Historical Mylady Spezial Band 2 - Carole Mortimer - E-Book

Historical Mylady Spezial Band 2 E-Book

Carole Mortimer

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Beschreibung

WIE VERFÜHRT MAN EINE LADY? von CAROLE MORTIMER
Lady Juliet ist entschlossen, den Freuden der Lust für immer zu entsagen - bis sie Sebastian St Claire begegnet. Ebenso männlich wie charmant, weckt er in ihr sündige Gefühle, die die schöne Witwe selbst in den vertraulicheren Momenten ihrer Ehe nicht empfunden hat! Doch will Sebastian sie erobern, weil er sie begehrt? Weil er sie liebt? Oder weil er herausfinden möchte, warum die Gesellschaft sie als Schwarze Witwe ächtet?

LADY ARABELLAS GEHEIMES VERLANGEN von CAROLE MORTIMER
Skandal um Lady Arabella! Eben noch hat man sie in einer unziemlichen Situation ertappt. Jetzt gibt es nur eine Möglichkeit, ihren Ruf zu retten: Sie muss Darius Wynter, Duke of Carlyne, heiraten! Dabei munkelt man, der Duke sei in jeder Hinsicht alles andere als unschuldig. Sogar seine eigene Frau soll er ermordet haben! Dennoch: Arabella heiratet ihn - und wird schon kurz darauf in eine Reihe scheinbar tragischer Unfälle verwickelt ...

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Carole Mortimer

HISTORICAL MYLADY SPECIAL EDITION BAND 2

IMPRESSUM

HISTORICAL MYLADY SPECIAL EDITION erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Christel BorgesGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL MYLADY SPECIAL EDITIONBand 2 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg

© 2009 by Carole Mortimer Originaltitel: „The Rogue’s Disgraced Lady“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Eleni Nikolina

© 2010 by Carole Mortimer Originaltitel: „Lady Arabella’s Scandalous Marriage“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Eleni Nikolina

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733761899

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, MYSTERY, TIFFANY

CAROLE MORTIMER

Wie verführt man eine Lady?

Er begehrt sie, wie er noch nie eine Frau begehrt hat, und das will bei dem berühmt-berüchtigten Sebastian St Claire etwas heißen! Aber die schöne Lady Juliet Boyd zu erobern, erweist sich als ungeahnt schwierig. Dabei sieht er doch die brennende Sehnsucht in ihren Augen, spürt ihre Erregung – warum nur weist sie ihn beharrlich ab?

Lady Arabellas geheimes Verlangen

Schuldig oder nicht? Bis jetzt hat Lady Arabella St Claire nicht viel auf die Gerüchte gegeben, die sich um Darius Wynter, Duke of Carlyne, ranken. Im Gegenteil: Seinen Kuss erwidert sie voller Leidenschaft. Doch ihre stürmische Begegnung bleibt nicht unbemerkt! Überstürzt muss Arabella den Duke heiraten, von dem es heißt, er hätte seine Frau ermordet …

Wie verführt man eine Lady?

PROLOG

Banford House, Mayfair, Ende Juli 1817

Du bist es also wirklich, Sebastian!“, begrüßte seine Gastgeberin ihn herzlich, als er in ihren Salon geführt wurde. „Revell teilte mir zwar mit, dass Lord St Claire vorgesprochen hat, aber ich dachte, dass es sich vielleicht um Lucian handelt. Andererseits hat der ja gerade geheiratet und befindet sich wahrscheinlich noch auf seiner Hochzeitsreise. Ich freue mich so sehr, dich zu sehen!“

Sebastian Lord St Claire hatte sich wie gewöhnlich nach dem letzten Schrei der Mode gekleidet. Er trug einen wie angegossen sitzenden braunen Frackrock über einer Weste aus Goldbrokat und einem schneeweißen Hemd, dazu beigefarbene Hosen und auf Hochglanz polierte schwarze Stiefel mit braunem Schaft. Sein modisch langes hellbraunes Haar war durchzogen von goldblonden Strähnen.

Er lächelte verschmitzt, während er den Raum durchquerte und auf Dolly Vaughn zuging, die anmutig auf dem himbeerroten Sofa im Salon ihres Stadthauses ruhte. Nur dass sie natürlich nicht mehr Dolly Vaughn hieß, sondern Lady Dorothea Bancroft, Countess of Banford.

Amüsiert begegnete Sebastian dem neckenden Blick aus ihren blauen Augen, während er ihre Hand an die Lippen führte. „Zerstör bitte nicht all meine Illusionen, indem du mir sagst, dass du einmal mit meinem Bruder Lucian bekannt warst“, meinte er gedehnt.

„Sogar aufs Engste“, versicherte Dolly ihm kokett. „Mit Stourbridge übrigens auch. Aber das ist eine ganz andere Geschichte …“ Sie lachte entzückt, und Sebastian nahm an, dass er ganz schön verblüfft geschaut hatte bei der Erwähnung seines ältesten Bruders Hawk, des vornehmen, reservierten zehnten Duke of Stourbridge. „Der arme Bancroft hat es verteufelt schwer, vorzugeben, er sei sich der Namen meiner vergangenen Liebhaber nicht bewusst“, fügte sie mit einem ungenierten Lächeln hinzu.

William Bancroft, der Earl of Banford, sollte sich glücklich schätzen, Dolly seit drei Jahren seine Gattin zu nennen, und wie Sebastian wusste, tat er das auch. Vor ihrer Heirat war sie, wenn auch stets diskret, die Geliebte vieler Mitglieder des ton gewesen – und wie es schien, zählten sogar Sebastians ältere Brüder beide dazu!

Seine eigene Beziehung zu Dolly war jedoch stets platonischer Natur gewesen, und sie bestand, seit er im zarten Alter von siebzehn Jahren das erste Mal nach London gekommen war, damals noch gänzlich unerfahren. Dolly hatte eine reizende junge Dame für ihn gefunden, die ihn in die Freuden des Fleisches eingeführt hatte.

„Bitte setz dich doch, Sebastian“, bat sie ihn jetzt herzlich und klopfte einladend neben sich auf das Sofa. Noch immer war Dolly eine goldblonde Schönheit, obwohl bereits in ihren Mittdreißigern. „Ich habe Tee für uns bestellt. Es ist ein wenig früh, um dir stärkere Erfrischungen anzubieten, fürchte ich“, fügte sie spöttisch hinzu, als er die Augenbrauen hob.

Sebastian erinnerte sich noch an eine Zeit, da es für Dolly nie zu früh gewesen war, solche ‚stärkeren Erfrischungen‘ zu sich zu nehmen, aber aus Respekt vor ihrer neuen Rolle als Countess verbiss er sich jede Bemerkung. „Sie sehen hinreißend aus, Lady Bancroft.“ Er nahm neben ihr Platz. „Die Ehe bekommt Ihnen offensichtlich gut.“

„Die Ehe mit meinem geliebten Bancroft bekommt mir gut“, verbesserte sie ihn. „Ich erlaube dir aber nicht, so förmlich mit mir zu sein.“ Sie schlug ihn leicht mit ihrem Fächer aufs Handgelenk. „Wenn wir allein sind, bestehe ich darauf, dass wir uns so anreden wie immer – einfach Dolly und Sebastian.“ Sie wandte sich um und teilte dem Butler, der gerade mit einem Tablett erschien, mit: „Ich bin heute Nachmittag für keinen anderen Besucher zu Hause, Revell.“ Sie wartete, bis er gegangen war, bevor sie wieder zu sprechen begann. „Ich fürchte, selbst nach drei Jahren empfindet die Dienerschaft meine unkonventionelle Art als ein ziemliches Ärgernis“, erklärte sie leichthin, während sie schon begann, den Tee einzuschenken. In ihrem hochtaillierten blauen Morgenkleid, das so gut zu ihren Augen passte, sah sie dabei entzückend aus.

Damit gab sie Sebastian das Stichwort, auf das er gehofft hatte. „Aber der ton ist jetzt etwas … freundlicher dir gegenüber als früher, nicht wahr?“

„Du meine Güte, man reißt sich richtig um mich!“ Dolly lachte und reichte ihm eine der zarten Porzellantassen. „Eine Einladung zu einer meiner sommerlichen Gesellschaften auf Banford Park hält man inzwischen für eine exklusive Angelegenheit.“

Sebastian nickte. „Genau wegen der diesjährigen Sommergesellschaft bin ich heute hier.“

Nachdenklich betrachtete sie ihn. „Aber gewiss hast du doch längst, so wie auch einige deiner Freunde, eine Einladung erhalten, Sebastian. Eine Einladung übrigens, die du, wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, bisher immer ausgeschlagen hast.“

Beide wussten sehr gut, dass Dolly keine Probleme mit ihrem Gedächtnis hatte. „Dieses Jahr spiele ich mit dem Gedanken zu kommen …“

„Falls?“, setzte sie seinen Satz scharfsinnig fort.

Sebastian lachte leise und lehnte sich entspannt in die Kissen zurück. „Du bist unverblümter, als manchem Mann lieb sein kann, Dolly.“

„Auch unverblümter, als dir lieb sein kann?“

Sebastian hatte seinen Einfall eigentlich wunderbar unkompliziert gefunden – er hatte Dolly einfach nur bitten wollen, eine weitere Frau, eine ganz bestimmte Frau, auf ihre Gästeliste für die Sommergesellschaft zu setzen, die in zwei Wochen auf dem Gut der Banfords in Hampshire stattfinden sollte. Leider hatte Sebastian nicht mit Dollys Neugier gerechnet.

„Du möchtest, dass ich einen weiteren Gast einlade. Einen weiblichen Gast“, riet sie völlig richtig. „Was ist mit deiner Affäre mit der verwitweten Lady Hawtry?“

„Deiner Aufmerksamkeit entgeht nichts, was, Dolly?“, entgegnete Sebastian schief lächelnd. „Die Affäre ist zu Ende.“ Wie jede seiner Affären, sobald die Dame anfing, von Ehe zu sprechen.

„Wer ist es also dieses Mal? Zögerst du, mir den Namen zu sagen, weil sie verheiratet ist?“, drängte sie ihn, da er weiterhin schwieg. „Ich versichere dir, dass mich nach drei Jahren in der guten Gesellschaft nichts mehr schockieren kann, das sich hinter geschlossenen Türen abspielt – nicht einmal hinter meinen eigenen.“

„Die Dame war verheiratet“, gab Sebastian nach. „Sie ist es aber nicht mehr.“ Trotz der Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, hätte er nie auch nur in Betracht gezogen, sie zu verführen, wenn sie verheiratet gewesen wäre. Selbst ein Mann, der von jedem ohne Ausnahme für einen Draufgänger gehalten wurde, musste wenigstens über gewisse Prinzipien verfügen!

„Wieder eine Witwe also. Aber welche nur …?“ Dolly ging offenbar in Gedanken alle verwitweten Damen ihrer Bekanntschaft durch. „Ach, gib mir doch einen Hinweis. Bitte!“, flehte sie ihn schließlich an. „Du weißt, wie ich Geheimnisse hasse.“

Ja, alles war ihm so viel einfacher erschienen, als er allein zu Hause gesessen und sich einen Plan zurechtgelegt hatte, wie er es schaffen könnte, dieser Frau vorgestellt zu werden. Ihr einsiedlerisches Dasein in den vergangenen achtzehn Monaten stellte nun einmal eine gewisse Herausforderung für einen erfahrenen Herzensbrecher wie ihn dar.

Er verzog das Gesicht. „Das Trauerjahr für ihren Mann endete vor sechs Monaten, aber zu meinem Unglück und dem jeden Mannes, der es äußerst reizvoll fände, der erste Liebhaber der schönen Witwe zu werden, ist sie noch immer nicht in Gesellschaft gegangen.“

„Hm …“ Dolly tippte sich mit einem Finger nachdenklich auf die Lippen. „Nein!“ Sie schnappte ungläubig nach Luft. „Du meinst doch nicht … Sebastian, du beziehst dich doch sicher nicht auf …?“

Er nickte. „Sie war die Einzige, die freundlich zu dir war, als Bancroft dich vor drei Jahren dem ton als seine Gattin vorstellte, nicht wahr?“

„Also meinst du sie wirklich!“, stieß Dolly leise hervor. „Ich hätte nie gedacht …“ Sie bedachte ihn mit einem skeptischen Blick. „Dir ist doch hoffentlich bewusst, welch unerfreulicher Klatsch über sie kursiert, seit ihr Mann so unerwartet gestorben ist?“

„Selbstverständlich“, wiegelte er ab. „Dadurch erscheint mir die Lady nur noch … faszinierender.“

Die Countess of Banford runzelte die Stirn. „Sehr oft liegt solchen Gerüchten aber auch ein Quäntchen Wahrheit zugrunde, weißt du?“

„Und wenn schon.“ Er zuckte mit den Achseln. „Wie ich dir schon sagte, will ich die Dame verführen, nicht heiraten.“

„Ich mache mir einfach nur Sorgen um dich, Sebastian.“

Er lächelte. „Ich versichere dir, dazu besteht kein Grund.“

„Deine Absichten sind also ganz bestimmt nicht ehrenhafter Natur?“ Dolly schaute ihn auf ihre listige Art an.

„Das habe ich doch gerade gesagt. Ich bin Junggeselle aus Überzeugung. Deswegen wird keine Frau, so schön sie auch sein mag, mich dazu bringen, diesen beneidenswerten Zustand aufzugeben.“

„Weißt du auch, dass diese bestimmte Dame nicht mehr in Gesellschaft erschienen ist, seit sie sich auf ihr Gut in Shropshire zurückgezogen hat?“

„Ich würde dich kaum bitten, sie einzuladen, wenn ich glaubte, es gäbe einen anderen Weg für mich, ihr vorgestellt zu werden“, erklärte er trocken.

Dolly riss erstaunt die Augen auf. „Ihr seid euch nicht einmal vorgestellt worden?“

„Noch nicht.“ Er lächelte anzüglich. „Ihr Gatte und ich bewegten uns nicht in denselben Kreisen, wie du dir denken kannst.“

„Ja, er war ein ziemlich aufgeblasener Langweiler, nicht wahr? Ihr seid euch also niemals richtig begegnet?“

„Ich habe sie nur ein, zwei Mal von Weitem gesehen“, gab Sebastian zu.

„Und jetzt möchtest du sie von Nahem sehen?“, neckte Dolly ihn. „Die arme Juliet ist bereits so gut wie verloren!“

„Du schmeichelst mir, Dolly.“

Sie schüttelte den Kopf. „Welche Frau würde sich nicht von den Aufmerksamkeiten des gut aussehenden, doch unerreichbaren Lord Sebastian St Claire geschmeichelt fühlen?“ Sie betrachtete ihn anerkennend. „Zufällig habe ich die betreffende Dame bereits eingeladen.“

„Das wird ja immer besser.“

„Vor dem Tod ihres Mannes waren wir Freundinnen, und trotz der Klatschgeschichten, die sie umgeben, war ich entschlossen, sie nicht länger in Shropshire verkümmern zu lassen.“

„Hat sie die Einladung angenommen?“

„Noch nicht. Aber sie wird“, antwortete Dolly zuversichtlich. „Wirklich, Sebastian, wie kannst du nur an meinen Überredungskünsten zweifeln?“, fügte sie hinzu, als sie seine skeptische Miene sah.

Wohl wahr …

„Was hältst du hiervon, Helena?“ Juliet Boyd, die Countess of Crestwood, reichte die Einladung, die sie gerade erhalten hatte, an ihre Cousine weiter. Sie saßen gerade gemeinsam im Frühstückszimmer auf Falcon Manor und gingen die Post durch.

Helena runzelte verwundert die Stirn, bevor sie die Einladung entgegennahm. Das hellblonde Haar war streng aus ihrem blassen Gesicht frisiert, ihr fast jungenhaft schlanker Leib war in eins der faden braunen Kleider gehüllt, die sie immer trug. Als sie die Einladung gelesen hatte, sah sie fragend auf: „Wirst du hingehen?“

Normalerweise hätte Juliet die Einladung der Countess of Banford auf dem Tisch liegen gelassen und keinen weiteren Gedanken darauf verwendet. Auch jetzt zögerte sie nur, weil sich im Umschlag noch ein Brief befunden hatte – ein handgeschriebener Brief, den sie ihrer Cousine jetzt ebenfalls reichte.

„‚Meine Liebe‘“, las Helena laut. „‚Sie waren in der Vergangenheit stets so freundlich zu mir, dass ich diese Freundlichkeit mit der beiliegenden Einladung erwidern möchte. Es werden nur Bancroft und ich und einige wenige ausgewählte Freunde anwesend sein. Bitte, bitte sagen Sie, dass Sie kommen werden, Juliet! Ihre Freundin Dolly Bancroft.‘“

„Es ist eine sehr aufmerksame Geste von ihr, aber natürlich kann ich nicht hingehen“, sagte Juliet leise.

„Selbstverständlich musst du gehen!“, widersprach ihre Cousine ungeduldig, und die plötzliche Röte in ihren Wangen ließ ein wenig von der Schönheit ahnen, die sie mit dem strengen Haarknoten und der unvorteilhaften Kleidung so erfolgreich verbarg. „Siehst du nicht, dass dies der Schlüssel für deine Rückkehr in die gute Gesellschaft sein könnte?“

Ein Schlüssel, den Juliet gar nicht nutzen wollte. „Ich möchte mit der sogenannten guten Gesellschaft nichts zu tun haben, das weißt du sehr gut. Und wie ich im vergangenen Jahr nur allzu deutlich gespürt habe, will sie auch mit mir nichts zu tun haben“, fügte sie trocken hinzu.

Das Trauerjahr war ihr sehr schwergefallen, da sie bei Edwards Tod eher Erleichterung als Kummer empfunden hatte. Doch die Art, wie einige Mitglieder des ton sie geschnitten hatten, schon bei Edwards Beerdigung, war für Juliet ein Zeichen dafür gewesen, wie wenig sie willkommen war.

Sie seufzte. „Es ist natürlich sehr freundlich von Dolly Bancroft, an mich zu denken …“

„Warst du nicht auch freundlich zu ihr, bevor sie der Liebling des ton wurde?“, erinnerte ihre Cousine sie scharf. „Bevor Banfords Beziehungen und sein hohes Ansehen im Oberhaus die verlogene Gesellschaft vergessen ließen, dass sie nicht mehr war als eine Geliebte, die ihren Liebhaber geheiratet hat, als dessen Frau kaum zu Grabe getragen war!“, fügte Helena auf ihre gewohnt unverblümte Art hinzu.

Gerade diese nüchterne Sachlichkeit ihrer Cousine hatte Juliet in den letzten eineinhalb Jahren gesellschaftlicher Verbannung sehr geholfen. Sie lächelte ihr zu. „Es waren tatsächlich gute neun Monate nach dem Tod seiner Frau. Und vor zwölf Jahren war die Gesellschaft auch nicht sehr entgegenkommend, als eine schlichte Miss Juliet Chatterton den Kriegshelden Admiral Lord Edward Boyd, Earl of Crestwood, Mitglied des Oberhauses und Berater des Kriegsministeriums, heiratete. Ich konnte Dolly Bancroft gut verstehen, und so schien es mir nur selbstverständlich, ihr meine Freundschaft anzubieten und ihr so den Eintritt in die Gesellschaft ein wenig zu erleichtern.“

Juliet war erst achtzehn gewesen, als sie einen dreißig Jahre älteren Mann heiratete. Ihre Eltern hatten die Heirat eingefädelt, und sie war mit der naiven Erwartung lebenslangen Glücks in die Ehe gegangen. Wie es wohl auch nicht anders zu erwarten gewesen war von einem so jungen, unerfahrenen Mädchen.

Schon bald hatte sie jedoch erfahren müssen, dass ihrem Mann nicht viel an ihrem Glück lag und er im eigenen Heim nicht der Mensch war, den seine Bekannten und Freunde, ja, das ganze Königreich, so bewunderten.

Ihr einziger Trost war, dass ihre Eltern ihre katastrophale Ehe nicht mehr hatten erleben müssen. Die beiden waren nur wenige Monate nach ihrer Hochzeit mit dem Earl bei einem Bootsunfall ertrunken.

Doch vor sechs Jahren war ihre Cousine Helena, damals erst sechzehn Jahre alt, aus Frankreich geflohen und zu ihr gekommen. Juliet hatte sie sogleich als Gesellschafterin aufgenommen, und Helena hatte ihr seitdem ihr unglückliches Leben ein wenig leichter gemacht. Crestwood war, wie es schien, zu feige gewesen, seine Grausamkeit vor einem Zeugen voll auszuleben.

„Du musst der Countess erlauben, auch etwas für dich zu tun, Cousine.“ Wieder einmal war Helena diejenige, die praktisch dachte. „Du bist immer noch viel zu jung und zu schön, um dein Leben auf dem Land zu verschwenden!“

„Ich versichere dir, ich habe keineswegs die Absicht, mich schon zur Ruhe zu setzen, liebe Helena!“ Juliet lächelte amüsiert.

Mit ihren dreißig Jahren, das wusste sie, war sie nicht mehr in der Blüte der Jugend, die einst Crestwoods Aufmerksamkeit erregt hatte. Inzwischen war sie eine reife Frau, und nicht nur an Jahren. Die Zeit als Crestwoods Ehefrau hatte unauslöschbare Spuren bei ihr hinterlassen.

Glücklicherweise hatte sie ihm keine Kinder geschenkt, die die gefühllose, unversöhnliche Natur ihres Vaters hätten erben können. So war ihr Leib zwar weiblicher und kurviger geworden, doch noch immer schlank. Das schimmernde dunkle Haar hatte sie locker hochgesteckt, sodass einige vorwitzige Strähnen ihr in den Nacken und die Schläfen fielen, wie es zurzeit Mode war. Auch ihre Haut war noch immer zart und faltenlos wie eh und je.

Und doch entdeckte sie im Spiegel oft einen Hauch von Traurigkeit in ihren grünen Augen, und sie lächelte sehr viel seltener als damals, während ihrer ersten Saison vor zwölf Jahren. Bevor ihr die über zehn Jahre andauernde Ehe mit dem eiskalten Earl of Crestwood jene mädchenhafte Freude am Leben genommen hatte.

„Dennoch werde ich nie wieder heiraten“, schloss sie heftig.

„Das hat ja auch niemand vorgeschlagen, Dummerchen.“ Helena beugte sich vor und drückte ihre Hände, die Juliet fest ineinander verschränkt hatte. „Zwei Wochen auf Banford Park, wo du dich behutsam wieder der guten Gesellschaft näherst, bedeuten nicht, dass du einen Heiratsantrag annehmen sollst.“

Beinahe hatte Juliet sich schon mit dem Gedanken angefreundet, zwei Wochen in der Gesellschaft von Dolly Bancrofts ‚wenigen ausgewählten Freunden‘ zu verbringen, doch diese Bemerkung weckte wieder ihren inneren Widerstand. „Ebenso wenig wie anders geartete Anträge“, erklärte sie, da sie nur zu genau wusste, welch skandalöses Verhalten einige Mitglieder des ton während solcher Sommergesellschaften an den Tag legten. Offenbar wurde allgemein gebilligt, dass ein Mann die Nächte im Bett einer beliebigen Dame verbrachte statt bei seiner eigenen Frau.

Helena schüttelte den Kopf. „Ich bin davon überzeugt, Lady Bancroft möchte dir lediglich deine Freundlichkeit von damals vergelten, genau wie sie es in ihrem Brief schreibt.“

Wie sehr wünschte Juliet, sie könnte ebenso sicher sein. An Dollys guter Absicht zweifelte sie natürlich nicht. Sie hatte sie als freundlich und warmherzig in Erinnerung und wusste, dass Dolly ihren Mann von Herzen liebte. Juliet fürchtete nur, dass Dollys Vorstellung davon, was eine gute Absicht war, nicht ganz mit ihrer eigenen übereinstimmte.

„Bitte sag, dass du gehen wirst!“ Helena flehte sie richtiggehend an. „Ich kann mitkommen und als deine Zofe fungieren …“

„Du bist meine Cousine, keine Dienstbotin!“, protestierte Juliet.

„Aber als deine Cousine bin ich nicht eingeladen. Überleg doch. Es könnte so viel Spaß bringen. Und es ist die letzte Mode, eine französische Zofe zu haben. Du kommst eben mit deiner Zofe Helena Jourdan.“

Juliet wusste, wie wenig Spaß Helena in ihrem jungen Leben gehabt hatte. Ihre Eltern, die Schwester ihrer eigenen Mutter und deren französischer Gatte, fielen der Geißel zum Opfer, die Bonapartes Herrschaft für Frankreich bedeutet hatte. Beide waren vor sechs Jahren bei einem Überfall auf ihren kleinen Hof von Soldaten auf der Suche nach Nahrung und Wertsachen getötet worden.

Helena hatte den Überfall selbst miterlebt, doch sie hatte später, als sie sicher in England angekommen war, nie auch nur ein Wort über ihr eigenes Schicksal während dieser einwöchigen Belagerung verloren. Allerdings konnte Juliet sich vorstellen, dass ihre junge Cousine nicht unbeschadet davongekommen war, so wie sie seitdem darauf bestand, ihre zarte Schönheit mit allen Mitteln herunterzuspielen.

In den letzten Monaten, seit Crestwoods Tod, hatten sie beide ruhig und zufrieden gelebt, ganz allein mit Ausnahme der wenigen Dienstboten, doch Juliet glaubte gern, dass ein erst zweiundzwanzig Jahre altes Mädchen wie Helena ein wenig mehr Aufregung in ihrem langweiligen Leben begrüßen würde.

Die Art von Aufregung, die ein zweiwöchiger Aufenthalt auf Dolly Bancrofts Landgut ihnen zweifellos bescheren würde …

1. KAPITEL

Mir ist schleierhaft, wieso du es für nötig befunden hast, mich in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett zu scheuchen …“

„Es ist elf Uhr, Gray“, antwortete Sebastian, während er mühelos die lebhaften, perfekt aufeinander abgepassten Grauen vor seiner Karriole bändigte.

„Soweit es mich angeht, ist jede Stunde vor dem Mittagessen finsterstes Morgengrauen“, beharrte Lord Gideon Grayson – von seinen engsten Freunden Gray genannt. Finster dreinblickend hockte er neben Sebastian in einer Ecke, den hohen Kragen seiner modisch geschnittenen Jacke trotz des warmen Augusttags bis zu den Ohren gezogen. „Ich hatte kaum Zeit, wach zu werden, geschweige denn, mein Frühstück zu genießen.“

„Bücklinge, Eier und Toast mit zwei Kannen starken Kaffees“, sagte Sebastian fröhlich. „In aller Ruhe zu dir genommen, wie ich mich erinnere, während du die Morgenzeitung studiertest.“

„Mein Diener konnte mich nicht in aller Sorgfalt ankleiden, sondern wurde rücksichtslos gehetzt und …“

An dieser Stelle hörte Sebastian auf, Grays Beschwerden zu lauschen. Zu süß war der Gedanke an die aufregende Herausforderung, Juliet Boyd zu verführen, als dass irgendjemand ihm die gute Laune verderben konnte.

„… und jetzt langweilt sich der beste Freund, den ich auf Erden habe, so sehr in meiner Gesellschaft, dass er sich nicht einmal die Mühe macht, mir zuzuhören. Wohlgemerkt, nachdem er mich mit Gewalt aus dem Bett gezerrt hat!“ Gray warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

Sebastian lächelte ohne Bedauern. „Sobald du etwas Interessantes zu sagen hast, Gray, sei versichert, dass ich dir auch zuhören werde.“

„Könntest du wenigstens versuchen, diese abscheuliche Fröhlichkeit ein wenig zu drosseln?“, brummte sein Freund mürrisch. „Ich fühle mich wirklich etwas schwach heute Morgen.“

„Eine selbst verschuldete Schwäche.“

Zusammen waren sie am Abend zuvor durch diverse Trink- und Spielhöllen gezogen – Sebastian hatte gewonnen, Gray nicht –, und die übrige Zeit hatte Gray im Bett seiner derzeitigen Geliebten verbracht, bevor er in den nicht mehr ganz so frühen Morgenstunden heimgekehrt war.

„Du bist heute in widerlich guter Stimmung, Seb.“ Gray verzog das Gesicht. „Hast du dir eine neue Geliebte genommen, um Lady Hawtry zu ersetzen?“

„Noch nicht.“ Sebastian lächelte breit. „Aber ich habe in den nächsten zwei Wochen die Absicht, es zu tun.“

„Ach, tatsächlich?“ Grays Interesse war geweckt. „Ich hoffe, du hast nicht vor, dein Glück bei Dolly Bancroft zu versuchen, während du auf Banford Park weilst? Ich warne dich, neben dir und deinem Bruder Lucian ist Bancroft der beste Fechter Englands.“

„Du kannst dich beruhigen“, versicherte Sebastian ihm trocken. „Dolly und ich sind nur gute Freunde.“ Erst recht jetzt, nachdem er wusste, dass Dolly mit seinen beiden Brüdern das Vergnügen gehabt hatte.

Gray hob eine dunkle Augenbraue. „Aber du gibst zu, dass eine Dame schuld ist an unserem völlig außergewöhnlichen Entschluss, an einer Sommergesellschaft teilzunehmen!“

„Selbstverständlich“, meinte Sebastian gelassen, hatte aber keinesfalls die Absicht, sein Interesse an der kürzlich verwitweten Countess of Crestwood zu enthüllen.

„Sag mir bitte, dass du dich nicht in die Ehefalle locken lassen willst“, spottete Gray.

Sebastian lachte, ohne besondere Belustigung zu empfinden. „Ganz gewiss nicht.“ Nachdem gleich beide seiner Brüder sich im vergangenen Jahr hatten einfangen lassen, war er nur umso entschlossener, dass ihm so etwas nicht zustoßen würde.

„Nun, ich muss allerdings zugeben, dass keiner deiner Brüder darüber zu klagen scheint“, sagte Gray, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Und ich selbst würde wohl auch nicht klagen, wenn ich eine ihrer Frauen bekommen könnte!“

„In dem Fall steht es dir völlig frei, dich selbst auf die Suche nach einer Ehefrau zu machen“, spottete Sebastian. „Aber lass mich dabei bitte aus dem Spiel.“ Sein Interesse an Frauen – Juliet Boyd eingeschlossen – sah mit Sicherheit keine Ehe vor!

„Ja, Sebastian, sie ist gekommen“, beantwortete Dolly seine unausgesprochene Frage, nachdem sie einander begrüßt hatten und Gray in der Bibliothek verschwunden war, um ein erfrischendes Glas Kognak mit ihrem Gastgeber zu trinken. „Sie hat allerdings darum gebeten, den Tee auf ihrem Zimmer einnehmen zu dürfen, und beabsichtigt wohl, dort zu bleiben, bis es Zeit wird, zum Dinner herunterzukommen. Die gute Nachricht ist, dass ich dir ein Schlafzimmer geben konnte, das neben dem ihren liegt. Eure Balkons sind sogar miteinander verbunden“, vertraute sie ihm an.

Sebastian lächelte zufrieden. „Ich hoffe, ich werde beim Dinner auch neben ihr sitzen?“

„Mein Lieber, ich bin nicht sicher, ob deine Leidenschaft für die Countess wirklich so weise ist“, sagte Dolly plötzlich.

„Wenn sie weise wäre, würde ich ihr wohl nicht nachgeben wollen“, neckte er sie. „Mit deiner Erlaubnis möchte ich mich jetzt auf mein Zimmer zurückziehen und vor dem Essen ein wenig ausruhen.“

„Ausruhen?“ Sie hob zweifelnd die Augenbrauen.

„Glaube mir, ich werde die Dame nicht belästigen, bevor wir uns in aller Förmlichkeit vorgestellt worden sind.“

„Danach allerdings umso häufiger, nehme ich an.“

„Hoffentlich“, antwortete er leise.

Man erzählte sich viele Geschichten über die Countess of Crestwood seit dem plötzlichen Tod ihres Mannes – die meisten davon waren, gelinde gesagt, unerfreulich. Doch in keiner wurde auch nur angedeutet, sie könnte mit einem anderen Mann liiert gewesen sein, weder vor noch während ihrer Ehe. Ja, nicht einmal nach dem Tod des Earls.

Also ruhte Sebastian die Stunden vor dem Dinner in seinem Schlafzimmer aus, wobei er die ganze Zeit nicht vergessen konnte, dass die wunderschöne Juliet Boyd sich direkt im Zimmer nebenan befand. Hinter den zugezogenen Spitzenvorhängen blieb allerdings alles still, und die Balkontüren waren fest verriegelt, wohl um die Hitze des Tages nicht hereinzulassen.

Doch immerhin hatte sie die Einladung angenommen, wie Dolly versprochen hatte. Und sie konnte sich schließlich nicht die ganze Zeit auf ihrem Zimmer verstecken …

Noch nie hatte Juliet sich so aufgeregt gefühlt wie jetzt, da sie in der riesigen Eingangshalle von Banford Park stand und sich nicht dazu überwinden konnte, den Salon zu betreten. Innen hörte sie bereits die übrigen Gäste der Countess und des Earl of Banford plaudern und lachen.

Dolly Bancroft hatte Juliet bei ihrer Ankunft am Nachmittag sehr herzlich begrüßt, und auch William Bancroft war nicht minder reizend gewesen.

Nein, es lag weder an ihrer Gastgeberin noch an deren Gatte, dass Juliet so bang zumute war. Sie fürchtete vielmehr die Reaktion der anderen Gäste, sobald diese bemerkten, dass die Countess of Crestwood sich unter ihnen aufhielt. Dolly zuliebe hoffte Juliet, dass keiner von ihnen beschloss abzureisen, um nicht mit der „Schwarzen Witwe“, wie sie gemeinhin nach dem Tod ihres Gatten genannt wurde, im selben Haus verweilen zu müssen.

Du hättest dich nicht überreden lassen dürfen, sagte sie sich selbst wohl schon zum hundertsten Mal, seit sie die Einladung angenommen hatte. Sosehr sie auch Helena nach der langen Trauerphase eine kleine Abwechslung gönnte, hätte sie sich doch etwas anderes einfallen lassen müssen, um ihre Cousine aufzuheitern.

Vielleicht wäre ihr anders zumute gewesen, wenn sie Helena als Stütze an ihrer Seite gehabt hätte. Aber die hatte darauf bestanden, sie als ihre Zofe zu begleiten – eine Rolle, die sie übrigens gern zu spielen schien. Vor einer Weile war sie in die Gemächer der Bediensteten hinuntergegangen, um mit den anderen Zofen den neuesten Klatsch auszutauschen.

„Würden Sie mir die Ehre erweisen, Sie in den Salon begleiten zu dürfen, Lady Boyd?“

Juliet drehte sich abrupt um, entspannte sich aber wieder, als sie ihren Gastgeber erkannte, der besorgt neben ihr stehen blieb. Der Earl, ein hochgewachsener, gut aussehender Mann in den Fünfzigern, erinnerte Juliet sehr an ihren Vater, wenn er sie, wie jetzt, aus klugen haselnussbraunen Augen ansah.

„Ich bewunderte nur gerade dieses Porträt.“ Sie sah zu dem Gemälde hinüber, das sie in Wirklichkeit jetzt zum ersten Mal bemerkte.

„Mein Urgroßvater, der siebte Earl of Banford. „Ein ungewöhnlich hässlicher Mann, nicht wahr?“, meinte der Lord mit ironischem Lächeln.

Ein Kichern entfuhr Juliet. Der siebte Earl war tatsächlich ein ausgesprochen unattraktiver Mann gewesen.

„Wollen wir?“ Der Urenkel des geschmähten Adligen, der zehnte Earl of Banford, bot ihr zum zweiten Mal seinen Arm.

„Vielen Dank.“ Schüchtern legte sie die behandschuhte Hand darauf.

Für heute hatte sie ein modisch hochtailliertes Kleid aus grauer Seide gewählt, das nur mit einem Hauch Brüsseler Spitze am Dekolleté und am Saum der kurzen Puffärmel verziert war. In ihre dunklen Locken hatte sie Perlenstränge eingeflochten, und darüber hinaus trug sie als einzigen Schmuck die dazu passenden Ohrringe und den schlichten Ehering an ihrer linken Hand.

Am liebsten hätte Juliet auch dieses Symbol für Edwards Besitzanspruch abgelegt, wusste aber, dass sie damit nur den Gerüchten Vorschub leisten würde, die schon bald nach Edwards Tod die Runde gemacht hatten.

„Meine Frau behauptet immer, es sei das Beste, genau das zu tun, was einen selbst am meisten erfreut. Vermutlich weil sie davon ausgeht, dass es ohnehin unmöglich ist, allen Menschen gleichzeitig gefällig zu sein“, vertraute der Earl ihr an.

Erstaunt wandte Juliet ihm den Blick zu. „Meine Erfahrung ist eher, dass man keinem einzigen gefällig sein kann, was immer man tut!“, entgegnete sie, aber ihre Anspannung ließ ein wenig nach. „Hat Ihre Frau Sie auch gebeten, hier in der Halle auf mich zu warten, damit Sie mich galant in den Salon begleiten können?“

Der Earl nickte. „Sie könnte tatsächlich etwas in dieser Richtung erwähnt haben.“

Juliet lachte leise. „Sie sind zu freundlich, Mylord.“

„Ganz im Gegenteil, meine Liebe. Ich fühle mich vielmehr sehr geehrt“, erwiderte er. „Und jetzt lassen Sie uns hineingehen und die Klatschbasen in Aufregung versetzen, hm?“

Es schien Juliet, als würden alle Blicke sich auf sie richten, kaum dass sie den Fuß in den Salon gesetzt hatte. Jedes Gespräch versiegte. Dann unterbrach Dolly schnell diese Stille, indem sie sich an den attraktiven, modisch gekleideten jungen Mann an ihrer Seite wandte – ein junger Mann, der Juliet aus seinen unergründlichen hellbraunen Augen unverhohlen musterte …

Sebastian achtete kaum auf Dollys Worte, da er, ebenso wie alle übrigen Anwesenden, seine ganze Aufmerksamkeit der Countess of Crestwood schenkte, die gerade am Arm ihres Gastgebers hereinkam.

Sie war unglaublich schön, sogar noch schöner, als Sebastian sie in Erinnerung hatte. Zum letzten Mal hatte er sie auf irgendeinem Ball vor etwa zwei Jahren gesehen, und sie hatte sofort sein Interesse geweckt.

Jetzt bemerkte er feinere Einzelheiten an ihr – ihr tiefschwarzes Haar und die darin eingeflochtenen Perlen, die hohe Stirn, die dichten Wimpern, Augen von einem so intensiven Grün, wie er es noch nie gesehen hatte. Dann ihre kleine, vollkommene Nase, die wunderschön geschwungenen sinnlichen Lippen und die stolze Haltung.

Die Brüste wirkten voll und rund, genau wie damals. Weich und verführerisch hoben sie sich unter der perlgrauen Spitze an ihrem Ausschnitt ab. Ihre Taille und die Hüften hingegen kamen ihm schmaler vor, und ihre Haut schimmerte fast ebenso durchscheinend hell wie die Perlen in ihrem Haar.

„Ich rate dir, den Mund zuzumachen, Sebastian, bevor du noch anfängst zu sabbern und dir damit dein Halstuch ruinierst“, flüsterte Dolly ihm spöttisch zu. Gereizt runzelte er die Stirn, aber sie hatte recht. Er starrte Lady Boyd schon seit mehreren Minuten auf sehr unhöfliche Weise an.

Hatte außer Dolly jemand sein betontes Interesse bemerkt? Ein unauffälliger Blick auf die übrigen Gäste zeigte ihm allerdings, dass er nicht der Einzige war, der sich der Unhöflichkeit schuldig machte.

„Es wird Zeit, dass wir uns zu Tisch begeben“, teilte Dolly ihm mit, nachdem der Butler ihr von der Tür aus diskret ein Zeichen gegeben hatte. „Bancroft wird natürlich seine Mutter, die Dowager Countess, begleiten. Dürfte ich vorschlagen, dass du der Countess of Crestwood deinen Arm reichst, da ihr beide nebeneinander sitzen werdet?“

Sebastian war so sehr in Juliet Boyds Anblick vertieft gewesen, dass Dollys Vorschlag ihn für einen Moment etwas verwirrte. Aber nur für einen Moment. War er nicht der reiche Lord Sebastian St Claire, Bruder eines Dukes? Und wurde er nicht allgemein von allen weiblichen Mitgliedern des ton – ungeachtet ihres Alters – als die beste Partie dieser Saison angesehen, da seine beiden Brüder bereits vergeben waren?

Noch wichtiger war allerdings, dass er nur aus einem einzigen Grund hier war – um Juliet kennenzulernen. Worauf wartete er also?

Trotz des Geleitschutzes durch den Earl of Banford war Juliets Erscheinen im Salon genauso dramatisch verlaufen, wie sie befürchtet hatte.

Nach der anfänglichen bestürzten Stille hatten wenigstens die Damen ihre Gespräche wieder aufgenommen, in Form eines aufgeregten Flüsterns hinter vorgehaltenen Fächern. Die männlichen Gäste waren weniger schnell damit gewesen, ihre Überraschung zu verbergen, und fuhren einfach weiterhin fort, sie offen anzustarren.

Ein Mann im Besonderen …

Ein auf arrogante Weise attraktiver Mann, nach der letzten Mode gekleidet mit seiner schwarzen Abendkleidung, grauer Weste und schneeweißem Hemd. Es war derselbe Mann, mit dem Dolly Bancroft ein Gespräch begonnen hatte, als Juliet den Salon betrat. Derselbe Mann, der Juliet mit einem rätselhaften Ausdruck angeblickt hatte. Gegen ihren Willen fiel ihr auf, dass seine Augen von ungewohnt langen Wimpern umrahmt wurden und von der Farbe des samtigen Kognaks waren, den ihr Vater einst so gern getrunken hatte.

Mit der eisigen Verachtung des ton hatte sie gerechnet. Darauf war sie vorbereitet. Doch von einem Mann, den sie nicht einmal kannte und der ganz offensichtlich nicht mehr als ein oberflächlicher Verführer war, auf so vertrauliche Weise angegafft zu werden, gefiel ihr nicht. Es gefiel ihr ganz und gar nicht!

Schließlich verließ ihre Ruhe sie endgültig, als sie sah, wie Dolly diesen Mann am Arm packte und in ihre Richtung schubste. Sollte er sie etwa zu Tisch führen? Dabei sah Juliet ihm an, dass auch ihm, sosehr er sie vorher mit Blicken verschlungen hatte, diese Aussicht alles andere als angenehm war.

Unvermittelt ließ Juliet ihren Fächer aufschnappen und wandte dem Paar den Rücken zu, um den Earl in ein Gespräch zu ziehen. „Wie es scheint, haben wir trotz Ihrer Bemühungen einen Aufruhr unter den Gästen verursacht, Mylord“, brachte sie hervor. Die Demütigung, dass man einen Mann dazu zwingen musste, ihr den Arm zu reichen, wühlte sie bis ins Innerste auf.

So freundlich es Dolly Bancroft auch mit ihr meinte, Juliet wusste jetzt, sie hätte nicht kommen dürfen!

„Wären Sie so liebenswürdig, mich vorzustellen, Mylord?“

Ein heftiger Schauer überlief Juliet beim Klang dieser tiefen Stimme. Der Schauer wandelte sich in ein leises Zittern, als sie sich umdrehte und Dollys attraktiven Begleiter dicht vor sich stehen sah. Er blickte von seiner eindrucksvollen Höhe auf sie herab, aber der Ausdruck seiner Augen blieb hinter leicht gesenkten Lidern verborgen.

Doch Juliet wusste auch so, dass dieser Mann dieselbe Verachtung für sie empfand wie jeder andere Anwesende. Sie wollte gar nicht wissen, welchen Druck Dolly auf ihn ausgeübt hatte, damit er sich um die ‚Schwarze Witwe‘ kümmerte.

Bis zu diesem Moment hatte sie geglaubt, dass Dolly dem Earl of Banford treu ergeben war. Allerdings musste es mehr als einer schlichten Bitte bedurft haben, um diesen arroganten jungen Mann dazu zu überreden, sich ihr zuliebe mit der berüchtigten Countess of Crestwood abzugeben und dadurch den gesellschaftlichen Ruin zu riskieren. Juliet fragte sich angewidert, ob dieser Mensch der derzeitige Liebhaber der Countess of Banford war.

„Lady Boyd, darf ich Ihnen Lord Sebastian St Claire vorstellen?“, fragte der Earl pflichtgemäß. „Lord St Claire, Lady Juliet Boyd, Countess of Crestwood.“

Am interessierten Funkeln in den Augen des Earls erkannte Sebastian, dass Dolly ihrem Mann den wahren Grund für seine Anwesenheit anvertraut haben musste. Ärgerlich über diesen Vertrauensbruch presste er für einen Moment die Lippen zusammen, dann verbeugte er sich knapp. „Mylady.“

„Mylord.“ Die Countess knickste anmutig, reichte ihm aber nicht die Hand.

Leicht verwundert runzelte Sebastian die Stirn. „Wollen Sie mir die Ehre erweisen, Sie zu Tisch geleiten zu dürfen, Lady Boyd?“

„Ehre, Mylord?“, fragte sie spöttisch.

Er neigte den Kopf. „Gewiss.“

„Dann verfügen Sie über eine sehr ungewöhnliche Auffassung von Ehre, Mylord“, meinte sie mit einem verächtlichen Lachen.

Zum Henker, das Gespräch verlief ganz und gar nicht so, wie er es sich erhofft hatte. In seiner Vorstellung war sie ebenso schnell von ihm angetan gewesen wie er von ihr. Sebastian hatte sich ausgemalt, dass sie sich schon bald allein miteinander unterhielten, dass sie allein zusammensaßen, allein einen Spaziergang machten – und auf jeden Fall allein waren, während sie sich liebten …

Insgeheim unterdrückte er ein Stöhnen, während er sich vorstellte, wie er ihr zunächst die Perlen aus dem Haar nahm, damit die schimmernden Locken offen über ihren schlanken Rücken fallen konnten. Als Nächstes würde er ihr das Kleid ausziehen, indem er ganz langsam einen winzigen Knopf nach dem anderen öffnete – vom zarten Nacken bis zur Taille –, bei jedem Knopf kurz verweilend, um die seidenweiche Haut zu küssen, die er enthüllte. Sobald er den letzten Knopf geöffnet hatte, würde er das Kleid an ihr herabgleiten lassen und ihren Körper bewundern, nur in Chemise und Strümpfe gehüllt. Vor seinem inneren Auge sah er, wie ihre vollen Brüste sich ihm verführerisch unter dem dünnen Stoff entgegenreckten, als wollten sie seine Aufmerksamkeit erregen, und die dunklen Knospen versprachen ihm ein Vergnügen, das er kosten und genießen würde, bis er genug davon hatte – falls das überhaupt möglich war.

„Wie es scheint, sind wir die Letzten bei Tisch, Lord St Claire“, sagte Juliet tadelnd. Er schien tief in Gedanken versunken zu sein. Vielleicht überlegte er schon das Ausmaß seines gesellschaftlichen Ruins, wenn man nach dem schmerzlichen Ausdruck auf seinem Gesicht ging.

Ganz offensichtlich kehrte er nur mühsam in die Wirklichkeit zurück. „Ich entschuldige mich für meine Geistesabwesenheit, Lady Boyd“, sagte er heiser und reichte ihr seinen Arm.

„Dazu besteht überhaupt kein Grund, Lord St Claire.“ Juliet legte ihm die Hand auf den Arm und spürte die kräftigen Muskeln unter ihren Fingerspitzen. „Schließlich bittet man Sie nicht jeden Tag darum, die berüchtigte Schwarze Witwe zu Tisch zu begleiten“, fügte sie spitz hinzu.

„Ich … Wie haben Sie sich eben genannt?“, rief er verblüfft.

Sie lächelte humorlos. „Glauben Sie mir, ich kenne die wenig schmeichelhaften Spitznamen sehr gut, mit denen man mich seit dem … Tod meines Mannes versieht. Machen Sie sich keine Sorgen. Ihre Pflicht wird erfüllt sein, sobald wir Platz genommen haben. Ich bin nicht im Geringsten gekränkt, falls Sie es vorziehen, mich für den Rest des Abends zu ignorieren.“ Sie würde es vielmehr begrüßen!

Inzwischen hatte Juliet in Lord Sebastian St Claire den jüngsten Bruder des vornehmen Duke of Stourbridge erkannt. Sie wusste, dass er als einer der begehrtesten Junggesellen des ton galt. Entsprechend zog seine Anwesenheit hier ebenso viel Aufmerksamkeit auf sich wie ihre eigene, und ihr verspätetes Erscheinen im Speiseraum musste allgemein umso größeres Aufsehen erregen.

Er betrachtete sie offensichtlich verwundert. „Warum sollten Sie denken, dass ich Sie zu ignorieren wünsche?“

„Um sich weitere Peinlichkeit zu ersparen vielleicht?“

Zum ersten Mal kam Sebastian der Gedanke, dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen war, Juliet nach Banford Park bringen zu lassen. Nach all dem Gerede in den letzten achtzehn Monaten über den unerwarteten Tod ihres Gatten musste ihr der erste gesellschaftliche Auftritt selbstverständlich unangenehm sein.

Flüchtig berührte er die Hand, die auf seinem Arm ruhte. „Ich versichere Ihnen, ich empfinde nicht die geringste Peinlichkeit darüber, in Ihrer Gesellschaft gesehen zu werden, Lady Boyd.“

Ihr Blick blieb kühl. „Ebenso sicher bin ich aber, dass Sie es als der jüngste Bruder des Duke of Stourbridge für unhöflich halten würden, es zuzugeben, wenn dies der Fall wäre.“

„Ganz im Gegenteil, Mylady“, konterte Sebastian. „Wüssten Sie auch nur das Geringste über die St Claires, wäre Ihnen klar, dass wir es vorziehen – dass wir in der Tat keine Mühe scheuen –, uns den Gesetzen der Gesellschaft zu widersetzen.“

Juliet hatte tatsächlich gehört, dass die St Claires sich über alle Gebote hinwegsetzten. Selbst das Oberhaupt der Familie, der erlauchte Duke of Stourbridge, bildete da offenbar keine Ausnahme.

Nachdem er jahrelang als die beste Partie gehandelt worden war, die eine ehrgeizige Mama für ihre Tochter gewinnen konnte, hatte der Duke vor knapp einem Jahr eine kleine Sensation hervorgerufen, indem er eine junge Frau umwarb und heiratete, von der der ton bis zu dem Tag nicht das Geringste gehört hatte.

Juliet nahm auf dem Stuhl Platz, den Lord St Claire für sie heranzog. „Dann befinden Sie sich in der Gesellschaft einer Frau, die Ihnen sehr gut dabei helfen kann, Mylord.“

Einen Augenblick war sie damit beschäftigt, es sich bequem zu machen, und bemerkte also nicht sofort, dass er sich auf den Stuhl neben ihr setzte. „Oh, du meine Güte.“ Sie war zwischen den Earl of Banford, der am Kopf der Tafel saß, und Lord St Claire zu ihrer Rechten platziert worden. „Ist es Ihnen irgendwie gelungen, Lady Bancrofts Zorn zu erregen, Lord St Claire?“

Er hob die Augenbrauen, ein belustigtes Funkeln leuchtete in seinen hellbraunen Augen auf. „Wieder irren Sie sich. Lady Bancroft – Dolly – und ich sind seit jeher die besten Freunde.“

Nachdenklich betrachtete sie ihn. „Ach, wirklich?“, fragte sie schließlich ausdruckslos und wandte sich ab, um ihm zu zeigen, wie gering ihr Interesse an diesem Thema war.

Sebastian hätte das Gespräch mit ihr gern fortgesetzt und erfahren, was dieser rätselhafte Blick zu bedeuten hatte. Doch er wurde in diesem Moment unterbrochen, da der erste Gang serviert wurde. Als der Diener verschwunden war, hatte Lord Bancroft die Countess bereits in ein Gespräch verwickelt, und Sebastian musste sich damit zufriedengeben, Juliet Boyd verstohlen unter halb gesenkten Lidern zu betrachten.

Obwohl sie gewiss ahnte, dass sie noch immer im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses lag, achtete sie nicht darauf, sondern fuhr fort, sich liebenswürdig lächelnd mit ihrem Gastgeber zu unterhalten und ab und zu einen Löffel von ihrer Suppe zu kosten.

Sebastian konnte nicht den Blick von ihr nehmen. Wusste sie überhaupt, wie verlockend ihr Mund war mit diesen hübschen, vollen Lippen? Wie verführerisch diese dunkelgrünen Augen? Wie fast durchscheinend blass ihre Haut, die darum zu flehen schien, liebkost zu werden?

Nichts ersehnte Sebastian mehr, als ihre schlanken Hände auf seiner erhitzten Haut zu spüren …

Zu Juliets Betroffenheit fühlte sie sich beim Dinner sogar noch unbehaglicher als vorher. Sie spürte, dass die anderen Gäste jede ihrer Gesten voller Neugier beobachteten; zweifellos in der Absicht, später in aller Ruhe darüber zu klatschen. Ganz besonders aber und sehr gegen ihren Willen war sie sich des Mannes bewusst, der zu ihrer Rechten saß.

Lord Sebastian St Claire war zweifellos einer der attraktivsten Männer, die sie je gesehen hatte. Mit der ungewöhnlichen Haarfarbe, dem sanft flirtenden Blick, dem sinnlichen Mund und dem markanten Kinn, das von Entschlossenheit zeugte, stellte er für die meisten Frauen sicher eine große Versuchung dar.

Noch beunruhigender war vielleicht, wie seine auf den Leib geschneiderte Abendkleidung die breiten Schultern, die schmalen Hüften und die langen, muskulösen Beine ausnehmend gut zur Geltung brachte.

Juliet hatte geheiratet, bevor sie die Gelegenheit gehabt hatte, die Welt besser kennenzulernen. Dennoch glaubte sie beurteilen zu können, dass Lord St Claire zu der gefährlichsten Sorte von Männern zählte – ein Verführer und Frauenheld. Sicherlich ließ er sich von keinen Skrupeln abhalten, wenn es darum ging, eine Frau zu gewinnen. Selbstverständlich ohne dabei selbst irgendeine gefühlsmäßige Bindung einzugehen.

Nach so vielen Jahren unglücklicher Ehe konnte Juliet ein so sorgloses Liebesleben wie das Sebastian St Claires nur beneiden.

Beneiden, aber niemals nachahmen.

Natürlich war ihr nicht entgangen, dass viele verwitwete Damen ihres Alters ihre Freiheit von Gatten und ehelichen Verpflichtungen nutzten, um Affären zu genießen, die ihnen entweder erotische oder emotionale Befriedigung verschafften. Nach einem Leben mit Lord Edward Boyd, einem kalten, gnadenlosen Mann, verspürte Juliet weder das Verlangen nach dem einen noch nach dem anderen.

„… Gefallen daran finden, morgen mit mir eine Bootsfahrt auf den See zu unternehmen, Mylady?“

Verblüfft sah sie Lord St Claire an. „Verzeihung?“

Er lächelte über ihr offensichtliches Erstaunen. „Ich wollte nur wissen, ob es Ihnen gefallen würde, morgen eine Bootsfahrt mit mir zu unternehmen.“

Also tatsächlich das, was Juliet zu hören geglaubt hatte!

2. KAPITEL

Oder vielleicht“, verbesserte Sebastian sich geschickt, als er ihren erschrockenen Gesichtsausdruck bemerkte, „ziehen Sie einen Spaziergang im Garten vor?“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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