

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Inhalt

Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

Epilog

Leseprobe: Herzklopfen im kleinen Hofladen an der Schlei

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Prolog

Ich hätte es besser wissen müssen. Aber ganz egal, wie viele Enttäuschungen ich bereits erlebt habe, so ganz wollte mir mein Glaube an die Liebe nicht abhandenkommen. Bis jetzt.

Ich höre, wie er am anderen Ende der Leitung tief Luft holt. In der kurzen Stille danach keimt die Hoffnung in mir auf, eine Entschuldigung oder Erklärung zu bekommen – irgendwas, das mich aus diesem Albtraum aufweckt. Doch dann …

»Mach es gut, Romy. Ich wünschte, ich hätte eine andere Lösung gefunden. Aber mir wollte einfach keine bessere einfallen.« Die Nüchternheit in seiner Stimme verpasst mir einen weiteren Stich. Es fühlt sich an, als würde ich unkontrolliert ins Nichts fallen, während er völlig abgeklärt Fakten schafft. Ist alles, was wir uns aufgebaut haben, so wertlos für ihn, dass er es beiseiteschieben kann wie eine lästige Lappalie? Ein unangenehmes To-do, das er für heute noch auf dem Zettel hat, bevor er sich wieder den angenehmen Dingen widmen kann?

Ich lache bitter auf und drücke das Telefonat weg. Was soll ich auch weiter dazu sagen? Ihm erklären, dass er mir alles, woran ich bis vor wenigen Minuten geglaubt habe, unter den Füßen weggerissen hat? Resigniert stehe ich mit meinem Handy in der Hand im Flur und lasse mich an einer der Wände entlang in die Hocke gleiten. Wie soll es nun bloß weitergehen?

1. Kapitel

Von: [email protected]: Freitag, 3. Januar, 20:17 An: [email protected]

Betreff: On the road again [bitte mit passender Melodie denken]

Liebe Romy,am meisten fehlt mir diese nahezu komplette Abwesenheit von Farben und Geräuschen. Was direkt nach der Landung in Hannover auf mich eingeprasselt ist, war nach den letzten Wochen in Lappland die pure Überforderung: Menschenmassen, Lärm, Gerüche unterschiedlichster Art … Ein Zuviel an allem, das wild durcheinander purzelt und sich dann zu einer zähen Masse vermischt.

Fällt es dir nach zwei Jahren überhaupt noch auf, dass ihr in Lappland im dauerhaften Sparmodus unterwegs seid? Schon beim Landeanflug sieht man nichts als eine endlose weiße Weite. Selbst die Häuser – von den Falunroten mal abgesehen – mischen sich in zurückhaltendem Crème oder Zartgelb ins Bild, als wollten sie einem harmonischen großen Ganzen nicht im Weg stehen. Entspricht das eigentlich dem schwedischen Wesen? Ähnlich wie die bunten Häuser in Südafrika? Das sollte mal jemand zu einer wissenschaftlichen Studie verarbeiten: »Fassadenfarben im Spannungsfeld zwischen urbaner Konformität und Ausdruck des nationalen Wesens.« Manchmal habe ich mich jedenfalls gefühlt, als würde ich durch einen Schwarz-Weiß-Film spazieren.

Und dann diese Stille, die mir ganz besonders morgens beim ersten Schritt vor meine Blockhütte bewusst wurde. So sehr man sich auch anstrengt, das Ohr findet einfach nichts, das es verarbeiten könnte. Keine Motorengeräusche, kein Vogelgezwitscher, nada. Sind eure Sinne eigentlich noch voll funktionsfähig? Oder fahren sie nach einer gewissen Zeit automatisch in den Minimalbetrieb? Wenn ein Sinn ausfällt, arbeiten die anderen ja bekanntlich umso schärfer. Wie ist es, wenn mehrere ausfallen? Bleibt dann mehr Kapazität für den Geist übrig? Vermutlich war das der Hintergedanke meiner Lektorin, als sie mich zu euch in die Idylle geschickt hat, um an meinem nächsten Roman zu arbeiten.

Diese Zeilen tippe ich übrigens in einem Hotelzimmer Marke »Ich gehöre zu einer Kette und sehe überall gleich aus. Vielleicht bist du schon gar nicht mehr in Hamburg? Vielleicht bist du längst in Brüssel?«. Ich bin quasi direkt vom Flughafen auf Lesetour gegangen. Der Verlag hat mich anlässlich meines neuen Romans auf eine One-Man-Roadshow durch die Republik geschickt. Buchhandlungen, Bibliotheken, Volkshochschulen, Gymnasien. You name it, I’ll read there. Heute Düren, morgen Schwabmünchen – und dazwischen Gedanken an Lappland, und der Versuch, meine Notizen von dort in einen neuen Roman zu gießen und mich dabei nicht allzu sehr mit seltsamen Überlegungen über Fassadenfarben abzulenken … auf dass ich auch nächstes Jahr wieder die show on the road bringen kann. Vermutlich ist die Lesetour auch als sanfter Druckaufbau zu sehen: »Schau, wie die Leute dich mögen – du musst unbedingt nachlegen!«

Danke, dass ihr mich sechs Wochen in eurem kleinen Paradies aufgenommen habt. Ihr (und die Hunde!) fehlt mir. Verrückt, dass ich euch erst seit Mitte November kenne. Es fühlt sich eher wie eine langjährige Freundschaft an.

Mach's gut! Und grüß mir Bertie, meinen alten Kumpel. Vielleicht auch Per und Ella, wenn du schon mal im Camp bist.

Dein

Jonas

Grinsend lasse ich mich noch ein wenig tiefer in das gemütliche Sofa sinken und nippe an meinem Cappuccino. Gerade einmal 36 Stunden ist es her, dass ich Jonas nach einer sehr langen – oder kurzen, je nach Betrachtungsweise – Silvesternacht unter Polarlichtern am Flughafen von Arvidsjaur verabschiedet habe.

An den kleinen Ort knapp 100 Kilometer südlich des Polarkreises verirren sich sonst neben Touristen vor allem Ingenieure, Techniker und Testfahrer aus ganz Europa. Das Städtchen gilt als Mekka der internationalen Autotester-Szene, die hier fleißig ihre Prototypen, die sogenannten Erlkönige, über die vereisten Straßen jagt oder auf den extra dafür präparierten Testgeländen sonderbare Schleifen fährt. Und neuerdings hält Arvidsjaur auch als Quelle der Inspiration für berühmte Autoren mit Schreibblockade her. Angefangen hat alles mit der formlosen E-Mail eines Münchner Verlagshauses: ob es möglich sei, einen erfolgreichen Autor für sechs Wochen ins Schreib-Exil nach Schwedisch-Lappland zu schicken. Hier, so hoffe man, sollen Abgeschiedenheit und Ruhe dafür sorgen, den nächsten Bestseller aus ihm herauszukitzeln. Empfänger dieser E-Mail war mein guter Freund Per, der ganz in der Nähe meines Wohnorts Arvidsjaur ein Husky-Camp führt, in dem es neben einem gemütlichen Haupthaus auch ein paar Gästehütten gibt. Diese einstöckigen roten Holzhütten bieten genügend Komfort für entspannte Urlaubstage, aber gleichzeitig auch ausreichend wenig Schnickschnack, der einen vom konzentrierten Arbeiten abhalten könnte: ein simples Doppelstockbett, einen kleinen Tisch mit hell lackierten Stühlen und natürlich einen Ofen, der an eiskalten Tagen für wohlige Wärme sorgt. Dieses Schreibumfeld schien Jonas' Lektorin zu überzeugen, denn wenige Wochen später stand er dann auch schon da: ausgerüstet mit einer Jacke von The North Face – der Allzweckwaffe aller deutschen Outdoor-Freunde – und einer leuchtend grünen Wollmütze, die er sich laut Per bereits auf dem kurzen Weg vom Flugzeug zur Ankunftshalle unseres winzigen Flughafens immer tiefer über seinen dunkelbraunen Haarschopf und in die Stirn zog. Dabei empfingen wir ihn an diesem Tag mit touristenfreundlichen minus zwölf Grad. In den nächsten Wochen hat er sich jedoch gut mit den Wetterbedingungen arrangiert, und, wie ich vermute, auch ein wenig in die wunderschöne Landschaft Nordschwedens verliebt. So geht es den meisten Menschen, egal ob sie wenige Tage oder direkt mehrere Wochen bei uns verbringen. Und das völlig unabhängig von der Jahreszeit, denn jede bringt ihren ganz eigenen Reiz mit sich. Die Arbeit an seinem Roman ging dagegen eher schleppend voran – mehr als eine lose Ideensammlung hatte Jonas auf der Rückreise nicht im Gepäck. In der weinseligen Silvesternacht hat er mir anvertraut, dass er sich deshalb schon Sorgen macht, dass der Verlag seine Vorschusszahlung wieder zurückfordern oder seinen Slot im kommenden Herbstprogramm an jemand anderen vergeben könnte. Wenn es etwas gibt, woran es in einem Buchverlag nicht mangelt, dann sind es Manuskripte, die auf ihre Veröffentlichung warten. Bevor ich näher darauf eingehen konnte, hat Jonas den Gedanken dann aber rasch wieder weggelächelt und mir stattdessen noch einmal zugeprostet. Wie realistisch dieses Szenario tatsächlich ist, weiß ich daher nicht.

Während Jonas nun also wieder zurück in Deutschland ist und sich auf die erste Lesung seiner Tour vorbereitet, sitze ich im Café meiner Freundin Lotta und schaue durch das große Fenster in den trüben Januartag hinaus. Da die Schulferien noch einige Tage in den Monat hineinreichen, sieht man nur vereinzelt Menschen, die sich durch das Schneegestöber kämpfen, um ihre Einkäufe bei ICA zu erledigen. Manche von ihnen füllen vielleicht auch im systembolaget ihre hauseigene Minibar auf, die über die Festtage gelitten haben dürfte. In Schweden hat der Staat das Monopol, harten Alkohol zu verkaufen, wofür in den 1950er-Jahren eigene Verkaufsstellen eingeführt wurden, sogenannte systembolaget oder kurz systemet. Im Supermarkt gibt es nur Getränke unter 3,5 Prozent Alkoholgehalt – für alles andere muss man besagte Alkoholläden aufsuchen.

Die meisten sitzen aber wohl noch in der warmen Stube und genießen die trägen Tage um den Jahreswechsel, die mich immer ein wenig an das Gefühl erinnern, das einen am Flughafengate beschleicht, während man auf das Boarding wartet: Man ist nicht mehr ganz hier, aber auch noch nicht wirklich dort. Ich jedenfalls fühle mich jedes Jahr ab dem 27. Dezember, als befände ich mich in einer gepolsterten Blase und könnte die Realität auf angenehme Art von mir fernhalten.

Seit gestern weht uns ein eisiger Polarwind um die Nasen, weshalb ich mich nur allzu gerne in Lottas Café verzogen habe, bevor ich nachher zur Arbeit in die Bibliothek gehe. Die öffnet an den meisten Tagen erst um zwölf Uhr, dafür aber an sechs Tagen der Woche. So kann ich meine Vormittage ohne schlechtes Gewissen im Café verbummeln, meinen Gedanken nachhängen, mich in ein Buch vertiefen oder Lotta Gesellschaft leisten, wenn das Geschäft mal etwas schleppend läuft. Hätte sie nicht einen kleinen Teil des Ladens für Souvenirs und Spezialitäten wie Rentier- oder Elchfleisch reserviert, würde es Lottas Café vielleicht schon gar nicht mehr geben. In Kombination mit den steigenden Touristenzahlen und dem munteren Autotester-Betrieb zwischen November und April sorgen die Mitbringsel dafür, dass Lotta zumindest in diesen Monaten ruhig schlafen kann. Der Saison-Verdienst bringt sie auch einigermaßen solide durch die Sommermonate, wenn fast nur noch Einheimische in der Stadt sind und das Café bloß an den Wochenenden stark besucht ist.

»Was lächelst du denn so versonnen?«, will Lotta wissen, während sie einen frisch gebackenen kladdkaka in die Kuchenvitrine schiebt. Übersetzt bedeutet das so viel wie »klebriger Kuchen«, und damit ist eigentlich auch schon alles erklärt. Sobald ich diese reichhaltige, oberschokoladige Köstlichkeit sehe, reagiere ich wie der berühmte Pawlowsche Hund und lecke mir über die Oberlippe.

»Ich habe gerade eine E-Mail von Jonas gelesen«, erkläre ich und deute dabei abwechselnd auf die Vitrine und meinen Bauch. Zum Glück versteht Lotta Zeichen dieser Art und holt einen Teller von einem der cremefarbenen Holzregale.

»Er ist wieder zurück in Deutschland, oder?«, möchte sie dann wissen und schneidet mir dabei ein großzügiges Stück vom Schokokuchen ab. »Vermisst du ihn schon?«

»Hm, ein wenig komisch ist es schon, dass er nicht mehr da ist. Immerhin haben wir in den letzten Wochen regelmäßig Zeit miteinander verbracht.« Kurz schieben sich ein paar Momentaufnahmen unseres letzten Spaziergangs vor mein inneres Auge. Am Tag vor seiner Abreise haben wir uns die Schneeschuhe untergeschnallt und sind eine große Runde über den zugefrorenen See gestapft. Unterwegs begann es leicht zu schneien und in den dichten Wimpern um Jonas' tiefbraune Augen verfingen sich einige Schneeflocken.

»Schon verrückt, wie viel schneller man hier oben in der Einsamkeit zusammenwächst.«

»Weil ihr Großstadtkinder einfach nur anonym nebeneinanderher lebt«, erklärt Lotta. »Das hier oben, meine Liebe, ist der Normalzustand einer gut funktionierenden Gemeinschaft«, fügt sie hinzu und deutet dabei mit dem Kuchenmesser in ihrer rechten Hand einen großen Kreis an, der wohl ganz Norrbottens län umfassen soll, also den hohen Norden Schwedens inklusive einer guten Portion des schwedischen Teils von Lappland. Natürlich, sie hat nicht ganz unrecht. Seit ich vor zwei Jahren aus München nach Lappland gekommen bin, habe ich erst richtig erfahren, was es heißt, aufeinander zu achten und füreinander da zu sein. Anders würde es hier oben auch gar nicht funktionieren. Das Miteinander in der »letzten Wildnis Europas«, wie Lappland in Reiseführern und Touri-Broschüren gerne genannt wird, besteht aus einem ständigen Geben und Nehmen: Du hilfst mir im Sommer beim Eintreiben der Rentiere und ich schippe dir im Winter mit meinem Schneemobil die Zufahrt zu deinem Haus frei. Deals wie diesen kennt hier fast jeder. Und für die meisten Menschen ist es selbstverständlich, sich in irgendeiner Form in die Gemeinschaft einzubringen. Das merke ich auch daran, dass sich die Woche über zwei verschiedene Buchclubs und ein Handarbeitskreis in der Bibliothek die Klinke in die Hand geben. Für eine Stadt mit gerade einmal 5 000 Einwohnern kann sich das wirklich sehen lassen.

»Na jaaaaa«, meine ich gedehnt, »so herzlos sind wir Großstädter dann auch wieder nicht. Ich habe mich schließlich schnell hier eingefügt.«

»Das stimmt natürlich«, nickt Lotta, setzt sich zu mir auf das braune Ledersofa und stellt dabei eine dampfende Tasse blåbär-Tee auf das kleine Beistelltischchen. Sofort entfaltet sich ein herrliches Blaubeeraroma und ich beuge mich über die Tasse, um es genießerisch einzuatmen.

»Was schreibt er denn?«, will Lotta in dem Moment wissen und schielt auf mein Handy.

»Er ist auf Lesereise und versucht nebenbei, seinen neuen Roman zu schreiben. Wobei es eher danach klingt, als würde er immer noch nach einem Anfang suchen.«

»Hat ihn die Muse in Lappland nicht oft genug geküsst?«, neckt mich Lotta und wackelt mit den Augenbrauen.

Um Zeit zu gewinnen, schiebe ich mir erst einmal ein großzügiges Stück des ofenfrischen kladdkaka in den Mund und kaue ausgiebig. Der erste Bissen dieses Kuchens fühlt sich für mich immer an, als bekäme ich eine kuschlige Decke um die Schultern gelegt: weich und wärmend. Ich schließe kurz die Augen, um den intensiven Geschmack der Schokolade und die leicht klebrige Konsistenz des Teiges ganz bewusst wahrzunehmen

. »Hier wurde kein einziges Mal geküsst«, sage ich schließlich, weil Lotta ihre Frage eisern in der Luft hängen lässt und mich noch immer fragend ansieht. »Wir haben uns einfach nur sehr gut angefreundet. Genauso wie er es mit Per und Ella auch getan hat«, schiebe ich rasch hinterher und schwenke meine Kuchengabel in der Luft, als wollte ich die Worte dadurch unterstreichen

. Und tatsächlich waren wir ganz oft im Viererpack unterwegs – was vor allem deshalb witzig war, da weder Jonas und ich noch Per und Ella ein Paar sind. Doppeldates ohne Date-Charakter sozusagen. Ella ist ein paar Jahre jünger als Lotta und ich und kommt ursprünglich aus der Schweiz. Sie ist seit Anfang der Wintersaison für ein Urlaubssemester in Lappland und arbeitet in Pers Husky-Camp als Doghandlerin. Das bedeutet, dass sie ihm hilft, seine rund 50 Hunde zu versorgen, was schon für sich genommen eine tagesfüllende Aufgabe wäre. Nebenbei kümmern sich die beiden aber auch noch um Pers Gäste, die entweder direkt für eine ganze Schlittenhunde-Woche kommen oder lediglich für eine Tagestour vorbeischauen.

»Außerdem ist mein Bedarf an Beziehungen nach den Erlebnissen mit Tobias und seinen kaum weniger ruhmreichen Vorgängern erst einmal gedeckt. Männlichen Wesen traue ich nur noch über den Weg, wenn sie vier Pfoten haben und einen Schlitten ziehen können.«

»Ach, komm«, entgegnet Lotta und zieht die Nase kraus, »nicht jeder ist wie die Männer, auf die du dich bisher eingelassen hast. Warum sollte ein netter Kerl wie Jonas für die Fehler bestraft werden, die ein anderer begangen hat?« Sie überlegt kurz und setzt dann erneut an. »Außerdem wäre es nach zwei Jahren nun wirklich nicht zu früh, mal ganz vorsichtig den großen Zeh in den Dating-Pool zu strecken.«

Ich verdrehe die Augen und nehme einen weiteren großen Schluck aus meiner Kaffeetasse

. »Deine Diplomatie kann manchmal ganz schön nerven«, meine ich schließlich und wische mir einen kleinen Milchbart ab. »Kennst du einen, kennst du alle, sage ich dir!« Mit Schwung knalle ich die Tasse auf den Tisch und setze so ein hörbares Ausrufezeichen hinter meine These. Natürlich ist mir bewusst, dass mein Urteil ziemlich pauschal ist, da hat Lotta nicht unrecht. Umgekehrt fände ich es schließlich auch ungerecht, wenn mir Menschen misstrauen würden, weil sie wegen anderen Personen Schlimmes durchgemacht haben. Trotzdem schlägt die Waage nun mal sehr deutlich in eine Richtung aus, wenn ich mein bisheriges Liebesleben über den Daumen peile. Warum sollte ich davon ausgehen, dass es ausgerechnet mit Jonas anders sein würde? Davon einmal abgesehen, haben wir äußert ungünstige geografische Rahmenbedingungen, wie ein Blick auf die Landkarte sehr schnell verrät: Die Strecke zwischen dem Polarkreis und Deutschland ist nicht gerade kurz. Und überhaupt: Warum lasse ich mich auf einmal in Lottas Gedankenspiele hineinziehen? Jonas ist während seiner Zeit in Lappland zu einem Freund geworden. Nicht mehr, nicht weniger. Ich schüttle kaum merklich den Kopf und tippe eine Whatsapp-Nachricht an Ella, um ihr zu sagen, dass ich nach der Arbeit noch im Camp vorbeischaue. Dann werfe ich das Smartphone in meine Handtasche und ziehe stattdessen den neuen Roman der schwedischen Autorin Viveca Sten heraus. Ein düsterer nordischer Krimi ist die beste Medizin gegen diese süßlichen Gedanken. Es geht nichts über ein paar Leichen oder zwielichtige Verdächtige, um etwaige romantische Gefühle in die Schranken zu weisen. Und die Antwort an Jonas hat auch noch Zeit bis heute Abend.

Einen recht ereignisarmen Arbeitstag später lenke ich meinen alten Volvo in die Einfahrt von Pers Husky-Camp. Nachdem ich ausgestiegen bin, setze ich mir erst einmal die Stirnlampe auf (ja, Anfang Januar ist es hier tatsächlich ab 16 Uhr stockdunkel). Dann mache mich auf den Weg zu den Hundezwingern und komme dabei am falunroten Haupthaus vorbei. Hinter der Wohnzimmerscheibe erkenne ich Marley, Pers treuen Golden Retriever, der aufmerksam nach draußen schaut. Als ich ihm zuwinke, legt er mit einem fragenden Blick den Kopf schief und sieht dabei so süß aus, dass ich am liebsten kurz ins Haus abbiegen möchte.

»God kväll, Romy!«, ruft mir Per in diesem Moment von Weitem zu.

»Hej, hej! Ich habe gehört, hier gibt es ein paar Hunde zu versorgen?«, gebe ich zurück und laufe auf das große Holztor zu, das in den Auslauf führt.

»Du weißt ja: Die Arbeit endet hier im Camp nie«, nickt Per zustimmend. »In den Zwingern mit Hemingway und Lizzie müssten schon alle gefressen haben. Du kannst die Hunde also gerne von der Leine machen und die leeren Näpfe einsammeln.«

Pers Hunde können sich den ganzen Tag frei in ihren Zwingern, im Auslauf oder natürlich auf den ausgedehnten Schlittentouren bewegen, aber rechtzeitig vor dem Füttern geht morgens und abends das allgemeine Anleinen los. So stellt Per sicher, dass jeder der Hunde in seinem eigenen Tempo fressen kann, ohne sich gierige Artgenossen vom Leib halten zu müssen. Außerdem behält er dadurch den Überblick über die guten und schlechten Fresser im Rudel. Lässt ein Hund sein Futter mehrfach hintereinander nahezu unberührt stehen, kann das harmlose Gründe haben – bei Hündinnen passiert es zum Beispiel manchmal, wenn sie gerade läufig sind – aber auch darauf hindeuten, dass Per den Hund genauer beobachten oder sogar den Tierarzt um Rat bitten sollte.

Egal, wie oft ich bereits im Camp war: Auch heute muss ich wieder unweigerlich lächeln, als ich den Blick über die Zwinger schweifen lasse. Und obwohl ich jeden der ungefähr 50 Hunde auf seine eigene Art mag, haben sich ziemlich schnell zwei absolute Lieblinge herauskristallisiert: Der ruhige, gutmütige Hemingway, und die freche, aufgeweckte Lizzie. Ersterer fixiert mich bereits mit seinen stechend blauen Augen, als ich mich dem Zwinger nähere und ihn betrete. Im Vorbeigehen mache ich Hemingways Zwingergenossen Aras von der Leine und streichle dem Rüden kurz über den Kopf, bevor ich mich meinem Liebling widme.

»Na, mein Schöner?«, sage ich beinahe im Flüsterton, während ich mich neben ihn auf den Boden knie. Hunde hören um ein Vielfaches besser als Menschen. Deshalb ist es mir immer ein Graus, wenn Pers Gäste mit den Hunden sprechen, als müssten sie in einem großen Saal voller Menschen die letzte Reihe ohne Mikrofon erreichen. »Ich brülle dir doch auch nicht mit der Flüstertüte ins Ohr«, denke ich mir dann verärgert und bemitleide vor allem die sensiblen Tiere im Rudel wie die scheue Cookie, die bei solchen Gelegenheiten gerne Zuflucht in ihrer Hütte sucht. Nachdem sich Hemi, wie der Rüde meist kurz genannt wird, ein paar Streicheleinheiten von mir abgeholt hat, folgt er Aras in die Hütte unter dem Vordach des Zwingers und macht sich bereit für die Nachtruhe.

Im Zwinger der fünf Hündinnen nebenan ist noch etwas mehr Trubel. Die beiden Schwestern Alva und Kalla, die nebeneinander angeleint sind, scheinen einen kleinen Disput auszutragen. Die groß gewachsene Tara – zugleich die Jüngste und Kräftigste in der Mädelsrunde – verfolgt das Geschehen mit einem Blick, der irgendwo zwischen Herablassung und Müdigkeit liegt. Die zarte Lizzie hingegen trippelt aufgeregt auf ihren Vorderpfoten und wirft mir einen Blick zu, der wohl bedeuten soll: »Na los, Mädchen! Mach mich endlich von dieser Leine ab!« Im ersten Moment habe ich den Verdacht, dass das kleine Luder sich ebenfalls in den Streit ihrer beiden Schwestern einklinken möchte. Aber dann bemerke ich, dass Lizzies Napf samt Inhalt auf einer kleinen Eisplatte davongeschlittert ist, bevor die Hündin ihn leeren konnte. Was für eine Qual: Da hat man ein schönes Mahl direkt vor Augen, aber kommt nicht heran. Rasch schiebe ich den Blechnapf zurück an seinen Platz und beobachte, wie sich Lizzie hektisch über die Reste hermacht. Ein zufriedenes Bäuerchen später hat auch sie als letzte der Runde ihr Abendessen beendet und ich kann die Damen eine nach der anderen von der Leine machen.

»Deine Hilfe können wir diese Woche echt gut gebrauchen«, stöhnt Ella, die inzwischen von den Zwingern auf dem hinteren Teil des Geländes zu mir gestoßen ist. »Unsere neuen Gäste setzen eher auf das Rundum-sorglos-Paket. Sobald sie vom Schlitten gestiegen sind, scheinen sie wenig Lust zu haben, sich noch länger mit den Hunden zu beschäftigen.«

Warum man Urlaub mit Hunden bucht, wenn man sich nicht für die Tiere interessiert und kaum Zeit mit ihnen verbringen möchte, wird mir wohl auf ewig ein Rätsel bleiben. Natürlich kann Per von seinen Gästen nicht verlangen, dass sie sich in den Alltag im Camp einbringen und bei der Versorgung der Hunde mithelfen. Dennoch ist es für die meisten so selbstverständlich, dass es heraussticht, wenn dann doch einmal Gäste da sind, die sich außerhalb der Touren oder der gemeinsamen Mahlzeiten auf ihre Hütten verziehen, statt Kontakt zu suchen. Sprachbarrieren können dafür jedenfalls kein Grund sein: Abgesehen davon, dass die meisten Schweden sehr gutes Englisch sprechen, kommt Pers Mutter ursprünglich aus Deutschland und hat dafür gesorgt, dass er zweisprachig aufwächst. Das kommt ihm nun sehr zugute, denn viele seiner Gäste kommen aus deutschsprachigen Ländern.

»Du bleibst doch noch zum Abendessen, oder?«, fragt Ella. »Per macht seine legendäre Elch-Pizza. Dieser Mann kocht einfach sooo gut«, fügt sie hinzu und ich frage mich, ob der schwärmerische Tonfall tatsächlich nur Pers Essen gilt oder nicht eher dem Koch persönlich.

Wie auf Kommando fängt mein Magen an zu knurren, wobei das Geräusch durch mehrere Schichten warmer Kleidung gedämpft wird. Bevor ich nach Lappland gezogen bin, habe ich nur sehr wenig Fleisch gegessen. Einmal angekommen, habe ich mich allerdings schnell an das Prinzip der lappländischen Küche gewöhnt: Auf den Tisch kommt, was lokal verfügbar und damit bezahlbar ist. Elche etwa gibt es hier in rauen Mengen, sodass die Truhen der Supermärkte voll damit sind. Und die meisten Leute haben ohnehin einen Jäger im Bekanntenkreis, der ihnen das Fleisch zur Jagdzeit im September auf kurzem Dienstweg besorgen kann. Das Schlachtgewicht eines Elchs kann bis zu 230 Kilo betragen, sodass Per damit selbst mit Gästebetrieb gut über den Winter kommt. Und sogar für die Hunde fällt noch genügend Fleisch ab. Viele andere Lebensmittel hingegen müssen lange Strecken zurücklegen, bevor sie im hohen Norden ankommen, daher ist die Auswahl an bezahlbarem Gemüse, Getreide oder Hülsenfrüchten im Winter eher überschaubar. Ich habe mir deshalb angewöhnt, in dieser Zeit öfter mal mit Tiefkühlgemüse zu kochen. Kaum taut jedoch im späten Frühjahr der Schnee, ist der Tisch wieder reich gedeckt: Kartoffeln, Salat, Tomaten – alles, was man anbaut, schießt förmlich aus dem Boden.

»Da sage ich nicht Nein«, nehme ich Ellas Einladung zum Abendessen freudig an. »Ich muss nur noch kurz ein paar Grüße an Bertie weitergeben, dann komme ich ins Haus.«

»Grüße für Bertie? Hast du eine Instagram-Seite für unser Rudel eingerichtet und sammelst nun Fanpost?«, möchte Ella erstaunt wissen.

»Nee, Jonas hat mir heute eine E-Mail geschickt. Scheinbar hat er schon Sehnsucht nach seinem vierbeinigen Kumpel hier. Gegen das Schlittenhunde-Virus ist man eben machtlos«, erkläre ich und gehe auf den Zwinger zu, den sich Bertie mit den beiden Brüdern Ole und Manne teilt.

»Ahaaa, der Autor und die Bibliothekarin stehen also weiterhin in Kontakt?«

Ich rolle angesichts dieser Neckerei innerlich mit den Augen: Warum müssen Lotta und Ella nahezu identisch reagieren? Demonstrativ überhöre ich Ellas Frage und mache mich auf den Weg zu Bertie. Wie gewünscht, gebe ich Jonas' liebe Grüße an den Rüden weiter und fange mir prompt einen feuchten Hundekuss mitten ins Gesicht ein. Ob man daraus nun schließen kann, dass Hunde uns tatsächlich verstehen, bezweifle ich. Berties Ruf als »Knutscher« eilt ihm nämlich voraus. Er verteilt seine Zuneigung generell so großzügig unter den Menschen, dass ich sie nicht mit meinen lieben Worten in Verbindung bringe. Schade eigentlich … Dennoch sind es genau solche Momente, in denen sich meine Entscheidung, nach Lappland zu kommen, richtig anfühlt. Auch wenn der Plan damals eigentlich ganz anders aussah und quasi in letzter Minute eine entscheidende Wendung bekam. Bevor sich die Erinnerung daran in meinen Gedanken breitmachen kann, schüttle ich sie schnell ab und laufe auf das gemütliche Haupthaus des Camps zu, wo mich Marley bereits schwanzwedelnd erwartet.

Nach einer sehr leckeren Pizza und etwas stockenden Gesprächen mit den Gästen – eine Juristin und ein Controller aus Österreich – komme ich in meiner kleinen gemütlichen Wohnung in Arvidsjaur an. Noch in meine warmen Klamotten gepackt, schnappe ich mir meine Lieblingstasse und einen Teebeutel aus dem Küchenschrank und fülle den Wasserkocher. Während der frisch aufgebrühte Tee vor sich hin zieht, schlüpfe ich in meinen kuschligen Onesie. Um die gemütliche Stimmung abzurunden, zünde ich im Wohnzimmer meine liebste Duftkerze mit dem schönen Namen Winter Spice an. Schnell breitet sich der angenehme Duft nach Zimt und Bergamotte im Raum aus. Ich schließe kurz die Augen und lasse das winterliche Aroma auf mich wirken, bevor ich den Laptop starte und mir noch einmal langsam die E-Mail von Jonas durchlese. Schließlich setze ich zu meiner Antwort an.

Von: [email protected]: Samstag, 4. Januar, 21:46An: [email protected]

Betreff: Re: On the road again [bitte mit passender Melodie denken]

Lieber Lieblingsautor,schön, von dir zu lesen! Bertie lässt freundlich zurück grüßen und schickt dir ein paar feuchte Küsse. Der arme Kerl ist gerade von Liebeskummer geplagt, weil die Dame seines Herzens läufig ist und er nicht zu ihr darf. Vielleicht hilft dir dieses Szenario ja als Ausgangspunkt für deinen neuen Roman weiter? Unerfüllte Liebe war doch schon immer ein guter Katalysator für große Geschichten. Arbeitstitel: »Die Leiden des jungen B., Schicksalstage im Husky-Camp« Meld dich, wenn eine Recherche vor Ort nötig ist – ich könnte ein bisschen Abwechslung gebrauchen. Heute Nachmittag habe ich einer alten Dame geholfen, einen Roman zu finden, zu dem sie mir lediglich die Coverfarbe nennen konnte (grün) und dass der Protagonist im Laufe der Geschichte erblindet. Nach dieser Sternstunde meiner bibliothekarischen Laufbahn zogen sich die Stunden bis zum Feierabend wie zähflüssiger Sirup dahin.

In solchen Momenten frage ich mich manchmal, ob es richtig war, meine Zelte in Deutschland abzubrechen. Bitte erzähl mir etwas, das mich in meinem Entschluss bestätigt. Erzähl mir von Zügen, die zu spät und zu voll am falschen Gleis im Bahnhof einfahren. Von übellaunigen Mitmenschen, Service-Mitarbeitenden ohne Service-Mentalität oder der Unmöglichkeit, in einer Großstadt eine dauerhaft stabile Internetverbindung herzustellen.

Als ich vorher bei Ella und Per im Camp war, haben wir beim Abendessen (Elch-Pizza!) auch kurz über dieses Thema gesprochen. Darüber, ob es normal ist, dass einen schon Kleinigkeiten aus dem Tritt bringen können, obwohl doch eigentlich alles gut läuft. Ella wollte der Sache direkt küchenpsychologisch auf den Grund gehen, Per hingegen meinte lediglich schwedisch-pragmatisch: »Jo.« Da wir sonst nur noch zwei wortkarge Gäste am Tisch hatten, ist das Thema ohnehin schnell im Sande verlaufen. Apropos Gäste: Per und Ella vermissen dich schon und lassen dich lieb grüßen. Die »Neuen« schneiden im Vergleich zu dir eher mäßig ab: kein Interesse an Hunden, kein sonniges Gemüt, keine Geschichten zu erzählen.

Jetzt, wo ich hier zumindest gefühlt in der Einsamkeit sitze und mich dem Weltschmerz hingebe, bin ich natürlich besonders empfänglich für Geschichten aus der großen weiten Welt – erzähl mir bitte ein bisschen von ihr. Was erlebst du so, heute in Düren, morgen in Schwabmünchen? Ich bin gespannt …

Liebe Grüße,

R.

PS: Deine Analyse des schwedischen Charakters in allen Ehren – aber du hast wohl vergessen, wie die Natur hier oben manchmal auf die Kacke (Pardon!) haut, sobald es dunkel ist? Stichwort Polarlichter? Und ist es nicht gerade die Ruhe, die diesem Schauspiel erst die perfekte Bühne bietet? Wenn sich am Himmel ein dünner Faden zeigt, als hätte jemand eine überdimensionale Wäscheleine aufgespannt. Und dann, Momente später, fächert sich die Wäscheleine auf und tanzt wie ein Schleier über den Himmel. An diesem Spektakel kann ich mich auch nach zwei Jahren noch nicht sattsehen und bitte daher um etwas mehr Anerkennung deinerseits!

2. Kapitel

Von: [email protected]: Samstag, 4. Januar, 23:06An: [email protected]

Betreff: Decisions, decisions …

Dear R.,du möchtest Bestätigung für deinen Entschluss, Deutschland den Rücken zu kehren? Von jemandem, der – vorsichtig kalkuliert – 15 Minuten braucht, um vor dem Regal im Drogeriemarkt den Entschluss zu fassen, mal eine andere Zahnpasta zu kaufen? Liebes, du musst wissen: Lebensverändernde Entscheidungen gönne ich ausschließlich meinen Romanfiguren. Und selbst dafür brauche ich manchmal Kreislauftropfen. Wie könnte also ausgerechnet ich in dieser Sache ein kompetenter Ansprechpartner sein? Lass es mich so formulieren: Wenn sich dein Entschluss vor zwei Jahren richtig angefühlt hat, dann war er es auch. Und umgekehrt: falls irgendwann die Zeit reif sein sollte, Schweden wieder den Rücken zu kehren, wirst du das genauso stark empfinden wie damals. Es ist doch im Grunde genommen mit allen wichtigen Entscheidungen so: Wir können sie immer nur für die Gegenwart – oder maximal die sehr nahe Zukunft – als richtig oder falsch bewerten. Hilft dir das ein wenig weiter? Da ich die Gründe für deinen damaligen Entschluss nur sehr vage kenne, kann ich leider nicht genauer darauf eingehen. Und so richtig mit der Sprache rausrücken, willst du ja, wie mir scheint, auch nicht?

Während ich diese Zeilen schreibe, merke ich, dass du mit deiner Frage auch bei mir einen kleinen wunden Punkt berührst. Ich habe mir ebenfalls schon das ein oder andere Mal die Frage gestellt, ob es richtig war, in den letzten Jahren mein komplettes Leben dem Schreiben unterzuordnen. Familie – klar, die sieht man schon dann und wann, solange noch zuverlässig jeden Dezember Weihnachten ist. Freunde – ja, wenn sie hartnäckig genug darauf pochen, mich mal wieder zu treffen, und sei es nur per Facetime. Aber Liebe – wie funktioniert das nochmal? In den letzten Jahren war ich beim Schreiben oft wie in einem Rausch, das echte Leben schien sich auf den Seiten abzuspielen, in die all meine Ideen, meine Energie und Leidenschaft flossen. Aber ein Roman auf der Bestsellerliste nimmt dich morgens nach dem Aufwachen nicht in den Arm. Solche Umarmungen beziehungsweise die dazugehörige Partnerin habe ich komplett auf der Strecke gelassen. Und ja, beides fehlt mir.

Was ich erlebe, möchtest du wissen? Nun, um ehrlich zu sein: Wecker – Frühstück – Kofferpacken – Bahnhof – Hotel – Essen – Lesung – Schlafen – Wecker – Frühstück, … Das erinnert mich ein wenig an diese Aufgaben früher in Mathe: Vervollständige die Zahlenreihe. Aber mehr spielt sich momentan tatsächlich nicht ab. Wenn es die Zeit erlaubt, spaziere ich vor der abendlichen Lesung noch ein wenig durch die Stadt. Ach so, und meine Lektorin ist natürlich im festen Glauben, dass ich zwischen den Lesungen an meinem nächsten Roman feile. Nicht umsonst wurde ich schließlich zu Inspirationszwecken nach Lappland geschickt. Und ja, ein paar halbgare Ideen schwirren mir schon durch den Kopf. Aber eine Geschichte will sich noch nicht daraus formen. Ich hoffe, mein Verlag zieht die Reise zu euch nicht irgendwann von meinem Honorar ab. Vielleicht hätte ich mir dieses Mal ausnahmsweise das Kleingedruckte selbst durchlesen sollen, statt allein auf meinen Agenten zu vertrauen. Während ich hier um mich selbst kreise, wird mein Slot im nächsten Herbstprogramm womöglich schon mit einer vielversprechenden Nachwuchshoffnung besetzt. Vielleicht sollte ich mir dieses Szenario immer mal wieder vor Augen halten, für den leichten Druckaufbau zwischendurch?

Oder ich könnte es einfach mal wie Hemingway versuchen (nein, ich meine nicht deinen flauschigen Liebling, sondern den »Echten«. Auch wenn Hunde-Hemingway in Sachen melancholischer Grundstimmung zugegebenermaßen nicht allzu weit von Literaten-Hemingway entfernt ist). Der streifte unermüdlich durch Straßen und Kneipen und hielt seine Beobachtungen bis in das kleinste Detail in Notizbüchern fest – um dann beim Niederschreiben seiner Romane und Geschichten all das unter den Tisch fallen zu lassen und nur das absolute Minimum zu Papier zu bringen. Nun ja, für den Nobelpreis hat es dennoch gereicht.

Vielleicht lege ich mir heute Abend mal den Laptop neben das Kopfkissen, in Erwartung nächtlicher Inspirationsschübe. So wie dir Zeitschriften immer dazu raten, deine Träume zu notieren, um dich bei Bedarf auch am nächsten Tag noch daran erinnern zu können. In diesem Sinne, sweet dreams, liebe Romy.

Jonas

Von: [email protected]: Sonntag, 5. Januar, 09:27An: [email protected]

Betreff: Aufgabe

Guten Morgen Hemingway 2.0, vielen Dank für deine Bemühungen, meine Frage zu beantworten. Ja, ich rede nicht gerne darüber, warum und wie genau es mich nach Schweden verschlagen hat. Nur so viel: Was du gerade vermisst (Stichwort Umarmung am Morgen), vermisse ich hier oben im Norden eigentlich nicht so sehr.

Aber nun wollen wir mal schauen, ob wir dir zumindest beim Schreiben weiterhelfen können … Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass dich dein Verlag so leichtfertig aus dem Programm wirft, aber das Risiko sollte trotzdem vermieden werden. Ich stelle dir hiermit also eine kleine Aufgabe à la Hemingway, um deiner Kreativität auf die Sprünge zu helfen – und mir nebenbei ein paar Berichte über die Welt da draußen zu ergaunern, ha! Pass auf: Nachdem du heute deinen Koffer im Hotel abgestellt hast, gehst du in die Stadt und betrittst das erste Café, das dir ins Auge sticht. Beschreib es mir genau: Wie sieht es aus? Welche Leute tummeln sich dort? Was haben sie an, wie bewegen sie sich? Worüber reden sie, falls du das diskret (!) in Erfahrung bringen kannst? Was bestellst du dir? Lass mich mit dir am Tisch sitzen, zumindest virtuell! Ich bin gespannt … und freue mich auf unser Kaffee-Date.

Ich vertrödle nun meinen Sonntag und widme mich meinen stetig wachsenden Bücherstapeln. Heute Nachmittag schaue ich dann noch bei Ella und Per vorbei. Ella und ich haben beschlossen, heute mal zu zweit mit den Hundeschlitten rauszufahren, ohne irgendwelche Gäste. Dafür nehme ich deinen Kumpel Bertie mit ins Team!

Grüße

Romy

3. Kapitel

»Möchtest du vier oder sechs Hunde?«

Als ich am Nachmittag im Camp ankomme und das knarzende Holztor zum Auslauf öffne, steht Ella bereits vor der Magnettafel und brütet mit gerunzelter Stirn über unserer »Startaufstellung«, wie ich es gerne nenne. Eigentlich eine praktische Erfindung von Per: Für jeden Hund gibt es einen Magneten, auf dem sein Name steht. Die kann Per dann auf der großen Tafel beliebig hin- und herschieben und so die Teams für die Gäste zusammenstellen. Für die ersten Touren bekommen diese in der Regel ein Gespann aus vier Hunden. Das ist für den Anfang völlig ausreichend, denn man hat schon genug damit zu tun, sich mit der Geschwindigkeit der Hunde vertraut zu machen und die Balance auf dem Schlitten zu finden. Auch für die verschiedenen Möglichkeiten der Geschwindigkeitskontrolle muss man erst einmal ein Gespür entwickeln. Wenn es nach den Hunden ginge, gäbe es ohnehin nur eine Option: Vollgas. Aber der Schlitten hält zum Glück auch ein paar Bremsmöglichkeiten bereit.

»Welche Runde fahren wir denn?«, frage ich, um die Entscheidung noch etwas hinauszuzögern. Eigentlich fühle ich mich mit sechs Hunden vor dem Schlitten inzwischen ziemlich sicher. Aber heute möchten Ella und ich mit Stirnlampen ausgerüstet eine kleine Tour durch die Dunkelheit machen. Bei fast völliger Finsternis zu fahren, erfordert deutlich mehr Konzentration und Anstrengung als eine Tour bei strahlendem Sonnenschein. Hinzu kommt, dass jeder zusätzliche Hund im Gespann einerseits die Geschwindigkeit erhöht, andererseits fährt man aufgrund der längeren Zugleine teilweise fast wie im Blindflug. In einer engen Kurve kann es durchaus vorkommen, dass die ersten zwei bis vier Hunde bereits aus dem Sichtfeld verschwunden sind, während der Mensch hinten auf dem Schlitten noch gar nicht weiß, wie es nach der Kurve weitergeht. Wenn man sich nicht schnell genug wegduckt, kann einen da schon mal unerwartet ein schneebedeckter Zweig peitschenartig im Gesicht treffen.

»Nur die kleine Runde, zwölf Kilometer ungefähr. Ich möchte rechtzeitig zum Füttern wieder zurück sein, damit Per das nicht komplett allein machen muss«, überlegt Ella und schiebt die nächsten Magneten auf der Tafel herum.

»Dann nehme ich sechs Hunde«, grinse ich.

»Braves Mädchen. Wie wäre es mit Lina als Leithündin und daneben Storå? In der Mitte Alva und Lizzie, in der Hoffnung, dass sich die beiden Schwestern während der Tour nicht ständig anzicken. Und hinten dein Liebling Hemi neben Isbjörn?«

»Perfekt«, meine ich spontan, bevor mir siedend heiß meine E-Mail an Jonas in Erinnerung kommt. »Ähm … Ich habe Jonas versprochen, Bertie mit ins Team zu nehmen.«

Ellas Kopf fliegt so schnell von der Tafel in meine Richtung, dass ich mir Sorgen um ihre Halswirbel mache.

»Aha.«

Auch wenn ihre Erwiderung sehr knapp bleibt, sagt Ellas Tonfall mehr als tausend Worte.

»Ich wusste gar nicht, dass man in so ein kurzes Wort so viele unausgesprochene Andeutungen packen kann«, erkläre ich, nicht ohne Bewunderung.

Ella zuckt lediglich mit der rechten Schulter – das süffisante Grinsen auf den Lippen spricht auch hierbei Bände – und baut dann mein Team noch einmal um, damit Bernie mit auf Tour gehen kann. Ich mache mich derweil auf die Suche nach den passenden Geschirren. Da die Hunde unterschiedlich groß und kräftig sind, hat jeder sein eigenes, auf dem auch der Name steht. So weiß man als Schlittenführer oder »Musher«, wie es in der Fachsprache heißt, direkt, wen man da vor der Nase hat.

In den Zwingern steigt unterdessen die Aufregung und ich höre hier und da ein ungeduldiges Heulen oder Bellen. Dieses Schauspiel kenne ich bereits: Sobald Per oder Ella die Magnettafel in den Auslauf tragen, weiß die Bande, dass es bald auf Tour geht. Mit aufmerksamem Blick und aufgestellten Ohren beobachten sie dann jeden Schritt, den wir Zweibeiner tun. Und die meisten kommentieren das Ganze auch sehr meinungsstark.