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Klaus Möckel. Kennt man diesen Schriftsteller nicht vor allem als den Autor von Kriminalromanen und SF-Geschichten sowie als Verfasser des berührenden Reports über das Zusammenleben mit einem behinderten Jungen „Hoffnung für Dan“? Das stimmt. Aber Klaus Möckel hat in seinem langen Schriftstellerleben immer auch Gedichte geschrieben, darunter viele Liebesgedichte, die einen ganz besonderen Reiz haben. Jetzt hat sich Möckel entschlossen, eine Reihe dieser lyrischen Texte, die zwischen 1957 und 1989 geschrieben wurden, in die Öffentlichkeit zu entlassen. Und es lohnt sich, diese Einladung anzunehmen und sich an den originellen Einfällen und Formulierungen des Dichters Möckel zu erfreuen, wie sie beispielweise in diesem Liebesgedicht aus dem Jahre 1967 zu entdecken sind: Reise mit dir Die Städte, die wir durchwanderten, haben uns reicher gemacht. Auch die Wälder und Wiesen. Staub störte uns nicht. Aus Seen, an denen wir abends rasteten, schöpften wir mit vollen Händen flimmernden Mond. Da waren die Berge im Blau. Von Türmen blickten wir herab, von wolkenüberwucherten Felsen. Im Netz unserer Blicke dehnten sich die Felder, streckte sich gefangen das Land. Wir liefen hinter den Straßen, den Flüssen her. Mit Kufenschiffen gelangten wir zu fantastischen Ufern. Rubine brachen wir morgens aus den rötlichen Kronen steiler Gebirge. Wir sahn den Wind ungebunden im Gras der Ebenen weiden. Ach die Sonne, stechend, hoch oben über dem Meer. Brückenschlag des Regenbogens, wenn die Brandung vor uns stieg. Wir, zwischen Land und See. Möwen schwirrten ins Licht. Fern zerbrach der Horizont an schäumenden Wellenbergen. Des Sommers Atem schlug uns satt und heiß entgegen, des schwülen Tages schwerer Duft. Mitunter verweilten wir, mitunter trieben wir die Züge zur Eile an. Die Schienen, erboste Lakaien, wanderten knirschend unter uns fort. Reise mit dir. Die Fernen tauchten strahlend in uns ein, die Wasserfälle, Dome, die Fabriken. Staub störte uns nicht. Wir schüttelten ihn abends von den Schuh’n. Die Städte, die wir durchwanderten, haben uns reicher gemacht. Kann man sich eine schönere Liebeserklärung vorstellen?
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Seitenzahl: 56
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Klaus Möckel
Heute warst du eine Schneeflocke auf meiner Hand
Liebes- und andere Gedichte
ISBN 978-3-96521-537-5 (E-Book)
ISBN 978-3-96521-536-8 (Buch)
Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
2021 EDITION digital Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de
Nimm die Sterne vom Himmel und stecke sie dir ins Haar.
Aus der abendlich flimmernden Stadt,
weit über die staubigen Felder,
wehen dir meine Gedanken zu.
Wir haben gearbeitet heute, haben den Tag
mit sorgsamen Schritten durchmessen.
Nun, da der Schrei der Sirenen
die bronzenen Strahlen der Sonne zerschnitt,
neige dein Antlitz gen Süden und höre die Sprache des Winds.
Er sagt dir: der Tag ist in uns und die
freundliche Kühle der Nacht.
Er sagt dir: das Meer ist in uns, die Ebene,
des Waldes verworrenes Lied.
Drum nimm die Sterne vom Himmel und stecke sie dir ins Haar.
Hier badet sich in Neon die Stadt. Ich stehe
im Lächeln der weißen Laternen und fülle mir
die Taschen mit Licht.
Ich wandle die Wege der Sehnsucht zu dir.
Ich pflanze mit Hoffnung die Straßen.
Da stehst du am offenen Fenster
und wartest mit flimmernden Sternen im Haar.
Du weißt noch, wir sahen vom Hügel hinunter
ins Geflecht der Straßen.
Kristallener Turm der Erinnerung. Die Häuser,
die Gärten, durchwanderte Alleen …
Ich schenkte dir damals die Eisenbahn
zu deinen Füßen.
Ich schenkte dir ihren Schleier aus weißem Rauch
überm rußigen Rücken.
Die gläsernen Fronten der Werke, die Schornsteine,
mürrische Wächter, grüßten herüber.
Helle Flamme der Zuneigung in deinen Augen.
Unter deinen Händen verwandelte sich:
Sand in Perlenflut,
Stein in grünen Smaragd.
Auf Wolkenfetzen segelten wir zu gezackten Bergen,
setzten uns Kronen aus dem Schaum der Flüsse ins Haar
und tranken aus großen Karaffen den prickelnden Atem
des Winds.
Aber das ahntest du nicht, dass ich morgens –
die Sonne war soeben in doppelter Iris aufgegangen –
Pilot, zum Flug ins Blau deiner Augen startete.
Zurück blieben: die schimmernde Ebene der Stirn.
Der Augenbrauen sanfte Hügel.
Deiner Wimpern duftender Wald.
Zurück blieben: die nächtlichen Schatten an deinen Augenrändern.
Es waren keine Wolken am Himmel, und mein Flugzeug
aus Silberpapier,
meine glitzernde Turbopropmaschine der Fantasie,
hob ohne zu beben sich in unendliche Höhen.
Tief unten die Erde, runde Pupille,
aber du, Herrin, in der Lage, den Traum zu zerstören;
die Hoffnung zu vernichten; das Flugzeug ins Dunkel zu stürzen,
mit mir, der ich aufgebrochen war
ohne Fallschirm,
du, in der Lage, einfach das Lid zu schließen –
sahst mit offenen Augen mich an.
Weißes Segel des Vertrauens in der Flut deiner Blicke.
Eine Stadt werden wir bauen aus durchsichtigen
Steinen, aus Schaumglas und Perlon.
Mit unseren Händen werden wir sie bauen,
nach Plänen, seit langem geschmiedet und
siebenmal durchdacht.
Darin werden wohnen du und ich und alle, die
sich Städtebauen nicht leicht machen, denen
Städtebauen aber leichter fällt als Städte zerstören.
Weißes Segel des Vertrauens. In die Wellen deiner
Blicke will ich meine Netze werfen.
Unser Schiff wird nicht hilflos im Wind der
Geschichte treiben, algenüberwuchertes
Wrack.
Wir werden die Strömung nutzen und unter uns den
Zug der Fische beobachten.
Wir werden unsere Netze auswerfen und an Bord
holen die Lieder der Zuversicht.
Aus bunten Fäden der Fantasie will ich dir einen
Teppich knüpfen.
Eine Landschaft will ich dir malen mit den Farben
der Inspiration.
Wandern soll dein Blick über Berge, Ebenen, Ozeane,
von mir für dich neu erfunden,
und dein Fuß soll einsinken in die schmeichelnden
Tiefen erdachter Stickerei.
Hier badet sich in Neon die Stadt, die Bäume,
schon herbstlich entlaubt, lassen sich vom Strahl
der Laternen wiegen.
Rote Lichter grüßen von den Schornsteinen
verrußter Fabriken.
Die Straßenbahnen haben elfenbeinfarbene Mäntel umgelegt.
Meine Gedanken wehen dir zu mit dem Atem des Winds.
Ich wandre die Wege der Sehnsucht zu dir.
Ich pflastre mit Hoffnung die Straßen.
Da stehst du am offenen Fenster und wartest mit
flimmernden Sternen im Haar.
1967
Die Städte, die wir durchwanderten, haben uns reicher gemacht.
Auch die Wälder und Wiesen. Staub störte uns nicht.
Aus Seen, an denen wir abends rasteten,
schöpften wir mit vollen Händen flimmernden Mond.
Da waren die Berge im Blau. Von Türmen blickten wir herab,
von wolkenüberwucherten Felsen.
Im Netz unserer Blicke dehnten sich die Felder,
streckte sich gefangen das Land.
Wir liefen hinter den Straßen, den Flüssen her.
Mit Kufenschiffen gelangten wir zu fantastischen Ufern.
Rubine brachen wir morgens aus den rötlichen Kronen steiler Gebirge.
Wir sahn den Wind ungebunden im Gras der Ebenen weiden.
Ach die Sonne, stechend, hoch oben über dem Meer.
Brückenschlag des Regenbogens, wenn die Brandung vor uns stieg.
Wir, zwischen Land und See. Möwen schwirrten ins Licht.
Fern zerbrach der Horizont an schäumenden Wellenbergen.
Des Sommers Atem schlug uns satt und heiß entgegen,
des schwülen Tages schwerer Duft.
Mitunter verweilten wir, mitunter trieben wir die Züge zur Eile an.
Die Schienen, erboste Lakaien, wanderten knirschend unter uns fort.
Reise mit dir. Die Fernen tauchten strahlend in uns ein,
die Wasserfälle, Dome, die Fabriken.
Staub störte uns nicht. Wir schüttelten ihn abends von den Schuh’n.
Die Städte, die wir durchwanderten, haben uns reicher gemacht.
1967
Heute warst du eine Schneeflocke auf meiner Hand.
Fern glaubte ich dich, hinter Bergen versteckt,
hinter der Dornenhecke des Windes. Doch du wehtest mir zu
aus dem Mantel der Wolken.
Heute warst du ein Lichtstreif auf meinem Weg.
Schlummernd glaubte ich dich, in Träume versunken,
in die schmiegsame Hülle der Nacht. Doch du blicktest mich an
aus dem Gürtel der Sonne.
Heute warst du ein Grashalm, ein Sandkorn, ein Buch.
Allein glaubte ich mich, einsam wie vorm Fenster der Regen.
Doch wohin ich auch ging, du kamst auf mich zu
In stets neuer Gestalt.
1964
Königskerze, brennende Fackel auf schlankem Halm,
zwischen den Farnen fand ich dich, wie viele
Flüsse bin ich hinuntergefahren?
Wie viele Straßen streckten sich aus im Staub unter mir,
wie viele Wälder stellten sich mir in den Weg,
wie viele Meere musst ich in meiner Kehle ertränken?
Wie viele Berge reckten sich vor mir auf,
einzig bedacht, mir den Blick zu dir zu verstellen?
Königskerze, du sahst mich kommen und regtest dich nicht,
du sahst mich, und beinahe wär ich vorübergegangen.
Da war kein Zurück mehr für mich, die hölzernen
Brücken waren verbrannt.
Die steinernen Brücken hatte der Sturm in den Abgrund gerissen,
die eisernen Brücken waren zersprungen.
Da war kein Zurück mehr, die Häuser hatten längst
ihre Türen geschlossen, die Wegweiser lagen im Sand.
Du sahst mich, du regtest dich nicht,
und beinahe wär ich vorübergegangen.
1964
Über den Kastanienbäumen hat der Wind den Himmel blankgefegt.
Unter den Kastanienbäumen hadert ein Betrunkner mit den Zeiten.
Ein Liebespaar, das des Tages Sonne in sich trägt,
durchwandert eine Nacht voll Kostbarkeiten.
Über die Straßenkreuzung jagt ein vom Regen geprügelter Hund.
Nässe im Fell und den spöttischen Blick der Laterne.
Pfützen mit Gänsehaut stehn auf asphaltenem Grund.