Historical Platin Band 13 - Terri Brisbin - E-Book
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Historical Platin Band 13 E-Book

Terri Brisbin

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Beschreibung

AUF BEFEHL DES KÖNIGS von BRISBIN, TERRI
Welch Albtraum für Marguerite: König Henry, ihr Geliebter, ist ihrer überdrüssig und verheiratet sie mit seinem Gefolgsmann Lord Orrick. Zwar kann Marguerite der männlichen Ausstrahlung ihres neuen Gatten kaum widerstehen - aber wird ihr Herz jemals für ihn schlagen können?

DER HERR VON MOOR HOUSE von ASHLEY, ANNE
Einst hat er Megans Herz gebrochen: Christian Blackmore, groß, breitschultrig, verboten attraktiv. Keinesfalls darf sie ihm erneut verfallen! Doch sie sind allein, in einem Keller eingeschlossen, bis zum Morgengrauen. Und in dieser sündigen Nacht setzt Megan alles aufs Spiel …

ZWISCHEN SEHNSUCHT UND VERLANGEN von MAGUIRE, MARGO
Ein gefährlicher Sturz! Schnell eilt der Marquis of Kirkham zur Hilfe … und erlebt eine Überraschung: Der verwegene Reiter ist eine wunderschöne Dame. Augenblicklich entbrennt er in wilder Leidenschaft zu ihr, bis er Schreckliches erfährt: Ihr Vater ist sein größter Feind!

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Seitenzahl: 1010

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Terri Brisbin, Anne Ashley, Margo Maguire

HISTORICAL PLATIN BAND 13

IMPRESSUM

HISTORICAL PLATIN erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage in der Reihe HISTORICAL PLATINBand 13 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2005 by Theresa S. Brisbin Originaltitel: „The King’s Mistress“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Traudi Perlinger Deutsche Erstausgabe 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe HISTORICAL, Band 215

© 1999 by Anne Ashley Originaltitel: „The Master of Moor House“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Vera Möbius Deutsche Erstausgabe 2000 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe MYLADY, Band 319

© 2002 by Margo Wider Originaltitel: „His Lady Fair“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dr. Holger Hanowell Deutsche Erstausgabe 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe HISTORICAL, Band 180

Abbildungen: The Killing Group, daz-grove, bluejayphoto / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733734169

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, TIFFANY

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Auf Befehl des Königs

PROLOG

Grafschaft Anjou in Frankreich

November im Jahr des Herrn 1177

Der schwere Stoff des bodenlangen Gewandes bauschte sich raschelnd um ihre schlanken Beine, als Marguerite ds’Alençon aufgebracht herumfuhr und den König in fassungslosem Entsetzen anstarrte.

„Sire! Ihr wollt mir doch nicht wirklich Eure Gunst entziehen.“

„Ich bin Euch stets in Liebe zugetan, schöne Marguerite, auch jetzt, da Ihr mein Kind tragt. Aber eines muss Euch klar sein – der Titel und die Ehre der Königin an meiner Seite bleiben Euch verwehrt.“

„Ihr haltet sie wie eine Gefangene, habt Euch ihre Macht und ihre Ländereien angeeignet. Es wäre Euch ein Leichtes, eine andere zur Gemahlin und Königin zu wählen.“

Erst nachdem ihr die Worte entschlüpft waren, wurde ihr bewusst, wie gefährlich es war, den Unmut des Plantagenets herauszufordern. Nur darauf bedacht, ihre eigenen Ziele durchzusetzen, hatte sie ihre Grenzen überschritten. Indem sie ihre Gedanken laut aussprach, war sie entschieden zu weit gegangen.

„Es würde Euch wohl anstehen, nicht zu vergessen, dass Eleonores Ländereien bei unserer Vermählung rechtmäßig in den Besitz des Hauses Plantagenet übergingen und ich sie mit Fug und Recht wegen ihres schädlichen Einflusses auf meine Söhne unter Hausarrest stellen ließ. Es würde Euch weiterhin wohl anstehen, Euch nicht in die Angelegenheiten Eures Königs einzumischen.“

Henry Plantagenet stand mit hoch erhobenem Haupt, gerötetem Gesicht und geballten Fäusten vor ihr, seine herrische Stimme hallte in dem weitläufigen Gemach wider. Der Zorn des Königs jagte Marguerite eisige Schauer über den Rücken. Sie wünschte sich, ihre unbedachten Äußerungen ungeschehen machen zu können.

„Sire, ich bitte um Vergebung für meine respektlose Rede. Aber ich erträume mir nichts sehnlicher, als Euch lieben zu dürfen, Euch Freude zu bereiten und zu dienen, das ist mein Begehr. Ich trage Euer Kind unter dem Herzen, und mein Herzenswunsch besteht darin, dieses Glück mit Euch zu teilen.“

Doch sie konnte sich nicht dazu durchringen, ihre Worte völlig zurückzunehmen. Zu sehr hatte sie, die fest davon überzeugt war, ihm einen Sohn zu gebären, sich erhofft, Königin zu werden. Schließlich entstammte sie einem alten französischen Adelsgeschlecht und war geeignet, den Platz an seiner Seite einzunehmen. Das Blut, das in ihren Adern floss, ließ sich bis zu Karl dem Großen zurückverfolgen.

Aber sie war auch klug und realistisch genug, um ihren Stolz zu mäßigen. Marguerite sank mit geneigtem Haupt in einen tiefen Hofknicks zu seinen Füßen und verharrte lange in dieser demütigen Haltung. Nach einer Weile hob sie seine Hand an ihre Lippen, hauchte einen ehrerbietigen Kuss darauf und berührte seinen Handrücken mit der Stirn.

„Ich gehöre Euch, Henry“, flüsterte sie ergeben. „Ich lebe nur dafür, Euch zu lieben und zu dienen.“

Ihre Worte beschwichtigten das aufbrausende Temperament des Königs, sein Atem beruhigte sich, sein Unmut schwand. Er half ihr beim Aufstehen und führte sie zu einem Stuhl. Nachdem sie sich gesetzt hatte, begann er schweigend auf und ab zu wandern. Marguerite war dieses Verhalten nicht fremd. Jedes Mal, wenn er mit unangenehmen und unerwünschten Situationen konfrontiert wurde, reagierte er aufbrausend und barsch, fasste sich aber rasch und wurde wieder umgänglich und aufgeschlossen.

Seine in Ungnade gefallene Gemahlin Eleonore von Aquitanien völlig zu verstoßen, würde bedeuten, sich mit den Kirchenfürsten und dem Hochadel anzulegen. Henry hatte keinesfalls die Absicht, sich noch stärker in Auseinandersetzungen auf dem Kontinent und mit den Adeligen im eigenen Herrschaftsgebiet zu verstricken. Zwar hatte Eleonore von Aquitanien heimlich eine Revolte ihrer Söhne gegen ihren Vater Henry unterstützt, doch dem König lag daran, eine friedliche Lösung zu finden, um einerseits die Königin endgültig zu entmachten, ohne andererseits den Fehler ihres ersten Gemahls, Louis VII., König von Frankreich, zu begehen, der bei der Auflösung seiner Ehe mit ihr gezwungen gewesen war, seinen Landbesitz an Eleonore abzutreten.

Marguerite griff nach dem Kelch, um ihre trockene Kehle mit einem Schluck des süßen Weines anzufeuchten. Mit heimlichen Blicken folgte sie dem rastlosen Umhergehen des Königs und hatte bald den Eindruck, Henry beginne sich allmählich mit ihren Gedanken anzufreunden. Sie lehnte sich im hohen Stuhl zurück und wartete. Es wäre nicht ratsam gewesen, ihn jetzt in seinen Grübeleien zu stören. Sein langes Schweigen machte sie beklommen, doch dann hielt er endlich inne und wandte sich ihr zu.

„Vor einigen Jahren“, begann der König, „unterstützte ich einen Mönch aus Sempringham in seinem Kampf gegen seine revoltierenden Laienbrüder, welche unbotmäßige Forderungen stellten.“ Marguerite konnte sich nicht denken, worauf er damit hinauswollte, wartete aber geduldig auf seine weitere Erklärung. „Heute erfreut sich dieser Orden, der unter meinem Patronat steht, eines regen Zulaufs. Eines dieser mittlerweile gegründeten Nonnenklöster, dem ein Laienstift angeschlossen ist, wäre der geeignete Ort, wo Ihr die Geburt Eures Kindes abwarten könnt.“

Hatte er die Absicht, sie zu verstoßen?

„Hoheit, wollt Ihr mich etwa in ein Kloster verbannen?“ Der Gedanke nahm ihr den Atem. „Ich will doch nur …“

„Ich verstehe, Marguerite“, unterbrach er sie mit diesem unwiderstehlichen Lächeln, das sie bereits bei ihrer ersten Begegnung so sehr in Bann gezogen hatte. „Es ist besser, die Geburt des Kindes geheim zu halten, bevor weitere Entscheidungen zwischen uns getroffen werden.“

Die Angst kroch ihr eiskalt den Rücken hinauf. Eine dunkle Ahnung warnte sie, dass er ihr die Worte im Mund umdrehte, um sie für seine eigenen Ziele zu nutzen. Der König pflegte selbstherrlich seine Interessen zu verfolgen, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen. Marguerite aber hätte ihre privilegierte Stellung bei Hofe nicht ohne ihre Beharrlichkeit und Durchsetzungskraft erreicht. Deshalb wagte sie erneut einen Vorstoß. Sie durfte nicht riskieren, dass er sie entließ, ohne ihr eine bindende Zusage zu geben.

„Und eine legale Verbindung, Sire? Wird es nach der Geburt eine Hochzeit geben?“

Henry trat zu ihr, nahm sie bei den Armen und zog sie unsanft auf die Füße. Bei seiner stürmischen Umarmung entglitt der Kelch ihren Händen und fiel klirrend zu Boden. Der König küsste sie leidenschaftlich und besitzergreifend, wie so oft in ihrer glutvollen Liebesbeziehung. Er kostete innig von ihren Lippen, und sie spürte, wie ihr Widerstand schmolz und sie sich seinen Wünschen beugen würde. Als sie sich atemlos an ihn klammerte, löste er sich von ihr und sah sie mit seinen durchdringenden machtbesessenen Augen lächelnd an.

„Seid unbesorgt, meine schöne Marguerite, es wird eine legale Verbindung geben.“

1. KAPITEL

Abbeytown

Silloth-on-Solway, England

Im Jahr des Herrn 1178

Mylord!“

Auf dem Weg zu seinem Pferd drehte Orrick sich nach der kraftvollen Stimme des Mönchs um, dessen hoch gewachsene, breitschultrige Gestalt sich mit weit ausholenden Schritten näherte. Brachte er eine Botschaft?

„Bruder David? Gibt es noch etwas?“

Er kannte die meisten Klosterbrüder mit Namen, da er die Abtei seit frühester Kindheit häufig besucht hatte, anfangs mit seinem Vater und später allein. Bruder David war vor vierzehn Jahren in den Orden eingetreten. Mittlerweile unterstand ihm die Aufsicht über die große Anzahl der Schreiber in der Abtei.

„Der hochwürdige Herr Abt bittet noch um eine kurze Unterredung und erwartet Euch in seiner Studierstube.“

Orrick klemmte sich den Helm unter den Arm, nickte seinen Männern zu und folgte Bruder David durch den Wandelgang des Klosters. Es musste sich um eine wichtige Angelegenheit handeln, sonst hätte der Abt ihn nicht noch einmal rufen lassen. Wenig später stand er dem Gottesmann gegenüber.

„Tretet ein, Mylord. Jemand möchte Euch sprechen, und ich halte ein Gespräch unter vier Augen für angebracht.“

Orrick bückte sich beim Eintreten unter dem niedrigen Türsturz. Ein Kurier des Königs, der die Insignien des Hauses Plantagenet trug, stand vor dem Schreibtisch des Abts, auf dem sich Schriftrollen und Bücher stapelten. Der Klostervorsteher zog sich schweigend zurück und schloss die Tür leise hinter sich.

„Mylord“, begann der Gesandte mit einer höflichen Verbeugung. „Abt Godfrey will uns beiden eine unnötige Reise ersparen. Dies schickt Euch der König.“

Orrick zögerte einen Moment, die Pergamentrolle mit dem königlichen Siegel entgegenzunehmen, die der Bote ihm reichte. Da er keinen Brief des Königs erwartete, der sich zurzeit im französischen Anjou aufhielt, ahnte er nicht, welche Kunde das Pergament enthalten mochte. Aus einem unerfindlichen Grund wollte er es auch nicht wissen.

Zögernd streifte er den Kettenhandschuh ab, griff nach dem Schreiben und entband damit den Gesandten seiner Pflicht. Er brach das Siegel, trat ein paar Schritte beiseite, entrollte das Schriftstück und überflog den Inhalt. Als er den Sinn des Schreibens begriff, stockte ihm der Atem.

König Henry beabsichtigte, ihn und seinen verstorbenen Vater für ihre treuen Dienste an der Krone zu belohnen mit einer Frau, nein, einer Gemahlin, die Orricks Rang angemessen war; eine Dame, die hoch in der Wertschätzung und Achtung des Königs stand. Des Weiteren sah der König vor, seinen zuverlässigen Vasallen mit Zuwendungen in Gold, Ländereien und einem zusätzlichen Adelstitel zu ehren.

Orrick schluckte gegen den Knoten an, der ihm die Kehle zuschnürte. Sein Vater war kein Narr gewesen, ebenso wenig wie er einer war. Orrick wusste klar und deutlich: Er sollte gekauft werden. Und der Preis, den der König bezahlte, war sehr hoch, Besorgnis erregend hoch. Wenn Henry sich in die Privatangelegenheiten seiner Getreuen einmischte, bestand Grund zur Sorge. Noch dazu, wenn es einen Gefolgsmann betraf, der in einer abgelegenen Gegend von England lebte, und diese Einmischung ihm eine Braut namens Marguerite d’Alençon bescherte.

Der Bote erkundigte sich höflich, ob er auf Antwort warten solle, worauf Orrick den Kopf schüttelte. „Ich beabsichtige, dem König mit meinem persönlichen Erscheinen bei Hofe die Antwort zu geben, Sir.“

„Sehr wohl. Ich unterrichte den König von Eurer Bereitschaft, Mylord.“

Der Kurier betonte seine Worte beinahe wie eine Frage. Die Absicht des Herrschers, eine Edeldame seiner Gunst mit einem seiner Lehnsmänner zu verheiraten, war offenbar bei Hofe kein Geheimnis, da selbst der Abgesandte den Inhalt des Schreibens zu kennen schien. Offenbar hatte dieser gewisse Zweifel gehegt, ob Orrick seine Zustimmung geben würde. Um keine Frage offen zu lassen, räumte er die unausgesprochenen Zweifel des Boten aus.

„Ich bin ein treuer Gefolgsmann des Königs, Sir. Mein Leben ist seinen Diensten gewidmet.“

Mit einer Verneigung verließ der Gesandte den Raum. Orrick wartete auf die Rückkehr des Abts und zögerte nicht, dem frommen Mann, dessen Rat ihm stets wertvoll war, den Entschluss des Königs zu eröffnen, der sein Leben von Grund auf verändern würde.

„Ich muss auf Geheiß des Königs heiraten.“

„Heiraten, Mylord? Hat der König Euch mitgeteilt, wen Ihr heiraten sollt?“

Orrick wusste wie jeder andere Edle im Lande, dass der Ehevertrag aufgrund seiner Auswirkungen mehr zählte als die Personen, welche davon betroffen waren. Er nickte. „Lady Marguerite d’Alençon.“

„Kennt Ihr die Dame?“, fragte Godfrey mit einem Blick auf das Schriftstück, das Orrick ihm bereitwillig reichte. Der Mönch studierte es eingehend in der Befürchtung, seinem Schützling sei möglicherweise ein wichtiges Detail entgangen. „Marguerite d’Alençon … der Name kommt mir irgendwie vertraut vor. Vielleicht weiß Eure Frau Mutter etwas über die Dame?“

„Wenn sie an Henrys Hof lebt, kennt meine Mutter ihren Namen und ihren Hintergrund, daran zweifle ich nicht.“

„Ja, richtig, Mylord. Eure Frau Mutter zeigt seit jeher großes Interesse an allen Belangen des Königs und seiner Umgebung. Würde sie ihr Augenmerk weniger profanen Dingen zuwenden, könnte ihre Seele an Einsicht und Weisheit gewinnen.“

Orrick wusste, wie sehr Godfrey das Faible seiner Mutter für Klatsch und Intrigen missbilligte. Bedauerlicherweise hatten die vielen Jahre der Trennung von ihrer Verwandtschaft und ihren Freundinnen in der Normandie ihren Drang, Neuigkeiten über das Leben bei Hofe zu erfahren, nicht geschmälert. In diesem Fall könnten die Verbindungen seiner Mutter Orrick allerdings nützlich sein, um zu beurteilen, ob dieses unerwartete und großmütige Geschenk seines Königs eine Belohnung oder eine Bestrafung darstellte.

„Ich werde mit meiner Mutter über ihre Schwäche für Hofklatsch sprechen, Godfrey“, sagte Orrick, rollte das Pergament zusammen und steckte es in die Tunika, die er unter dem Kettenhemd trug.

Godfrey schlug ihm mit einem gutmütigen Lachen auf die Schulter. „Ihr werdet sie zunächst danach fragen, was Ihr wissen wollt, bevor Ihr sie wegen ihrer Schwäche zur Rede stellt, nehme ich an, Mylord.“

„Ihr kennt mich gut, Godfrey“, entgegnete Orrick schmunzelnd. „Es könnte immerhin wichtig für mich sein, Näheres über die mir zugedachte Braut zu erfahren. Schließlich geht es um meine Zukunft. Es ist mein gutes Recht, Erkundigungen über sie anzustellen, ehe ich dem Ruf des Königs folge und die Ehefrau nehme, die er mir anbietet.“

Godfreys weise hohe Stirn legte sich in Sorgenfalten. „Orrick, lasst Euch von der blumigen Sprache, mit der Henry die Schönheit dieser Frau preist, nicht beirren. Er befiehlt Euch, sie zu heiraten – und zwar ohne Verzug.“

Auch Orrick war ernst geworden. „Das ist mir keineswegs entgangen, Godfrey. Ich bin mir über die Absicht des Königs völlig im Klaren.“

„Dann geht mit Gott, Mylord. Ich werde Euch und Lady Marguerite in meine Gebete einschließen, bis Ihr unversehrt wieder in die Heimat zurückgekehrt seid.“

Nachdem Orrick dem Abt herzlich die Hand geschüttelt und seinen Segen erhalten hatte, verließ er das Kloster, schwang sich aufs Pferd und gab seinen Leuten das Zeichen zum Aufbruch.

Unter normalen Bedingungen dauerte der Ritt zwei Tage. Doch diesmal drängte es Orrick, seine Burg so rasch wie möglich zu erreichen, damit er Vorbereitungen für eine lange Reise über den Ärmelkanal an den Hof des Königs treffen konnte, um seine Braut kennen zu lernen. Er forderte Pferden und Reitern das Äußerste ab.

Vorderhand galt es, seine Mutter von der überraschenden Entwicklung zu unterrichten und ihr andere Gemächer in der Burg zuzuweisen. Seine Braut würde anfangs gewisse Anleitungen brauchen, um sich mit der Wirtschaftsführung vertraut zu machen, wobei Orrick befürchtete, dass seine Mutter, die mehr als dreißig Jahre die Aufsicht über das Gesinde und das Leben auf der Burg geführt hatte, sich ihre Vorrangstellung nicht ohne Weiteres aus den Händen nehmen lassen würde. Doch mit der Zeit würden diese Schwierigkeiten ausgeräumt werden. Zunächst einmal musste er seine Braut heimführen.

Die Reise schien ihm wie im Flug zu vergehen, während seine Gedanken mit der Frau beschäftigt waren, die bald seine Gemahlin und die Mutter seiner Kinder und Erben sein würde. Orrick war kein unerfahrener Mann, kein Grünschnabel, der keine Ahnung hatte, was auf ihn zukam. Er trug sich seit einiger Zeit mit dem Gedanken an eine Heirat, aber stets war irgendetwas dazwischengekommen. Nun hatte der König ihm die Entscheidung aus der Hand genommen und ihn schlicht und einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.

Von Unruhe erfüllt ritt er an der Spitze seiner Soldaten in den Hof von Silloth Castle und sprang am Fuß der Steintreppe zur großen Halle aus dem Sattel. Er war noch keine drei Stufen hinaufgeeilt, da empfing ihn die entrüstete Stimme seiner Mutter, die jede Hoffnung, der Befehl des Königs könne problemlos ausgeführt werden, im Keim erstickte.

Lady Constance rauschte heran, gefolgt von ihren Gesellschaftsdamen und Zofen, und baute sich vor ihrem Sohn auf. Ihr erhitztes Gesicht und ihre Atemlosigkeit waren deutliche Zeichen ihres inneren Aufruhrs. Aber warum war sie so aufgebracht?

Ein flaues Gefühl breitete sich in Orricks Magengrube aus, als Lady Constance ihm mit einigen Schriftstücken vor der Nase herumwedelte. Ohne ihre Stimme zu dämpfen, schleuderte sie ihm ihre besorgten Worte ins Gesicht.

„Schwöre mir, dass du Marguerite d’Alençon nicht heiraten wirst!“

Woher wusste sie Bescheid? Er und sein Gefolge waren soeben erst nach einem anstrengenden Ritt aus Abbeytown eingetroffen. Der Bote des Königs hatte ihn dort erreicht, ohne zuvor nach Silloth zu reiten. Wer hatte ihr die Neuigkeiten hinterbracht?

„Mutter, der König befiehlt mir diese Heirat. Ich werde seinem Ruf folgen und bringe meine Braut nach Silloth. Woher kennst du eigentlich ihren Namen?“

Verwirrung, Zorn und Enttäuschung kämpften in ihren Gesichtszügen. Sie wandte sich ratlos an ihre Damen, ohne den Rückhalt zu finden, den sie suchte. Orrick dachte an Abt Godfrey, der seinem Missfallen darüber Ausdruck verliehen hatte, dass Lady Constance unnötig viel Zeit mit Klatsch und Tratsch verschwendete. Würde es seiner neuen Gemahlin gelingen, sie von derlei seichter Unterhaltung abzulenken?

„Du kannst diese Frau nicht ehelichen.“

Mit dieser Anmaßung ging sie entschieden zu weit. Genau aus diesem Grund hätte er eine Heirat nicht so lange hinauszögern dürfen. Es war höchste Zeit, dass seine Mutter lernte, sich mit einer untergeordneten Stellung in seinem Haushalt zufrieden zu geben, sobald eine Ehefrau die häuslichen Geschicke lenkte. Aber ihre tiefe Trauer um den frühen Tod seines Vaters hatte ihn zu nachsichtig mit ihr gemacht, zumal er von ihren Fähigkeiten in der Wirtschaftsführung profitierte. Jetzt war die Zeit gekommen, diesen Zustand zu ändern, und seine zukünftige Gemahlin würde das unter seiner Anleitung bewerkstelligen.

„Der König hat mir Marguerite d’Alençon als Gattin zugedacht, wovon du offenbar bereits unterrichtet bist. Er erweist sich mit dieser Auszeichnung erneut als großzügig …“ Orrick beendete den Satz nicht, da ihn bei dem Gedanken an die zugesagte hohe Geldsumme ein unangenehmes Gefühl beschlich. Herrgott nochmal! Seine Mutter kannte offensichtlich das Motiv dieses königlichen Erlasses, aber Orrick scheute sich, sie danach zu fragen. Dennoch drängte es ihn zu erfahren, was ihn vom König erwartete. „Nenne mir endlich den Grund deiner Einwände. Ich will über alles informiert werden.“

Orrick machte sich auf das, was seine Mutter ihm eröffnen würde, gefasst, holte tief Atem und blickte ihr unverwandt ins Gesicht.

Ohne sich um die Umstehenden zu kümmern, erklärte Lady Constance mit lauter Stimme: „Der König ist zwar für seine Großzügigkeit berühmt, mit dieser Entscheidung erweist er dir indes keinen Gefallen. Er bezahlt dir eine hohe Summe Gold, um seine Mätresse loszuwerden. Marguerite d’Alençon ist die Hure des Königs.“

Die Geliebte des Königs?

Die Worte seiner Mutter hallten in seinem Kopf wider, während er an ihr vorbei stürmte und Zuflucht in seinen Gemächern suchte. Orrick wollte allein sein, um sich darüber klar zu werden, ob er riskieren durfte, diesen Befehl des Königs zu verweigern.

Nun wusste er endlich, dass er für etwas bestraft werden sollte, für eine Verfehlung, die entweder er oder sein Vater verschuldet hatte. Welchen anderen Beweggrund könnte der König sonst haben, seinen getreuen Vasallen auf diese unerhörte Weise zu demütigen?

2. KAPITEL

Henry wird mir das nicht antun. Du irrst dich, Johanna“, widersprach Marguerite hitzig. „Er liebt mich.“

Aber die Worte klangen selbst in ihren Ohren wenig überzeugend. Sie drehte ihrer Gesellschafterin den Rücken zu und betrachtete das kostbare Kleid, welches auf dem Bett ausgebreitet lag. Es konnte nicht sein. Es durfte einfach nicht wahr sein, dass Henry sie einem anderen als Gemahlin versprochen hatte.

„Du kennst ihn besser als jede andere, Marguerite“, entgegnete Johanna beschwichtigend. „Wenn du sagst, er holt dich zurück, bevor die Hochzeit stattfindet, so glaube ich dir.“

In plötzlich aufwallendem Jähzorn packte Marguerite das Kleid, riss es in der Mitte entzwei, sodass Perlen und Edelsteine der kostbaren Stickerei durchs Zimmer flogen und klirrend über die Steinfliesen kullerten. Bevor sie in ihrer Zerstörungswut fortfahren konnte, gebot ihr eine barsche Männerstimme Einhalt.

„Ist das eine Art, mit den Geschenken des Königs umzugehen?“

Marguerite fuhr herum, als Lord Bardrick, Henrys Haushofmeister auf Woodstock, ihre Gemächer betrat. Johanna machte einen hastigen Knicks und entfloh, wobei Marguerite nicht wusste, ob ihr Wutanfall oder die lüsternen Blicke des Vogts auf ihren üppigen Busen die Freundin in die Flucht jagten. Die Tür fiel ins Schloss, und Marguerite war allein mit dem Vertrauten des Königs, der seine verborgensten Geheimnisse kannte.

„Mylord“, hauchte Marguerite und machte einen tiefen Hofknicks, der ihm einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté gewährte. „Ich fürchte, Ihr seht mich nicht von Begeisterung überwältigt über meine bevorstehende Heirat mit Lord … Lord …“ Sie gab vor, sich des Namens ihres zukünftigen Gemahls nicht zu entsinnen, bis Bardrick ihr zu Hilfe kam.

„Lord Orrick of Silloth.“

„Ja, richtig. Lord Orrick of Silloth. Es liegt mir fern, mich dem König gegenüber respektlos zu erweisen. Im Gegenteil, ich fühle mich von seinen Aufmerksamkeiten und seinen Geschenken sehr geehrt.“

Beide dachten an das kostbarste Geschenk, welches sie von Henry erhalten hatte – das gemeinsame Baby. Bedauerlicherweise war das Kind ein Mädchen. Dies war für Marguerites Pläne nutzlos, ja sogar hinderlich im Hinblick auf Henrys künftige Großzügigkeit und Zuneigung. Ein Knabe wäre akzeptabel und mit einem Adelstitel und Besitztümern ausgestattet worden, nicht anders als Henrys letzter unehelicher Sohn Geoffrey. Er hätte ihr auch gewisse Ansprüche an den König garantiert. Doch ihre vor wenigen Wochen geborene Tochter war völlig wertlos für sie. Sie hatte sie im Kloster zurückgelassen, wo sie zur Welt gekommen war, ein namenloser Bastard, der bei den Nonnen aufwachsen sollte. Zum Glück hatte Marguerites Schwester, die ihr Leben Gott geweiht hatte, sich bereit erklärt, den Säugling in ihre Obhut zu nehmen.

Bardrick öffnete die Tür und erteilte einer Zofe, die im Flur wartete, Anweisungen. „Lass das Kleid von einer Näherin flicken. Und beeil dich, Mädchen“, befahl er schroff und versetzte ihr einen derben Stoß. „Es muss zur Hochzeit fertig sein, die morgen stattfindet.“

Mit einem Anflug von Heiterkeit beobachtete Marguerite, wie die Dienerin das zerschlissene Gewand an sich raffte, auf dem Fußboden herumkroch, die abgesprungenen Perlen und Edelsteine einsammelte und hastig aus dem Zimmer huschte. Sie selbst hatte sich nicht von der Stelle bewegt.

„Will der König diese Farce tatsächlich noch weiter treiben?“

„Es ist kein Spiel, Mylady. Ihr werdet Lord Orrick heiraten! Der König duldet keinen Widerspruch.“

„Und wenn ich mich dennoch weigere?“ Marguerite konnte schlichtweg nicht glauben, dass dies das Ende sein sollte. Nein, Henry würde sie wieder zu sich nehmen. Es war ihm allerdings zuzutrauen, dass er erst im letzten Augenblick Einspruch erhob, um sie vor dieser ekelhaften Verbindung zu retten.

„Die letzten drei Menschen, die sich dem Willen des Königs widersetzten, sind bedauerlicherweise nicht mehr am Leben, um Euch von der Torheit ihres Handelns zu berichten. Daran solltet Ihr denken, während Ihr Euch auf die Vermählung vorbereitet.“

Sie unterdrückte den Schauer, der sie überflog, doch das schmierige Feixen des Höflings ließ sie wissen, dass er ihr Entsetzen bemerkt hatte.

„Nun Mylady, Ihr tut gut daran, Euch den Wünschen Seiner Majestät zu beugen. Seine Untertanen, die sich diesen Rat zu Herzen nehmen, leben meist länger und in besseren Verhältnissen als jene, die dumm genug sind, sich gegen ihn aufzulehnen.“

Widerstrebend nickte sie, ohne ihn anzusehen, da sie seine Genugtuung über ihre Niederlage nicht ertrug. Bardrick verneigte sich und ging rückwärts zur Tür, so wie er es getan hatte, als sie die Favoritin des Königs gewesen war. Marguerite durchschaute seine Häme – für ihn war sie lediglich eine von vielen willigen Frauen, die das Bett des Königs geteilt hatten und nun an einen seiner Gefolgsleute für dessen treue Dienste verschachert werden sollte.

„Schlaft gut, Marguerite.“

Das höhnische Lachen des Höflings draußen auf dem Flur war mehr, als sie verkraften konnte. Sie warf sich auf das Bett und ließ ihren Tränen freien Lauf.

Nein, ein solches Schicksal durfte ihr nicht widerfahren. Sie war ihr ganzes Leben darauf vorbereitet worden, die Gefährtin eines bedeutenden Mannes zu werden. In ihren Adern floss königliches Blut. Sie hatte Besseres verdient, als mit einem unbedeutenden Adeligen zweifelhafter Herkunft verheiratet zu werden, der irgendwo im Norden Englands hauste. Dieser Lord Orrick lebte in einem fernen Winkel des Reiches, unendlich weit weg vom Hofe des Königs, in einem kalten, verregneten Landstrich. Ein kleiner Landbesitzer mit ein paar unwirtlichen Trutzburgen und einer Horde verlauster, ungebildeter und raubeiniger Gefolgsleute. Sie war zu Höherem geboren. Ihre Gedanken kreisten. Sie hatte das Recht auf ein Leben an der Seite eines Königs.

Lange dauerte es, bis Marguerites Tränen versiegten, sie wieder Mut fasste. Noch war nicht alles verloren, die Zeit arbeitete für sie. Henry konnte einschreiten, bevor das Eheversprechen sie für immer an diesen Orrick band. Er konnte jederzeit seine Stimme erheben, um dieser Posse ein Ende zu setzen, und diesen „Lord des Nordens“, wie er genannt wurde, mit einer einfältigen Person aus seiner Schicht verehelichen. Ein Mädchen, das sich damit zufrieden gab, von einem Barbaren angefasst zu werden und ein Leben in einer feuchten Felsenburg in einem kalten Land zu fristen.

Marguerite blieb in ihren Gemächern, um die mitleidigen Blicke des Hofstaats nicht ertragen zu müssen, verweigerte das Abendessen und schickte ihre Dienerinnen fort.

Bevor der erlösende Schlaf sie übermannte, richtete sie inständige Gebete gen Himmel, in der Hoffnung, Henry möge ihr lediglich eine Lehre erteilen, weil sie ihre Grenzen überschritten hatte, und flehte, er möge sie endlich in die Arme schließen und ihr vergeben.

„Wenn du noch länger an mir herumzupfst, mach ich dich einen Kopf kürzer!“, knurrte Orrick zwischen den Zähnen. „Wieso muss ich mich aufputzen wie ein eitler Pfau?“

„Aber Mylord, der König erweist Euch die Ehre, höchstpersönlich mit den bedeutendsten Würdenträgern seines Hofstaats an Eurer Hochzeit teilzunehmen. Ihr wollt doch einen untadeligen Eindruck machen.“

Murrend fügte Orrick sich in das Unvermeidliche. Seinen eigenen Pagen waren Kammerdiener des Königs zur Seite gestellt worden, um sicherzustellen, dass das Hofprotokoll bis ins kleinste Detail befolgt wurde. Der Haushofmeister Seiner Majestät hier in Woodstock hatte ihn in den letzten beiden Tagen aufgesucht und der Zufriedenheit des Königs über Orricks unverzügliche Anreise und seine Zustimmung zu dieser Vermählung Ausdruck verliehen.

Offenbar war die Frau zum Problem geworden, da Henry sie so eilig loswerden wollte. In wenigen Stunden würde sie ihm gehören – sie würde seine Gattin und damit seine Angelegenheit sein.

„Es reicht, Gerard! Hör endlich damit auf“, sagte Orrick unwirsch.

Der Kammerdiener wusste, dass sein Herr mit seiner Geduld am Ende war, drängte seine Gehilfen zur Eile und scheuchte sie alsbald weg. Gerard bedachte ihn mit einem letzten prüfenden Blick, bevor auch er sich zurückzog.

Argwöhnisch blickte Orrick an sich herunter. Er trug eine prachtvoll bestickte Tunika und schwere Goldketten, die ihm bis zum Gürtel hingen. Er hasste diesen Aufwand. Er verabscheute das Leben bei Hofe, samt all dem Prunk. Aber als treuer Gefolgsmann des Königs sah er sich gezwungen, all das über sich ergehen zu lassen, bevor er endlich nach Hause reiten und sein gewohntes Leben im fernen Norden von England wieder aufnehmen konnte.

Zusammen mit seiner Gemahlin.

In einer knappen Stunde würde er ihre Bekanntschaft machen – eine Gefälligkeit, die der König auf Ersuchen der Dame gewährt hatte. Sie wusste nichts von ihm; die Mehrzahl der Höflinge konnten ihn nicht einmal beschreiben und würden ihn nicht erkennen, wenn sie ihn sahen. Aber niemand in Woodstock zögerte, von ihr zu sprechen. Orrick hatte seit seiner Ankunft bereits manche Geschichten über Marguerite gehört; die Lobeshymnen über sie klangen ihm in den Ohren.

Sie war schön. Ihr langes goldenes Haar reichte beinahe bis zum Boden, umfloss ihre üppigen Formen wie ein schimmernder Vorhang. Dichter hatten ihre strahlend blauen Augen und ihre vollen roten Lippen besungen.

Marguerite war sehr gebildet, hatte eine ausgezeichnete Erziehung genossen und beherrschte fünf Sprachen in Wort und Schrift, einschließlich Latein und Griechisch.

Obgleich unehelicher Geburt, reichte ihr Stammbaum bis zu Karl dem Großen und anderen Königen des Frankenlandes zurück. Sie hatte Verbindungen zu den meisten königlichen Familien der christlichen Welt auf dem europäischen Kontinent.

Und sie war die Mätresse des Königs.

Orrick öffnete das Fenster und betrachtete das emsige Treiben auf dem Burghof. Er atmete die frische Morgenluft tief ein und hoffte, seine Bedenken zu beschwichtigen. Er hätte gerne mit jemandem über seine Situation gesprochen, aber es gab niemanden, dem er seine Zweifel über diese Heirat anvertrauen konnte. Er befürchtete, dass es sich nicht nur um einen schlichten Befehl des Königs handelte. Wurde ihm diese Demütigung zuteil, weil er nur ein einfacher englischer Adeliger war und kein Günstling des Königs? Wurde er wegen einer Verfehlung seines Vaters oder seiner Mutter gegen die Plantagenets bestraft?

Er hatte nicht die Absicht, sich in Woodstock unter den argwöhnischen Blicken des Hofstaats eine Blöße zu geben. Er würde Marguerite heiraten und sie in seine Heimat bringen. Falls es Differenzen zwischen ihnen geben würde, wollte er sie auf seiner Burg bereinigen, wo niemand seine Autorität in Frage stellte. Abgesehen von der Frau, die nun unangemeldet sein Gemach betrat.

„Hast du sie schon kennen gelernt? Wurde sie dir vorgestellt?“ Seine Mutter hatte ihn, wie nicht anders zu erwarten, nach Woodstock begleitet. Aber ihre Anwesenheit war ihm keine Hilfe. Im Gegenteil, ihre Fragen und verschleierten Andeutungen verstärkten seine Zweifel.

„Ich treffe sie in einer Stunde, Mutter“, sagte er, wandte sich vom Fenster ab und blickte ihr ins Gesicht. Um jeden Zweifel auszuräumen, fügte er hinzu: „Unter vier Augen.“

Orrick sah, wie schwer es seiner Mutter fiel, keinen Einspruch zu erheben. Ihr immer noch faltenloses Gesicht verhärtete sich. Wann hatten sich graue Fäden in ihr flachsblondes Haar eingeschlichen? Ihre hohe schlanke Gestalt begann in die Breite zu gehen. Sie ähnelte immer mehr ihrer eigenen Mutter. Bei näherem Hinsehen fiel ihm auch auf, dass der Glanz ihrer grünen Augen ein wenig verblasste.

„Allein? Aber bei diesem wichtigen Treffen sollte jemand aus deiner Familie und der Familie der Braut anwesend sein. Ich muss …“

„Du musst gar nichts, Mutter. Meine erste Begegnung mit Marguerite wird unter vier Augen stattfinden. Du bist herzlich eingeladen, an der Trauung teilzunehmen, wie alle anderen Gäste.“ Er sah sich gezwungen, einen scharfen Ton anzuschlagen, sonst würde sie sich über seine Anweisungen hinwegsetzen.

Einen Augenblick fürchtete er, sie würde ihm den Gehorsam verweigern, doch dann besänftigten sich ihre Gesichtszüge. Ihre Augen wurden feucht. Orrick wusste, dass sie diesmal ihre Tränen nicht bewusst als Waffe einsetzte, um sein Mitleid zu erregen und ihn umzustimmen. Ihre Worte bestätigten seinen Eindruck.

„Ich wünschte nur, dein Vater könnte das noch erleben. Er hat sich so sehr gewünscht, dass du dich noch zu seinen Lebzeiten verheiratest, aber …“ Sie beendete den Satz nicht.

Orrick schlug einen versöhnlicheren Ton an. „Ich konnte mich nicht dazu entschließen, und nun erlebt er es nicht mehr. Auch ich bedauere das.“ Er näherte sich seiner Mutter.

„Es wird sich alles verändern“, flüsterte sie.

Er hörte die Angst in ihrer Stimme. Mit der Ankunft seiner Ehefrau würde sie ihre Position als Burgherrin verlieren, die das Gesinde beaufsichtigte und für den reibungslosen Ablauf der Wirtschaft und Verwaltung der Burg sorgte. Sie musste sich mit der Rolle einer Zuschauerin begnügen, ohne Machtbefugnisse oder Befehlsgewalt, falls er oder seine Ehefrau ihr nicht einen besonderen Aufgabenbereich zuwiesen. War seiner Mutter eigentlich klar, dass sie ihm nun Gelegenheit gab, mit ihr über dieses heikle Thema zu sprechen?

„Mutter“, begann er, ohne recht zu wissen, wie er sich ausdrücken sollte. „Nach der Hochzeit …“

„Wenn du mir eine Eskorte zur Verfügung stellst, reise ich umgehend zu meinem Witwensitz in der Nähe von Ravenglass. Ich halte es für angebracht, mich möglichst bald dorthin zu begeben. Du kannst mir nach deiner Rückkehr in Silloth mein Gepäck schicken lassen.“

Sie sprach zwar ruhig und gelassen, aber Orrick konnte beinahe ihren jagenden Herzschlag spüren. Er hörte, wie sie den Atem anhielt und auf seine Antwort wartete, die ihr Schicksal besiegeln würde. Zu gut kannte er seine Mutter und wusste genau, dass sie nichts mehr hasste, als auf ihren Alterssitz verbannt zu werden; eine Burg, die noch entlegener war als Silloth Castle. Er musste eine Lösung finden, mit der er ihre Bedenken beseitigen und zugleich Spannungen im eigenen Heim vermeiden konnte.

„Deine Burg in Ravenglass ist noch keine geeignete Wohnstätte für dich. Das Haus muss erweitert und instand gesetzt werden. Bis die Arbeiten ausgeführt sind, halte ich es für angebracht, dass du in Silloth bleibst und meine Braut in der Wirtschaftsführung anleitest. Du kannst ihr helfen, sich einzugewöhnen und sich mit unseren Leuten und ihrer neuen Umgebung vertraut zu machen.“

Nach lastendem Schweigen entfuhr seiner Mutter ein befreiender Seufzer. Ihre Schultern entspannten sich, und er wusste, dass er die richtigen Worte gefunden hatte.

„Ich werde nur so lange bleiben, wie die neue Burgherrin meine Unterstützung braucht, Orrick. Ich will nicht in einem Haus wohnen, in dem ich nicht erwünscht bin.“

Orrick nahm sie in die Arme. „Ich weiß, dass du dich zurückhalten wirst, Mutter. Du meinst es ja nur gut.“

Ihrer beider Worte klangen hohl. Lady Constance war eine unverbesserliche Klatschbase. Sie tratschte über alle und jeden, nicht nur in Silloth, sondern auch auf seinen anderen Burgen. Sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen, war ihr, zumal nach dem Tod ihres Gatten, zum Lebensinhalt geworden. Aber heute, an seinem Hochzeitstag, wollte er ihr glauben und hoffen, es würde sich alles zum Guten wenden.

Er trat einen Schritt zurück. „Nun lass mich bitte allein, Mutter. Ich will mich auf das Treffen mit meiner Braut vorbereiten.“

Er hatte den Eindruck, seine Mutter wolle noch etwas sagen, doch dann bildete sich eine steile Falte auf ihrer Stirn, ihre Lippen verschlossen sich zu einem schmalen Strich. Orrick hätte es vorgezogen, hier in der Ungestörtheit seines Gemachs weitere verächtliche Bemerkungen von ihr zu hören. Er wartete. Da sie beharrlich schwieg, beugte er sich vor und küsste sie auf die Stirn.

„Alles wird gut, Mutter. Vertraue mir.“

Lady Constance neigte den Kopf und zog sich ohne ein weiteres Wort zurück. Orrick atmete erleichtert auf, allmählich fiel die Spannung von ihm ab. Die erste einer Reihe unangenehmer Unterredungen hier in Woodstock, vielleicht die schwierigste, lag hinter ihm. Nun konnte er der Begegnung mit seiner Braut leichteren Herzens entgegenblicken, ebenso der Audienz beim König, der ihn zwang, seine Geliebte zu heiraten.

Lady Marguerite hatte darum ersucht, das Zusammenkommen möge zum Breviergebet in der neunten Stunde stattfinden. Orrick verließ sein Gemach und ging den Korridor entlang zu einem kleinen Raum, in dem sie sich zum ersten Mal sehen sollten. Die Kirchenglocken begannen, die Gläubigen zum Gebet zu rufen, als er das Kabinett betrat. An die Unpünktlichkeit von Frauen gewöhnt, war er nicht darauf gefasst, dass sie ihn bereits erwartete.

Während er die Tür hinter sich schloss, stellte er fest, dass die Schilderungen über ihre Schönheit und Anmut keineswegs übertrieben gewesen waren. Als sie mit sittsam geneigtem Kopf in einen tiefen Hofknicks versank und ihm dabei einen tiefen Einblick in ihre üppigen weiblichen Formen gewährte, verspürte er ein verräterisches Ziehen in den Lenden. Es würde alles nicht so problematisch werden, wie er befürchtet hatte. Mit dieser Frau verheiratet zu sein, konnte kein großes Opfer sein.

3. KAPITEL

Mylady“, grüßte er, beeindruckt von ihrer Sittsamkeit, und hielt ihr die Hand entgegen. „Bitte erhebt Euch.“

Bei der Berührung ihrer zarten feingliedrigen Finger an seiner schwieligen Hand jagte ein Feuersturm durch ihn. Sobald sie den Blick gehoben hatte, wusste er, dass er rettungslos verloren war.

Ihr goldenes Haar reichte tatsächlich beinahe bis zum Saum ihres Kleides. In die schimmernden Locken, die ihr Antlitz einrahmten, waren Seidenbänder und Perlen geflochten. Es verlangte ihn danach, diese Pracht anzufassen, sein Gesicht darin zu vergraben und ihren Duft einzuatmen. Als sie den Kopf drehte, floss das Haar in Kaskaden golden glänzender Wellen über ihre Schultern und Arme. Seine Phantasie gaukelte ihm ein Bild der bevorstehenden Hochzeitsnacht vor. Er sah sie nackt auf dem Bett liegen, nur eingehüllt in ihre seidige Haarfülle.

Orrick erschrak über sein sinnliches Verlangen bei dieser ersten Begegnung und nahm sich vor, seine animalische Gier zu zähmen, sonst würde sie tatsächlich den Barbaren in ihm sehen, für den sie ihn vermutlich hielt. Er trat einen Schritt zurück und lud sie mit einer höflichen Geste ein, auf einer Bank Platz zu nehmen. Orrick glaubte, sich wieder gefasst zu haben – bis er ihre Stimme hörte.

„Lord Orrick, ich bin erfreut, die Gelegenheit zu haben, ungestört mit Euch sprechen zu dürfen. Danke, dass Ihr mir diesen Wunsch erfüllt, der Euch befremdlich erscheinen mag.“

Der melodisch weiche Klang ihrer Stimme mit einem rauchigen Unterton verfehlte seine Wirkung nicht. Er malte sich aus, wie sie ihre Leidenschaft in seinem Bett hinausschrie. Sah sie nackt, wie sie sich unter ihm wand, er sie ausfüllte, sich in ihr ergoss und ihrer beider Lustschreie miteinander verschmolzen. Für einen Moment schloss er die Augen und war sich ihrer betörenden Macht bewusst.

Orrick hatte sich nach den Klatschgeschichten, die er über die Liaison dieser schönen Frau mit dem König gehört hatte, mit einem gesunden Maß an Argwohn gewappnet, um sich in diesem Ränkespiel nicht zum Narren zu machen. Stets darauf bedacht, seine Entscheidungen nicht von der Begierde des Fleisches beeinflussen zu lassen, war er zu diesem Treffen erschienen in der festen Überzeugung, die Dame und die Situation mühelos handhaben zu können.

Dummkopf!

In wenigen Augenblicken war er in den Bann ihrer Schönheit, ihrer erotischen Ausstrahlung und ihrer stummen Verheißung geraten. Sie hatte ihn mit einem Hofknicks, einem anmutigen Nicken, einer Drehung des Kopfes, einer Bewegung ihrer goldenen Haarpracht, dem Hauch ihres verführerischen Duftes und wenigen schlichten Worten verzaubert und in ihre Falle gelockt. Nun stand er vor ihr, bis zum Bersten erregt, und begehrte sie heftiger als je eine Frau zuvor. Der Wunsch, das Verlangen, sie zu berühren, zu streicheln, von ihr zu kosten, sie in den Armen zu halten, zu besitzen, sein Eigen zu nennen, wuchs ins Unerträgliche. Unstet ließ er den Blick durchs Zimmer schweifen, entdeckte einen kleinen Tisch, auf dem eine Karaffe und zwei Kelche standen. Damit versuchte er, den Bann zu brechen.

„Ein Schluck Wein, Mylady?“ Ohne auf ihre Antwort zu warten, schenkte er ein, schaffte es, nichts zu verschütten, obwohl seine Finger zitterten, und reichte ihr einen Pokal.

„Danke, Lord Orrick“, hauchte sie und führte den Becher an ihre Lippen.

Fasziniert beobachtete er, wie sie daran nippte und sich mit der rosigen Zungenspitze über die feuchten Lippen fuhr. Er spannte jeden Muskel, jede Sehne an, um nicht über sie herzufallen. Da er auf keinen Fall zulassen durfte, dass er die Beherrschung verlor, wandte Orrick sich ab und trat einen Schritt zurück.

„Und der Grund für dieses Treffen?“

„Nun, um Euch kennen zu lernen, Mylord! Es ist zwar üblich in unseren Kreisen, dass Brautleute vor den Altar treten, ohne sich vorher gesehen zu haben.“ Sie legte kunstvoll eine Pause ein und betrachtete – mit einem Blick, der einer körperlichen Berührung glich – aufreizend seine Gestalt. Dann fuhr sie fort: „Aber Seine Majestät gestattete diese Lockerung der Etikette, da wir enge Freunde sind.“

„Davon hörte ich, Mylady.“

Gut so! Sie sollte getrost wissen, dass er kein Spielball war, auch nicht der des Königs. Selbst wenn er gezwungen war, Henrys abgelegte Geliebte zu heiraten, dachte Orrick nicht daran, sich dumm zu stellen und so zu tun, als wisse er nicht über die Beziehung zwischen Henry und Marguerite Bescheid. Vor allem nicht ihr gegenüber, obwohl dieser Umstand seinen Stolz zutiefst verletzte.

Ihre Reaktion versetzte ihn in Erstaunen. Sie stellte das Trinkgefäß ab und ging zur Tür. Langsam drehte sie sich zu ihm um. Der liebenswürdige Zug in ihrem Antlitz hatte sich verhärtet, worunter ihre Schönheit erheblich litt. Sie straffte die Schultern und sah ihn mit kalten Augen so scharf an, dass ihn fröstelte.

Er hatte eine bezaubernde, verführerische, sinnliche Marguerite kennen gelernt.

Nun stand ihm eine zornige, gebieterische, kriegerische Marguerite gegenüber.

„Ich bin Euch zwar keinerlei Erklärung schuldig, Orrick of Silloth, aber ich weiß, dass Ihr genau wie ich zu dieser Ehe gezwungen werdet, deshalb will ich Euch die Wahrheit sagen.“

Orrick setzte den Kelch an und leerte ihn in einem Zug. „Wie lautet diese, Mylady?“ Wollte sie ihm gestehen, dass sie das Bett des Königs geteilt und möglicherweise von ihm geliebt worden war?

„Diese Hochzeit wird nicht stattfinden. Ich bedauere in gewisser Weise, inwieweit Ihr in dieses Missverständnis zwischen dem König und mir hineingezogen worden seid. Deshalb ist es mir ein Anliegen, Euch zu warnen vor dem, was kommen wird.“

War er unversehens Opfer einer Intrige geworden? Wofür wollte der König ihn bestrafen? Wieso diese vorgetäuschte Hochzeit, wenn Henry beabsichtigte, ihn anzuklagen und festzunehmen? Orricks Eingeweide krampften sich zusammen bei dem Gedanken, was aus seiner Familie und seinen Leuten werden sollte, wenn er im Kerker landete oder gehängt werden sollte. Schließlich fasste er sich.

„Was wird kommen?“

„Seine Majestät will mich mit dieser Scharade lediglich warnen und mich in meine Schranken weisen. Ich habe meine Grenzen überschritten, und Henry will mir damit vor Augen führen, wozu er fähig wäre, sollte ich sein Missfallen erneut erregen. Ich fürchte, Ihr seid unvermittelt in einen Zank zweier Liebender geraten.“

Orricks innerer Aufruhr legte sich ein wenig, während sein Argwohn wuchs. Aus welchem Grund sollte Henry dieses öffentliche Schauspiel inszenieren, eine Vermählung arrangieren, um im letzten Moment einen Rückzieher zu machen? Orrick hatte bereits die Dokumente unterzeichnet, mit denen Landbesitz und Titel auf ihn übergehen sollten, und außerdem eine hohe Summe des zugesagten Goldes erhalten. Andererseits stand es dem König frei, all diese Zusagen mit einem Wort zurückzunehmen. Aber würde er so etwas tun? Und aus welchem Grund?

„Ihr glaubt, der König wird die Hochzeit absagen?“, fragte er einfältig, da ihm nichts Besseres einfiel. Sein Instinkt sagte ihm allerdings, dass die Antwort nicht so einfach war.

„Selbstverständlich wird er das tun! Er liebt mich und verschachert mich nicht an einen Lord aus dem Norden, der sich nie bei Hofe blicken lässt.“ Auf Orricks ungläubigen Blick beeilte sie sich hinzuzufügen: „Ich wurde erzogen, die Gefährtin eines Königs zu werden, nicht eines … eines …“

„Barbaren unbestimmter Herkunft, Mylady?“

Ganz richtig, ihre abfällige Bemerkung war ihm bereits hinterbracht worden. Er aber hatte es vorgezogen, jenen Worten keine Beachtung zu schenken, da es in dieser absurden Situation schwierig war zu beurteilen, wer was zu wem über wen gesagt hatte. Nun nahm Orrick ihre Herausforderung an, die sie ihm hingeworfen hatte wie einen Fehdehandschuh. Es würde keinen weiteren Austausch von Höflichkeitsfloskeln in diesem Gespräch geben. Marguerite ließ sich dadurch nicht beirren, im Gegenteil, die Tatsache, dass er ihre Meinung über ihn kannte, schien sie in ihrer Überzeugung noch zu bestärken.

„Richtig, Mylord. Der König wird gewiss eine passende Braut für Euch finden. Ich bin an ein Leben bei Hofe in Frankreich gewöhnt und würde in einem fremden Land nicht glücklich sein.“

Und zu weit entfernt von Henry. Diese Gedanken blieben unausgesprochen, hallten aber in Orricks Kopf, als habe die Dame sie hinausgeschrien.

„Wollt Ihr mich mit Eurem Gerede zwingen, Henry zu ersuchen, die Hochzeit abzusagen? Erhofft Ihr Euch das?“

Sie wandte sich ab, verweigerte ihm zunächst die Antwort, doch dann begegnete sie seinem Blick. „Ich möchte Euch lediglich die Demütigung ersparen, vor dem gesamten Hofstaat zur Hochzeit zu erscheinen, ohne Braut an Eurer Seite. Deshalb will ich Euch davon unterrichten, dass Henry mich wieder zu sich nimmt und diese Eheschließung nicht stattfinden lassen wird.“

Ihre weiche Stimme klang so selbstbewusst, dass Orrick beinahe davon überzeugt war, sie meine es ernst. Einen flüchtigen Augenblick hegte er an ihrer Aussage keinen Zweifel, doch dann begriff er den Zusammenhang, und ein Gefühl des Bedauerns überkam ihn. Sie glaubte daran.

Marguerite war sich ihrer Sache sicher. Henry würde bestimmt die Hochzeit im letzten Moment absagen, so dachte sie. Entweder wusste sie nichts von den bereits geschlossenen Heiratsverträgen, oder sie wollte es einfach nicht wahrhaben. Sie war offensichtlich nicht im Stande, sich einzugestehen, dass sie nach den Jahren, in denen sie die Gunst des Königs genossen hatte, seine Zuneigung und damit ihre privilegierte Stellung bei Hofe verloren hatte. Es kursierten zwar noch keine Gerüchte über eine neue Favoritin des Herrschers, aber es würde gewiss nicht lange dauern, bis eine neue Edeldame ihren Platz an seiner Seite und in seinem Bett einnahm.

Was ging in dieser bedauernswerten Frau vor, die plötzlich Henrys Zuneigung eingebüßt hatte? Geliebt, verlassen und an einen fremden Mann verschachert zu werden? Ihr trotziger Blick, ihr eigensinnig gerecktes Kinn ließen Orrick wissen, dass sie sich weder von ihm noch von anderen Mitleid wünschte. Aber nachdem sie ihn gewarnt hatte, lag ihm daran, nun dasselbe für sie zu tun.

„Auch ich bin der Meinung, dass dies ein Tag der Demütigung sein wird, Marguerite. Allerdings fürchte ich, Ihr werdet davon betroffen sein, nicht ich. Daher kann ich Euch nur raten, Euch mit den Gegebenheiten abzufinden und Euer Herz zu schützen, um keinen Schaden zu nehmen.“

Ihre Lider flatterten heftig, als versuche sie, den Sinn seiner Worte zu verstehen. Orrick fand es an der Zeit, sich zurückzuziehen. Er legte die Hand auf den Türgriff. Sie trat beiseite, um ihn gehen zu lassen.

Er hatte ihr nichts mehr zu sagen. Er und sie waren nur Schachfiguren und der Willkür des Plantagenets ausgesetzt.

Gott möge ihnen allen beistehen.

Marguerite strich sich glättend über die Röcke des kostbar bestickten Gewandes und stand reglos, während die Zofen letzte Hand an ihre kunstvolle Frisur anlegten. Sie war daran gewöhnt, bedient zu werden, ohne Notiz davon zu nehmen. Irgendwann schienen die Kammerfrauen zufrieden mit ihrem Werk zu sein, stellten einen hohen, glänzend polierten Spiegel vor sie hin, und Marguerite betrachtete prüfend ihre Erscheinung.

Ihre Augen hatten einen unnatürlichen Glanz im bleichen Gesicht, was allerdings nur ihr auffiel. Das blassblaue, wallende Seidengewand verlieh ihrer elfenbeinhellen Haut einen transparenten Schimmer und unterstrich das Eisblau ihrer Augen. Eine schwere zweireihige Goldkette war um ihre Hüften geschlungen, worin sich das Licht der vielen Kerzen brach. In ihr langes goldenes Haar waren Seidenbänder, Perlen und Edelsteine geflochten.

Nur unverheirateten Frauen war es gestattet, das Haar offen zu tragen in all seiner Pracht und Fülle. Würde diese Hochzeit tatsächlich stattfinden, wäre dies das letzte Mal, dass sie ihr herrliches Haar öffentlich zur Schau stellte. Sie dachte an Henrys bewundernde Blicke, auch Lord Orricks Verzauberung war ihr nicht entgangen, und sie wusste genau, wie sie ihre Reize einzusetzen hatte. Sie nickte den Dienerinnen zu, die den Spiegel wegtrugen.

Ihr Gespräch mit Orrick hatte einen unerwarteten Verlauf genommen. Er erwies sich nicht als der grobschlächtige Barbar, für den sie ihn gehalten hatte. Hoch gewachsen und kraftvoll, sah er ziemlich gut aus in seiner höfischen Kleidung. Das hellbraune Haar reichte ihm bis zu den Schultern, er trug keinen Bart wie die meisten Adeligen bei Hofe; sein glatt rasiertes Gesicht war markant geschnitten. Der Blick seiner kühlen grünen Augen war klug. Seine Stimme klang tief und melodisch. Überhaupt gefiel ihr seine Erscheinung in mancher Hinsicht. Doch das zählte nicht, da sie nicht für ihn bestimmt war.

Sie ließ sich ihre Vorfreude auf Henrys Besuch nicht anmerken, wusste aber, dass er sie vor der Zeremonie aufsuchen würde. Sicherlich würde er ihr eröffnen, dass er sie an seiner Seite behalten wollte und alles sich wieder zum Guten wenden würde. Sie war für ihr anmaßendes Verhalten bestraft worden, sie hatte Buße getan und würde als Henrys Favoritin an den Hof zurückkehren. Ein Klopfen an der Tür holte sie aus ihren Träumereien. Bevor sie etwas sagen konnte, öffnete eine Dienerin die Tür, ihr Onkel trat ein und verneigte sich.

Marguerite wusste, dass ihr Onkel gekommen war, um sie vor der Hochzeitsfeier zu Henry zu geleiten, damit diesem bösen Spiel ein Ende gesetzt wurde. Wortlos bot der Bruder ihrer Mutter ihr den Arm und begleitete sie durch die endlosen Flure des Palastes. Bedienstete, Gäste, Freunde und Feinde hatten sich in der Großen Halle eingefunden, um Zeugen für die Schmach der in Ungnade gefallenen Mätresse des Königs zu werden. Hoch erhobenen Hauptes, ohne die Versammlung eines Blickes zu würdigen, schritt Marguerite an der Seite ihres einzigen männlichen Verwandten in England durch den Saal, die Augen auf einen Punkt in der Ferne gerichtet.

Unvermutet rasch erreichten sie die Stirnseite des Raumes und stiegen die Stufen zur Empore hinauf. Die Dienerin, die ihr in Woodstock zugeteilt war, stand ein wenig abseits bereit, falls ihre Herrin sie benötigte. Diese beiden Menschen waren Marguerites einziger Halt.

Unschlüssig, ob sie nach Henry Ausschau halten sollte, musterte Marguerite heimlich die Anwesenden. Am anderen Ende der Galerie stand Lord Orrick im Kreise seiner Gefolgsleute und einer älteren Dame, in der sie seine Mutter vermutete. Roger, der Bischof von Dorchester, der die Trauung vollziehen sollte, hatte auf einem der beiden hohen Lehnstühle in der Mitte Platz genommen. Ihr Blick wanderte weiter zum größeren, reicher geschnitzten Stuhl. Endlich sah sie den König zum ersten Mal seit Monaten.

Er strahlte Energie und Lebenskraft aus wie kein anderer. Ein Herrscher, der viele Machtkämpfe in seiner weit verzweigten Familie zu bestehen, der etliche Schlachten in blutigen Kriegen geschlagen hatte, um sein Königreich zu verteidigen und zu erweitern. Der König erschien ihr als unbesiegbarer Held. Sein Haar schien einen Hauch grauer geworden zu sein, um die Leibesmitte wirkte er etwas fülliger. Aber dennoch hatte er nichts von seiner Anziehungskraft verloren.

Henrys durchdringender Blick heftete sich auf sie. Marguerite stockte der Atem. Seine Augen gaben ihr zu verstehen, dass sein Verlangen nach ihr noch immer loderte … Weder die vergangenen Monate der Trennung noch das Kind, das sie ihm geboren hatte, und schon gar nicht die Farce einer arrangierten Heirat hatten seine Gefühle für sie geschmälert. Ein Lächeln, das sie so sehr liebte, zuckte um seine Mundwinkel. Sie erwiderte es verschämt.

Es war dumm von ihr gewesen, nur eine Sekunde daran zu denken, er würde nicht einschreiten. Lord Orricks Worte hatten diese Zweifel in ihr geweckt. Doch nun las sie in Henrys Zügen, dass sie seiner Liebe und seiner Leidenschaft gewiss sein konnte. Er würde sie nicht verstoßen. Niemals.

Marguerite schloss einen Moment lang die Augen, überwältigt und zufrieden über das Ende dieser erniedrigenden Posse. Sie hatte nicht die Absicht, sich ihren Triumph anmerken zu lassen, wenn der König verkünden würde, ein anderes Arrangement für Lord Orrick getroffen zu haben. In der Öffentlichkeit musste sie weiterhin die Rolle der Büßerin spielen, um Henrys Stolz nicht zu verletzen und um ihn wissen zu lassen, dass sie sich die Lehre zu Herzen genommen hatte, die er ihr erteilt hatte.

Nun trat Lord Orrick an ihre Seite. Der Priester neben dem Stuhl des Bischofs begann, den Ehevertrag laut zu verkünden. Seine dröhnende Stimme drang bis in den hintersten Winkel der Großen Halle. Das Verlesen der jeweiligen Besitztümer und Titel dauerte minutenlang. Henry zeigte sich als äußerst großzügig, besser gesagt, er würde sich als spendabel erweisen, wenn die Hochzeit tatsächlich stattfinden würde. Dieser „Lord aus dem Norden“ hätte einen Riesengewinn gemacht mit seiner Zusage, sie zu heiraten.

Ein schmerzlicher Stich durchbohrte sie, als ihr zwei Dinge klar wurden: Sie bedeutete diesem Orrick nur das, was sie ihm an Gold und Titeln einbrachte, und Henry hatte diesen schändlichen Handel für Orrick so verlockend gestaltet, dass er gar nicht Nein sagen konnte. Kein Edelmann, den es nach Macht und Reichtum gelüstete, hätte dieses Angebot ausgeschlagen.

Marguerite atmete tief ein und legte sich eine andere Erklärung für diese Abmachungen zurecht, eine, die ihrem Verstand und ihrem Herzen sinnvoller erschien – Henry tat mit diesen noblen Schenkungen an Orrick lediglich seine hohe Wertschätzung ihrer Person kund. Bald würde der König sich erheben und diesem Spiel ein Ende bereiten, das im Grunde nur eine Demonstration seiner Zuneigung für sie darstellte.

Die plötzliche Stille schreckte Marguerite aus ihren wirren Gedanken und holte sie in die Gegenwart zurück. Sie blickte auf und bemerkte jetzt erst Orrick an ihrer Seite. Wartend hielt er ihr die Hand entgegen.

Ihr Blick flog zu Henry. Nun war der Moment für ihn gekommen, das Wort zu ergreifen. Der König nickte ihr zu und sah ihr tief in die Augen. Sie hatte Mühe, ihr Siegerlächeln zu verbergen, während sie sich andeutungsweise verbeugte.

„Hochwürdiger Herr Bischof“, sagte der König, nachdem er sich erhoben hatte. „Beginnt nun mit dem Ehegelöbnis.“

4. KAPITEL

Zum Glück hatte Orrick ihr bereits die Hand geboten, sonst wäre sie vermutlich bei den Worten des Königs zu Boden gesunken. Alle Anwesenden auf der Empore sahen, wie die Farbe aus ihrem Gesicht wich. Einen Moment fürchtete auch Orrick, sie würde in Ohnmacht fallen. Nun hoffte er, ihr Schockzustand möge während der Dauer der Zeremonie anhalten, da sie sich mit ihrer spitzen Zunge und ihrem aufbrausenden Temperament nur schaden würde.

Verwirrung und Fassungslosigkeit standen in ihren blauen Augen, als er sie vor den Bischof führte. Orrick wiederholte die Worte des Geistlichen, mit denen ihre Ehe besiegelt wurde, und drückte ihr die Hand, als die Reihe an ihr war, das Gelöbnis zu sprechen. Monoton wiederholte sie die Heiratsformeln. Sie zitterte so sehr, dass Orrick seinen Arm um ihre Mitte legte, um ihr Halt zu geben.

Einerseits geschah ihr ganz recht, da sie in ihrer Anmaßung und Überheblichkeit ihn nicht ernst genommen hatte. Andererseits hätte Orrick am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht; er wollte nichts mit diesem teuflischen Handel zu tun haben. Doch sein Pflichtgefühl hielt ihn an ihrer Seite, veranlasste ihn, sie beim Kniefall zu stützen, um den Segen des Bischofs zu empfangen, der sie zu Mann und Frau vor Gott und dem König erklärte.

Aus der Menge erhob sich ein Raunen, die Höflinge wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Orrick erhob sich von den Knien und half Marguerite aufzustehen. Auch der König stand auf, klatschte in die Hände und rief in die Menge.

„Hurra! Hurra!“

Jubel und Applaus schwollen zu einer Lautstärke, die selbst an Marguerites taube Ohren drang. Orrick wollte sie möglichst rasch wegbringen, um seine und ihre Würde vor dem König und seinem Hofstaat zu wahren. Er winkte seine Mutter zu sich, stellte ihr Marguerite vor und bat Lady Constance, sich seiner Braut anzunehmen. Er wollte Henry um Erlaubnis ersuchen, sich zu verabschieden. Schließlich verspürte er nicht den geringsten Wunsch, sich und seine Familie in Woodstock der Blamage einer enttäuschenden Hochzeitsnacht und dem zu erwartenden Fiasko am Morgen danach auszusetzen.

So näherte er sich Seiner Majestät, bat ihn um eine kurze Unterredung unter vier Augen und begab sich mit Henry in einen Alkoven vor der Halle. Ihm stand ein heikles Gespräch zwischen Monarch und Gefolgsmann bevor, zwischen dem Liebhaber und dem Ehemann ein und derselben Frau.

„Sire“, begann Orrick mit einer Verneigung, „ich bedanke mich, dass Ihr Euch dieser Angelegenheit persönlich angenommen habt.“ Henry versetzte ihn mit einem lauten Lachen in Erstaunen.

„Eure Dankbarkeit wird sich in Grenzen halten, sobald die Lady ihre Sprache wiedergefunden hat.“

Orrick hütete sich, auszusprechen, was ihm durch den Kopf ging. Sein einziger Gedanke bestand darin, seine Familie und seine Braut nicht der allgemeinen Lächerlichkeit preiszugeben, falls einer der unmittelbar Betroffenen in Gegenwart der Höflinge die Beherrschung verlieren sollte.

„Ich bitte Euch, mir zu gestatten, Woodstock umgehend zu verlassen.“

„Stehenden Fußes, Orrick? Ohne am Festmahl teilzunehmen, das ich Euch zu Ehren ausrichten lasse?“

Orrick überlegte, was er antworten sollte, entschied sich dann aber für eine offene und direkte Regelung. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und räusperte sich. Er musste freimütig von Mann zu Mann sprechen.

„Euer Gnaden, sowohl Ihr als auch ich wissen um Eure Beziehung zu Marguerite. Wir beide kennen den Grund, warum die Ehe zwischen der Lady und mir arrangiert wurde. Ich sehe keine Veranlassung, dieses Schauspiel noch länger in der Öffentlichkeit fortzuführen. Alle Hochzeitsgäste verstehen Euren Hinweis, den Ihr damit gegeben habt.“

Henrys Gesicht verfärbte sich dunkelrot, und Orrick fürchtete, er habe es mit seiner Offenheit zu weit getrieben. „Ist das Eure Meinung?“ Orrick nickte. „Und wie lautet diese Botschaft, wenn ich bitten darf?“

„Dass Ihr der König seid und Euer Wille geschehe.“

Orricks diplomatische Art, mit der er ausdrückte, dass der König jeden bestrafte, der seine Grenzen überschritt, tat ihre Wirkung. Der Zorn in Henrys Augen erlosch.

„Es steht Euch frei, jederzeit mit Eurem Gefolge abzureisen, Orrick.“ Der König wandte sich zum Gehen. „Der Tag wird kommen, an dem Ihr mir für meine Wohltat dankbar sein werdet.“

In der Annahme, der Monarch beziehe sich mit der Erwähnung einer Gunst darauf, dass er ihm die Peinlichkeit eines Hochzeitsmahls und die Katastrophe einer misslungenen Hochzeitsnacht ersparte, verneigte Orrick sich tief und folgte seinem König in die Halle zurück. Dort erteilte er seinen Männern Anweisungen zum baldigen Aufbruch. Dann stellte er sich der größeren Herausforderung: Marguerite.

Sie stand wie versteinert, nur ihre zitternden ineinander verschränkten Hände verrieten ihren inneren Aufruhr. Das schöne Gesicht war aschfahl, die Augen ausdruckslos. Dies sagte ihm alles, was er wissen musste. Er nickte seiner Mutter zu, die seine stumme Bitte verstand. Endlich führte er seine frisch angetraute Gemahlin aus der Halle in ihre Gemächer.

Marguerite blieb an der Stelle stehen, an welcher er ihren Arm freigegeben hatte. Sie würdigte ihn keines Blickes, als er der Dienerschaft Befehle gab. Nichts deutete darauf hin, dass sie überhaupt verstand, was um sie herum vorging. In gewisser Weise war er erleichtert, dass der Schock sie immer noch lähmte. Er musste noch einiges erledigen, bevor er mit seinem Gefolge Woodstock und den neugierigen, sensationslüsternen Blicken der Höflinge den Rücken kehren konnte. Orrick trachtete einzig und allein danach, allem zu entfliehen. Erst dann wollte und konnte er weitere Pläne in Angriff nehmen.

„Mutter“, rief er, „sorge bitte dafür, dass Lady Marguerites Reisekörbe auf unsere Fuhrwerke verladen werden. Ich nehme an, ihre Zofen haben das meiste bereits gepackt.“

Lady Constance war froh, gebraucht zu werden, und verteilte die Arbeit unter den Bediensteten. Marguerite dagegen stand immer noch starr und teilnahmslos inmitten der hektischen Betriebsamkeit. Orrick empfand Mitleid für sie, konnte nur ahnen, was in ihr vorging, nachdem sie erkennen musste, dass sie sich in dem geliebten Mann so schrecklich geirrt hatte und diese Schmach im Beisein so vieler hämischer Menschen ertragen musste, die ihre Niederlage voller Schadenfreude genossen.

„Marguerite“, sagte er leise. „Habt Ihr eine Zofe, die Euch nach Silloth begleitet?“

Sie blieb stumm. Er wollte sie schon bei den Schultern nehmen und wachrütteln, als eine junge Frau sich näherte und einen Knicks machte.

„Monsieur, ich bin Edmee, Lady Marguerites Zofe. Ich begleite Euch gerne.“

„Gut. Hilf deiner Herrin, Reisekleidung anzulegen. Wir brechen in einer halben Stunde auf.“

„Sehr wohl, Monsieur“, antwortete Edmee und wollte gehen, aber Orrick hielt sie zurück.

„Sprichst du englisch?“

„Nein, Monsieur. Nur normannisch und französisch.“

„Aha. Nun geh deiner Herrin bei den Vorbereitungen zur Hand.“

Orrick schüttelte den Kopf – ein weiteres Problem. Abgesehen von seiner Mutter und ihren Gesellschaftsdamen sprach in Silloth niemand französisch, manche seiner Leute sprachen neben englisch noch einen alten gälischen Dialekt. Aber die gebildete Marguerite war gewiss des Englischen mächtig.

Es blieb keine Zeit, sich Gedanken über Nebensächlichkeiten zu machen. Im Vertrauen darauf, dass seine Anweisungen ausgeführt wurden, kehrte er in seine eigenen Gemächer zurück. Kurz darauf brach er samt Frau, Mutter und Gefolge Richtung Norden in seine Heimat auf.

Hätte Orrick geahnt, wie beschwerlich der Ritt sein würde, hätte er ihn möglicherweise um ein paar Tage verschoben. Das Wetter schien sich gegen sie verschworen zu haben. Es stürmte und regnete tagelang, machte das Fortkommen beschwerlich und zwang ihn, die Gastfreundschaft einiger Lords, welche auf seiner eingeschlagenen Route wohnten, zu beanspruchen. Dies tat er vor allem wegen der angegriffenen Gemütsverfassung seiner Gemahlin, der er die Nächte unter freiem Himmel nicht zumuten wollte. Seine Ehefrau.

Seit der Abreise aus Woodstock hatte sich nichts an Marguerites verwirrtem Seelenzustand geändert. Seine Mutter berichtete ihm, dass sie Essen und Trinken verweigerte und kein Wort sprach, nicht einmal mit Edmee. Sie ließ alles über sich ergehen, tat gehorsam das, was man ihr sagte, und wirkte abwesend wie eine Schlafwandlerin.