Höllenritt - Bad Boy Uli (Ulrich Detrois) - E-Book

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Bad Boy Uli (Ulrich Detrois)

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Beschreibung

Er stammt aus einer gutbürgerlichen Familie. Und er war ein Hells Angel. Er hat mit Drogen gedealt, ein Bordell betrieben, Menschen ins Krankenhaus geprügelt, und nicht nur das. Er war Mitbegründer eines Charters der deutschen Hells Angels und dort acht Jahre lang Vize-Präsident - bis er eines Tages ausschied. Seitdem wird er von seinen ehemaligen Brüdern mit dem Tode bedroht. Dies ist die Geschichte von Bad Boy Uli. Er erzählt, wie er zu seinem ersten Bordell kam, und später ein Hells Angel wurde. Er nimmt uns mit auf seine Touren zu seinen Brüdern in der Südsee, in Südafrika und in den USA. Er berichtet von den deutschen Clubs, ihren Strukturen und ihren geheimen Regeln. Und er räumt mit dem Easy-Rider-Mythos von Freiheit und Abenteuer auf. Denn Hells Angels geht es vor allem um eines: um viel Geld. Bad Boy Uli beschreibt kriminelle Geschäfte mit Waffen, mit Drogen und mit Prostitution. Noch nie hat ein führender deutscher Hells Angel so offen ausgepackt. Noch nie haben Außenstehende einen so tiefen Einblick in diese geheimnisvolle und gefährliche Welt erhalten. Weitere Informationen finden Sie auch unter www.badboyuli.de.

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Ulrich Detroisunter Mitarbeit von Nicole Biewald

HÖLLENRITT

Ein deutscher Hells Angel packt aus

Econ

Econ ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH

ISBN978-3-430-92007-0

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

© der deutschsprachigen AusgabeUllstein Buchverlage GmbH, Berlin 2010Alle Rechte vorbehaltenSatz und eBook (9): LVD GmbH, Berlin

Inhalt

VorbemerkungVorwort

Vom Paradies direkt in die HölleWeiße SträndeOut!Ich war ein Hells AngelKooperation

LehrjahreSchulzeitStrafdienstZwischen Angelladen und BordellGute DealsÄrger mit den Bullen

Bones MCRockerlebenUnser ClubhausHöllenbund

Hells Angel foreverGroße FreiheitWeg zum MemberMeetings mit HindernissenDer Club und seine FreundeDer Club und seine GegnerAlltagTrip nach Amerika

HöllenrittDer letzte Deal – ohne michUnter PolizeischutzDer MordauftragDas Ende meines ChartersRechtsstaat?Zukunftstraum

AnhangWorld-RulesChronologieHells-Angels-CharterGlossar

Vorbemerkung

Um Persönlichkeitsrechte einiger Akteure zu wahren, wurden Namen, Orte und Personenbeschreibungen verfremdet. Alle in diesem Buch dargestellten Ereignisse, Szenen und Dialoge haben sich aber so wie beschrieben oder in sehr ähnlicher Weise abgespielt.

Der Text gibt die Sichtweise des Autors wieder, nicht die des Verlages. Die beschriebene Gewalt billigen wir nicht. Doch als Verlag halten wir es für sinnvoll und wichtig, einen authentischen Einblick in die Szene der deutschen Hells Angels zu geben. Darum geht es in diesem Buch.

Der Econ Verlag

Vorwort

Mein Name ist Bad Boy Uli. Ich war Vize-Präsident in der gefährlichsten Rockerbande der Welt. Ich war ein Hells Angel. Ich werde euch meine Lebensgeschichte erzählen – eine Geschichte voller Gewalt, Drogen, Erpressung und Lügen. Was in dieser Welt zählte, war das Big Business.

Bei der Beschreibung der Hells Angels lasse ich bewusst die von vielen oft gepriesene Historie des Clubs außer Acht – den Mythos des »Easy Riders«. Denn was früher einmal galt und heute immer noch romantisch nach außen getragen wird, hat mit der Realität absolut nichts mehr zu tun. Die Hells Angels sind kein eingetragener Verein, keine Genossenschaft und keine Firma. Sie sind lediglich ein Zusammenschluss von Menschen mit gleichen Interessen und gleicher Gesinnung. Ihre Interessen sind dabei vor allem materiell: Viele ihrer Mitglieder weltweit betreiben Drogen-, Waffen- oder Menschenhandel, andere beuten Prostituierte aus. Und so machen sie Profit. Nicht wenige gehen dabei über Leichen.

Die Hells Angels wurden am 17. März 1948 in Berdoo in Kalifornien gegründet. Von dort aus wuchs der Club unaufhörlich. Nachdem die USA erobert waren, ging es einmal um die ganze Welt: Neuseeland, England, Schweiz, Australien, Holland, Dänemark, Frankreich, Alaska, Brasilien, Südafrika, Liechtenstein, Spanien – und das war nur der Anfang!

Damals wurden die Hells Angels gern in der Security-Szene eingesetzt, so beispielsweise 1969 bei einem Konzert der Rolling Stones. Während dieser Veranstaltung kam es vor der Bühne zu einer Rangelei, bei der ein Ordner einen Besucher erstach. Als Grund gab der Hells Angel an, dass der junge Mann mit einer Pistole in Richtung der Bühne gezielt habe. Das aber ließ sich nie beweisen. Der Hells Angel kam zwar vor Gericht und wurde wegen Totschlags angeklagt. Letztlich wurde festgestellt, dass er nur aus Notwehr gehandelt hatte. Die Hells Angels gerieten unter Beschuss – doch der Club expandierte weiter.

Ein Jahr danach gründete sich das erste europäische Charter in Zürich. In Deutschland eröffneten die Hells Angels weitere drei Jahre später ihr erstes Charter in Hamburg. Anfang 2010 gab es weltweit bereits fast dreihundert Charter!

An der Spitze des Clubs stehen die Amerikaner – in Person: Sonny Barger. Er ist einer der Mitbegründer des Motorrad-Clubs. Wenn er etwas zu sagen hat, hören alle zu. Die Charter weltweit sind gleichberechtigt und folgen den World-Rules, den Gesetzen des Clubs. Diese werden von den Mitgliedern gehütet wie der Heilige Gral.

Noch niemals waren sie einem Außenstehenden zugänglich. Der ursprüngliche Leitgedanke des Clubs heißt: »Einer für alle, alle für einen.« Ehrlichkeit, Vertrauen und Aufrichtigkeit stehen dabei an erster Stelle. In diesem Buch werden die World-Rules erstmals veröffentlicht. Dafür werden Hells Angels weltweit ihre Kettenhunde auf mich hetzen und alles daran setzen, mich auf Ewigkeit zum Schweigen zu bringen. Sei es drum, wir werden sehen.

Ich habe sehr viel im Club erlebt und tiefe Kenntnisse über Abläufe und Vorgänge erhalten. Aus meiner heutigen Sicht kann ich zu den USA keine klare Stellung beziehen und will das deshalb auch nicht tun.

Ganz anders ist meine Haltung zu den Chartern in Deutschland. Der Großteil der Member der Hells Angels Germany gehört für mich nicht mal im Ansatz zum Club, denn er hat nur seine eigenen Interessen im Kopf, nutzt den Club für seine persönlichen Geschäfte und umgeht mit allen Mitteln die eigentlichen Regeln. Die anderen Länder halten sich grundsätzlich an den tiefverwurzelten Gedanken: zuerst der Club, dann die Brüder, danach ich selbst. In Dänemark zum Beispiel fließen alle Einnahmen des jeweiligen Charters und dessen Member aus den Geschäften in eine gemeinsame Kasse und werden gerecht zu gleichen Teilen unter den Membern und Prospects aufgeteilt – allen geht es somit gleich gut.

In Deutschland ist das meist genau umgekehrt. Die geschäftlichen Interessen in Deutschland beziehen sich größtenteils auf das Rotlichtmilieu. Dazu gehören so gut wie alle damit einhergehenden Geschäfte wie Schutzgelderpressung, Drogen- und Waffenhandel. Doch auch die Türsteherszene wird zu großen Teilen von Clubmitgliedern kontrolliert.

Das Problem der deutschen Hells Angels besteht meinen Erkenntnissen nach darin, dass viele ausschließlich in ihre eigene Tasche zu wirtschaften versuchen. Zu wenig Gelder werden ehrlich untereinander aufgeteilt. Einer betrügt den anderen. Oft sind Member rücksichtslos auf Expansion aus, um die Vorherrschaft im Club zu erlangen.

In Deutschland gibt es circa vierzig Charter, in den USA etwa siebzig – doch dabei muss beachtet werden, dass die USA knapp siebenundzwanzig Mal so groß sind wie Deutschland. Der Grund dafür ist, dass Mitglieder hier mehr oder weniger wahllos rekrutiert werden und Charter überall wie Pilze aus dem Boden schießen. Bestes Beispiel dafür ist das Charter in Hannover: Ihr Präsident ist das Paradebeispiel für einen Hells Angel, der sich von den alten Idealen verabschiedet hat. Zu meiner Zeit versuchte er sogar, den Posten eines Deutschland-Präsidenten einzuführen. Man darf sich fragen, wer das wohl geworden wäre. Doch es gibt überhaupt keine Länder-Präsidenten – nirgendwo auf der ganzen Welt.

Einige seiner Member besitzen nicht mal einen Führerschein, geschweige denn ein Mopped; und ordentlich hauen können die sich auch nicht. Ende 2007 hatte sein Charter fast so viele Member wie das damals größte Charter in New York. Heute, so weiß ich, hat er das New Yorker Charter überholt.

Ich habe selbst ein Charter in Kassel gegründet und war dort acht Jahre lang Vize-Präsident. Präsident wollte ich aus Bequemlichkeit nie werden, denn dieser Posten bedeutet, dass man regelmäßig mit der Presse und den Bullen redet. Für mich war das Clubleben ein Abenteuer für Große. Ich hatte viel Zeit, Geld und gute Laune. Wenn was abging, war ich stets dabei.

Ich bereue diese Zeit nicht.

Ich habe mich dem Club gegenüber immer loyal verhalten und stand zu hundert Prozent hinter dessen wahren Idealen. Ich vertrat stets eine klare Linie und stellte mein Wohl hinter das der anderen. Der Club stand für mich stets an erster Stelle. Doch heute werde ich von Menschen gejagt, die früher einmal meine Brüder waren.

Sie haben zwei Russen angeheuert, die mich umbringen sollen. Die Bullen wissen davon: Sie haben den Mordauftrag mitgehört. Doch die Justiz hat es über zweieinhalb Jahre nicht geschafft, dieses Kapitalverbrechen aufzuklären. Über die möglichen Gründe werde ich später noch berichten.

Mit diesem Buch werdet ihr vermutlich in eine euch völlig fremde Welt eintauchen – in eine Welt, die von Gewalt, Sex und Drogen geprägt ist. Ich habe jahrelang in dieser Welt gelebt. Noch nie haben Außenstehende, Menschen, die nicht in die Reihen der Hells Angels gehören, einen solch genauen Einblick erhalten.

Die Frage nach dem Warum des Buchs kann ich nicht einfach beantworten. Zu viele unterschiedliche Faktoren spielen dabei eine Rolle. Viele Dinge beurteile ich heute anders als damals. Der Betrug und die Intrigen einiger Member haben mich sicher auch zu diesem Buch bewogen. Der wichtigste und ausschlaggebende Punkt ist jedoch die Tatsache, dass man versucht, meine Schwester und mich ermorden zu lassen.

Ich war anderen gegenüber mein Leben lang loyal, habe sie immer zur Rede gestellt und angehört, bevor ich sie verurteilt habe. Ich hingegen wurde durch eine Intrige ausgeschaltet und aus dem Club verbannt. Ich bekam nie die Chance, mich zu rechtfertigen. Doch heute ist mir das egal. Mir ist bewusst, dass ich niemandem trauen kann – nicht einmal der deutschen Justiz. Ich weiß aber auch, dass ich eine große Gefahr für einige im Club darstelle.

Liebe Leser, macht es euch gemütlich. Ich wünsche euch beim Lesen ungläubiges Staunen, neue Einblicke in eine Subkultur, Kurzweil und natürlich auch ein bisschen Spaß. Aber seid kritisch, und macht euch eure eigenen Gedanken über die Szene. Und verzeiht mir manch derben Spruch und manch harte Geschichte. Ich muss euch die Szene so zeigen, wie sie wirklich ist.

Wenn ihr mehr über mich oder die Szene wissen wollt oder wenn ihr Hilfe beim Ausstieg braucht, dann schaut auf meine Homepage www.badboyuli.de.

Euer Bad Boy Uli

VOM PARADIESDIREKT IN DIE HÖLLE

Weiße Strände

Ich stand zwischen zwanzig Motorradrahmen, alle am Steuerkopf abgesägt. Hammer, Schraubenzieher und Schweißgerät lagen auf dem Boden, auf dem Holztisch in der Ecke kleine durchsichtige Tüten. Eine dünne Schicht weißer Staub zog sich durch die millimetertiefen Ritzen der Platte. Auf dem Boden lagen Patronenhülsen – vier, fünf, vielleicht auch sechs. An den Wänden hingen Abzeichen, Poster, Charter-Fotos und Fotos von Partys. Der Kühlschrank am anderen Ende des Raumes brummte leise vor sich hin. Die Hitze machte mich fertig.

Ich drehte mir eine Tüte – es war nicht die Erste an diesem Tag. Ich konnte diese Hitze nicht mehr ertragen. In Deutschland begann gerade der Frühling, und hier herrschten 28 Grad – nachts. Ich suchte mein Feuerzeug, es befand sich in meiner Hosentasche. Die Tüte brannte. Ich zog, noch einmal. Der blaugraue Dunst schwebte langsam zur Decke. Ich war voll und ganz mit mir und der Welt zufrieden.

Es war mein erster Urlaub in diesem tropischen Paradies. Eine Biker-Szene gibt es hier nicht. Dafür leben hier zu wenige Menschen. Seit einiger Zeit sind auch meine Brüder hier zu Hause. Und Geschäfte müssen gemacht werden – überall. Mit Kokain machten meine Brüder hier ein gutes Geschäft.

Marihuana und Haschisch liefen nicht so gut. Das Koks, das sie verkaufen wollten, wurde in Würstchen-Form verpackt und dann in die Rahmen der Motorräder gesteckt. Hier, in dieser Werkstatt, wurden die Rahmen auseinandergesägt – in jedem zwei bis drei Kilo reinstes Kokain. Es wurde auf neun Kilo gestreckt, danach portioniert. Ein Rahmen machte neuntausend Portionen. Verkaufswert: 270 000 Dollar.

Zwölf Tage blieb ich im weißen Paradies. Obwohl ich nicht kokse, mag ich diesen Ort. Sonne, Strand, Meer und die Frauen – ein Traum. Wir zogen fast jeden Abend los. Meine Brüder holten mich mit einem Speed-Boot vom Nobelhotel ab und zeigten mir ihre Heimat. Wir fuhren über das türkisfarbene Meer, legten an schneeweißen Stränden an, wo keine Touristen hinkamen. Nur wir: kräftige Männer mit Kutten, dazu ein paar Mädels in knappen Bikinis. Bier, Cola und Sonne. Wir feierten bei rhythmischer Musik. Die Mädels hatten einen unglaublichen Tanz drauf: leicht bekleideter Sex zu Musik. Es war traumhaft.

Vier Tage vor meiner Abreise war ich mit der Harley unterwegs, die mir meine Brüder vor mein Hotel gestellt hatten. Ich wollte zum Clubhaus fahren. Meine Kutte flatterte im Wind, ich träumte vor mich hin. Hinter mir hupte ein Auto, bestimmt dreimal. Ich schaute in den Rückspiegel, sah einen Jeep und fuhr zur Seite. Die Straßen hier waren nicht sehr breit. Der Jeep überholte mich. Am Steuer saß eine Frau im Bikini, kakaofarbene Haut, blond gelockte Haare, schneeweiße Zähne. Sie lachte zu mir rüber. Ich war überwältigt: Welch eine Schönheit! In Gedanken vertieft vergaß ich, auf die Straße zu achten. Ich bügelte fast in die Palmen.

Fünfzehn Minuten später – ich hatte mich gerade wieder gefangen – kam ich am Clubhaus an. Meine Brüder hatten eine Party geplant. Nach und nach füllte sich das Haus. Die Musik wummerte in den Boxen. Alle waren bestens drauf: Sie tanzten, rauchten Joints, tranken Bier und Cocktails. Ein Spiegel mit Kokain ging herum.

Beim näheren Betrachten sah ich, dass er von unten beheizt war, diese Technik kannte ich noch nicht. Meine Brüder erklärten mir, dass dies eine Eigenkonstruktion aus Holland sei. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit war er beheizt, damit das Kokain nicht verklumpen konnte. Die Deckenventilatoren knirschten leise bei jeder Umdrehung. Mir war heiß. Ich ging nach draußen, setzte mich auf das Ledersofa vor dem Clubhaus: frische Luft, Ruhe.

Ich saß keine zwei Minuten, da fuhr der Jeep auf das Gelände, parkte zehn Meter neben mir. Sie saß am Steuer, neben und hinter ihr drei weitere Mädels. Ohne die Türen zu öffnen, sprangen sie aus dem Wagen. Mein Blick galt nur der einen: ihre traumhaften Beine, ihr schönes Gesicht – wie gemalt. Sie trug ein dünnes Kleidchen, und in ihrem Haar steckte eine blaue Blume. Ich war hin und weg. Als die Mädels ins Clubhaus gingen, zwinkerte sie mir erneut zu. Ich fragte einen meiner Brüder, wer die Blonde mit den gelockten Haaren und den schneeweißen Zähnen sei. Er lachte mich an und sagte, dass sie eine gute Bekannte sei, eine Schwedin mit karibischen Wurzeln. Ich ging wieder tanzen. Die Stimmung war großartig. Viele Brüder sprachen mich an und wollten wissen, wo ich in Deutschland wohne und was ich so mache. Ich musste ihnen meine Tattoos zeigen – die auf meinen Armen, das am Hals, das an meiner Wade. Sie staunten nicht schlecht, weil sie sich der Bedeutung der Tattoos bewusst waren. Zum Beispiel dürfen die Dead-Heads, die ich auf meinen Handflächen trage, sich Member nur stechen lassen, wenn sie mindestens fünf Jahren zum Club gehören.

Plötzlich, wie aus dem Nichts, stand die Blonde vor mir. Melina hieß sie, und sie fragte mich auf Englisch, ob ich mit ihr tanzen wolle. Klar wollte ich! Wir zogen los, tanzten den Merengue. Alle schauten uns zu, jubelten und klatschten. Nach einiger Zeit ging ich nach draußen, um etwas frische Luft zu schnappen. Ich setzte mich und schaute zu den Sternen hinauf. Der Himmel war ein Traum: Die ganzen Sternbilder leuchteten. Es war unbeschreiblich.

Fünf Minuten später kam Melina nach und setzte sich neben mich auf die Lehne. Sie hatte zwei Drinks dabei und drückte mir einen in die Hand. Unsere Lippen berührten sich. Für einen kurzen Moment war ich überrascht. Wir tranken weiter, rauchten und lachten. Während wir redeten, schlug sie ihre Beine übereinander. Später begann sie, mir den Nacken zu massieren. Sie griff meine rechte Hand, schaute sie an. »Ich habe noch nie einen Mann mit so großen Händen gesehen«, sagte sie und legte meine Hand auf ihren Schenkel. Ich begann, ihn zu streicheln. Meine Finger wanderten unter ihr weißes Kleidchen, langsam, kreisend. Ich tastete mich vor. Sie trug kein Höschen. Wir küssten uns heiß und innig.

Wir beschlossen, zu ihr zu fahren. Ich ließ die Harley an. Sie schwang sich hinter mich, erklärte mir den Weg. Auf halber Strecke fragte sie mich, ob wir kurz halten könnten. Sie wollte zum Meer, eine Runde schwimmen. Ich lehnte das Bike an eine Palme und sah, wie sie mit ihrem Kleid ins Wasser lief. Ich setzte mich in den Sand, rauchte und schaute ihr beim Plantschen zu. Sie war jung, schön und so natürlich. Als sie aus dem Wasser kam, klebte ihr Kleid wie eine zweite Haut an ihr. Ihre Nippel bohrten sich durch den dünnen, kaum sichtbaren Stoff. Im Schneidersitz setzte sie sich vor mich, stützte sich mit den Armen nach hinten, neigte ihren Kopf und fragte mich ganz unverblümt: »Willst du mit mir ficken?« Ich sagte nichts, grinste nur …

Wir rauchten und fuhren zu ihr. Das bedeutete: noch einmal zwanzig Minuten Fahrt. Melina wohnte in einem kleinen Häuschen, nicht weit vom Meer entfernt. Ich parkte die Harley vor ihrer Garage. Ihr Haus war sehr ordentlich: ein großes Wohnzimmer, das Bad mit Dusche und Wanne. In der Mitte des Schlafzimmers stand ein großes Bambusbett mit einem weißen Netz darüber. Sie schaltete die Musik an und holte uns etwas zu trinken. Dann zog sie mich ins Bad, stellte die Dusche an. Ich konnte gerade noch meine Kutte ausziehen … Sie seifte mich ein. Ihre Brüste pressten sich an meinen Körper. Ich drückte sie an die Wand, küsste sie. Ich saugte an ihren Brüsten, meine Zunge umspielte ihre Nippel, meine Hände umfassten ihren Po. Sie zog mich aufs Bett. Ich sollte mich auf den Rücken legen, sie stellte sich breitbeinig über mich. Ihre Muschi über meinen Kopf. Mit ihren kleinen Händen zog sie ihre Schamlippen auseinander, massierte sich selbst. Sie zuckte wie irre, schrie und stöhnte voller Wollust. Ihre Erregung tropfte mir auf die Stirn. Wir trieben es die ganze Nacht – im Stehen, im Liegen, in der Wanne, überall.

Die letzten drei Tage meines Urlaubs verbrachte ich bei ihr. Meine Brüder hatten sich nicht mehr bei mir gemeldet. Eigentlich ungewöhnlich, denn ein Gast-Bruder wird immer vom Hotel zum Flughafen gebracht. Mich aber hatte niemand gefragt, und selbst wollte ich auch nicht nachfragen. Ich dachte, dass sie wichtige geschäftliche Termine hätten.

Damals maß ich dem keine Bedeutung bei. Heute weiß ich, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr dabei war. Mein Charter in Kassel hatte mich in meiner Abwesenheit rausgeworfen, hinter meinem Rücken eine Mail an alle Charters der Welt geschickt. Alle Brüder wussten Bescheid, auch die am anderen Ende der Welt. Nur ich nicht.

Out!

Am Abreisetag nahm ich mir ein Taxi zum Flughafen. Der Flieger brachte mich nach Amsterdam, wo eigentlich ein Mietwagen bereitstehen sollte. Doch der Verleih sagte mit, dass sie keinen für mich vorgemerkt hätten. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich machte mir aber keine Gedanken und kaufte mir ein Zugticket. Dreimal musste ich umsteigen – und das mit meinem ganzen Gepäck.

Als ich am Hauptbahnhof in Kassel ankam, war ich völlig kaputt. Meine Augen wollten nicht mehr aufbleiben, die Beine waren müde. Ich nahm mir wieder ein Taxi, fuhr erst zum Supermarkt, dann zu meiner Wohnung. Mein einziger Gedanke galt einer Zigarette. Ich öffnete eine neue Schachtel, griff zu meinem Feuerzeug und sank auf mein Bett.

Jemand klopfte an der Tür. Seit Jahren habe ich keine Klingel mehr, denn die nervt bloß. Ich schleppte mich zur Tür. Im Flur standen meine Brüder: sechs Member und ein Prospect, alle von meinem Charter in Kassel. Ich war der Vize-Präsident und hatte das Charter Ende 1999 gegründet. Ohne jede Begrüßung drängten sie in meine Wohnung. Ich war völlig überrascht und fragte sie, was denn los sei. Sie schwiegen. Ich hatte keine Ahnung, was sie von mir wollten. Eine feindliche Stimmung lag in der Luft.

Keiner von ihnen hatte seine Kutte an. Alle trugen schwarze Bomberjacken, darunter kugelsichere Westen. In ihren Händen hielten sie blaue Müllsäcke. Sie liefen durch meine Wohnung und sammelten alles ein: T-Shirts, Pullover, Jacken, Bilder, Schmuck, alle meine Clubsachen. Schließlich wurden sie gierig und nahmen auch den Schlüssel der Harley an sich.

Während fünf von ihnen beschäftigt waren und meine Sachen durchwühlten, schnappte ich mir Joe, ein ganz normaler Member ohne besondere Funktion in unserem Charter. Ich griff ihn mir, weil er direkt neben mir stand, und ging mit ihm ins Bad. Ich wollte endlich wissen, was eigentlich los war. Doch bevor er etwas sagen konnte, stand Jack schon in der Tür. Er lehnte sich gegen den Rahmen, in seiner Hose steckte ein Revolver. Joe nuschelte etwas von einem bewaffneten Raubüberfall. Mit einem Bekannten soll ich zwei Russen überfallen und dreißig Kilo Koks erbeutet haben. Die Ware hätte ich angeblich eingesteckt und am Club vorbeigeführt. Ich fragte, wer solch einen Bullshit erzählen würde, und forderte, dass wir sofort losziehen, um die Sache zu klären. Das wollten sie aber nicht. Erst später verstand ich, warum nicht.

Nach einer Viertelstunde waren sie fertig und verließen meine Wohnung. Im Flur sagte einer: »Das war’s jetzt für dich, Uli. Out.« Ich stand in meiner Wohnungstür, bekleidet mit einer Boxershorts. Den Rest hatten meine Brüder mitgenommen: meine Lederkutte mit den Aufnähern des Clubs und den goldenen Dead-Heads, mein Shirt mit dem Schriftzug. Alles war weg.

Ich war fassungslos, ging zurück in meine Wohnung, schloss die Tür und setzte mich auf mein Bett. Ich war zu müde, um über das, was gerade geschehen war, nachzudenken. Nach sechsunddreißig Stunden äußerst anstrengender Reise fielen mir die Augen fast im Stehen zu; ich wollte die Sache am nächsten Tag aufklären. In meiner Wohnung lag ein miefiger Geruch. Über dem Mülleimer in der Küche kreisten kleine Fliegen. Ich hatte vergessen, ihn vor meiner Reise zu leeren. Ich lief zum Kühlschrank, schnappte mir eine Packung Milch und trank daraus einen großen Schluck. Die Milch war sauer. Ich spuckte alles in die Spüle und schnappte mir ein Bier. Ein Zug und die halbe Flasche war leer. Ich baute mir eine Tüte. Meine Daumen waren schlapp, ich konnte kaum noch drehen. Nach vier Zügen schlief ich ein.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, drehte ich mir eine Zigarette und überlegte mir, wie ich die Sache aufklären könnte. Ich wollte Klarheit schaffen und die Vorwürfe gegen mich aus der Welt räumen.

Ich war ein Hells Angel.

Ich war ein Hells Angel

Ich stapfte durch mein Wohnzimmer, die kleinen Staubkügelchen flogen in die Ecken. Ich suchte meine Zigaretten. Nach der ersten Kippe griff ich zu meinem Handy. Ich wollte wissen, warum meine Brüder mir so etwas anhängen wollten. Ihrem Bruder, der sie alle zu Membern ernannt hatte. Ihrem Gründer. Ohne mich hätte es das Charter nicht gegeben, und ohne mich hätte das Charter in Kassel schon längst vor den Bandidos und den Zuhältern kapituliert. Ich war derjenige, der die Leute zusammengetrommelt hatte, als uns die Bandidos in unsere Geschäfte pfuschen wollten. Ich ging immer als Erster auf unsere Feinde los und tat den ersten Schlag. Und jetzt sollte alles vorbei sein?

Ich wählte die Nummer eines Bruders aus Kassel. Er ging nicht ans Telefon und rief auch später nie zurück. Dann wählte ich die Nummer eines Bruders aus Bremen. Er begrüßte mich und sagte, dass er mit mir nicht mehr reden dürfe: »Du bist raus, Uli. Out!« Dann legte er auf. Ich rief weitere Brüder an, in Berlin, Frankfurt und Essen. Immer wieder hörte ich diesen Satz, doch ich konnte ihn nicht verstehen. Ein Überfall sollte der Grund für meinen Rauswurf sein? Ich sollte