5,99 €
Diesmal ist Jack Fenner, der Privatdetektiv aus Boston, sein eigener Klient! Ein Unbekannter hat sein Büro besucht und als Gastgeschenk einen Toten hinterlassen...
Die Spur führt Jack von einem Go-Go-Girl in die geheiligten Hallen der Bostoner Geld-Aristokratie...
George H. Coxe (* 1901 in Olean, Cattaraugus County, New York; † 31. Januar 1984) war ein US-amerikanischer Schriftsteller.
Der Roman Striptease mit Revolver erschien erstmals im Jahr 1975; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1976.
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2022
GEORGE H. COXE
Striptease mit Revolver
Roman
Apex Crime, Band 278
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
STRIPTEASE MIT REVOLVER
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Einundzwanzigstes Kapitel
Diesmal ist Jack Fenner, der Privatdetektiv aus Boston, sein eigener Klient! Ein Unbekannter hat sein Büro besucht und als Gastgeschenk einen Toten hinterlassen...
Die Spur führt Jack von einem Go-Go-Girl in die geheiligten Hallen der Bostoner Geld-Aristokratie...
George H. Coxe (* 1901 in Olean, Cattaraugus County, New York; † 31. Januar 1984) war ein US-amerikanischer Schriftsteller.
Der Roman Striptease mit Revolver erschien erstmals im Jahr 1975; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1976.
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
Im Vergleich zur Autobahn war der Verkehr in der Stadt um diese Zeit noch immer leicht, und in der Umgebung des dreistöckigen Gebäudes, in dem Jack Fenner sein Büro hatte, gab es genügend freie Parkuhren.
Die Fahrt von Cape Cod in die Stadt war angenehm und unkompliziert gewesen; der Septembermorgen war nach einem verregneten Sonntag klar und sonnig. Fenner hatte sich übers Wochenende gut erholt, und der kleine Gewinn, den er erzielt hatte - insgesamt 43 Dollar bei Golf, Bridge und Poker -, war eine erfreuliche Zugabe gewesen.
Da er nicht lange bleiben wollte, warf er nur einen Dime in die Parkuhr und schlenderte dann über die Straße auf den schmalen Eingang zu, der zwischen einem Schreibwarengeschäft und einem Reisebüro eingezwängt war. Im Erdgeschoss zeigten Namenschilder an, dass eine Versicherungsagentur den ersten Stock gemietet hatte; im zweiten Stock waren die Mieter: J. H. Fenner - ohne Berufsangabe -, zwei Wirtschaftsprüfer, ein Briefmarkenhändler und ein Zahnarzt. Im dritten Stock befand sich ein Architekturbüro.
Fenner steckte seinen Schlüssel in die Bürotür und drehte dabei aus alter Gewohnheit an dem Türknopf. Als die Tür sich auch ohne Schlüssel öffnen ließ, blieb er einen Augenblick verblüfft stehen. Er erinnerte sich daran, dass er am Freitag etwas früher als sonst gegangen war, aber er wusste auch, dass Alice Maxwell, seine Sekretärin, sich jeweils davon überzeugte, dass alles abgeschlossen war, bevor sie ging. Dann gab er sich einen Ruck und öffnete langsam die Tür.
Sein Büro wäre für einen Fernsehdetektiv zu nüchtern gewesen, aber Fenners Stil entsprach eher diese geschäftlich-nüchterne Einrichtung. Das Vorzimmer, in dem Alice arbeitete, war durch eine niedrige Theke mit einem Durchgang in zwei ungleich große Teile unterteilt. In dem vorderen Teil stand eine Sitzgruppe für Besucher um einen niedrigen schwarzen Tisch mit Illustrierten und Aschenbechern.
Ihm fiel als erstes auf, dass eine der Stehlampen neben der zur Sitzgruppe gehörenden Couch umgefallen war. Dann sah er, dass der Tisch etwas zur Seite gerückt war. Aber er musste erst einen Schritt vortreten, um den Mann auf dem Fußboden zu sehen - nicht die ganze Gestalt, sondern nur die Schuhe und einen Teil der Hosenbeine.
Fenner stand sekundenlang wie erstarrt da und wollte seinen Augen nicht trauen. Aber während seiner Dienstzeit als Kriminalbeamter hatte er gelernt, sich in solchen Situationen nicht von Emotionen beeinflussen zu lassen. Deshalb schluckte er ein paarmal, ging rasch um den Tisch herum und kniete neben der bewegungslosen Gestalt nieder.
Er brauchte weder den blutgetränkten Kragen noch die ehemals gelbe Krawatte zu sehen, um zu wissen, dass der Mann tot war. Ihm war intuitiv klar, dass der Ermordete auf der Couch gesessen hatte oder eben aufgestanden war, als er von hinten mit zwei Schüssen niedergestreckt worden war. Der Tote war ein Mann von Fenners Größe - einsachtzig oder etwas darüber -, schlanker, einige Jahre jünger - Anfang Dreißig - und dunkelhaarig mit schwarzem Schnauzbart, der sich auffällig von der wachsbleichen Gesichtsfarbe abhob.
Fenner sah, dass eine Hosentasche des mittelblauen Anzugs beinahe nach außen gestülpt war. Er tastete die übrigen Taschen ab und stellte fest, dass sie ebenfalls leer zu sein schienen. Erst dann hob er einen Arm des Toten hoch, ließ ihn wieder sinken, legte beide Hände an den Kopf und versuchte, ihn zu bewegen. Als er sich wieder aufrichtete, wusste er, dass die Leichenstarre bereits abgeklungen war.
Als erstes rief er Alice an, damit sie nicht ins Büro kam. Die Polizei würde sie später vernehmen wollen, aber das konnte sie bei ihr zu Hause tun. Alice meldete sich schon nach dem zweiten Klingeln.
»Alice? Ich bin froh, dass ich Sie noch erreicht habe.«
»Ich wollte eben fort, Mr. Fenner. Tut mir leid, aber ich komme heute ein paar Minuten zu spät.«
»Nein, Alice. Ich möchte, dass Sie zu Hause bleiben.«
»Oh?« Sie machte eine Pause. »Ist... ist was passiert?«
Fenner schilderte ihr in nüchternen Worten, was er im Büro vorgefunden hatte. Alice kannte diesen Tonfall gut genug, um ihn nicht zu unterbrechen. Und ihre Antwort bewies Mitgefühl und gesunden Menschenverstand.
»Wie schrecklich für Sie!«, rief sie aus. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
»Ja, Alice«, sagte Fenner. »Die Polizei wird Sie wahrscheinlich vernehmen wollen, aber das kann noch einige Zeit dauern. Ich möchte, dass Sie uns eine kleine Brücke kaufen. Preiswert, aber nicht schäbig. Irgendein Farbton, der gut zu dem grünen Teppichboden passt.«
»Für wohin denn?«
»Für die Stelle vor der Couch.«
»Oh! Sie meinen, dass dort ein...«
»Richtig«, unterbrach Fenner sie. »Später können wir den Teppichboden reinigen lassen, aber vorerst tut’s eine Brücke. Deshalb will ich nicht allzu viel dafür ausgeben.«
»Gut, Mr. Fenner. Soll ich sie liefern lassen?«
»Ja - möglichst noch vor fünf Uhr, Alice.«
Fenner legte langsam auf. Er warf einen Blick auf seine Uhr, bevor er wieder nach dem Hörer griff; sie zeigte 8.56 an. Diesmal wählte er die Nummer des Polizeipräsidiums, ließ sich mit der Mordkommission verbinden und verlangte Lieutenant Bacon.
»Augenblick, Sir«, forderte ihn der Sergeant vom Dienst auf. »Er ist gerade hereingekommen.«
Dann meldete Lieutenant Bacon sich mit der mürrischen Stimme eines Mannes, der bereits ahnt, dass dieser erste Anruf des Tages Unannehmlichkeiten bringen wird.
»Okay, Jack, was gibt’s diesmal?«
»Ich habe einen Job für Sie, glaub’ ich.«
»Was soll das heißen? Ich bin noch nicht einmal dazu gekommen, meinen Mantel auszuziehen!«
»Ich auch nicht. Ich bin eben erst ins Büro gekommen.«
»Und was verstehen Sie unter einem Job für uns?«, fragte der Lieutenant misstrauisch. »Ist bei Ihnen eingebrochen worden? Warum rufen Sie dann nicht das zuständige Revier an? Sie wissen doch, dass wir...«
»Ich habe nicht das Revier angerufen, weil mir das zu umständlich ist«, unterbrach Fenner ihn. »Das Revier schickt einen Kriminalbeamten her, der mit seinem Partner aufkreuzt und mir Hunderte von Fragen stellt. Danach verständigt er Sie, und Sie kommen hierher, um mir die gleichen Fragen zum zweiten Mal zu stellen. Deshalb erzähl’ ich Ihnen die Sache lieber gleich - es sei denn, Sie wollten mich stattdessen mit Captain Carney verbinden.«
Das wirkte, denn Bacon konnte Carney nicht ausstehen.
»Augenblick!«, knurrte der Lieutenant. »Soll das heißen, dass irgendwo eine Leiche liegt?«
»Ein Weißer Anfang Dreißig«, bestätigte Fenner. »Mit zwei Kugeln im Hinterkopf. Oder zumindest mit einer. Die andere ist wieder ausgetreten, glaub’ ich.«
»Okay.« Das klang hörbar resigniert. »Wo?«
»In meinem Büro.«
Nach dieser nüchternen Feststellung schien es Bacon die Sprache verschlagen zu haben. Als er wieder sprechen konnte, klang seine Stimme kalt und scharf.
»Wann haben Sie ihn aufgefunden, Jack?«
»Vor ungefähr zehn Minuten. Ich bin vorbeigekommen, um die Post vom Samstag abzuholen, und habe die äußere Tür unverschlossen vorgefunden.«
»Wie lange liegt er Ihrer Meinung nach schon dort?«
»Mindestens seit Samstagmorgen.«
»Wie kommen Sie darauf, Jack?«
»Meine langjährige Erfahrung im Umgang mit Gerichtsmedizinern sagt mir, dass...«
»Schon gut, schon gut! Wo sind Sie gewesen? Am Samstagmorgen, meine ich.«
»Das erzähle ich Ihnen, wenn Sie hier sind.«
»Sie kennen den Mann wohl nicht?«
»Nein.«
»Haben Sie nachgesehen, ob er einen Ausweis bei sich hat? Aber wehe Ihnen, wenn Sie die Leiche dabei bewegt haben!«
»Ich habe seine Taschen abgetastet. Ich glaube nicht, dass Sie einen Ausweis finden werden.«
»Okay.« Diesmal war ein Seufzer zu hören. »Bleiben Sie, wo Sie sind, und schnüffeln Sie nicht allzu viel herum.«
»Sie kommen also tatsächlich her?«
»Sehr witzig!«, knurrte Bacon und legte auf.
Fenner drückte grinsend auf die Gabel, um die nächste Nummer wählen zu können. Er erreichte Kent Murdock, als der Journalist gerade in die Courier-Redaktion fahren wollte.
»Hör zu, Kent, ich möchte dich um einen Gefallen bitten«, begann er.
»Klar«, sagte Murdock. »Was kann ich für dich tun?«
»Bei mir im Büro ist ein Mann ermordet worden - anscheinend schon am Samstagmorgen. Ich möchte dich und
Gene Carter von den News bitten, bei der Lokalredaktion zu erreichen, dass weder mein Name noch meine Adresse genannt werden. Das ist schließlich nicht unbedingt nötig, stimmt’s? Ich meine, wenn mein Name mit solchen Meldungen in Verbindung gebracht wird, könnten potentielle Klienten den falschen Eindruck von mir bekommen. Und das wäre geradezu geschäftsschädigend.«
»Ja, ich verstehe«, stimmte Murdock zu.
»Ich finde, dass in einem Bürogebäude reicht. Du sollst nur dafür sorgen, dass es nicht im Büro des Privatdetektivs Jack Fenner heißt.«
Murdock lachte. »Okay, ich weiß, was du meinst, Jack. Soll ich versuchen, Gene Carter zu erreichen? Du kommst vielleicht nicht mehr dazu.«
»Danke, Kent, damit tätest du mir einen großen Gefallen«, antwortete Fenner und legte auf.
Drei Minuten später trafen Lieutenant Bacon und Sergeant Gaynor ein. Sie kamen ganz unauffällig und ohne die in Fernsehfilmen so beliebten Sirenen und quietschenden Reifen. Fenner wusste nicht einmal, dass die beiden da waren, bis an die äußere Bürotür geklopft wurde. Er hatte sich inzwischen davon überzeugt, dass auch aus seinem Arbeitszimmer nichts fehlte, und saß wieder an Alices Schreibtisch, als die beiden Kriminalbeamten hereinkamen.
Lieutenant Bacon nickte Fenner wortlos zu und konzentrierte sich dann auf die Leiche. Er war ein großer hagerer Fünfziger, der stets eine Art Uniform trug: Mit Ausnahme seiner schwarzen Schuhe, des weißen Hemdes und der blauen Krawatte war alles an Bacon grau - sein Anzug, sein Haar, seine Augen und sogar seine Gesichtsfarbe. Der Graue Lieutenant, wie Kent Murdock ihn einmal genannt hatte, hätte ein Bankier sein können, aber sein stets prüfender, forschender, abschätzender Blick verriet ihn doch.
Joe Gaynor, der stämmige junge Sergeant, war liebenswürdiger als ein Vorgesetzter. Während Bacon die Leiche anstarrte, nickte der Sergeant Fenner zu und flüsterte mit Verschwörermiene: »Er ist nicht sauer - ihm passt’s nur nicht, wenn er am Montagmorgen gleich in aller Frühe arbeiten muss.«
Fenner nickte verständnisvoll.
Der Lieutenant hatte sich über den Toten gebeugt. Dann streckte er eine Hand nach etwas aus, das unter dem Couchtisch lag. Als er sich wieder aufrichtete, sah Fenner erstaunt, dass Bacon eine Patronenhülse in den Fingern hielt.
»Kaliber fünfundzwanzig«, stellte der Kriminalbeamte fest. »Sie haben nicht zufällig eine Waffe dieses Kalibers?«
»Nein. Ich habe zwei Revolver Kaliber achtunddreißig. Einen hier, den anderen zu Hause.«
»Hmm. Okay, Sie wollten mir erzählen, wo Sie am Samstag gewesen sind.«
»Ich bin übers Wochenende in Falmouth eingeladen gewesen - bei der Familie Lathrop.«
»Und am Freitagabend?«
»Da bin ich schon in Falmouth gewesen.«
»Wann haben Sie Ihr Büro verlassen?«
»Am Freitagnachmittag um Viertel nach vier.«
Der Lieutenant überlegte; dann änderte er seine Taktik.
»Sie kennen den Toten nicht, Jack?«, fragte er. »Sie haben ihn noch nie gesehen?«
»Richtig«, bestätigte Fenner.
»Und Sie wissen also auch nicht, was er hier gewollt hat?«
»Keine Ahnung«, sagte der Privatdetektiv.
»Seine Taschen sind anscheinend wirklich leer«, stellte Bacon fest. »Aber das muss sich erst zeigen, wenn der Arzt die Leiche freigegeben hat.«
Bevor der Lieutenant weitersprechen konnte, kamen zwei junge Männer herein, die Fenner sofort als Kriminalbeamte erkannte. Wahrscheinlich kamen die beiden vom nächsten Revier. Einer von ihnen war drahtig, der andere muskulös; der Drahtige trug seine braunen Haare so lang, wie es die Vorschriften eben noch erlaubten.
»Kelly und Agostino, Lieutenant«, sagte der Muskulöse und betrachtete dabei interessiert den Toten.
Bacon nickte schweigend und wandte sich an Fenner. »Tun Sie mir einen Gefallen und warten Sie inzwischen in Ihrem Büro?«, forderte er ihn auf. »Was ist übrigens mit Ihrer Sekretärin?«
»Ich habe sie heute Morgen angerufen, damit sie nicht ins Büro kommt und das hier sieht...« Fenner diktierte Gaynor Alices Namen und Adresse. »Sie bleibt zu Hause, falls Sie sie erreichen wollen.«
»Okay.« Der Lieutenant schob Fenner nach nebenan. »Sobald wir hier draußen fertig sind, kommen Gaynor und ich zu Ihnen hinein. Wir haben einiges miteinander zu besprechen, glaub’ ich.«
Jack Fenner saß in seinem Büro am Schreibtisch, spielte mürrisch mit seinem Schlüsselbund und horchte nach draußen, wo Bacons Experten an der Arbeit waren. Er fühlte sich ausgeschlossen, gewissermaßen enteignet, weil er hier warten sollte, während die anderen das Vorzimmer auf den Kopf stellten. Aber seine angeborene Neugier gewann bald die Oberhand, und er beobachtete aufmerksam, was sich nebenan tat.
Aufleuchtendes Blitzlicht zeigte ihm, dass ein Polizeifotograf den Toten von allen Seiten aufnahm. Fenner konnte nicht mehr sagen, wie viele Fachleute inzwischen eingetroffen waren, aber er sah den Fingerabdruckexperten, dem ein zweiter Mann mit einer Spezialkamera folgte. Außerdem erkannte er den Polizeiarzt, einen rundlichen kleinen Mann mit schütterem Haar, dessen Name ihm nicht gleich einfiel. Bacon sprach kurz mit ihm, bevor der Arzt wieder aus Fenners Blickfeld verschwand.
Nachdem Fenner etwa fünf Minuten lang gehorsam hinter seinem Schreibtisch gesessen und gewartet hatte, stand er fluchend auf und ärgerte sich, weil er diese Verbannung so geduldig hingenommen hatte. Er ging zur Tür, lehnte sich an den Türrahmen und beobachtete den Arzt, der eben seine Untersuchung beendete. Lieutenant Bacon stand mit den Händen in den Hosentaschen neben ihm.
»Sie bleiben also bei achtundvierzig Stunden?«, wollte Bacon wissen, als der kleine Mann sich aufrichtete.
»Zwischen fünfundvierzig und fünfzig«, bestätigte der andere.
Fenner musste sich beherrschen, um nicht triumphierend zu grinsen, als Bacon zu ihm hinübersah.
»Samstagmorgen«, stellte der Lieutenant fest. »Nicht schon Freitagabend?«
»Bestimmt nicht!« Der Arzt ließ die Schlösser seiner schwarzen Ledertasche zuschnappen. »Ich bin dafür, dass wir die Autopsie abwarten. Falls sich im Magen Frühstücksreste finden...«
»Und die Waffe ist nicht aufgesetzt gewesen, als die Schüsse abgegeben worden sind?«
»Nein, aber sie sind aus nächster Entfernung abgegeben worden. Das Haar ist angesengt. Ich tippe auf zwanzig bis fünfundzwanzig Zentimeter.«
Fenner wartete, bis der Arzt gegangen war, aber als dann die Leiche abgeholt wurde, ging er in sein Arbeitszimmer zurück. Er saß dort hinter seinem Schreibtisch, als Bacon mit Sergeant Gaynor hereinkam. Der Lieutenant ließ sich in einen Besuchersessel fallen und wies Gaynor mit einer Handbewegung den zweiten an.
Bevor er zu sprechen begann, zündete er sich eine dünne schwarze Zigarre an, warf das Streichholz in den Aschenbecher auf Fenners Schreibtisch und stieß eine bläuliche Rauchwolke aus.
»Okay, wir müssen irgendwo anfangen«, stellte Bacon fest. »Die Tatausführung lässt auf einen Profi schließen, aber das braucht nicht unbedingt zu stimmen. Warum ist der Mann in Ihrem Büro ermordet worden, Jack?«
Fenner zuckte nur mit den Schultern.
»Ich bezweifle, dass das ein Zufall gewesen ist«, sagte der Lieutenant. »Der Mann ist hier ermordet worden, weil der Täter gewusst hat, dass die Leiche erst zwei Tage später entdeckt werden würde. Außerdem haben Sie recht gehabt: Seine Taschen waren leer. Um die Identifizierung zu erschweren? Das nützt wenig, falls der Ermordete vorbestraft gewesen ist. Wir lassen seine Fingerabdrücke nach New York und ans FBI übermitteln.«
»Warum nach New York?«
»Weil sein Anzug in New York City gekauft worden ist«, antwortete Bacon. Er starrte Fenner durchdringend an. »Wer kann gewusst haben, dass Ihr Büro leerstehen würde? Haben Sie jemand in Verdacht, der Sie in Schwierigkeiten bringen möchte? Sind Sie mit der hiesigen Mafia aneinandergeraten?«
»Nein«, sagte Fenner.
»Sie haben Ihr Büro also am Freitagnachmittag um Viertel nach vier verlassen?«
»Richtig«, bestätigte der Privatdetektiv.
»Und Ihre Sekretärin hat hier abgeschlossen?«
Fenner nickte schweigend.
»Sie sind vom Büro aus direkt nach Cape Cod gefahren?«
»Ja. Ich hab’ einen Koffer und meine Golftasche im Wagen gehabt.«
»Okay, was haben Sie also zwischen Freitagnachmittag und Montagmorgen getan?«, wollte der Lieutenant wissen.
Fenner bemühte sich, nicht die Geduld zu verlieren. Er wusste, dass Bacon ihn nicht verdächtigte; er war sich auch darüber im Klaren, dass die Ermittlungen in jedem Fall routinemäßig ablaufen mussten. Schließlich bestand immer die Chance, dass dabei Einzelheiten zutage gefördert wurden, die einen brauchbaren Hinweis ergaben.
Er schilderte das Wochenende chronologisch: Freitagabend im Haus seines Gastgebers, Golf am Samstagvormittag, Bridge am Samstagabend, Angelausflug am verregneten Sonntagmorgen, Drinks und Poker an Bord der Jacht und danach Abendessen im Coonamessett Inn.
Bacon, der schweigend zugehört hatte, sah zu Gaynor hinüber, als Fenner fertig war. »Haben Sie schon mal ein Wochenende in diesem Stil verbracht, Joe?«, fragte er trocken. »Glauben Sie, dass wir so was jemals erleben?«
Der Sergeant schüttelte den Kopf. »Wir kennen eben nicht die richtigen Leute.«
»Stimmt!« Bacon betrachtete das glühende Ende seiner Zigarre. »Wer hat also gewusst, dass Sie weg sein würden?«
»Wahrscheinlich fünfzehn bis zwanzig Leute«, antwortete der Privatdetektiv trübselig.
»Okay, fangen wir mit Ihrer Sekretärin an. Hat sie einen Freund?«
Fenner nickte und gab den Namen von Alices Verlobtem an.
»Wem haben Sie hier im Haus davon erzählt?«
»Dem alten Lipscomb von gegenüber.«
»Dem Briefmarkenhändler? Wem noch?«
»Marge Tyler, der Rothaarigen im Reisebüro. Sie kann anderen davon erzählt haben... Saul Klinger, der das Lebensmittelgeschäft auf der anderen Straßenseite hat - und seiner Tochter, seinem Schwiegersohn Eddie und Moe, einem der Taxifahrer, die unten an der Ecke stehen.« Fenner machte eine Pause, bevor er hinzufügte. »Alan Townsend hat’s auch gewusst.«
»Welchen Townsend meinen Sie damit?«
»Von der Firma Carter & Townsend.«
»Sie meinen die Maklerfirma? Haben Sie dort ein Kundenkonto? Groß genug, dass es von einem der Teilhaber betreut wird?«
»Unsinn!«, wehrte Fenner ab. »Innerhalb der Firma ist George Abbott für mich zuständig. Aber ich habe letztes Jahr einmal für Alan Townsend gearbeitet, und wir sind seitdem gute Bekannte.«
Der Lieutenant kniff die Augen zusammen.
»Irgendeiner der Townsends hat sich letztes Jahr scheiden lassen«, stellte er dann fest. »Haben Sie was damit zu tun gehabt?« Als Fenner nickte, erkundigte er sich: »Ich dachte, Sie übernehmen keine Scheidungssachen?«
»Richtig - falls Sie Aufträge meinen, bei denen man durch Schlüssellöcher spionieren muss«, bestätigte Fenner. »Diesen Auftrag habe ich von Townsends Anwalt bekommen. Die Sache ist völlig in Ordnung gewesen. Interessieren Sie sich dafür?«
»Ich hab’ reichlich Zeit.« Bacon sah grinsend zu Gaynor hinüber. »Sie auch, Joe?«
Fenner schüttelte irritiert den Kopf. »Wenn Sie so weitermachen, erzähl ich Ihnen gar nichts mehr, Lieutenant.«
»Okay, okay!« Bacon wirkte leicht zerknirscht. »Ich bin nur ein bisschen überrascht, weil ich ganz neue Seiten an Ihnen entdeckt habe. Golf in Woods Hole, Drinks an Bord einer Jacht und vertrauliche Gespräche mit Börsenmaklern. Aber machen Sie bitte weiter! Wie sind Sie zu dem Auftrag gekommen?«
»Alan Townsend ist ein echter Gentleman«, berichtete Fenner. »Aber Männer wie er fallen häufig auf leichtsinnige, untreue Frauen herein, und Alans Frau hat ihn immer wieder mit anderen Männern betrogen. Er hat sie mehrmals vor den Konsequenzen gewarnt, aber sie hat nur gelacht und ist mit ihrem Liebhaber, dessen Namen er kannte, übers Wochenende nach Puertorico geflogen.
Daraufhin ist Alan der Kragen geplatzt«, erzählte Fenner weiter. »Über seinen Anwalt habe ich den Auftrag bekommen, Material für eine Scheidungsklage zu sammeln. Ich habe die beiden fotografiert, als sie an Bord der Maschine gegangen sind, und zwei Kollegen in San Juan haben sie übers Wochenende beschattet.«
»Okay.« Der Lieutenant nickte zustimmend, »Und wie kommt’s, dass Sie Townsend von Ihren Wochenendplänen erzählt haben?«
»Er hat mich gesehen, als ich in der Firma gewesen bin, um mit George Abbott zu sprechen.«
»Wann ist das gewesen?«
»Am Donnerstagnachmittag. Townsend hat mich in sein Büro gebeten.« Fenner grinste sarkastisch. »Weil ich ein so wertvoller Klient bin, nehm’ ich an.«
»Ja, natürlich!«