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Die große Hommage an das Kino Wer erinnert sich nicht an den allerersten Kinobesuch? Die Aufregung, die tiefen roten Sessel, die Magie der Bilder ... Auch Andreas Pflüger kommt es vor, als wäre es gestern gewesen. Seitdem hat ihn das Kino nie wieder losgelassen. Davon und von den Filmen seines Lebens erzählt er in diesem Buch. Andreas Pflügers Herzschlagfilme sind eigentlich zu groß für die Leinwand, aufregender als das echte Leben und immer wieder überraschend. In einem Gangster-Epos arbeitet er die verborgene Liebesgeschichte heraus. Die ganz große Schauspielkunst kann sich ihm in einer scheinbar unbewegten Miene zeigen. Und die perfekte Begleitmusik für eine Actionszene ist manchmal eine Opernarie. Neben solchen Einsichten erkundet Andreas Pflüger die Beziehung zwischen Literatur und Film, sinniert über das eigene Schreiben und die Kunst des Geschichtenerzählens. So ist Herzschlagkino eine wunderbar charmante Einladung, alte Lieblingsfilme wiederzuentdecken und neue Freundschaften zu schließen.
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Seitenzahl: 122
Veröffentlichungsjahr: 2023
Andreas Pflüger
Herzschlagkino
77 Filme fürs Leben
© 2023 Arche Literatur Verlag, ein Imprint der Atrium Verlag AG
Alle Rechte vorbehalten
Covergestaltung: Diek Design/Sarah Hensmann, Jemgum
Coverabbildung: Eliyah Reygaerts, Unsplash
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.
ISBN978-3-03790-011-6
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But the dark does die
as the curtain is drawn
And somebody’s eyes
must meet the dawn
Bob Dylan, Restless Farewell*
Todesgrüße aus Shanghai mit Bruce Lee. Das war der erste Film, den ich in einem Kino sah. Ich war sechzehn, oder fast, und als in den Saar-Theater-Lichtspielen das Licht wieder anging, war ich kein Junge mehr, sondern ein brandgefährlicher Kerl; jedenfalls fühlte ich mich so. Damals wusste ich noch nicht, dass ich dreißig Jahre lang Drehbücher schreiben würde. Eine Filmakademie habe ich nie von innen gesehen. Das Kino war meine Schule, besonders das amerikanische. Wenn der Vorhang aufgeht, will ich überwältigt werden, vom Sound, der Musik, von Bildern zu groß für die Leinwand. So ist aus mir ein Hollywood-Junkie geworden; fürs gepflegte Kammerspiel bin ich verloren. Als Drehbuchautor konnte ich das nie ausleben. Aber vom ersten Satz meines ersten Romans an wollte ich das Publikum in mein Kopfkino entführen und dasselbe mit ihm machen, was Cinemascope mit mir anstellt.
1971
Es gibt einige wenige Filme, bei denen ich sagen kann: Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich sie zum ersten Mal gesehen habe, wie an den Tag, an dem ich mich zum ersten Mal verliebte, den Tag, an dem ich aus meinem Heimatdorf fortging, den Tag, an dem ich meinen ersten Autorenvertrag unterschrieb. Bei Uhrwerk Orange war ich noch keine siebzehn. Auf dem Gymnasium die üblichen Katastrophen, ich wusste, ich würde zum zweiten Mal sitzenbleiben. Angst machte es mir nicht; dass ich Autor werden würde, stand ja fest, seit ich mit acht Jahren Geschichten geschrieben und sie für fünfzig Pfennige im Familienkreis verkauft hatte. Merke: Wenn du keinen Sinn für den Wert deiner Worte besitzt, wirst du als Autor einen Sack voll Probleme bekommen. 1974 stellte ich mir vor, wie Kerouac zu reisen, sämtliche Drogen dieser Welt zu probieren und dabei Miles Davis zu hören. Dass Schreiben auch nur ansatzweise mit Arbeit zu tun haben könnte, wäre mir damals nicht in den Sinn gekommen. Orange lief im Saarbrücker Scala; das nennt sich heute Camera zwo. Es war Ende März, noch kalt, aber die Tage wurden schon länger. Ich war in ein Mädchen verliebt, das ich nicht haben konnte, und fühlte mich verloren wie Batman in einer dunklen Nacht in Gotham City. Nachmittags lief ich am Fluss entlang. Er stand schon bis knapp unter die Stadtautobahn, unser Hochwasser kam wie jedes Jahr mit der Schneeschmelze aus den Vogesen. Es regnete steif und steil, die Luft roch nach Braunkohle. Vor dem Kino stand ein Bettler, an dem ich achtlos vorbeiging. Die Frau, die mir das Ticket verkauft hat, trug hässliche Ohrringe; auf ihren Fingernägeln war der Lack abgeplatzt. Später saß ich wieder am Fluss, irgendwo Lichter und doch nirgends. Ob am Himmel Sterne waren, weiß ich nicht mehr. Ich sah immer noch diese Augen von Alex, ein Blick wie ein Schrei.
Uhrwerk Orange (A Clockwork Orange)
Regie: Stanley Kubrick
Drehbuch: Stanley Kubrick
Literarische Vorlage: Anthony Burgess
Kamera: John Alcott
Musik: Wendy Carlos
Schnitt: Bill Butler
Produktion: Stanley Kubrick
1982
Träumen Androiden von elektrischen Schafen? So hieß die Romanvorlage von Philip K. Dick. Ein guter Plot, aber luschig geschrieben: also perfekt für eine Verfilmung. In der Tat beherrschten Scott und die beiden Drehbuchautoren Fancher und Peoples die Kunst, Schwarzbrot in ein Croissant zu verwandeln. Heute möchte man kaum glauben, dass Blade Runner damals bei den Rezensenten grandios durchfiel und zum Kassenflop wurde. Ein Science-Fiction-Film noir mit einer an Chandlers Marlowe erinnernden Hauptfigur: Das war 1982 zu düster, zu rätselhaft, zu gewagt und seiner Zeit so weit voraus, dass es für die Kritiker einfacher war, Blade Runner in die Tonne zu treten als zu verstehen. Aber die Ewigkeit schert sich nicht um Rezensionen. Im Gegensatz etwa zu Melville und seinem vernichtend verrissenen Moby Dick haben die Macher ihren Erfolg wenigstens noch erlebt. Ganz recht, bei diesem Vergleich zucke ich nicht. Blade Runner entstand zwar im Pleistozän des Digitalzeitalters, ist jedoch noch immer wie ein greller Sonnenstrahl, der dich aus tiefem Schlaf reißt. Die Musik von Vangelis; Homers Sirenen können nicht betörender geklungen haben. Bis zum heutigen Tag sind die Bilder so stark und aufregend, als wären sie uns gerade erst auf die Netzhaut gebrannt worden.
»Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen nicht glauben würdet«, sagt der sterbende Replikant Roy Batty. »Brennende Schlachtschiffe, draußen vor der Schulter des Orion. Ich erblickte C-Beams, glitzernd im Dunkeln, nahe dem Tannhäuser Tor. All diese Momente werden verloren sein in der Zeit wie Tränen im Regen.«
Diesen Augenblick muss man in einem Atemzug mit der Glaskugel nennen, die Charles Foster Kane aus der Hand fällt; dem Schatten von Max Schreck in Nosferatu.
Blade Runner
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Hampton Fancher, David Webb Peoples
Literarische Vorlage: Philip K. Dick
Kamera: Jordan Cronenweth
Musik: Vangelis
Schnitt: Terry Rawlings
Produktion: Michael Deeley
1984
Wie oft ich den Film gesehen habe! Etwas in- und auswendig zu kennen und immer wieder neu zu entdecken: Das ist Magie.
Vor dem ersten Mal könnte man Mozarts Briefe an das Bäsle lesen. Er schrieb ihr Schweinereien wie die: Ich küsse Ihnen das Gesicht, Nase, Mund, Hals und Arsch – wenn er sauber ist. Bin wie allzeit der alte junge Sauschwanz.
»Der Leichnam in uns wächst«, sagte der späte Max Frisch; beneidenswert, wer niemals darüber nachdenkt. Mozart ahnte, dass er jung sterben würde. Das katapultierte seine Produktivität auf Mach 2, danke für dieses Geschenk.
War es zwischen ihm und Antonio Salieri wie im Film? Gewiss nicht. Salieri war erfolgreicher und besaß das Wohlwollen von Kaiser Joseph II. Über den nur wenige Jahre jüngeren Mozart urteilte er so lobend, dass dessen Hühnerbrust anschwoll, wie wir aus den Briefen wissen. Weder hat Salieri, gar hinter einer Maske verborgen, bei dem schon moribunden Salzburger dessen eigenes Requiem bestellt, noch saß er an seinem Totenbett. Auch ein Popstar war Mozart nicht. Seine Porträtmaler verstanden sich aufs Weichzeichnen, über seine Pockennarben zerriss man sich die Mäuler. Aber in einem Film wird jeder Mensch zwangsläufig zu einer Erfindung. Tom Hulce spielt den infantilen Faun als Tänzer auf einer straffen Cembalosaite. Und bei F. Murray Abraham meint man, Luzifer persönlich hätte ihn gecastet.
Als der quietschfidele Kaiser, ein unerschrockener Hobbymusiker, zum ersten Mal Musik von Mozart gehört hat, kramt er nach Worten, um schließlich zu befinden: »Zu viele Noten.« Salieri steht neben Joseph. Seine Miene ist unbewegt, doch Abraham macht uns glauben, dass er still lächelt. So geht wahre Schauspielkunst: im richtigen Augenblick nichts tun.
Amadeus
Regie: Miloš Forman
Drehbuch: Peter Shaffer
Literarische Vorlage: Peter Shaffer
Kamera: Miroslav Ondříček
Musik: Mozart
Schnitt: Michael Chandler, Nena Danevic
Produktion: Saul Zaentz
1986
Ein Beginn in Zeitlupe, kitschige Bonbonfarben. Propere Feuerwehrmänner gleiten an uns vorbei, winkend. Schulkinder, scheinbar wohlbehütet. Häuser mit Vorgärten wie in einem Gemälde von Norman Rockwell. In Kleinstädten wie dieser hat die Polizei es höchstens mit Ampelsündern zu tun, manchmal mit einem Fahrraddieb. Dann fasst sich ein Mann, der eben noch seinen Rasen bewässert hat, ans Herz, und die Kamera gräbt sich unter die Oberfläche, dringt in die Welt unter dem Gras ein, wo Insekten und Käfer ums Überleben kämpfen. David Lynch macht uns sofort klar, dass sein Film eine ganz neue Wirklichkeit erschafft, uns in eine Geschichte führt, die der Logik von Träumen folgt. Und bald der Logik von Albträumen. Statt uns bei der Hand zu nehmen, gibt Lynch uns einen Stoß, der uns zwei atemlose Stunden lang durch dieses Schmerzlabyrinth taumeln lässt. Und nicht einmal für die Dauer eines Wimpernschlags besitzen wir den Trost, dass es in diesem Universum so etwas wie Glück gibt, Gerechtigkeit, Erlösung. Der Film ist ein surrealistisches Meisterwerk; Dalí, Breton oder Buñuel hätten gemordet, um das Drehbuch schreiben zu dürfen.
Manche Filme verdrehen dir von der Aufblende an den Kopf. Du verknallst dich, mit Herzklopfen bis zum Hals, als wäre es das erste Mal mit fünfzehn. Die allerbesten geben dir dieses Gefühl jedes Mal, wenn du sie siehst. Bei anderen wird dir heiß und kalt, und du verstehst es nicht. Ein solcher Film ist Blue Velvet. Vieles widert, ja ekelt mich an. Wenn Dennis Hopper in seine Sauerstoffmaske giert, ein Junkie, dessen Stoff die Angst von Frauen ist, will ich wegsehen, kann aber nicht. Kino heißt auch: den Schrecken aushalten. Ich wehre mich gegen Geschichten, die mich ohne Hoffnung entlassen. Aber hier bin ich still und falle durch die Bilder wie ein Stein.
Blue Velvet
Regie: David Lynch
Drehbuch: David Lynch
Kamera: Frederick Elmes
Musik: Angelo Badalamenti
Schnitt: Duwayne Dunham
Produktion: Fred C. Caruso
1981
»Sieh her«, sagt Gorodish zu Jules, während er ein Baguette bestreicht. »Es gibt kein Messer mehr, keine Butter, kein Brot. Nur noch eine Geste, die sich wiederholt. Eine Bewegung. Raum, Leere. Die Kunst des Zen beim Butterbrot.«
Der Film ist gleichzeitig kühl und leidenschaftlich, das ist sehr, sehr rar. Und so extrem stylish; allein dieses Auto, ein Citroën Traction Avant, beinahe schmerzhaft elegant, man möchte darin sterben. Aber hey, das waren die Achtziger, wo man auf Rollschuhen durch Fabriketagen cruiste und die Männer Jacketts mit Schulterpolster trugen und es das Tausend-Teile-Puzzle einer Monsterwelle gab, über der eine einsame Möwe schwerelos driftete. Und die meisten Frauen waren geschminkt wie Debbie Harry.
Aber dann Erik Satie und dieser Sonnenaufgang im Nieselregen unter dem Arc de Triomphe, Jules und Cynthia, zwei Träumer, die ahnen, dass sie sich lieben, es jedoch noch nicht wissen. Wenn in dem Theater die Musik anhebt und Wilhelmenia Fernandez die Arie Ebben? Ne andrò lontana aus der Oper LaWally von Catalani singt, treibt es mir die Tränen in die Augen, jedes Mal.
Die besten Filme verändern uns; mitunter sofort, manchmal erst Monate, sogar Jahre später, wenn uns plötzlich, vielleicht durch einen Satz, ein Bild, eine Zeile in einem Roman, das Lächeln einer Frau in einem Café, bewusst wird, was damals im Kino mit uns geschehen ist. Dieser Film hat mich vom reinen Rockfan zu einem Opernliebhaber werden lassen. Wenn ich Dialoge schreibe und sie dabei mitspreche, höre ich am liebsten Fleetwood Mac, Led Zeppelin, Janis Joplin, die Stones, Wishbone Ash, so laut, dass meine Stimme darin untergeht und ich nichts als den Rhythmus spüre. Aber bei Actionsequenzen brauche ich Catalani, Puccini, Verdi. Denn was wäre Action ohne Poesie?
Diva
Regie: Jean-Jacques Beineix
Drehbuch: Jean-Jacques Beineix, Jean van Hamme
Literarische Vorlage: Daniel Odier
Kamera: Philippe Rousselot
Musik: Vladimir Cosma, Alfredo Catalani, Charles Gounod
Schnitt: Monique Prim, Marie-Josèphe Yoyotte
Produktion: Irène Silberman, Serge Silberman
2005
Truman Capote war der vermutlich größte Stilist in der amerikanischen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts. Okay, streichen wir »vermutlich«. Er hatte sich mit Andere Stimmen, andere Räume, Die Grasharfe und Frühstück bei Tiffany bereits einen Namen gemacht, als er verkündete, einen Tatsachenroman über die bestialische Ermordung der Familie Clutter zu schreiben, geschehen im Herbst 1959 auf deren Anwesen in Kansas. Die beiden Täter erbeuteten vierzig Dollar, wurden gefasst, zum Tod durch den Strang verurteilt und fünf Jahre später hingerichtet. Capotes Agent soll frühmorgens zum Schnaps gegriffen haben. Aber wenn man als Autor bei der Wahl eines Stoffes auf irgendjemand hört, sollte man sich einen anderen Beruf suchen. Formal gesehen handelt dieser Film von Capotes Recherchereise für seinen späteren Roman. Selbstredend steckt das nur den dürftigen Handlungsrahmen ab. Er ist vielmehr der Versuch, einer Künstlerpersönlichkeit gerecht zu werden, die so schillerte, dass Liberace dagegen eine graue Maus war. Recht großmäulig für ein Regiedebüt, in dem Fall das von Bennett Miller. Bravo, Kunst kommt ja auch von Trauen. Truman Capote war witzig und peinlich, klug, brillant und erbärmlich. Wie hätte man Philip Seymour Hoffman nicht die Hauptrolle geben können? Oder anders gefragt: Wer hätte Capote spielen können außer ihm? Der Mann brachte selbst die Kamera zum Näseln – darf man das sagen? Capote fehlte eine Mitte, wie allen Manisch-Depressiven. Folgerichtig vollführt Hoffman mit seiner Figur einen virtuosen Spagat zwischen Großkotz und Jammerlappen. In seinen schlimmsten Momenten war Capote ein richtiges Stück Scheiße, in seinen besten schrieb er Sätze wie die: Ich war elf, und später wurde ich sechzehn. Verdienste erwarb ich mir keine, aber das waren die wunderbaren Jahre.*
Capote
Regie: Bennett Miller
Drehbuch: Dan Futterman
Literarische Vorlage: Gerald Clarke
Kamera: Adam Kimmel
Musik: Mychael Danna
Schnitt: Christopher Tellefsen
Produktion: Caroline Baron, Michael Ohoven, William Vince
1979
Drei Kultregisseure haben sich an der Verfilmung dieses Stoffes versucht, und sicherlich ist es kein Zufall, dass jeder von ihnen gewusst hat, wie sich Obsession buchstabiert. Orson Welles scheiterte bereits an der Finanzierung; es blieb bei seinem hundertvierundsiebzig Seiten langen Drehbuch. Werner Herzog errichtete mit Aguirre, der Zorn Gottes Kinskis Wahnsinn ein Denkmal. Doch erst Francis Ford Coppola gelang es, Joseph Conrads Text so in die Leinwand zu stanzen, dass alle großen Sätze sich in den Bildern finden.
Zum ersten Mal sah ich Apocalypse Now in einem abgerockten Brüsseler Bahnhofskino, als ich mit Interrail, Rucksack und Zelt auf dem Weg nach England war. Danach versuchte ich, die Zigarette genauso zu halten wie Martin Sheen. Verstanden habe ich den Film erst später.
Den Soundtrack liefern die Bands meiner Jugend. All die tollen Songs über Liebe, Freiheit, Rebellion, Frieden. In Apocalypse Now sind sie das Richtige im Falschen, ein Aufputschmittel für Highschool-Rotzlöffel, die nichts vom Leben wissen und zum Tod werden. Was den Film derart wichtig macht, so monumental und ikonografisch, ist vielleicht, dass Coppola sich nicht damit begnügt, Krieg als eine Abfolge von immer schrecklicher werdenden Geschehnissen abzubilden, obwohl er sie zeigt. Der Napalmangriff, den Kilgore mit dem Stetson im Nacken und der Hundemarke auf der nackten Brust befiehlt, das Niedermetzeln vietnamesischer Frauen und Kinder auf dem Boot, das Blutbad auf der Do-Lung-Brücke, I Can’t Get No Satisfaction. Das ist jedoch nicht das eigentliche Grauen. Nein, es ist die langsame Reise in den Kaninchenbau der menschlichen Seele, dorthin, wo unsere Fähigkeit, all dies zu tun, sich eingenistet hat. Das Böse, ein Parasit. Manchmal ist es gleißend hell im Herz der Finsternis.
Apocalypse Now
Regie: Francis Ford Coppola
Drehbuch: Francis Ford Coppola, John Milius
Literarische Vorlage: Joseph Conrad
Kamera: Vittorio Storaro
Musik: Carmine Coppola
Schnitt: Lisa Fruchtman, Gerald B. Greenberg, Walter Murch, Richard Marks
Produktion: Francis Ford Coppola, Fred Roos, Gray Frederickson, Tom Sternberg
1989