HOCHZEITSREISE IN DEN TOD - George H. Coxe - E-Book

HOCHZEITSREISE IN DEN TOD E-Book

George H. Coxe

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Beschreibung

Alan Wallace findet seinen Freund, den Millionär Johnny Marshal, tot im Weinkeller. Eine explodierende Champagnerflasche war die Todesursache. Doch Alan glaubt nicht mehr an einen Unfall, als er neben dem Toten den Schal der frisch angetrauten Gattin entdeckt... »George H. Coxe ist ein Stern erster Größe auf dem Gebiet des Kriminalromans. Seine Bücher sind stets unterhaltend, packend und spannend. Er versteht es, ein schnelles Tempo anzuschlagen, das er von Kapitel zu Kapitel und von Buch zu Buch beibehält.« (Original-Werbetext) Der Roman HOCHZEITSREISE IN DEN TOD des US-amerikanischen Schriftstellers George H. Coxe (* 1901 in Olean, Cattaraugus County, New York; † 31. Januar 1984) erschien erstmals im Jahr 1944; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1973.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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GEORGE H. COXE

 

 

Hochzeitsreise in den Tod

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

HOCHZEITSREISE IN DEN TOD 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Dreiundzwanzigstes Kapitel 

Vierundzwanzigstes Kapitel 

Impressum

 

Copyright © by George H. Coxe/Signum-Verlag.

Published by arrangement with the Estate of George Harmon Coxe.

Original-Titel: The Groom Lay Dead.

Übersetzung: Wulf Bergner.

Lektorat: Dr. Birgit Rehberg

Umschlag: Copyright © by Christian Dörge.

 

Verlag:

Signum-Verlag

Winthirstraße 11

80639 München

www.signum-literatur.com

[email protected]

Das Buch

 

 

Alan Wallace findet seinen Freund, den Millionär Johnny Marshal, tot im Weinkeller. Eine explodierende Champagnerflasche war die Todesursache. Doch Alan glaubt nicht mehr an einen Unfall, als er neben dem Toten den Schal der frisch angetrauten Gattin entdeckt...

 

»George H. Coxe ist ein Stern erster Größe auf dem Gebiet des Kriminalromans. Seine Bücher sind stets unterhaltend, packend und spannend. Er versteht es, ein schnelles Tempo anzuschlagen, das er von Kapitel zu Kapitel und von Buch zu Buch beibehält.« (Original-Werbetext) 

 

Der Roman Hochzeitsreise in den Tod des US-amerikanischen Schriftstellers George H. Coxe (* 1901 in Olean, Cattaraugus County, New York; † 31. Januar 1984) erschien erstmals im Jahr 1944; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1973. 

  HOCHZEITSREISE IN DEN TOD

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Auf der Uhr im Wartesaal des Bahnhofs Hoboken war es Viertel vor eins. Draußen hasteten Leute vorbei, die einen der letzten Vorortzüge erreichen wollten; hier im Wartesaal standen Reisende mit ihrem Gepäck am Schlafwagenschalter. Ein Matrose holte sich die für ihn reservierte Liegewagenkarte nach Buffalo ab. Nach ihm kam ein dicker Geschäftsmann, der sich aufregte, weil er kein Einbettabteil nach Binghamton bekam, obwohl er schon vor zwei Tagen angerufen hatte. Als er endlich ging, trat ich an den Schalter und fragte nach den für Wallace zurückgelegten Karten.

»Wohin?«

»Mit dem Ein-Uhr-Zug nach Bath«, antwortete ich und beobachtete, wie er die Umschläge sortierte. Dann zog er einen heraus.

»Alan Wallace? Ja... Wagen sechsundachtzig, Abteil C. Die Karten sind schon bezahlt, Mr. Wallace.«

Als ich mich abwandte, sah ich einen Gepäckträger, der meinen Koffer hoffnungsvoll betrachtete. Ich nickte ihm zu und erklärte ihm, zu welchem Zug ich wollte. In der Bahnhofshalle kamen wir am Zeitungsstand vorbei, wo bereits die morgigen Zeitungen aushingen. In den Schlagzeilen war von Vietnam die Rede, aber ich achtete nicht weiter darauf, denn ich wollte nicht ständig an Dinge erinnert werden, die ich zu vergessen versuchte. Stattdessen kaufte ich mir einen Kriminalroman für unterwegs und steckte ihn in die Manteltasche.

Wir passierten die Bahnsteigsperre und gingen den Zug entlang. Der Schlafwagenschaffner stand an der Tür des Wagens 86 und ließ sich meine Karte geben. Während er mit meinem Koffer verschwand, bezahlte ich den Gepäckträger und rauchte meine Zigarette auf dem Bahnsteig zu Ende. Erst dann suchte ich mir mein Abteil.

Ich wusste aus Erfahrung, dass ich erst schlafen konnte, wenn der Zug fuhr. Deshalb hängte ich meinen Mantel auf, holte den Krimi aus der Tasche und streckte mich damit auf dem Bett aus. Bevor ich zu lesen beginnen konnte, hörte ich auf dem Bahnsteig Männer und Frauen lachend durcheinanderreden. Einzelne Stimmen waren nicht zu unterscheiden, aber die Gruppe dort draußen schien sich gut zu amüsieren.

Ich vermutete, dass das Johnny Marshall und seine Gäste waren, und fragte mich, wen er diesmal mitgebracht haben mochte. Er hatte mich am Tag zuvor angerufen und mir von einem Theaterstück erzählt, das ich lesen sollte. Er wollte zu seinem Landsitz an einem der Finger Lakes fahren, und wenn ich mitkam, konnten wir über das Stück reden. Vielleicht war es etwas, was mich als Regisseur interessierte.

Ich hatte im Augenblick nichts anderes zu tun, deshalb nahm ich sein Angebot dankend an. Das Marine Corps hatte keine Verwendung mehr für mich, und obwohl ich mir nicht allzu viel von dem Stück erhoffte, konnte es brauchbar sein. Etwas Abwechslung würde mir guttun - wenn Johnny in guter Form war, konnte ich mit dem nächsten Zug zurückfahren.

Jetzt fragte ich mich, ob ich hinausgehen und Johnny begrüßen sollte. Ich wusste, dass er dann darauf bestehen würde, dass ich ihm und seinen Freunden bei einem Drink Gesellschaft leistete. Aber dazu hatte ich keine Lust. Johnny reiste nie ohne Earl Garlin und Linda Jordan - Garlin als Kammerdiener und Leibwächter, Linda als Sekretärin -, aber ich wusste nicht, wen er diesmal noch mitgenommen hatte. Deshalb blieb ich lieber in meinem Abteil.

Wir waren zwischen Brick Church und Orange, als jemand bei mir an die Tür klopfte. Ich öffnete, Earl Garlin stand vor mir. Sein braungebranntes, energisches Gesicht wirkte verblüfft, als er mich sah.

»Oh!«, sagte er. »Hallo, Alan.« Er räusperte sich verlegen. »Äh... Johnny möchte, dass Sie ins Abteil A kommen.«

Seine Reaktion hätte mich warnen müssen. Als ehemaliger Privatdetektiv war Garlin nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, aber jetzt schien er ziemlich verwirrt zu sein. Ich achtete jedoch nicht darauf, denn ich dachte an Johnny. Ich hatte keine Lust, die Einladung anzunehmen, aber dann riskierte ich, dass Johnny gegen meine Tür trommelte, bis der ganze Schlafwagen wach war.

»Okay.« Ich zog mir meine Jacke an.

Wir gingen nach vorn zum Doppelabteil A. Ich hatte etwa ein halbes Dutzend Leute erwartet; stattdessen sah ich nur drei: Johnny Marshall, Carol Gibson und Linda Jordan. Johnny stand am Fenster und wollte eben ein Glas von dem Klapptischchen nehmen. Er blieb leicht nach vorn gebeugt stehen, sah zu mir hinüber und runzelte die Stirn. Linda Jordan saß vor ihm - die Betten waren noch nicht gemacht - und hatte ein Glas in der rechten und eine Zigarette in der linken Hand. Carol saß ihr gegenüber. Das Lächeln auf ihrem Gesicht erstarrte, als sie mich sah.

»Oh, du bist’s, Alan!« Carol wurde blass und starrte Marshall an. »Johnny«, flüsterte sie erschrocken, »Johnny!«

Er grinste nur. »Überrascht, was?« Er richtete sich auf: ein schlanker, eleganter Mann mit braunem Haar und grauen Augen. Sein Grinsen war hässlich und fast bösartig.

»Hallo«, begrüßte er mich und gab mir das Glas. »Hier hast du gleich einen Drink, Alan.«

Ich trank langsam einen Schluck, um Zeit zu gewinnen. Diese Begegnung war für mich kein geringerer Schock als für Carol - denn Carol war bis vor einem Monat meine Verlobte gewesen. Dass wir uns getrennt hatten, war meine Schuld, aber ich liebte sie noch immer. Ich hatte zwar gehört, dass Carol öfters mit Johnny Marshall ausgegangen war, aber ich hatte mir eingeredet, sie sei nicht Johnnys Typ.

Als ich Carol jetzt in seinem Abteil sah, fiel es mir schwer, mich daran zu erinnern, dass sie tun und lassen konnte, was sie wollte. Dass Johnny mich durch einen Trick dazu gebracht hatte, seine Einladung anzunehmen, war typisch für ihn und seine verrückten Ideen. Aber ich durfte mir nicht anmerken lassen, wie sehr ich darunter litt, Carol in seiner Gesellschaft zu sehen.

»Danke«, murmelte ich. Dann sah ich zu Linda Jordan hinüber. »Hallo( Linda. Eine nette Party, was?«

Das erwartete Lächeln blieb aus. Linda, eine zierliche Brünette, erwiderte meinen Blick nicht. »Ja«, stimmte sie ausdruckslos zu, »eine nette Party.«

Johnny Marshall räusperte sich. »Na, willst du uns nicht gratulieren?«

Ich wusste nicht, was er meinte. Er grinste immer noch. Carol war kreidebleich. Ihre braunen Augen waren unnatürlich geweitet.

»Zeig’s ihm, Schätzchen«, forderte Johnny sie auf. Er hielt ihre Hand mit dem Ehering hoch. »Komm, trink aus, Alan! Willst du uns nicht Glück wünschen?«

Ich war wie vor den Kopf geschlagen. »Wann?« hörte ich mich benommen fragen.

»Heute Nachmittag«, antwortete er. »Wir haben alles geheimgehalten... nur vor unseren Freunden nicht. Habe ich dir denn nichts davon erzählt, als ich angerufen habe?«

Er wusste genau, dass er kein Wort davon gesagt hatte. Er hatte alles vorausgeplant - auch dass er mich nicht vorher informieren würde. Ich sah, wie er nach einer Zeitung griff und sie aufschlug. Der Lokalteil enthielt einen Bericht über die standesamtliche Trauung und ein Foto des frischgetrauten Ehepaars. Und das in der Zeitung, die ich auf dem Bahnhof Hoboken hätte kaufen können!

Ich hasste die beiden, und mein Gesichtsausdruck zeigte, was ich empfand, denn Carol hielt erschrocken den Atem an, und

Johnny trat einen Schritt zurück. Im gleichen Augenblick drängte Earl Garlin sich rasch an mir vorbei. Er hielt sich zwischen Johnny und mir, während er Drinks mixte. Und Linda stand auf, legte mir eine Hand auf den Arm und nahm mir das leere Glas aus der Hand.

»Hier, setzen Sie sich«, sagte sie. »Earl, gib ihm noch einen Drink.«

Meine Benommenheit schwand. Ich konnte wieder klar denken. Johnny grinste mich hinter Garlins Schulter an.

»Na, willst du uns nicht gratulieren?«

»Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich. »Wie wär’s, wenn wir aufs Wohl der vierten Mrs. Marshall trinken? Oder ist sie schon die fünfte?«

 

Als ich in mein Abteil zurückkam, ließ ich mich aufs Bett fallen und machte das Licht aus. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich in die Nacht hinausstarrte, bis jemand an meine Tür klopfte. Ich gab mir einen Ruck, machte wieder Licht und öffnete.

Earl Garlin stand mit einer Flasche und zwei Gläsern draußen im Gang. Er schien keinen Schwips zu haben; er wirkte nicht einmal müde. Er sah aus wie immer: glatt und dunkel und undurchschaubar. Jetzt schloss er die Tür hinter sich.

»Ich dachte, Sie würden vielleicht noch einen Schluck trinken wollen«, sagte er und schenkte ein. Ich nickte schweigend, als er mir ein Glas gab. »Sie haben nichts von der Trauung gewusst, was?«, erkundigte er sich, nachdem wir getrunken hatten.

»Glauben Sie, dass ich sonst hier wäre?«

»Nein. Das habe ich mir auch überlegt, als Johnny Ihnen den Ring gezeigt hat. Und deshalb bin ich zwischen Sie und ihn getreten - ich hatte Angst, Sie würden über ihn herfallen.« Earl machte eine Pause. »Er hat mir nur gesagt, ich sollte den Kerl aus Abteil C holen. Das war ein schäbiger Trick. Ich weiß wirklich nicht, wie Johnny auf solche Ideen kommt. Aber wenn er bösartig wird...«

Er konnte nicht zu Ende sprechen. Diesmal wurde die Tür aufgerissen, ohne dass jemand angeklopft hätte. Johnny Marshall torkelte herein. Zwanzig Millionen Dollar auf zwei sehr unsicheren Beinen. Sein Gesicht war unter der Sonnenbräune blass, sein Blick war starr, und er trug ein blödes Grinsen zur Schau. Ich ballte unwillkürlich die Fäuste, aber Garlin stand bereits zwischen uns.

»Hallo«, murmelte Johnny. »Ich brauch’ noch einen Drink. Nur noch einen, ja?« Er wollte nach Garlins Glas greifen, aber plötzlich sackte er zusammen, und Earl ließ es fallen, um ihn aufzufangen.

»Völlig weg«, stellte Garlin fest. Er legte Marshall auf mein Bett. »Und das in der Hochzeitsnacht...« Er richtete sich auf. »Am besten bleibt er gleich hier. Ich habe nur ein Bett in einem Zweierabteil, aber Linda kann bei Carol schlafen, und Sie nehmen ihr Abteil.«

Ich nickte zustimmend und erklärte ihm, ich würde mir gleich den Schlafanzug anziehen. Ich nahm an, Garlin würde das Abteil verlassen, damit ich mehr Bewegungsfreiheit hatte. Aber er dachte gar nicht daran. Er wollte offenbar kein Risiko eingehen; er wusste, dass ich seit meiner Rückkehr aus Vietnam in psychiatrischer Behandlung war, und konnte sich vorstellen, wie sehr ich Marshall jetzt hasste.

Als ich fertig war, ging ich nach vom zum Abteil A. Carol öffnete die Tür nur einen Spalt breit. Das Licht hinter ihr ließ ihr Haar goldgelb schimmern, aber ihre Augen blieben im Schatten, so dass ich ihren Ausdruck nicht sehen konnte.

»Johnny ist umgekippt«, sagte ich. »Er liegt bei mir auf meinem Bett. Garlin hält es für besser, wenn er dort bleibt.«

Carol antwortete nicht gleich. »Danke, Alan«, flüsterte sie dann und wollte die Tür schließen.

»Augenblick!«, widersprach ich. »Ich schlafe in Lindas Abteil und schicke sie hierher. Das ist die einfachste Lösung.« Ich zögerte, bevor ich hinzufügte: »Gute Nacht!«

Linda Jordan hatte Abteil B. Ich klopfte, nannte meinen Namen und musste einen Augenblick warten, bis sie ihren Morgenrock angezogen hatte. Dann öffnete sie die Tür, und ich betrat das nach Parfüm duftende Abteil.

»Was gibt’s, Alan?«, fragte sie besorgt.

Ich berichtete, was passiert war. Die Unterhaltung mit Linda war beruhigend, denn die hübsche, zierliche Brünette war unparteiisch. Sie war seit sechs, sieben Jahren Marshalls Sekretärin, hatte in dieser Zeit vier Ehen miterlebt und war durch nichts mehr zu verblüffen.

»Okay«, sagte sie schließlich, »ich habe schon befürchtet, dass so etwas passieren würde.« Linda packte ihren Toilettenbeutel. »Ich verstehe nicht, wie ein Mann so charmant und dann wieder so gemein sein kann. Manchmal frage ich mich selbst, warum ich so lange bei ihm geblieben bin.« Sie sah zu mir auf. »Haben Sie nicht gewusst, dass die beiden heiraten wollten?«

Ich schüttelte wortlos den Kopf. Ich musste das Thema wechseln, bevor ich explodierte. Ich fragte sie deshalb, was das viele Parfüm bedeute. »Waschen Sie sich damit?«

Sie zeigte lachend auf eine halbleere Flasche. »Sie ist mir hinuntergefallen. Dabei ist ein bisschen ausgelaufen.« Linda legte mir die Hand auf den Arm. »Das mit Carol tut mir wirklich leid, Alan. Sie hat bestimmt nichts von Johnnys Plan gewusst - falls Ihnen das ein Trost ist.«

»Ja, ja, schon gut«, wehrte ich ab. Um Linda zu zeigen, dass ich es zu schätzen wusste, wenn sie sich meinetwegen Sorgen machte, lächelte ich sogar, als ich ihr die Tür öffnete. »Vielen Dank und gute Nacht!«

Dann lag ich in der Dunkelheit und dachte an Carol. Und an den Mann in meinem Abteil, den ich am liebsten erwürgt hätte. Ich wusste damals noch nicht, dass es in diesem Zug zwei weitere Reisende gab, die ähnlich dachten. Wahrscheinlich wäre ich überhaupt nicht eingeschlafen, wenn ich gewusst hätte, dass jemand in seinem Gepäck eine Flasche Blausäure hatte.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Wir stiegen kurz nach zehn Uhr morgens in Bath aus. Bis dahin hatte ich nur Linda Jordan gesehen. Sie war an der Abteiltür erschienen, als der Zug in Elmira einfuhr, und hatte mir gesagt, mein Abteil sei wieder frei. Ich hatte mir das Frühstück dort servieren lassen, während ich überlegte, ob ich aussteigen und mit dem nächsten Zug nach New York zurückfahren sollte.

Mein Stolz hatte mich dazu gebracht, trotz allem zu bleiben: Marshall sollte sich nicht freuen können, weil es ihm gelungen war, mich zutiefst zu verwunden. Ich würde den Unbeteiligten spielen. Meine ehemalige Verlobte hatte einen anderen geheiratet - aber was ging mich das an? Ich würde das Theaterstück lesen und dann abreisen. Doch in Wirklichkeit hoffte ich noch immer, dass etwas passieren würde, was Carol zeigen musste, was für einen Mann sie geheiratet hatte. Vielleicht würde sie ihn dann verlassen, bevor es zu spät war.

Als der Zug abfuhr, stand ich auf dem Bahnsteig und unterhielt mich mit Linda Jordan. Johnny sprach mit einem weißhaarigen Mann, der unser Gepäck zu einem Kombi brachte. Dann sah ich zwei Leute aus dem zweiten Schlafwagen auf uns zukommen und wusste, dass sie zu unserer Gruppe gehörten. Die Frau war Helen Bradford, Johnny Marshalls Schwester, und der Mann mit den Koffern war Spencer Haughton.

Helen schien überrascht zu sein, mich hier zu sehen. »Alan!«, rief sie aus. »Was hast du hier... Ich meine, ich habe nicht gewusst, dass du kommen würdest.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Das war eine von Johnnys netten kleinen Ideen.«

Sie runzelte die Stirn und sah an mir vorbei zu ihrem Bruder hinüber. Helen Bradford war eine große, stattliche Erscheinung in einem teuren Tweedkostüm.

»Hallo«, sagte Spencer, stellte die Koffer ab und schüttelte Linda und mir die Hand. Mir fiel ein, dass er nach allem, was ich gehört hatte, ebenfalls Grund hatte, Marshall zu hassen. Als ich noch darüber nachdachte, kam Johnny auf uns zu.

»Guten Morgen, Helen. Hallo, Spencer. Freut mich, dass ihr gekommen seid.« Er sah sich um. »Wo ist dein Anwalt, Helen? Du wolltest ihn doch mitbringen?«

»Er hatte noch einen wichtigen Termin. Aber er kommt heute Abend.«

»Hmmm.« Marshall zuckte mit den Schultern. »Gut, dann können wir gleich fahren. Bert kümmert sich um eure Koffer... He, Bert!«

Das Wetter war für September ungewöhnlich warm, und wir fuhren durch eine farbenprächtige Herbstlandschaft. Selbst Johnny war guter Laune, obwohl er ziemlich verkatert wirkte. Er saß mit Carol vorn neben Bert Donelly, dem weißhaarigen Mann, der den Kombi fuhr, und erzählte uns, wir müssten uns in mancher Beziehung selbst versorgen.

»Früher hatten wir massenhaft Personal«, sagte er. »Aber diese schönen Zeiten sind jetzt vorbei. Stimmt’s, Bert?«

»Richtig, Mr. Marshall.«

»Jetzt sind nur noch Bert und seine Frau da. Hoffentlich seid ihr imstande, euch die Betten selbst zu machen. Wie steht’s damit, Helen?«

»Wir kommen schon zurecht«, wehrte sie ab. »Wenn du deins machen kannst, haben wir anderen bestimmt keine Mühe damit.«

Johnny grinste nur. »Oh, Carol macht meins. Oder vielmehr unseres, nicht wahr, Schätzchen?« Als sie keine Antwort gab, runzelte er die Stirn. »Wisst ihr, was mich noch interessiert?«, fragte er uns. »Ich wüsste gern, wer mir heute Nacht ein Betäubungsmittel in den Drink geschüttet hat.«

»Betäubungsmittel?«, wiederholte Earl Garlin. »Sie haben gar keins gebraucht!«

»Etwas Chloralhydrat hätte schon genügt.« Marshall beobachtete unsere Reaktion. »Wisst ihr bestimmt, dass mir keiner von euch netten Leuten einen Schuss ins Glas gekippt hat?«

»Vielleicht war es die Braut, Johnny«, meinte Helen sarkastisch. »An ihrer Stelle hätte ich jedenfalls etwas Ähnliches getan.«

Sein Grinsen erstarrte. »Ja, ich weiß. Aber Carol ist anders. Carol ist nett. Nicht wahr, Schätzchen?« Er drückte sie an sich.

»Das kann ich nicht beurteilen«, murmelte sie.

»Sie ist sauer wegen letzter Nacht, glaube ich«, sagte Marshall zu uns.

Wir fuhren einige Zeit schweigend weiter. Rechts war bereits der See zwischen Bäumen zu sehen. Links der Straße lagen Farmen und Weinberge. Die Weinlese hatte begonnen, und wir überholten mehrere Lastwagen mit Trauben.

»Wird hier in der Gegend der gute Wein aus New York State gemacht?«, fragte Haughton.

»Allerdings!«, stimmte Johnny zu. »Und der beste kommt aus der Weinkellerei dort vorn.«

Er ließ Bert vor einem niedrigen Steingebäude halten, das in den Hang hineingebaut war, und forderte uns auf, ihn zu begleiten. Wir stiegen gehorsam aus. Johnny führte uns durch hölzerne Schiebetüren in einen düster beleuchteten Keller, in dem ganze Reihen von Weinfässern und endlos lange Flaschenregale standen.

Ein Mann in Khakihemd und heller Hose kam die Treppe vom Büro herunter. Er begrüßte Marshall und wurde uns als Jim Ingalls, der Kellermeister, vorgestellt. Marshall bat ihn, eine leere Kiste zu holen. Nachdem Ingalls sie gebracht hatte, füllte er sie mit Flaschen aus den Regalen.

Ich beobachtete ihn dabei und sah dann zu Carol hinüber, die einige Schritte von uns entfernt stand. Im Licht einer der nackten Glühbirnen und vor dem dunklen Hintergrund war ihr Gesicht mitleiderregend blass. Sie tat mir leid, und ich musste mich beherrschen, um nicht zu ihr zu gehen und zu versuchen, sie zu trösten.

Dann knallte in unserer Nähe etwas wie ein Schuss und ließ mich in panischer Angst zusammenzucken. Ich wandte mich ab, um zu fliehen, und hatte bereits einen Schritt gemacht, bevor ich erkannte, dass der Knall kein Schuss gewesen sein konnte. Ich blieb mit zitternden Knien stehen.

»Was hast du, Alan?«, fragte Marshall. Er lächelte spöttisch. »Keine Angst, hier schießt niemand auf dich. Das war nur eine Champagnerflasche. Kommt, ich zeige euch, was so geknallt hat.«

Eine unförmige Gestalt kam uns entgegen. Wir sahen, dass der Mann eine Gesichtsmaske aus Drahtgeflecht und einen wattierten Schutzanzug trug. Marshall erkundigte sich, wo die Flasche explodiert sei, und der Mann zeigte uns die Splitter.

Johnny erklärte uns, Champagnerflaschen müssten in einem bestimmten Stadium der Gärung täglich zweimal gewendet werden. Dabei konnten sie platzen - und das war die Erklärung für den Knall von vorhin. Der Arbeiter musste Schutzkleidung tragen, um nicht durch Glassplitter verletzt zu werden.

 

 

 

 

  Drittes Kapitel

 

 

Marshalls Landsitz lag in einem Park direkt am See: eine weitläufige Anlage mit Tennisplatz, Bootshaus und Swimming-Pool, der nötig war, weil der See meistens erst Ende Juli warm wurde. Das Haus lag etwa in der Mitte zwischen Straße und Seeufer; eine hohe Hecke bildete an zwei Seiten die Grundstücksgrenze, ein Bach und der See begrenzten die anderen Seiten. Johnnys Villen in Palm Beach und Southampton waren luxuriöser, aber mir gefiel dieses Haus besser, weil es hier keine neugierigen Nachbarn gab.

Beim Mittagessen herrschte gedrückte Stimmung. Mit Ausnahme von Marshall und Garlin schien jeder jeden zu beobachten, als frage er sich, was der andere hier zu suchen habe. Ich wunderte mich über Helen Bradfords und Spencer Haughtons Anwesenheit - und merkte, dass ihnen meine Gegenwart ebenso unerklärlich war. Carol wirkte kühl und zurückhaltend. Sie unterhielt sich freundlich mit uns allen, aber ich hatte sie noch nie so reserviert erlebt.

Nach dem Essen wollte Johnny Tennis spielen und brachte Garlin und Haughton schließlich dazu, gegen ihn und Linda anzutreten. Selbst wenn meine Verwundung schon ausgeheilt gewesen wäre, hätte ich nicht mitgespielt.

---ENDE DER LESEPROBE---