Höllensturm über den Badlands - R. S. Stone - E-Book

Höllensturm über den Badlands E-Book

R. S. Stone

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Vor dem Stationsgebäude standen zwei Pferde am Hitchrail. Ein rostbrauner Wallach und ein Schecke. Beide registrierte der Hagere in Schwarz sofort. Ein Lächeln zeigte sich in seinem falkenartigen Gesicht, als der Blick seiner dunklen Augen auf die Gäule fiel. Gewiss kein freundliches Lächeln. Es wirkte eher wie das Fletschen eines Wolfes, der auf Beute stößt. Er war kein junger Mann mehr, etwas unter fünfzig. Spuren eines düsteren Lebens hatten sich in seinem Gesicht eingebrannt und es gezeichnet. Zwei tiefschwarze Augen wirkten wie die Fenster zur Hölle, durch die er ging. Aus dem Stationsgebäude trat ein dicker Mann, der Stationer. Sein hochrotes Gesicht verriet dem Reiter in Schwarz, dass dieser Hombre tüchtig am Alkohol genascht hatte. Er schwitzte heftig. Das Wasser lief in Strömen am feisten Gesicht herab. Zwei blutunterlaufene Augen musterten den Ankömmling. Sofort versteifte sich seine Haltung. »Mein Name ist Burt Treegard. Ich bin der Stationsleiter. Lange unterwegs, Fremder?« Dieser Fremde strömte eine eisige, tödliche Kälte aus. Er spie seinen Zigarrenstummel auf den steinigen Boden.

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Die großen Western – 326 –

Höllensturm über den Badlands

R. S. Stone

Vor dem Stationsgebäude standen zwei Pferde am Hitchrail. Ein rostbrauner Wallach und ein Schecke. Beide registrierte der Hagere in Schwarz sofort. Ein Lächeln zeigte sich in seinem falkenartigen Gesicht, als der Blick seiner dunklen Augen auf die Gäule fiel. Gewiss kein freundliches Lächeln. Es wirkte eher wie das Fletschen eines Wolfes, der auf Beute stößt.

Er war kein junger Mann mehr, etwas unter fünfzig. Spuren eines düsteren Lebens hatten sich in seinem Gesicht eingebrannt und es gezeichnet. Zwei tiefschwarze Augen wirkten wie die Fenster zur Hölle, durch die er ging.

Aus dem Stationsgebäude trat ein dicker Mann, der Stationer. Sein hochrotes Gesicht verriet dem Reiter in Schwarz, dass dieser Hombre tüchtig am Alkohol genascht hatte. Er schwitzte heftig. Das Wasser lief in Strömen am feisten Gesicht herab. Zwei blutunterlaufene Augen musterten den Ankömmling.

Sofort versteifte sich seine Haltung. »Mein Name ist Burt Treegard. Ich bin der Stationsleiter. Lange unterwegs, Fremder?«

Dieser Fremde strömte eine eisige, tödliche Kälte aus. Er spie seinen Zigarrenstummel auf den steinigen Boden. »Geht dich einen Scheißdreck an, Treegard. Kümmere dich ums Pferd.«

Die blutunterlaufenen Augen des Stationers verengten sich zu Schlitzen. Dieser Hombre schien einer der ganz harten Sorte zu sein. Mit Augen, so schwarz wie die Hölle. Mit dem war nicht gut Kirschen essen.

Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt der Mann in Schwarz aus seinem hochbordigen McClellan-Sattel.1 Er schüttelte sich den roten Alkalistaub aus seinem Anzug und blickte auf den dicken Stationer herab.

»Wem gehören die Gäule da vorne am Hitchrail?«

»Zwei Männern. Haben einen langen Ritt hinter sich und amüsieren sich drinnen bei Whisky und …«

Treegard verstummte, als zwei Männer aus dem Stationsgebäude traten. Der eine war hochgewachsen, dünn und hatte feuerrotes Haar, das lange nicht geschnitten worden war. Der andere war untersetzt, dunkelblond und mit auffallend langen Armen ausstaffiert. Eines hatte das ungleiche Duo gemeinsam: Es trug die Colts in tief hängenden Zwillingsholstern.

Der Hagere in Schwarz wandte sich ihnen sofort zu. Ja, zu denen gehörten die beiden Gäule. Er war zufrieden, denn nun wusste er, dass er auf der richtigen Spur war.

Es war kein Zufall, dass der falkengesichtige Mann mit den tiefschwarzen Augen und seiner schwarzen Kleidung genau hier und jetzt angekommen war.

Ganz gewiss nicht.

Irgendwie schien das Duo dies zu spüren. Als sie näher hinsahen, und er den schwarzen Hut mit der Linken aus dem Gesicht schob, da dämmerte es ihnen. Sie konnten jetzt sein Gesicht erkennen. Dieses harte, unversöhnliche Gesicht, das an einen Falken erinnerte. Der Untersetzte hielt eine halb volle Whiskyflasche in der Linken. Er nahm einen ordentlichen Schluck daraus und reichte sie an den Langen weiter. Ohne allerdings den Blick von dem Mann zu nehmen, der im Hof neben dem Mausgrauen stand und das Revers des schwarzen Anzuges nach hinten schob und seinen elfenbeinfarbenen Coltgriff freilegte.

Dann trat er einen Schritt vom Pferd weg.

Dem Stationsmann wurde sofort klar, was nun kommen würde. Er hastete eilig aus der Schusslinie. Es sah ulkig aus, wie er seinen behäbigen Körper aus der Gefahrenzone brachte.

Aber keiner achtete auf ihn.

Dieser Dicke war reine Nebensache.

Der Lange trank die Flasche leer und warf sie achtlos auf die Verandabretter. Er wischte sich über den Mund, rülpste und rief: »Na, wenn das nicht Chance Morgan ist, das alte Falkengesicht. Dachte, dich hätten die Yanks im Krieg erledigt. Ha, was für eine Überraschung, dich hier lebend und bei voller Gesundheit zu sehen. Ist lange her, companero!«

Das klang beinahe so, als würde ein Compadre aus alten Tagen im Hof stehen.

»Ja, ich lebe, wie du sehen kannst. Freut mich, dass du mich erkannt hast, Slinger Dunn.«

»Kansas ist weit weg, Freund Morgan. Erstaunlich, wie du uns hier gefunden hast.«

Chance Morgan, der Mann in Schwarz, grinste wölfisch.

»Long Stryker war so freundlich, mir Auskunft über euren Verbleib zu geben, bevor er starb.«

Der Kurze mit den Affenarmen starrte ihn an. »Long Stryker ist tot? Und du hast ihn umgelegt, Morgan, was? Oha, Long war mein Freund. Du hättest es nicht tun sollen! Wahrhaftig nicht!«

Chance Morgan entging nicht das nervöse Flackern in den gelblichen Augen des Kurzen. Aus den Augenwinkeln registrierte er, dass sich der Stationer hinter einem Holzstapel in Deckung geworfen hatte. Der Mann war ein feiger Hund und würde sicher nicht in das Geschehen eingreifen. Außerdem hatte Morgan auch keine Waffe an dem Mann gesehen.

Also keine Gefahr.

Aber die gab es vorne beim Stationsgebäude.

Da standen der lange Slinger Dunn und der Giftzwerg Travis Hanshore.

Für Morgan gab es nur einen einzigen Grund, weshalb diese beiden sich hier in Südtexas aufhielten.

Zur Hölle, den galt es zu vereiteln.

Morgan hörte die nasale Stimme Dunns über den Hof bellen: »Na, dann lass uns doch die Party in Gang bringen, Freund Morgan. Etwa so …«

Slinger Dunn stieß sich von der Veranda ab und schnappte sogleich zu den Colts. Doch Dunn war nicht der Gefährlichere. Nein, das war Hanshore. Der griff zwar einen Sekundenbruchteil später ein, war aber schneller. Deutlich schneller als sein Partner Dunn.

Dennoch hatten die beiden keine Chance. Morgan kannte sie. Er kannte die ganze Bande. Er wusste über jeden von ihnen genau Bescheid.

Chance Morgan war ein wahrer Zauberkünstler mit dem Colt. Noch ehe von drüben ein Schuss fiel, hatte er sich zu Boden geworfen. Während des Falles landete der elfenbeinbeschlagene 44er in seiner Rechten und spuckte Feuer. Hanshore bekam die erste Kugel. Glatt zwischen die Augen. Er war bereits tot, als sich seine Colts entluden. Aber die Geschosse hämmerten wirkungslos in den Boden. Nur eine Fontäne aus Dreck, Staub und Sand pflügte hoch.

Dunn kam zu keinem Schuss. Morgan sah in das verzerrte Gesicht, als der Mann eine seitliche Drehung machte und seine beiden Colts auf die Veranda polterten. Dann kippte er lautlos um und stürzte über den bereits am Boden liegenden Partner.

Chance Morgan erhob sich und lud in aller Seelenruhe seinen 44er nach. Um Slinger Dunn und Travis Hanshore brauchte er sich keine Sorgen mehr zu machen. Schon während sie fielen, wusste Morgan, dass sie nie wieder aufstehen würden.

Er schlug die Trommel mit der Handfläche zu und ließ die Waffe ins Holster gleiten. Dabei sah er sich nach dem Stationer um, dessen hochroter Kopf langsam über dem Stapel Holz hervorlugte.

»Kannst wieder herkommen. Die Luft ist rein.«

Der Dicke bekreuzigte sich mehrmals, als er sich zögernd näherte. Dabei flog sein roter Kopf immer wieder abwechselnd von den beiden Toten drüben auf der Veranda zu Chance Morgan.

»Sie haben beide erledigt, Fremder. Noch nie sah ich einen Mann so schnell schießen. Lieber Vater im Himmel, das …, das war reine Zauberei.«

Ein seltsames Grinsen huschte über Morgans falkenartiges Gesicht, während er den Kopf schüttelte. »Keine Zauberei. Bin nur stets in Übung geblieben.« Dann erlosch das Grinsen. Wie eine Kerze im Wind, und er sagte mehr zu sich, als zu dem Stationer: »Ich wünschte, es wäre nie so gewesen …«

Morgan ließ den Dicken stehen und ging mit raumgreifenden Schritten auf das Stationgebäude zu. Dort hatten sich einige Menschen bereits um die Toten versammelt. Zumeist Frauen fragwürdiger Herkunft in bunten, schillernden Kleidern, die dafür Sorge trugen, dass man auf der Handelsstation nicht nur Proviant kaufen konnte.

Der dicke Treegard allerdings verharrte noch eine Weile mitten im Hof. Er raufte sich das schüttere Haar und brummte: »Dieser Satan in Schwarz hat sie einfach weggepustet, als wäre es nichts. Sollte etwa …«

Er sprach nicht zu Ende. Schluckte stattdessen mühsam und marschierte mit wackeligen Beinen auf das Stationsgebäude zu.

*

Jess Farrell nahm seine Winchester in beide Hände. Dort oben auf dem Hügel hatte sich etwas geregt. Um Farrells Lippen spielte ein zufriedenes Grinsen. Das Warten hatte sich gelohnt. Der Wolf hatte seine Beute gewittert. Im fahlen Mondlicht tauchte die Silhouette des einsamen Jägers auf. Langsam schlich er auf das Wasserloch zu. Da standen die beiden Rinder und tunkten ihre gehörnten Schädel ins Wasser.

Noch hatten sie nichts gemerkt.

Jess Farrell legte den Abzugshahn nach hinten und nahm den Wolf ins Visier.

Viel Zeit blieb ihm nicht.

Die beiden Rinder am Wasserloch wurden unruhig.

Jetzt würde es um Sekunden gehen. Jess Farrell hielt den Atem an. Oben auf dem Hügel fletschte der große Wolf die Zähne.

Ja, es war ein riesiges Tier. Größer, als Jess Farrell es je gesehen hatte. Ein Einzelgänger und höllisch verschlagen dazu.

In geduckter Haltung, bereit zum Sprung, pirschte der Wolf sich näher an die beiden Rinder heran.

Jetzt hatte Farrell ihn genau im Visier. Der Zeigefinger nahm Druckpunkt. Gleich würde der Wolf auf eines der beiden Rinder springen.

Nur noch wenige Augenblicke, dann …

Farrell musste ihn mit dem ersten Schuss erwischen.

Jetzt! Der Wolf setzte zum Sprung an. Er federte hoch. Farrell zog den Abzug durch. Der laute Knall durchdrang die Stille. Die Kugel erwischte den Wolf mitten im Sprung und durchschlug den großen, hässlichen Schädel. Die beiden Rinder stoben entsetzt auseinander. Mit aufgerissenem Maul klatschte der Körper des schweren Wolfes ins Wasser.

Farrell atmete geräuschvoll aus. Er stieß die leere Messinghülse aus und ersetzte sie durch eine neue.

Der verdammte Wolf würde von nun an keine Rinder mehr reißen.

Jess Farrell schob sich durch das Gebüsch hindurch, legte das Gewehr auf einen Stein und watete durch das knietiefe Wasser, um den Leichnam des Wolfes herauszuziehen. Er blickte auf das tote Raubtier und brummte zufrieden: »Du hast es mir nicht leicht gemacht, du Hundesohn. Über zwanzig Stunden bin ich deiner Spur gefolgt. Und immer konntest du mir entwischen. Ha, hast Haken geschlagen wie ’n Präriehase und mich höllisch genarrt. Du Satansbraten! Yeah, aber dieses verdammte Wasserloch ist dir zum Verhängnis geworden. Ja, hier musstest du es riskieren. Die beiden Rinder waren eine zu gute Beute für dich. Pech, mein Lieber. Du wirst nie wieder Rinder mit unserem NC-Brand reißen, du Bestie.«

Zufrieden nahm er seine Winchester wieder auf und ging zu seinem Falben, den er hinter einer dicht bewachsenen Felsengruppe an einem Mesquitebusch angebunden hatte. Er strich dem Tier über die Nüstern und schwang sich in den Sattel. Er stieß das Gewehr in den Sattelschuh und gab dem Braunen einen leichten Schenkeldruck. »Und nun zurück ins Camp, Crazy Moon. Der Boss wartet bestimmt schon sehnsüchtig auf uns.«

Crazy Moon stieß ein leises Wiehern aus, so, als könnte er verstehen, was Farrell gerade gesagt hatte.

Die Fährte, die Jess Farrell, der Vormann der Carmody-Ranch, verfolgt hatte, führte in zickzackähnlichem Kurs durch Busch und Gestrüpp. Das Camp der Carmody-Ranch lag in südlicher Richtung. Der Weg führte durch steiniges Gelände und dichtes Buschgestrüpp. Nach einer Weile kreuzte der Weg einen schmalen Pfad, der sich durch dichtes Busch- und Dornengestrüpp schlängelte. Ein Weg, den er noch nicht kannte. Der aber nach Süden führte. Er lenkte Crazy Moon auf diesen Pfad und sah am Boden Hufabdrücke mehrerer Pferde. Eine Gruppe Reiter musste hier vor nicht allzu langer Zeit entlanggeritten sein. Etwas ungewöhnlich für diese verlassene Gegend. Jess Farrell wurde von einer zügellosen Neugier geplagt. Er folgte dieser Fährte.

*

Als vor ihm die verwitterte Hütte auftauchte, staunte er nicht schlecht. Jess Farrell hätte alles andere vermutet. Nur nicht ein verfallenes Anwesen mitten im Brasada-Buschland. Ganz plötzlich und unerwartet lag sie da. Eingebettet in wild wucherndem Gestrüpp und dornigen Büschen.

Auf dem ersten Blick wirkte das Anwesen mit den beiden danebenstehenden Corrals verlassen. Doch aus dem Kamin kräuselte leichter Rauch. Dieses arg verwahrloste Ding war also bewohnt.

Um Jess Farrells schmale Lippen zeigte sich ein Lächeln. Wer auch immer hier lebte, eine Tasse Kaffee oder eine warme Mahlzeit würden sicherlich für ihn drin sein.

Er lenkte seinen Falben auf das Anwesen zu.

»Hallo!«, rief er.

Keine Antwort. Keine Regung.

Jess Farrells Haltung im Sattel versteifte sich.

Er rief noch einmal, diesmal etwas lauter. Wieder blieben seine Rufe unbeantwortet. Farrell runzelte die Stirn.

Verdammt, warum zeigte sich niemand?

Der Rauch aus dem Kamin zeigte, dass jemand da sein musste.

Farrell lenkte sein Pferd langsam auf den Brunnen zu, der mitten auf dem Hof stand. Er tat es mit dem Instinkt eines Mannes, der plötzlich Gefahr witterte.

Seine Augen wanderten wachsam von der Hütte zu den verfallenen Corrals. Seine Rechte umfasste den Kolben seines 51er Navys.

Alles war ruhig. Nichts rührte sich.

Vor dem Brunnen hielt Farrell seinen Falben an. Crazy Moon spitzte die Ohren und stieß ein warnendes Schnauben aus.

In diesem Augenblick hörte Jess einen erstickten Laut aus der Hütte. Etwas fiel drinnen polternd zu Boden.

Es folgte ein klatschendes Geräusch.

Zum Teufel! Hier stimmt was nicht!, fuhr es ihm jäh durch den Kopf. Er riss den 51er Navy aus dem Holster.

Genau in diesem Augenblick zersprang klirrend eine Fensterscheibe. Der Lauf eines Gewehres richtete sich auf ihn. Instinktiv ließ sich Jess aus dem Sattel fallen. Das rettete ihm das Leben. Im gleichen Moment zerriss der scharfe Knall die trügerische Stille. Das Geschoss sauste über Farrell hinweg und klatschte dumpf in die Bretterwand eines der Corrals. Wäre Farrell noch im Sattel geblieben, hätte ihn die Kugel voll erwischt.

Vom Fenster dröhnte eine kehlige Whiskystimme zu ihm herüber: »Verfluchter, neugieriger Cowpuncher! Zur Hölle mit dir.«

Es folgte ein weiterer Schuss. Die Kugel pflügte in den Boden, etwa einen Meter von Farrell entfernt. Sie spritzte ihm Dreck und Moos ins Gesicht. Farrell gab zwei schnelle Schüsse in Richtung der zerschlagenen Fensterscheibe ab und warf sich mit einem Satz hinter den Brunnen in Deckung, während der Falbe laut wiehernd nach vorne stob und das Schussfeld verließ.

Farrell begriff. Er war nicht willkommen. Hier wurde nicht diskutiert, sondern gleich scharf geschossen. Eine fürchterliche Wut keimte in ihm auf. So hatte man ihn noch nie empfangen. Er kam in friedlicher Absicht. Mit dem Wunsch nach einer heißen Tasse Kaffee – und nun das!

Der Brunnen, hinter dem Farrell in Deckung lag, wurde unter heftigen Beschuss genommen. Querschläger kreischten, als sie vom Gestein abprallten und sich plattschlugen. Wer immer in dieser Hütte war – dieser Jemand wollte um jeden Preis unerkannt bleiben und war bereit dafür zu töten.

Farrell presste sich dichter an das kalte Gestein der Brunnenwand. Er hatte den Hahn seines 51ers gespannt und wartete, bis das Magazin dort drüben leergeschossen war. Dann stieß der Bolzen endlich auf eine leere Patrone. Von der Hütte her drang ein grässliches Fluchen zu ihm herüber. Farrell schnellte hoch, den 51er auf das Fenster gerichtet, als er plötzlich hinter sich das Quietschen einer Tür vernahm. Er wirbelte herum. Am ersten Corral hinter dem halb geöffneten Scheunentor tauchte ein buckliger Bursche auf. Mit einem Sechsschüsser im Anschlag und mächtig dämlich grinsend. Jess Farrell dachte nicht lange nach. Er warf sich herum und ließ sich fallen. Genau im Moment, als der Bucklige einen Schuss auf ihn abgab. Kreischend sauste das Geschoss über Jess Farrells Kopf hinweg. Aber zu einem zweiten Schuss kam der Bursche am Scheunentor nicht mehr. Farrell lag am Boden und feuerte in rasender Geschwindigkeit mehrere Schüsse auf den Buckligen ab. Zwei Geschosse knallten in das Scheunentor, die anderen trafen den Buckligen, noch bevor dieser einen einzigen Schuss abgeben konnte. Der Bucklige zuckte unter den Einschlägen zusammen und sackte mit schmerzvollem Seufzer am Tor entlang zu Boden. Dort blieb er liegen. Die Waffe fiel aus der Hand. Seine gebrochenen Augen stierten ins Leere. Das registrierte Jess Farrell allerdings nur noch am Rande.

Er warf sich mit einem Satz wieder hinter dem Brunnen in Deckung. Vorsichtig spähte er über den Brunnenrand hinweg zur Hütte herüber, während er hastig die leeren Hülsen aus den Kammern warf und sie durch frische Patronen aus den Gurtschlaufen seines Holsters ersetzte. Das tat er völlig mechanisch. Er brauchte dabei nicht einmal hinzusehen. Der Bursche am Fenster der Hütte hatte genügend Zeit gehabt, sein Gewehr nachzuladen.

Doch es kam keine Regung aus der Hütte.

Dann sah Farrell das Gewehr auf dem Boden liegen. Es schien aus dem Fenster gefallen zu sein. Und drüben blieb alles still. Verdammt still.

Die Tür öffnete sich. Farrell nahm seinen 51er in beide Hände. Eine junge Frau erschien in der Tür. Die war sogar mächtig hübsch. Sie rief mit lauter Stimme: »Sie können aufstehen, Mister. Es ist vorbei! Es ist alles in Ordnung. Kommen Sie hinter dem Brunnen hervor!«

Farrell staunte. Erst wurde er unter heftiges Feuer genommen, dann tauchte dieser bucklige Hombre aus dem Corral auf, wollte ihn ebenfalls zusammenschießen – und nun stand da eine junge, hübsche Frau in der Tür und erklärte ihm, dass alles in Ordnung sei.

Wenn ich das auf der Ranch erzähle, schicken die mich doch glatt zu Doc Hastings in die Praxis – Verdammt, das hier glaubt mir doch keiner …

Er sprach seine Gedanken nicht aus, sondern spähte zur Schönen an der Hüttentür hinüber. Jess Farrell war auf alles gefasst. Vor allen Dingen hütete er sich, einfach aufzustehen. Seinen 51er hielt er so, dass er ihn sofort blitzschnell zum Einsatz bringen konnte.

»Schwester, wenn das ein schlechter Scherz sein soll, haben Sie sich verrechnet.«

»Kein Scherz. Der Kerl, der Sie vom Fenster aus unter Beschuss genommen hat, ist tot. Der wird Ihnen nichts mehr tun.« Und etwas leiser fügte sie hinzu: »Und mir auch nicht mehr.«

Der Klang ihrer Stimme veranlasste Farrell, sich langsam hinter dem Brunnen zu erheben. Er wagte noch einen schnellen Blick in Richtung des Buckligen. Aber dieser Hombre stellte keine Gefahr mehr dar. Jess ging langsam auf die Frau zu. Den 51er hielt er schussbereit in der Rechten, während seine Augen wachsam in alle Richtungen wanderten.

Diese Frau dort drüben konnte ein Köder sein.