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Hitler von innen erzählt die Liebesgeschichte Adolf Hitlers mit seiner Halbnichte Geli Raubal, die sich nach vier Jahren des Zusammenlebens mit „Onkel Alf" das Leben nimmt: in seiner Wohnung und mit seiner Pistole. Geli war dreiundzwanzig Jahre alt - ein lebenslustiges, fröhliches Mädchen wurde von einem kalten, vergleichsweise alten Mann in den Selbstmord getrieben. In gekürzter Fassung soll eine „konzentrierte" Version des 2008 erstmals erschienenen Romans erneut Gelegenheit bieten, Hitler auf die Schliche zu kommen.
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Seitenzahl: 135
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Uwe Bolius
Hitler von innen
Roman
Wenn er nicht böse war, wer dann?
Der britische Historiker Alan Bullock
über Adolf Hitler
1. Die Störung
Als Hitler des Mädchens ansichtig wurde, befiel ihn der dringende Wunsch, Geli den Hof zu machen. „Scheiße, die will ich haben.“ Vier Jahre später war seine Halbnichte tot.
Ein warmer Vorfrühlingstag des Jahres neunzehnhundertsiebenundzwanzig, früher Nachmittag.
Hitler begann sich zu ärgern, zu lang schon ließ ihn Angela warten. Er hatte seine Halbschwester zu sich bestellt, ins Haus Wachenfeld (aus dem dann der „Berghof“ wurde), dort sollte sie ihm den Haushalt führen. Alle anderen, die sich um den Posten bewarben, hatte er abgelehnt.
Eine verhärmt wirkende Frau erschien in der Tür. „Entschuldige, dass wir so spät …“ keuchte sie, breitete die Arme aus und ging auf ihren Halbbruder zu. Während sie näher trat, verlangsamte sich ihr Schritt, sanken ihr die Arme zu Boden, so eisig schaute Hitler sie an. „Der Zug aus Wien hatte Verspätung. Ich habe am Bahnhof gleich ein Taxi genommen …“ Sie verstummte.
„Wenn ich einen Termin ansetze, haben Sie ihn einzuhalten. Ich dulde keine Verspätung“, herrschte Hitler sie an.
„Aber Adi, seit wann siezen wir uns? Seit wann sagst du zu mir nicht mehr du?“
„Wer ist das da, hinter dir?“, fiel ihr Hitler ins Wort.
„Meine Tochter“, antwortete Angela, froh, die Peinlichkeit der Situation überbrücken zu können. „Aber die kennst du doch auch! Sie heißt so wie ich, Angela – alle nennen sie Geli.“
Hitler betrachtete das junge Mädchen einen Sekundenbruchteil zu lange, seine Augen weiteten sich, sein Atem stockte. „So, so, Geli heißt sie“, brummte er mit einschmeichelnd dunkler Stimme, mehr zu Geli als zu Angela hin.
„Komm, gib dem Onkel die Hand“, forderte die Mutter die Tochter auf und trat beiseite.
„Hi, uncle“, sagte das Mädchen fröhlich und ohne Scheu.
Natürlich hat sie nicht „hi“, sondern „Grüß dich Gott, Onkel Alf!“ gesagt. Zwar war ihr Verwandter kein Boy mehr, dem sie den Kopf verdrehn konnte, und cool war er schon gar nicht; aber irgendwie geil fand sie den Halbonkel doch: „Echt irre, seine stahlblauen Augen, mit denen er die meinen durchbohrt.“
„Sind sie nicht gewaltig, die Berge?“, wich Hitler aus, statt Geli die Hand zu geben, trat ans Fenster und zeigte auf die verschneiten Gipfel. „Wo auf der ganzen Welt gibt es so ein Panorama?“ Die Sonne stach, es wehte heftiger Föhn hinunter ins Tal.
Mutter und Tochter standen verloren in dem sehr kleinen Raum. Ein letzter Lichtstrahl traf auf die Gipfel, sie blendeten weiß in die Stube, dann stieg eine schwarz und immer schwärzer werdende Wolkenwand rasend schnell in den Himmel und verdeckte die Sonne.
„Okay, Geli, wenn das so ist …“ murmelte Hitler, tief bewegt vom Anblick der gleißenden Berge und berauscht von den eigenen Worten. „Du hast recht, Angela, wir waren immer per Du. Dabei soll es bleiben. Und was die Zugverspätung betrifft: die kann jedem passieren. Kommt, setzen wir uns.“
Hitler war allein, hatte alle Parteigenossen, mit denen er sich sonst stets umgab, alles Personal weggeschickt. Vor nichts graute ihm mehr als vor der eigenen Kindheit. In der Stube war es dunkel geworden und begeistert schilderte er den Verwandten die Umbauten des Häuschens, die zu planen er längst befohlen hatte. „Du wirst ein großes Haus führen, Angela! Ich zähle auf dich! Minister, Präsidenten, Industriebosse und Grafen werden hier speisen. Und die Berge, die hole ich hier herein, mit einer Fensterscheibe, so groß, wie sie Deutschland noch nie gesehen hat, vom Fußboden bis zur Decke. Sie sollen erbeben, die fremden Mächte, vor der majestätischen Wucht meiner Berge. In die Knie soll’n sie gehen!“
Hitler schätzte es zunehmend, Gott zum Partner zu haben. War Gott nicht sein heimlicher Führer? Mit dem unschätzbaren Vorteil des Schweigens? Die „Vorsehung“, wie Hitler ihn nannte, redete ihm nie etwas drein. „Das ist wirklich praktisch bei dir“, dachte er ohne einen Funken Zynismus.
Angela fühlte sich unbehaglich und unter Druck, beinahe erpresst, Hilfe suchend ergriff sie die Hand ihrer Tochter. Hitler unterbrach seinen Monolog, starrte die Halbschwester an, sekundenlang. „Angela, ich bin heute reich“, sagte er leise, fast drohend, als spürte er ihre Bedenken, „ich werde gut zahlen. Und Geli? Die nehme ich mit nach München, in meine Obhut, dort kann sie studieren; meine Wohnung ist groß genug für uns zwei.“
„Au, geil“, riss das Mädchen sich los, sprang aus dem Fauteuil und setzte sich ihm auf den Schoß. „Darf ich in deinem Mercedes fahren?“ Fast noch Kind, umschlang sie Hitler mit beiden Armen; der erstarrte. „Sag bitte ja, Onkel Alf!“ Mehr als die Macht des Begehrens schreckte ihn die Fröhlichkeit des jungen Dings da auf seinen Schenkeln.
Auf einmal stand Geli vor ihrem Onkel und sang. „Johohoe! Johohohoe“, setzte sie an, Hitler war hingerissen. Sentas Ballade aus dem Fliegenden Holländer gehörte zu seinen Lieblingsstücken. „Traft ihr das Schiff im Meere an, blutrot die Segel, schwarz der Mast …“, hörte er das Mädchen singen, Wagners Musikwind pfiff ihm um die Ohren, auch ohne Orchester, der rastlose Seemann aus der Oper – das war er! Hitler identifizierte sich mit der Sagengestalt, mehr noch mit der Sängerin. „Hui, wie ein Pfeil fliegt er hin, ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh.“ Als das Mädchen weitersang, ergriff ihn die Sehnsucht: „Doch kann dem bleichen Manne Erlösung einstens noch werden, fänd er ein Weib, das bis in den Tod getreu ihm auf Erden.“
Nur mit Mühe schaffte er es, seine Haltung zu bewahren. Immer wieder blickte er von Geli weg nach draußen, sehnsüchtig hin zu den Bergen. Aber umsonst. Gott gab keine Antwort, die Berge schon gar nicht. Er wollte das Mädchen haben und wollte es nicht, er kämpfte mit Gelis Schmelz, als gälte der Kampf seinem Leben: Hitlers weibischer Körper revoltierte, schrie lautlos auf und verlangte sofort nach Erlösung. Da! Ein Blitz! Taghell die Stube, grellweiß die Wand, aschfahl Hitlers Gesicht. Sein linker Arm zuckte hoch, fiel nieder auf sein Gemächt, zwischen die Beine, bedeckte es hohl mit der Hand. Hitler stöhnte auf, ohne dass jemand ihn hörte, sein Hilferuf blieb wortlos und stumm. Dann zuckte seine zweite Hand der ersten zu Hilfe.
Geli sang alle drei Strophen von Sentas Ballade, Hitlers Sehnsucht wurde größer und größer. „Hab ich für dich einstudiert, Onkel“, flüsterte ihm das Mädchen ins Ohr und gab ihm einen Schmatz, „weil du so ein Wagnerfan bist.“
Auf Ernst folgte Heiteres, auf Oper die Operette. „Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist“, sang sie jetzt mit zierlicher Stimme, breitete die Arme aus und machte eine runde Bewegung um Hitler herum, so, dass er ihr von links nach rechts folgen musste, dann in die Gegenrichtung, wieder zurück, während sie sich von der Musik wiegen ließ. Hitler war hingerissen von ihr, die Süße der Operettenmelodie trieb ihm die Tränen in die Augen; auch er wollte vergessen, auch er wollte glücklich sein.
Als der letzte Ton verklungen war, stellte sich Geli atemlos vor ihren Onkel, süchtig nach Lob. Sie lächelt ihn so strahlend an, dass er applaudierte. Ihm wurde bewusst, zugleich aber nicht, was ihn berührte; er wusste es nicht und spürte es doch, was ihn schreckte. Gelis junger straffer Körper, so schön, verlieh seinem Herzen winzige Flügel. Zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben begann er, auf eine Frau, auf ein Mädchen zu fliegen. Hitler hatte, während Geli sang, seine Hände zwischen die Beine geklemmt. Jetzt riss er sie heraus, begann laut zu klatschen und lachte so roh, dass es Geli das Herz fror und sogar Angela beklommen zumute war. Sie nahm alle Kraft zusammen, um Adolf jene Frage zu stellen, die Gelis Schicksal besiegelte. Über viel Kraft verfügte sie nicht. „Wie hoch ist mein Monatsgehalt?“, fragte sie ihren Halbbruder. Hitler nannte die Summe und Angela nickte.
Die Luft in der Stube wurde drückend, der Himmel war schwarz, die Sonne verfinstert. Ganz vereinzelt schlugen Regentropfen ans Fenster. „Puhhh, ist es hier aber schwül“, sagte Geli und öffnete es, Hitler machte es sofort wieder zu. Fast waagrecht schlug der Regen jetzt gegen die kleinen Scheiben, und als er versuchte, die Frauen ins Untergeschoss zu begleiten, das für Dienstboten vorgesehen war, klemmte sein Schirm. Ließ sich nicht öffnen. Verweigerte dem Herrn seinen Dienst.
„Scheiße“, dachte Hitler ein zweites Mal und wies Angela an, ganz allein mit ihrer Tochter über die hölzerne Veranda, deren Überdachung keinen Schutz bot, einen Stock tiefer zu gehen; dort unten sei es gemütlich: „Nur keine Angst vor dem bisschen Regen!“
Er hingegen zog es vor, im Trockenen zu bleiben, um sich dem Spektakel der Berge im Sturm hingeben zu können.
Unten angekommen, half Geli der Mutter, die Habseligkeiten zu verstauen. Gemeinsam überzogen sie die Betten, machten Feuer in der Küche und bereiteten das Abendessen vor. Das Wüten der Blitze ließ nach, das Tosen der Donner flaute ab, das Gewitter ging in einen Landregen über, der einschläfernd zu rauschen begann.
Da fragte Geli die Mutter: „Du, warum lacht Onkel Alf immer so komisch, wenn er überhaupt lacht? Warum ist er immer so ernst?“ Angela seufzte, schüttelte den Kopf und lächelte traurig. „Willst du nichts sagen, oder kannst du es nicht?“, bohrte Geli neugierig weiter. Sie schüttelte den Kopf, lachte, die dunkelbraunen Locken flogen um ihr rundes Gesicht. Rund war auch ihr Gemüt, ihr ganzer Körper strahlte Fröhlichkeit
Als Angela nicht aufhörte zu seufzen, während sie immer noch schwieg, riss Geli die Geduld. „Mama“, drohte sie lachend, „wenn du nicht mit mir sprichst, mach ich auf der Stelle kehrt. Ich fahre nach Linz zurück und lass dich allein, mit dem dämlichen Onkel Alf. Der hat ja ’ne Schnauze im Gesicht statt einer Nase!“
Da musste auch Angela lachen.
2. Wer war Adolf Hitler? Eine Annäherung
Ich stelle mir den Alltag des Menschen vor, von dem hier die Rede ist.
Wie er jeden Tag nicht in der Früh, wie der Rest der Menschheit, sondern erst gegen Mittag, wie im Showbusiness üblich, aus dem Bett steigt, gähnend in die Toilette schlurft, von dort zum Waschtisch, wo er missmutig in den Rasierspiegel blickt; einen größeren Spiegel hatte er sich verbeten, um seinen schwammigen Körper nicht sehen zu müssen; wie er den Rasierschaum mit dem Rasierpinsel anrührt, ihn um das Kinn streicht, die Oberlippe einseift, links und rechts neben dem Bärtchen, dann das Rasiermesser ausklappt, es mit der Kuppe des Zeigefingers prüft, die Klinge am Lederriemen entlang zieht, um sie zu schärfen, und sich das Messer an den Hals setzt; wie ihm dabei der Gedanke kommt, ob es nicht besser wäre, sofort Schluss zu machen, statt sein seit der Kindheit verpfuschtes Leben weiterzuleben; wie er dann, rationalisierend und monologisierend, die Frage aufwirft, jeden Tag wieder dieselbe, ob ein Schnitt in den Puls nicht effizienter wäre, und weniger schmerzhaft, als ein Schnitt in die Kehle; wie er schließlich, jeden Tag wieder aufs Neue, den Gedanken an sein Unglück verwirft, die Scham, die ihn zu würgen beginnt, rasch verdrängt, sich fertig rasiert, das Rasiermesser zuklappt und halblaut brummt: „Ich werde die Menschheit retten, den Juden vernichten. Rache ist süß.“
Ich sehe, ja, ich sehe ganz deutlich, wie mit dem Hass die Lust in ihn schießt, er seinen Körper aufrichtet, in das Spiegelchen blickt, sich zulächelt, den Rest des Rasierschaums abwischt und sich wäscht; wie er seinen Oberkörper mit kaltem Wasser abreibt, das Geschlecht und den Hintern; wie er kräftig durchatmet und zu glänzen beginnt, weil er vor Kraft nur so strotzt. Und wie sein inneres Ohr, Tag für Tag wieder aufs Neue, die Stöße der Fanfare vernimmt, die seine Oper eröffnet.
Öffentlich wird er die tagtäglich inszenierte Flucht vor dem Sturz in den Selbstmord zum „Triumph meines Willens“ erklären, während er privat seine Schlafkammer aufsperrt und mäßig gelaunt vor sein Publikum tritt.
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