Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt - Rolf Ulrich Kramer - E-Book

Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt E-Book

Rolf Ulrich Kramer

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Beschreibung

„Himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt“, das hat jeder schon mal erlebt. Doch wer kennt schon die Abstufungen dazwischen? Den Unterschied zwischen Hass und Wut, Ärger und Zorn, Furcht und Panik? Und wie es zu Depression und Burnout kommt? Wenn Sie Emotionen beim richtigen Namen nennen, begreifen Sie sich selbst und Ihre Mitmenschen tiefer und gründlicher. Anteilnahme und Verständnis fallen auf einmal leicht. Im Familien- und Geschäftsleben sowie im Freundeskreis zahlt sich das unmittelbar aus. Alles wird friedlicher. • Sie erfahren, wie Emotionen zustande kommen und wie sie sich voneinander unterscheiden. • Empfindungen und Erlebnisse stehen im Vordergrund, keine Theorien. • Sie erleben am Beispiel einer kleinen Kurzgeschichte mit, wie der emotionale Absturz von „himmelhoch jauchzend“ bis „zu Tode betrübt“ vonstatten geht. • Meditationsübungen für den emotionalen Ausgleich werden Ihnen vorgestellt. Emotionen verstehen lohnt sich!

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Ein Titel aus der Reihe

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1. Auflage Februar 2019

Copyright © 2019

OSIRIS – Verlag, Marktplatz 10, D-94513 Schönberg

www.osiris-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

Nachdrucke oder Kopien dieser Publikation - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Haftungsausschluss:

Die Inhalte dieser Publikation wurden sorgfältig recherchiert, aber dennoch haften Autor oder Verlag nicht für die Folgen von Irrtümern, mit denen der vorliegende Text behaftet sein könnte.

Umschlaggestaltung, Satz und Layout: Luna Design KG

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2019

ISBN: 978-3-947397-11-2

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OSIRIS-Verlag

Marktplatz 10

D-94513 Schönberg

Email: [email protected]

Tel.: (08554) 844

Fax: (08554) 942894

Unser Buch- und DVD-Angebot finden Sie auch im Internet unter:

www.osirisbuch.de

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Ohne Emotion kein Leben

Ohne Aufmerksamkeit geht es nicht

Alle lieben emotionales Verständnis

Emotion: „Was aus uns heraus strömt“

Emotionen auch ohne Hormone?

Mut und Gemütlichkeit

Ohne Streben keine Emotionen

Gefühle, Stimmungen, Launen - der Unterschied

Die Zutaten: Stimme, Atmung, Vitalkraft

Die Stufenleiter der Emotionen

Begeisterung

Freude

Interesse

Wohlwollen, Zufriedenheit

Desinteresse

Langeweile, Genervtheit

Trotz, Widerspenstigkeit

Empörung

Zorn

Wut

Grimm

Ärger

Hass

Hinterhältigkeit

Groll

Angst und Furcht

Panik

Entsetzen

Verzweiflung

Unterwürfigkeit

Traurigkeit

Apathie

Paranoia (Scheinwelt)

Die Logik der Emotionen

Liebe, Mitgefühl, Bedauern

Die Emotionsleiter auf einen Blick

Emotionale Wendepunkte

Emotionen schnell erkennen

Frustration ist keine Emotion

Emotionen „ohne vernünftigen Grund“

Die emotionale Brille

Echte und aufgesetzte Emotionen

Gefährliche und harmlose Emotionen

Das emotionale Jojo

Emotionslos? Undenkbar!

Wieso sind die Leute so ekelhaft zu mir?

Souveräner Umgang mit Emotionen

Synergie: Mitgehen, nicht dagegen gehen

Stufe um Stufe hinauf in heitere Zonen

Unentbehrlich: Die sieben Kommunikationsfaktoren

Für Feinschmecker: Der Emotions-Burger

Verständnis und Einverständnis sind zweierlei

Wieso lächelt Buddha?

Vier Übungen zum emotionalen Ausgleich

Übung 1: Sammlung

Übung 2: Achtsamkeit

Übung 3: Gelassenheit

Übung 4: Beziehungsklärung

Ausklang: Lob des Müssiggangs

Anhang: Emotion im Auge der Wissenschaft

Wie Forschung funktioniert

Reduktionismus: Gedanken kommen aus dem Gehirn

MindWalking: Das Geistige Wesen ist die Quelle

Im Überblick: Gängige Theorien zum Thema Emotionen

Ein Lob der Wissenschaft

Weitere Bücher

Ein Wort zum Gendering:

Nach Auffassung des Autors erschweren Kombinationsformen wie „liebe*r Leser*in“, „liebe/r Leser/in“, „liebe LeserInnen“ oder Ähnliches den Lesefluss. Deswegen hält sich dieses Buch an die maskuline Form - nicht etwa aus einer geheiligten Tradition heraus, sondern weil der Autor, ein Mann mit weit zurück liegendem Geburtsdatum, die maskuline Form nun mal gewohnt ist. Im Gegenzug wäre es wunderbar, würden Autorinnen ihre Bücher in der femininen Form schreiben; so käme jede(r) zu seinem/ihrem Recht.

Zu diesem Buch

Jeder Mensch kennt das Erlebnis von „himmelhoch jauchzend - zu Tode betrübt“ samt allen dazwischen liegenden Stufen, aber nicht jeder könnte immer in Worten ausdrücken, wie ihm zumute ist. Mancher sagt, er sei ärgerlich, wenn er in Wirklichkeit zornig ist; viele verwechseln Furcht mit Panik; nicht jeder kennt den Unterschied zwischen Hass und Wut. Um dem abzuhelfen, wollen wir jeder Emotion den richtigen Namen geben, oder besser, die bestehenden Namen - etwa Wut, Hass, Groll, Freude, Ärger - den dazu gehörigen Empfindungen so zuordnen, dass es keine Verwechslungen mehr gibt.

Kurz, in diesem Buch werden ur-menschliche psychische Regungen nachvollziehbar beschrieben und klar voneinander abgegrenzt. Unsere Empfindungen werden im Vordergrund stehen, unsere Erlebnisse, nicht jedoch deren theoretische Ausleuchtung im naturwissenschaftlichen Sinn. Wer sich damit vertraut machen möchte, darf gerne mit dem letzten Kapitel, „Emotionen, wissenschaftlich betrachtet“, beginnen. Dort wird ein kleiner Einblick in die Welt der Neurologie, Psychiatrie und Psychologie gegeben.

Ein kurzes Wort zum Autor: nach seinem Psychologie-Studium und im Verlauf von 40 Jahren privater Praxis im Bereich Persönlichkeitsaufbau, Bewusstseinsentwicklung und Fähigkeitssteigerung kam er zu der Überzeugung, dass sich die Gültigkeit psychischer Gesetzmäßigkeiten letztlich nur durch eigenes Erleben überprüfen lässt. Das Zitieren von Literatur und Fachstudien hilft wenig, wenn man jemandem menschlich weiterhelfen möchte, denn was die Psyche angeht, weiß nicht „die Wissenschaft“ am besten Bescheid, sondern wir Menschen selbst. „Nur in dir selbst liegt die Wahrheit“ - diese große Lehre fernöstlicher Meditationsmethoden hat sich in der MindWalking-Praxis zweifelsfrei bestätigt.

Zum Aufbau dieses Buches: Zu Beginn erfahren Sie, was Emotionen sind, wie sie zustande kommen und wie sie sich voneinander unterscheiden. Anschließend erleben Sie am Beispiel einer tragisch verlaufenden Urlaubsreise, wie der emotionale Absturz von „himmelhoch jauchzend“ bis „zu Tode betrübt“ vonstatten geht. Danach folgt ein Theoriekapitel zur Logik und Systematik von Emotionen. Am Schluss werden Ihnen einige Übungen für Geist und Seele vorgestellt, mit deren Hilfe Sie für emotionalen Ausgleich bei sich und anderen sorgen können.

R. U. K., im Juni 2018

• OHNE EMOTION KEIN LEBEN •

Wer Emotionen zeigt, gilt häufig als irrational oder gefühlsduselig. Emotionalität wird gern mit aggressivem Herumfuchteln gleichgesetzt, mit Streit, Geschrei, Tränen. „Stell dich nicht so an!“, heißt es dann, oder: „Mach nicht so ein Theater!“

Wieso haben Emotionen einen so schlechten Ruf? Denn schließlich gibt es im Gefühlsleben auch schöne Empfindungen, zum Beispiel die Freude oder das liebevolle Interesse. Beides sind Emotionen, und niemand würde sie irrational nennen. Doch daran denken die wenigsten, wenn das Gespräch auf Emotionen kommt.

Tatsächlich gibt es im menschlichen Leben keinen Augenblick, der nicht von Emotionen begleitet wäre, seien es hohe oder tiefe. Ohne Emotionen geht es nirgends. Sie sind uns so allgegenwärtig und selbstverständlich wie die Atmung. Genauso wenig, wie wir ohne Atmung zu leben vermögen, könnten wir es ohne Emotionen. Es wäre somit ein Unding, sie in Bausch und Bogen als irrational abzustempeln.

Wer Emotionen begreift und intelligent mit ihnen umzugehen weiß, den schätzen und lieben Freunde, Familienmitglieder und Kollegen. Emotionales Verständnis schafft ausgeglichene Beziehungen und öffnet das Tor zu einem freudvollen und erfolgreichen gesellschaftlichen Leben.

OHNE AUFMERKSAMKEIT GEHT ES NICHT

Jeder hat schon einmal etwas angestarrt, ohne es zu sehen, weil er mit den Gedanken woanders war. Nur weil unsere Augen etwas sehen, ist das Angeschaute noch lange nicht wahrgenommen. Bei der Wahrnehmung ist die Aufmerksamkeit das Entscheidende, nicht die Blickrichtung der Augen. Ohne Aufmerksamkeit auf das Gesehene sind wir wie blind, ohne Aufmerksamkeit auf das Gehörte wie taub. So verhält es sich mit allen Sinnen. Nur indem man Aufmerksamkeit auf etwas richtet, ob auf Personen, Tiere, Pflanzen, Gegenstände oder Tätigkeit, nimmt man es wahr. Richtete man nur seinen Blick auf etwas, ohne gleichzeitig auch aufmerksam zu sein, würde man es nicht registrieren. Gleiches gilt selbstverständlich für Riechen, Schmecken, Hören und Tasten.

Jeder hat sich schon einmal dabei ertappt, wie seine Gedanken beim Lesen eines Lehrbuchs abschweifen, der Blick geistesabwesend über die Seiten gleitet und man umblättert, ohne das Geringste begriffen zu haben. Es entstand keine Beziehung, weder zu dem Buch noch zu dessen Inhalt.

Ohne bewusste Wahrnehmung tritt man nicht in Beziehung mit etwas oder jemand ein. Es bleibt eine Distanz. Nimmt man hingegen bewusst etwas wahr, so baut man gleichzeitig eine Beziehung dazu auf, sei sie gut oder schlecht. Man fühlt sich angezogen oder abgestoßen, will näher dran oder lieber weiter weg, bewertet es als gut oder schlecht, hübsch oder hässlich, gemütlich oder ungemütlich, lustvoll oder ekelhaft. Entsprechend reagiert man mit Hinstreben oder Wegstreben. Schmeckt es gut, bekommen wir Lust auf mehr. Riecht es schlecht, empfinden wir Ekel und lehnen es ab. Klingt es schrill, gehen wir auf Abstand. Fühlt es sich kuschelig an, schmiegen wir uns hinein. Da wird nicht lang überlegt; blitzartig und spontan geht das vor sich. Solche Reaktionen sind unvermeidbar (bei Heiligen sei das anders, heißt es, aber das sind die meisten nun mal nicht).

Nicht nur in der äußeren Welt erlebt man spontanes Hin- oder Wegstreben, sondern auch in der geistigen Welt, will sagen in der Welt der Erinnerungen und Vorstellungen. Auch dort fühlen wir Sehnsucht oder Abscheu, Freude oder Kränkung, Zuneigung oder Hass. Sobald einem eine Situation aus Vergangenheit oder Zukunft in den Sinn kommt, wünscht man sich entweder sehnsuchtsvoll dorthin oder denkt mit Abscheu: „Bloß nicht!“ Erwünschtes malen wir uns aus, Unerwünschtes suchen wir wegzuschieben.

Gelegentlich gibt es auch mal Gleichgültigkeit, ein „Ist mir egal“. Das ist der Fall, wenn man auf eine Beziehung absolut keinen Wert legt. Werden hingegen persönliche Werte berührt, so entstehen unvermeidbar Emotionen. Freude entsteht, wenn uns etwas Wertvolles zufällt, Trauer, wenn uns etwas Wertvolles abhanden kommt. Verbindet jemand keinerlei Wert mit einem Bezugspunkt, so fühlt er weder Interesse noch Bindung an ihn. Damit würde er entweder weit oberhalb jeglicher Wertung stehen oder weit unterhalb. Ersteres wäre der emotionale Zustand der heiteren Gelassenheit, letzteres jener der Apathie.

Wir erschaffen unseren Wahrnehmungsraum

Was wir bewusst wahrnehmen, ist Teil unseres Wahrnehmungsraums. Bei einem spannenden Fußballspiel sitzt man ohne Kissen stundenlang auf einer harten Holztribüne, ohne dass einem das Hinterteil weh täte. Das Fußballspiel ist Teil des Wahrnehmungsraums, die Holztribüne hingegen nicht. Die ungepolsterte Wartebank in einer Behörde hingegen nimmt man deswegen mit schmerzhafter Deutlichkeit wahr, weil man sonst nichts zu tun hat. Deswegen rutscht man schon nach wenigen Minuten vor Ungeduld und Langeweile hin und her.

Von Moment zu Moment erschafft jeder seinen persönlichen Wahrnehmungsraum. Der kann groß oder klein sein, je nachdem, wie weit und wie kraftvoll einer seine Aufmerksamkeit verteilt, sei es auf die Außenwelt oder die geistig-seelische Innenwelt. Der bewusste Wahrnehmungsraum entsteht, indem man registriert, wohin man seine Aufmerksamkeit lenkt oder wovon sie gerade angezogen wird. Auch einen halb-bewussten Wahrnehmungsraum gibt es. Er entsteht, wenn man vor sich hinträumt, sich Wonnen, Ängsten oder Trieben hingibt und das nicht reflektiert. Und dann gibt es natürlich den Traum; er wäre als unbewusster Wahrnehmungsraum zu bezeichnen (jedenfalls bei den meisten Menschen).

Richtet man seine Aufmerksamkeit auf die Sinne, auf Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Tasten, dann verhilft einem das zur Wahrnehmung von Umgebung und Körper. Das ist die Außenwelt. Richtet man sie auf die Gefühlswelt, auf Gemütsregungen und innere Bilder, so entsteht eine Beziehung zur Innenwelt. Dann schwelgen wir in Erinnerungen, hängen Lieblingsvorstellungen nach oder machen Zukunftspläne.

Die innere Schau kann so kraftvoll sein, dass man seine äußere Umgebung vorübergehend kaum noch wahrnimmt. Obwohl Augen und Ohren offen sind, die Nervenbahnen alles registrieren und dem Gehirn zuleiten, bekommt man letztlich nichts von dem mit, was um einen herum vor sich geht. Im Zustand starker Konzentration etwa, wenn im Fernsehen ein guter Krimi läuft, hört man nicht, wenn das Telefon klingelt. Oder man fährt Auto, hat sich in einen Tagtraum verloren, sieht die rote Ampel nicht und verursacht einen Unfall. Hier war die innere Wirklichkeit, der Tagtraum, stärker als die äußere und die Ampel „war einfach nicht da“. Bei diesem Unfall nun erleidet man einen Schock. Der wiederum bewirkt, dass man blicklos vor sich hin starrt und die Welt für eine Weile wie ausgeblendet ist. Die Außenwahrnehmung reduziert sich auf null.

Offensichtlich dreht sich alles um Stärke und Richtung von Aufmerksamkeit. Volle Aufmerksamkeit heißt bewusste Wahrnehmung und korrektes Erkennen, schwache Aufmerksamkeit heißt schwache Wahrnehmung und reduziertes Erkennen. Beim vollen Erkennen sagen wir „Ahaaa! Sooo ist das also!“ Damit ist ein Wahrnehmungsvorgang abgeschlossen. Die Erkenntnis beendet ihn.

Ein Beispiel: Auf einem Spaziergang schweift Ihr Blick über eine Wiese und bleibt kurz an etwas Dunklem hängen. Hinterher fragen Sie sich, was dieses Dunkle wohl gewesen sein mochte. Ein Baumstumpf? Ein Vogel? Ein Hase? Die Aufmerksamkeit war gering gewesen, die Wahrnehmung entsprechend schwach, das Erkennen daher nur schwammig. Nun eine Variante desselben Beispiels: Ihr Blick schweift über eine Wiese und erfasst etwas Dunkles. Diesmal richten Sie Ihre volle Aufmerksamkeit darauf, machen sich genau bewusst, was Ihre Augen sehen. Sie erkennen: ein Hase, hurra! Vorsichtig gehen Sie darauf zu – nein, ein Vogel ist es! Und am Ende ist es doch bloß ein Baumstumpf. Aha, so so. Nicht berauschend - aber immerhin die Wahrheit. Indem Sie unmissverständlich erkannt haben, was es ist, haben Sie es im buchstäblichen Sinn „für wahr genommen“.

Die Moral dieser Geschichte: Die Annäherung an eine letzte Wahrheit vollzieht sich Schritt für Schritt. Auf dem Weg dorthin kann man sich allerdings auch irren, indem man nämlich seine Lieblingsvorstellungen, Erwartungen oder voreiligen Schlussfolgerungen über das Wahrgenommene stülpt. Wahrnehmung und Erkennen sind somit ein Näherungsprozess. Erkennen bedeutet: etwas korrekt wahrnehmen und korrekt in bekannte Kategorien einordnen - eine Weisheit, die schon der Yogalehrer Patanjali vor einigen Tausend Jahren notierte: Understanding is correct knowledge based on direct perception, inference, or the reliable testimony of others (Sutren, I/7, nach Alistair Shearer).

Stärke und Richtung der Aufmerksamkeitsströme lassen eine Dynamik ähnlich der des Wassers entstehen. Im Bachbett strömt das Wasser munter voran, im Springbrunnen sprüht es in alle Richtungen, vor einer Mauer staut es sich auf. Mit der Dynamik der Aufmerksamkeit verhält es sich ähnlich. Bei starkem Interesse fließt die Aufmerksamkeit kraftvoll in eine einzige Richtung; bei Freude umstrudelt sie das Objekt der Freude, um es von allen Seiten zu genießen; im Zorn staut sie sich auf; im Ärger explodiert sie in alle Richtungen (wenn wir später die Emotionsstufen untersuchen, sehen wir das ganz genau).

Telepathie ist ganz normal

Von der Aufmerksamkeit ist es nicht weit zur Telepathie, zu Deutsch „Fernspüren“ oder „Fernleiden“ (abgeleitet vom Griechischen tele, fern, und pathos, fühlen oder leiden). Telepathie ereignet sich weit öfter, als man glaubt. Sie denken an einen lieben Menschen irgendwo auf der Welt – der mag im Urlaub sein, auf Geschäftsreise, auf Montage, im Kriegseinsatz – und schon spüren Sie, ob es demjenigen gut geht oder nicht oder ob er vielleicht in Gefahr schwebt. Häufig bekommt die Bezugsperson dort draußen das sogar mit - und kurz darauf klingelt Ihr Telefon und er oder sie ist dran und sagt: „Ich hab grad an dich gedacht.“ (Wer als erster an den anderen gedacht hat, ist nicht immer leicht herauszufinden.)

Indem man seine Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Bezugspunkt richtet, ist die Auswirkung nicht bloß einseitig, sondern zweiseitig. Eine Interaktion vollzieht sich. Starrt einen jemand von hinten an, so blickt man sich um; kaum hat man „zufällig“ an eine Freundin gedacht, da klingelt schon das Telefon und sie ist am Apparat; man vermeidet einen Unfall, indem man ein Auto nicht überholt, weil man spürt - noch bevor der Vordermann den Blinker gesetzt hat - er wird gleich nach links ausscheren, und vieles mehr.

Interaktion verläuft zweiseitig. Wir nehmen am jenseitigen Ende der Kommunikationslinie nicht bloß jemanden wahr, sondern teilen demjenigen auch etwas mit (wenn auch häufig unbemerkt). Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf einen Hund richten, dann nehmen Sie den Hund wahr; doch auch der Hund seinerseits bemerkt, dass er wahrgenommen wird. Anhand Ihres Aufmerksamkeitsstrahls erspürt er, wie es Ihnen geht, wie Sie „drauf“ sind. Entsprechend wird er reagieren, noch bevor Sie ein Wort gesagt oder eine Geste gemacht haben. Hunde registrieren, wenn ihre Besitz er sich aufmachen, vom Büro aus nach Hause zu fahren, denn in diesem Moment richtet Herrchen seine Aufmerksamkeit auf Hundchen und Hundchen fiepst vor Freude und wedelt mit dem Schwanz (was der Biologe Rupert Sheldrake in „Dogs that know when their owners are coming home“ ganz wunderbar beschrieben hat).

Nicht nur Menschen, Tieren und Pflanzen teilt sich unsere Aufmerksamkeitsenergie mit, sondern auch Dingen und Orten. Sie bleibt dort haften. Haben viele Menschen gemeinsam ein Unglück erlebt, etwa einen Flugzeugabsturz oder einen Bombeneinschlag, dann kann es einem Passanten gruseln, der Tage, Wochen oder gar Jahre später an dieser Stelle vorbei kommt, selbst wenn er von dem Vorgang nichts weiß. Sensitive Menschen können sogar die mentalenergetischen Erlebnisbilder erspüren, die an diesem Ort haften geblieben sind. Sie wirken auf den Wahrnehmenden wie ein in der Luft hängendes Foto mit emotionaler Ausstrahlung, das zwar mit den körperlichen Augen nicht zu sehen ist, mit dem geistigen Auge hingegen schon.

Aus all dem folgt: Aufmerksamkeit ist kein Nichts, sondern eine wirkende Energie. Es ist wie mit dem Wind: auch er ist kein Nichts, bloß weil man ihn nicht sehen kann; seine Auswirkungen aber, die kann man sehen. Stellen Sie sich deshalb der besseren Anschaulichkeit halber etwas Sichtbares vor, nämlich einen Wasserstrahl. Richtet man einen Wasserstrahl (d. h. seine Aufmerksamkeit) auf etwas, zum Beispiel auf eine Wand, dann wird die nass. Damit wäre eine zeitweilige Verbindung mit der Wand entstanden. Die Aufmerksamkeit haftet sozusagen als feuchter Fleck auf der Wand, was bedeutet: man denkt an die Wand. Man denkt an sie solange, wie es braucht, bis das Wasser verdunstet und die vormals feuchte Stelle wieder trocken ist. Das wäre das Ende dieses Kommunikationsvorgangs, denn nun wäre die an der Wand haftende Aufmerksamkeit verflogen. Kein Gedanke mehr an die Wand.

Anders beim Hund, denn der ist im Unterschied zur Wand ein fühlendes Wesen. Haben Sie einen Hund nass gespritzt, dann entsteht damit nicht nur eine Verbindung von Ihnen zum Hund, sondern auch eine umgekehrte, denn der Hund hat das bemerkt. Er wird sich auch noch dran erinnern, nachdem er wieder trocken ist. Ab da geht seine Aufmerksamkeit in Ihre Richtung; er beäugt Sie misstrauisch. Sie versuchen es mit einem Leckerli. Er knurrt. Sie drohen. Er kläfft. Ein zunehmend unerfreuliches Aufmerksamkeitsgefecht beginnt, das sich mächtig aufschaukeln kann und unter Umständen in Handgreiflichkeiten endet.

Aufmerksamkeit ist wirkende Energie. Sie ist kein Neutrum, keine geruch-, geschmack- und farblose Substanz. Vielmehr trägt sie unweigerlich eine emotionale Qualität in sich, im obigen Fall sind es Misstrauen und Hass. Dass man diese emotionale Qualität spüren kann, erhebt praktisch jegliche Kommunikation in den Bereich der Telepathie. Jeder Mensch kann mehr oder weniger spüren, wie sein Mitmensch drauf ist, ohne dass dazu was gesagt worden wäre. Er braucht ihn dazu nicht einmal anzusehen! Kurz, Telepathie beruht auf dem Erspüren der jeweils vorliegenden emotionalen Qualitäten.

ALLE LIEBEN EMOTIONALES VERSTÄNDNIS

Die heutige Umgangssprache bietet kaum Wörter an, um Emotionen differenziert zu beschreiben. In vergangen Jahrhunderten war das anders. Heutzutage aber beschränkt sich so mancher auf „cool“ und „krass“, „geil“ und „ätzend“. Im Beziehungsgespräch ist es mit „ich find dich gut“ oder „du nervst“ getan; beim eigenen Befinden geht es über „gut drauf“ oder „mies drauf“ oft nicht hinaus. Demnächst werden andere Formeln in Mode kommen, doch selbst wenn die Wörter wechseln, bleibt die Sprachlosigkeit. Zum Erhalten einer reifen und erfüllenden Beziehung reicht ein solches Vokabular nicht aus, erst recht nicht, wenn es ansteht, eine bereits gestörte Beziehung wieder in Einklang zu bringen.

Um emotionales Verständnis auszudrücken, reichen bereits Gesten und Blicke aus. Manchmal aber braucht es einfach die richtigen Wörter. Gelingt es, eine Emotion korrekt zu benennen, fühlen sich die Menschen da abgeholt, wo sie stehen, fühlen sich anerkannt, verstanden und bestätigt. Das freut sie. Sagt man zu einem ängstlichen Menschen: „Du bist aber ärgerlich“, dann fühlt der sich nicht verstanden. Auf diese Weise holt man niemanden als Partner oder Mitspieler zurück ins Boot.

Emotionen sind keine Zufallsgebilde. Um mit den eigenen und denen anderer umzugehen, muss man ihre Systematik begriffen haben, sie voneinander unterscheiden und beim richtigen Namen nennen können. Empathie ist lernbar; sie ist nicht lediglich eine Begabung.

Heftige emotionale Ausbrüche sind nicht leicht zu verkraften, weder die wütenden noch die jubelnden; schon gar nicht, wenn man müde ist oder selbst an einem emotionalen Tiefpunkt steht. Fürchtet man sich aber vor Emotionen, scheut man vor ihnen zurück, so kann man nicht unbefangen mit ihnen umgehen. Woraus folgt, dass emotionale Toleranz und emotionales Verständnis die Schlüssel sind, mit denen sich die Herzen der Mitmenschen öffnen lassen. Dazu bleibt einem nichts anderes übrig - simpel ausgedrückt - als stetig und unter allen Umständen Größe, Stärke und Liebe zu zeigen. Nur auf diesem Weg lassen sich Menschen zu Freunden und Mitspielern machen. Genau das hat der Autor mit diesem Buch im Sinn: er möchte emotionales Verständnis erwecken und schulen.

EMOTION: „WAS AUS UNS HERAUS STRÖMT“

Was sind denn nun eigentlich Emotionen? Wie definieren sie sich? Der Begriff selbst gibt bereits Auskunft. „Emotion“ kommt von ex (aus, hinaus) und motio (Bewegung), beides vom Lateinischen abgeleitet. Wörter wie Motor, Motiv und das englische motion haben die gleiche Herkunft. In der Tat bewegen sich Emotionen aus uns heraus: als Lautstärke und Klang des Sprechens, als Gesichtsausdruck und Körperhaltung, als Frequenz und Amplitude der Aufmerksamkeitsenergie. Dieses Schwingen der Aufmerksamkeitsenergie bezeichnet man gerne als „Atmosphäre“. Die Gespräche verliefen „in guter Atmosphäre“, heißt es gelegentlich in Presseverlautbarungen.

Atmosphäre entsteht, weil jeder Mensch unvermeidbar etwas ausstrahlt und seine Mitmenschen dies spüren. Selbst wer darin geübt ist, im Rampenlicht der Presse zu stehen, vermag die Ausstrahlung seiner wahren Befindlichkeit nur oberflächlich zu überspielen. Vielfältige kleine Signale dringen trotz allen Bemühens zu einem geübten Beobachter durch. Man kann sich nicht verstecken. Ein empfindsamer Mensch liest im Erscheinungsbild seiner Mitmenschen wie in einem offenen Buch. Grundlage dafür ist die wache, bewusste Aufmerksamkeit auf das betreffende Wesen, ob Mensch, Tier oder Pflanze.

Mitfühlen und Einstimmen, kurz Empathie, ermöglichen wirkliches Schauen oder Hören. Beim Telefonieren zum Beispiel hört man, wie die Stimme des Gesprächspartners schwankt, wie er den Tonfall ändert, wie er im Redefluss stockt. Noch in Momenten des Schweigens spürt man seine Stimmungsschwankungen. Auch Briefe und E-Mails sind nicht „neutral“, sondern verraten die Emotionen des Verfassers. Unvermeidbar strömen sie hervor.

Impulse, Frequenzen, Amplituden

Kurze Zeitreise in den Physikunterricht: die Frequenz bestimmt die Tonhöhe und die Amplitude die Lautstärke, haben wir mal gehört. Für Nicht-Techniker: die Anzahl von Wellen, die pro Sekunde durchlaufen, ist ihre Frequenz (Häufigkeit), die Wellenhöhe ihre Amplitude (Weite). Je schneller die Impulse, desto höher der Ton; je größer die Schwingungsweite, desto lauter.

Ähnlich bei den Emotionen: je höher die Stimmungsstufe, desto schneller und flirrender die Schwingung. Im Zustand der Begeisterung fühlen wir uns so. Sinkt die Stimmung, wird die Schwingung langsamer, stumpfer, teigiger. Auch durch eine Amplitude sind Emotionen gekennzeichnet, denn sie haben Lautstärke. Man kann sich im Stillen freuen oder es lauthals in alle Welt hinaus posaunen, man kann leise weinen oder herzzerreißend schluchzen.

Wohlgemerkt ist hier nicht lediglich die akustische Erscheinungsform von Emotionen gemeint, also das, was jemand stimmlich von sich gibt, sondern ebenso die telepathische. Auch die Charakteristik einer telepathisch wahrgenommenen Emotion wird bestimmt durch Frequenz und Amplitude. Sensitive Menschen erspüren die emotionale Stufe und Stärke ihres telepathischen Kommunikationspartners in größter Deutlichkeit, sei es, dass sich dieser an einem weit entfernten Ort befindet, es sich um einen gerade Verstorbenen handelt, oder - während der Schwangerschaft - um einen noch nicht Geborenen.

EMOTIONEN AUCH OHNE HORMONE?

Die gängige Schulmeinung unserer Tage lehrt, Emotionen würden von den Hormondrüsen abgesondert, wie der Schweiß von den Schweißdrüsen und dies geschähe auf Anweisung eines Steuerungsorgans im Gehirn namens Amygdala (Mandeldrüse). Das allmächtige Gehirn, so heißt es, bestimme die Regungen der braven Seele (mehr zu diesem Thema siehe letztes Kapitel). Nach Auffassung nicht nur des Autors, sondern der globalen spirituellen Tradition, läuft die Sache indessen so einseitig nicht ab. Laut der mit MindWalking gemachten Erfahrungen entstehen Emotionen durch eine psychosomatische Interaktion, zu Deutsch eine Wechselwirkung von Leib, Seele und Geist.

Ein Beispiel: Ist man vor einer Prüfung aufgeregt, so schüttet das Nebennierenmark das Hormon Adrenalin aus und man spürt „Schmetterlinge im Bauch“. Zur Abhilfe nimmt man ein Beruhigungsmittel, woraufhin weniger Adrenalin produziert wird und man sich beruhigt. Lässt die Wirkung des Mittels nach einer Weile nach, kommt das Lampenfieber zurück. Man nimmt die nächste Pille und in dieser Form würde es bis nach der Prüfung weiter gehen.

Wer ist wegen der Prüfung aufgeregt? Nicht das Nebennierenmark. Die Bauchspeicheldrüse weiß nichts von Prüfungen. Das Gehirn auch nicht. Noch wurde kein Ort im Gehirn gefunden, der über Prüfungen Bescheid wüsste. Man selbst weiß: eine Prüfung kommt auf mich zu. Man selbst zweifelt, ob man es schaffen wird. Wissen und Zweifeln sind geistige Aktionen, nicht solche des Gehirns. Es ist der mentale Konflikt von „schaff ich‘s oder schaff ich‘s nicht?“, der einen aufgeregt macht. Diese rein mentale Konfliktspannung löst über einen vitalenergetischen Resonanzprozess die Hirnaktivität und schließlich die Hormonproduktion aus (siehe dazu das Buch „MindWalking - Unbelastet in die Zukunft“ dieses Autors).

Hirnaktivität und Hormonproduktion sind somit Folge- und Begleiterscheinungen eines emotionalen Zustands, nicht dessen Ursache. Die Angst beginnt im Kopf, salopp ausgedrückt. Wäre man mit einer Meditationstechnik, einem Mentaltraining oder einer Form der Selbsthypnose vertraut und setzte dies ein, so würde die Hormonproduktion von vorneherein geringer ausfallen und schließlich abklingen. Wer solche Methoden nicht beherrscht, dem bleibt nichts anderes übrig, als zum Medikament zu greifen oder die Angst durchstehen zu müssen.

Offensichtlich spielen hier drei Faktoren ineinander: erstens man selbst als geistiges Wesen, zweitens das mit den Hormondrüsen verkoppelte Gehirn, drittens ein Hilfsmittel. Solche Hilfsmittel wären auf physiologischer Seite (für Hirn und Drüsen) Medikamente, Drogen oder Alkohol. Auf psychischer Seite (für den Geisteszustand) würde man zu einer Selbstberuhigungsmethode greifen. Beide Typen von Hilfsmittel wirken beruhigend, jedes auf seine Weise.

Betrachten wird das Zusammenspiel: Auf geistiger Seite ist man wegen der Prüfung unsicher und deswegen aufgeregt. Körperlich äußert sich dies als Lampenfieber. Man nimmt ein Medikament. Dieses wirkt auf chemischem Weg auf das Gehirn ein und stellt die Hormondrüsen ruhig. Zumindest vorübergehend geben sie weniger Stresshormone ab. Dadurch ändert sich natürlich nichts an dem Zweifel, ob man es schaffen wird. Geistig ist man immer noch aufgeregt, doch ist die körperliche Reaktion so lange unterdrückt, wie die chemische Wirkung anhält, und das macht die geistige Aufregung erträglicher. Man zittert nicht mehr und kann klarer denken. Selbstberuhigungsmethoden hingegen nehmen einen anderen Weg: man bringt seine Atmung ins Gleichmaß, verlangsamt seinen Herzschlag, verbindet sich geistig mit der allgegenwärtigen Urkraft. Gewissheit entsteht und nimmt den Platz des Zweifels ein. Man verspürt Ruhe und Kraft in Leib und Seele. Die Aufregung schwindet. Keine Signale mehr vom Geist ans Gehirn, demzufolge auch keine vom Gehirn ans Hormonsystem.

Prüfungsangst kann von keinem pharmazeutischen Mittel dauerhaft beseitigt werden, denn schließlich hat sie ihren Ursprung weder im Gehirn noch in den Drüsen, sondern im Wesen der Person. Langfristig lassen sich solche Erregungsanfälle nur durch die Kombination von gesteigertem Akzeptanzvermögen und Sachkompetenz in den Griff bekommen. Meditieren erhöht zwar das Akzeptanzvermögen, reicht aber zum Bestehen einer Prüfung nicht aus. Lernen und seine Sachkompetenz steigern muss man schon auch noch. Mit anderen Worten, in ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung liegt die langfristige Lösung des Problems: lernen, sich von einer Erregung nicht überwältigen zu lassen; lernen, sie erst gar nicht aufkommen zu lassen; lernen, was in den Prüfungsunterlagen steht. Erfolge verbuchen. Selbstsicherheit aufbauen. Dann hat man selbst gewonnen und nicht ein Mittel, zu dem man in seiner Not (und damit aus gutem Grund) hat greifen müssen.

Hiermit soll keinesfalls gesagt werden, dass Medikamente und Pharmaka des Teufels seien. Sie haben ihren guten Platz in Momenten der Not - dann nämlich, wenn eine geistig-seelische Überwältigung droht oder schon eingetreten ist, wenn Geist und Körper am Durchdrehen sind. Gegen einen psychotischen Schub kommt keine Meditationstechnik an, die man eben schnell mal auf einem Wochenendseminar gelernt hätte. Zwar lässt sich eine solche Psychodynamik mit geistigen Mitteln durchaus in den Griff bekommen, gewiss, aber es dauert seine Zeit, bis man so weit ist.

MUT UND GEMÜTLICHKEIT

Zur Übersetzung des lateinischen Wortes „Emotion“ ins Deutsche bieten sich die Wörter Gemütsbewegung und Gemütswallung an. Bis ins 19. Jahrhundert sprach man nicht von Emotion (das Wort kam damals erst in Gebrauch), sondern von Empfindsamkeit und Sentiment. Letzteres klingt bis heute nach in „du bist aber sentimental“. Nach Meinung des Autors sind Gemütsbewegung und Gemütswallung die treffendsten Übersetzungen, so altertümlich sie klingen mögen, denn kommt es zur seelischen Dynamik, so wallt fühlbar etwas in uns auf und bricht hervor: Lachen, Weinen, Zorn, Ärger, Glück. Da bewegt sich etwas, da gerät etwas in Wallung. Nämlich was? Das Gemüt.

Was bedeutet Gemüt? Der Begriff ist in der Wortfamilie „Mut“ zu Hause. Eine äußerst verzweigte Verwandtschaft ist das. Wir sollten sie genauer kennen lernen, denn das wird uns dem Begreifen von Emotionen ein Stück näher bringen. Beginnen wir mit einem entfernten Verwandten dieser Familie, der in England wohnt. Spricht man ihn laut aus, so klingt er genauso wie „Mut“, doch schreibt er sich anders, nämlich mood. Hat ein Engländer gute Laune, ist er in a good mood - guten Mutes, wie man hierzulande sagen würde. Wer in England in the mood ist, ist „richtig gut in Stimmung“.

Im Unterschied zu den Angelsachsen denken wir Germanen bei Mut nicht als erstes an eine gute oder schlechte Stimmung, sondern an den kühnen Helden, der die Jungfrau aus der Höhle des Drachens rettet, oder an den Feuerwehrmann, der das kleine Kätzchen im Baumwipfel birgt. Doch es gibt da noch einige weitere Vertreter dieser Sippe kennenzulernen. Besuchen wir deshalb die Herren Mut in ihrem Club (nur Herren sind zugelassen, denn Mut ist maskulin). Da kommt der Hochmut hereinstolziert und schaut auf den Rest der Welt hinab, vor allem auf den Missmut, der mit säuerlichem Gesicht an der Bar sitzt und Schnaps trinkt. Der Großmut hingegen blickt gutmütig umher und stört sich weder am herumnölenden Unmut, dem man nichts recht machen kann, noch am Übermut, der mit seiner aufdringlichen Akrobatik gerade einen Tisch samt Gläsern umgeschmissen hat. Die Demut, nicht etwa einziges weibliches Mitglied dieses