Hirngespinster und Warteschleifen - Maja Vandenwald - E-Book

Hirngespinster und Warteschleifen E-Book

Maja Vandenwald

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Beschreibung

Wenn Gedanken im Gehirn ihre eigenen Fäden spinnen, während man in Warteschlangen und -schleifen hängt, dann endet der Gedankengang oft an unvermuteten Stellen, nämlich in Hirngespinstern, und das macht richtig viel Spaß. Lassen auch Sie Ihre Gedanken gelegentlich von der Leine - es lohnt sich!

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Seitenzahl: 64

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INHALT

Ben Hur

Füllungen mit Spritze

Essig und Öl oder was?

Die Supermarktschlange

Der Stau

Der Friseurbesuch

Windeltou und Old Käckelhemd

Pheromone

Wotz Äpp

Für Ihr Alter…

Herrentaschentuch

Holzlatte

Ich kann nicht schlafen

Internet geschrottet

Nordische (Tee)Lichter

Kleines Vorwort, liebe Lesenden

Was ist das für ein seltsamer Titel: Hirngespinster und Warteschleifen?

Wie kommt man auf so einen Quatsch?

Ganz einfach: wenn Gedanken im Gehirn ihre eigenen Fäden spinnen, während man in Warteschlangen und -schleifen hängt und wartet, dass es voran geht, dann endet der Gedankengang oft an einer Stelle, die man am Anfang gar nicht vermutet hätte, und das macht richtig viel Spaß.

Also: keine Angst vor Warterei, nachts wach liegen oder Langeweile – lassen Sie Ihre Gedanken von der Leine – es lohnt sich!

Ben Hur

Heute Abend ist nichts los. Weder im Bekanntenkreis noch mit uns. Wir haben beschlossen, einfach mal vor der Glotze abzuhängen. Ich blättere durch die Fernsehzeitschrift. Es ist kurz vor Weihnachten, da wird doch wohl was im Programm zu finden sein.

Der kleine Lord – das habe ich gestern Nachmittag schon geschaut und mal wieder heimlich dabei geflennt. Ist immer so schön am Schluss, wenn der alte Griesgram geläutert ist.

Ein alter Tatort – nä, darauf habe ich heute keine Lust.

Comedy mag ich auch nicht. Die Entstehung des Weltalls, das wäre doch schön, aber das möchte mein Mann nicht. Zu anstrengend. Er möchte einfach nur glotzen, sich nicht noch konzentrieren. Ich seufze. Da ruft mein Mann:

„Läuft nicht auch Ben Hur?“ Ich sehe ihn entgeistert an. Och nee, nicht schon wieder! Dieser olle Schinken!

„Der hat schon vor anderthalb Stunden angefangen“, maule ich.

„Egal, schalt mal dahin, ich würde den gerne sehen“. Na gut, dann eben Ben Hur. Zum gefühlt tausendsten Mal. Ich gehe in die Liegeposition über und schließe die Lider halb.

„Du hast keinen Bock drauf, oder?“ erkundigt sich mein Mann.

„Ist schon in Ordnung“, erwidere ich, „wenn du das heute sehen möchtest, kein Problem.“

Er wendet sich wieder dem Fernseher zu. Ich betrachte Ben Hur. Richtig schön war der Charlton Heston eigentlich auch damals schon nicht. Jedenfalls nicht mein Typ. Außerdem habe ich mal gelesen, dass er zur Waffenlobby gehört. Geht ja gar nicht.

Und er hat beim Wagenrennen die Armbanduhr aus Versehen angelassen. Aber so weit ist der Film ja noch nicht. Mir fällt das langsame Tempo des Films auf. Ist bei allen alten Schinken so: man hat endlich mal Zeit, der Handlung in Ruhe zu folgen. Heutzutage ist das nicht mehr möglich.

Man muss sich schon verdammt konzentrieren, wenn man den schnellen Schnitten folgen will.

„Du hast wirklich keine Lust, den Film zu sehen, woll?“ Mein Mann wird lästig. Ich habe mich doch jetzt mit dem Film abgefunden und schaue ihn mir eher analytisch an. Macht auch Spaß.

„Nein, nein, alles gut.“ Wie oft soll ich das noch sagen?

Ben Hur schleicht über einen dunklen Hinterhof. Eine Frau nähert sich. Er spricht sie aus dem Schatten an. Sie erschrickt zunächst und freut sich dann wie Bolle, ihn zu sehen.

Ekelhaftes Frauenbild damals. So klein, zart, niedlich, unterwürfig. Ich rege mich auf und ziehe den Atem laut ein.

„Was ist denn jetzt schon wieder los?“ will mein Mann wissen. Ich drücke laut meine Kritik aus. Die will mein Gatte aber gar nicht hören. Er will einfach nur den Film sehen. Und ich will mich nicht langweilen, also hole ich aus dem Film für mich eben andere Dinge raus als er. Das wird doch wohl noch erlaubt sein?

Nächste Szene: Zelte in der Wüste, edle Pferde. Ein Stümper veranstaltet ein kleines Wagenrennen und fährt natürlich in die Büsche, weil er zu blöd ist, das Gespann richtig zu führen. Ben Hur kennt sich da besser aus und lässt jede Menge fachmännischen Rat vom Stapel. Richtig männlich! Ich könnte kotzen.

Männer sind im Film immer so souverän und stark, und wenn es mehrere davon gibt, hauen sie sich gegenseitig die Nase blau, und der Stärkere kriegt am Ende die schöne, schwache, niedliche, unterwürfige Frau. Bah, wie furchtbar!

Schon wieder ein Seitenblick von meinem Mann. Diesmal sagt er aber mal lieber nichts. Er kann mein Gemecker nicht mehr hören, glaube ich. Ich sage auch mal lieber nichts. Er kennt meinen Standpunkt. Da braucht man nicht immer drüber zu reden. Irgendwann ist es sowieso Zeit schlafen zu gehen, und so brechen wir vorzeitig ab. Das Wagenrennen war immer noch nicht. Da kann ich gar nicht mehr überprüfen, ob Charlton Heston wirklich seine Armbanduhr anhatte. Ist mir jetzt auch egal, denn ich bin ziemlich müde. Sind schon anstrengend, diese Schinken.

Gute Nacht.

Füllungen mit Spritze

Mein Zahnarzt diagnostizierte in meiner unteren linken Kauleiste die ein- oder andere Karies. Da sich hier noch einige alte Amalgam-Füllungen befanden, war es klar, dass diese im gleichen Zuge gegen form- und farbschöne Kunststofffüllungen ausgetauscht werden sollten.

Ich begab mich also zum angesetzten Termin in die Zahnarztpraxis und nahm im Zahnarztstuhl Platz. Da ich mal wieder zu früh da war, hatte ich noch Zeit und musste eine Weile auf das Erscheinen des Zahnarztes warten. Weil mir in dem Stuhl ohne Zahnarzt immer schnell langweilig wird, quälte ich die nette junge Assistentin mit dem ein- oder anderen Schwank aus meiner Jugend.

Dabei kam auch der Einsatz einer Impfpistole zur Pockenimpfung zur Sprache. Das arme Mädchen hatte den Eindruck, ich sei leibhaftig dem Mittelalter entsprungen, ließ sich ausführlich die Impfpistole beschreiben und nahm sich vor, dieses Folterinstrument zu Hause erstmal zu googeln.

Sie wurde erlöst, als der Zahnarzt hereinkam. Der hatte sich schon gefreut, mal wieder eine Patientin quälen zu dürfen und traktierte meinen Unterkiefer zunächst mit der Spritze. Das macht mir nichts aus, es stört mich nur hinterher, wenn die Unterlippe hängt und man das Gefühl hat, dass der Sabber unkontrolliert aus dem Mundwinkel fließt.

Er machte mich darauf aufmerksam, dass auch die Zunge ein bisschen gefühllos werden könnte, was ja viele Männer zu schätzen wissen: die Frauen können dann nicht mehr pausenlos reden. Ich glaube, mein Zahnarzt war auch froh, als er seine Finger in meinem Mund versenkte und mich damit vom Sprechen befreite.

So saß ich da, nein, eigentlich lag ich, mein Gesicht keiner Regung mehr fähig, über mir die Lampe, auf der man noch Putzstreifen sehen konnte. Ja, die Putzfrau hat wohl nicht die richtigen Tücher. Ich müsste ihr mal eins von meinen geben, die reinigen streifenfrei. Unterhalb der streifigen Lampe und direkt über meinem Gesicht hingen die vermummten Köpfe des Zahnarztes und seiner Assistentin. Ich bewunderte insgeheim, wie schön die Assistentin ihre Augen geschminkt hatte – alle Achtung. Das hätte ich so nicht hinbekommen. Bei meinem Zahnarzt stand ein borstiges Haar aus der Augenbraue ab. Ich konnte auch die Bartstoppeln zählen, was ich vor lauter Langeweile auch ein paar Minuten tat.

Dann war mir das doch zu blöd, und ich brachte die Assistentin hinter ihrem Mundschutz zum Lachen, indem ich meine Augenbrauen abwechselnd einzeln in die Höhe zog. Das hatte ich mir im Alter von vierzehn Jahren selber beigebracht, weil ich Mister Spock vom Raumschiff Enterprise so cool fand. Es ist auch heute noch ein probates Mittel, Leute zu verblüffen. Tja, gelernt ist gelernt.

Der Zahnarzt arbeitete sich von meinem Molar drei sechs weiter nach hinten vor. Dabei murmelte er Wörter wie „okklusal“, „mesial“ und „distal“, und diktierte zwischendurch: MOD, 3 sieben. In einer Bohrpause, in der ich den Mund mal kurz schließen durfte, machte ich diesen sofort wieder auf, um zu fragen, was das denn alles hieße. Der Zahnarzt hatte aber keine Lust, mir das zu erklären. Schade.