Dein Wort, Trailboss! - R. S. Stone - E-Book

Dein Wort, Trailboss! E-Book

R. S. Stone

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Beschreibung

Der Autor steht für einen unverwechselbaren Schreibstil. Er versteht es besonders plastisch spannende Revolverduelle zu schildern und den ewigen Kampf zwischen einem gesetzestreuen Sheriff und einem Outlaw zu gestalten. Er scheut sich nicht detailliert zu berichten, wenn das Blut fließt und die Fehde um Recht und Gesetz eskaliert. Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Nolan Harper war der Herde einige Meilen vorausgeritten. Auf einer seichten, sandigen Anhöhe verhielt er seinen Kastanienbraunen. Pferd und Reiter waren über und über mit Staub bedeckt. Der Blick aus den geröteten Augen des Trailbosses lag suchend auf dem vor ihm liegenden Terrain. In der Ferne türmten sich Hügelketten auf, deren gezackte Kämme weit in den Himmel ragten. Einige Meilen dahinter, so wusste Harper, befand sich ein kleiner arroyo, der in den South Grand mündete. Von dort aus waren es noch etwa achtzig Meilen bis Sedalia. Aber das war es nicht, was ihn im Augenblick beschäftigte. Es lag eine rastlose Ungeduld in dem wettergegerbten Gesicht des Mannes, dessen Job es war, Rinderherden von Texas rauf nach Norden zu treiben. Sein unsteter Blick wanderte nach rechts, erfasste einen Punkt und fixierte ihn. Seine Augen zogen sich zusammen, ein leichtes Kopfnicken folgte. Er war sicher, gefunden zu haben, wonach er suchte. Nolan Harper gab seinem Pferd einen Schenkeldruck und trieb es von der Anhöhe in die Richtung zweier Felsen, zwischen denen ein schmaler Pfad hindurchführte. Ein schmaler Trampelpfad, gerade breit genug, dass ein einzelner Reiter hindurchpasste. Kaum ein Mensch dürfte diesen Weg kennen. Doch Nolan Harper wusste es besser. Er zwängte den Kastanienbraunen zwischen die Felsen hindurch und ritt den schmalen Pfad entlang, an dessen Seiten wildes Buschwerk wucherte. Der Trampelpfad zog sich eine halbe Meile in zahllosen Windungen durch das zerklüftete Land, bis Harper eine freie Stelle erreichte, an denen der Weg endete. Harper brachte den Kastanienbraunen zum Stehen. Vor ihm lag ein mit Geröll aufgeschichteter Haufen.

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Die großen Western – 329 –

Dein Wort, Trailboss!

R. S. Stone

Nolan Harper war der Herde einige Meilen vorausgeritten. Auf einer seichten, sandigen Anhöhe verhielt er seinen Kastanienbraunen. Pferd und Reiter waren über und über mit Staub bedeckt. Der Blick aus den geröteten Augen des Trailbosses lag suchend auf dem vor ihm liegenden Terrain. In der Ferne türmten sich Hügelketten auf, deren gezackte Kämme weit in den Himmel ragten.

Einige Meilen dahinter, so wusste Harper, befand sich ein kleiner arroyo, der in den South Grand mündete. Von dort aus waren es noch etwa achtzig Meilen bis Sedalia.

Aber das war es nicht, was ihn im Augenblick beschäftigte. Es lag eine rastlose Ungeduld in dem wettergegerbten Gesicht des Mannes, dessen Job es war, Rinderherden von Texas rauf nach Norden zu treiben.

Sein unsteter Blick wanderte nach rechts, erfasste einen Punkt und fixierte ihn. Seine Augen zogen sich zusammen, ein leichtes Kopfnicken folgte. Er war sicher, gefunden zu haben, wonach er suchte.

Nolan Harper gab seinem Pferd einen Schenkeldruck und trieb es von der Anhöhe in die Richtung zweier Felsen, zwischen denen ein schmaler Pfad hindurchführte. Ein schmaler Trampelpfad, gerade breit genug, dass ein einzelner Reiter hindurchpasste. Kaum ein Mensch dürfte diesen Weg kennen.

Doch Nolan Harper wusste es besser. Er zwängte den Kastanienbraunen zwischen die Felsen hindurch und ritt den schmalen Pfad entlang, an dessen Seiten wildes Buschwerk wucherte. Der Trampelpfad zog sich eine halbe Meile in zahllosen Windungen durch das zerklüftete Land, bis Harper eine freie Stelle erreichte, an denen der Weg endete.

Harper brachte den Kastanienbraunen zum Stehen. Vor ihm lag ein mit Geröll aufgeschichteter Haufen. Und der sah noch genauso aus, wie vor einem Jahr; unberührt und einsam, zwischen zwei Bäumen. Auch das schlichte Holzkreuz befand noch sich an seinem Platz.

Ein einsamer, trauriger Ort, an dem die Zeit stillzustehen schien.

Nolan Harper wurde von einer seltsamen Stimmung erfasst. Er war ein harter Mann, dieser Trailboss. Nichts auf dieser Erde war ihm fremd. Raue Wege war er gegangen, hatte austeilen und einstecken müssen. Doch jetzt schien etwas nach seinem Innersten zu greifen und sein Herz zu umklammern. Mit eisernem Griff. Ein bitterer Geschmack legte sich auf seine Zunge.

Er ließ die Zügel fallen und glitt langsam aus dem Sattel. Schwer schlurften seine staubbedeckten Stiefel über den steinigen Boden, als er sich dem Grab näherte.

Das Holzkreuz war verwittert, aber die Inschrift noch gut zu lesen.

Mit dem Taschenmesser hatte man sie eingeschnitzt. Nolan erinnerte sich noch genau daran. Ben Fuller hatte das übernommen. Er selbst war damals nicht dazu in der Lage gewesen. Ein Moment der Schwäche in seinem Leben. Der einzige wahrscheinlich, den er je erlebt hatte.

Wie lange war es her?

Ein Jahr?

Zwei Jahre?

Nolan Harper kam es wie eine Ewigkeit vor.

In diesem Augenblick verlor er jegliches Zeitgefühl. Seine Lippen formten die Worte, die auf dem Holzkreuz standen:

Laura Jane Baldwin

1836 - 1866

Gott hat einen Engel zu sich geholt

Sie möge in Frieden ruhen

Er nahm seinen Hut vom Kopf, drehte ihn linkisch in den Händen, suchte nach Worten und fand sie nicht. Ein leichter Wind wehte, spielte mit den Blättern der Bäume, kühlte sein Gesicht. Der Kastanienbraune hinter ihm stieß ein leises Schnauben aus.

Nolan Harper registrierte dies nur am Rande. Er hatte den Kopf gesenkt und war in der Erinnerung versunken.

Der Wind trieb ihm Tränen in die Augen.

Der Wind?

Nolan wischte sie mit einer ungnädigen Geste weg. Doch seine Augen füllten sich erneut mit Tränen, die er bisher nie geweint hatte.

Zum Teufel!, schoss es ihm durch den Kopf, es sieht mich ja sowieso niemand hier, außer …

Gedanken jagten durch seinen Kopf. Szenen aus der Vergangenheit spielten sich vor seinem geistigen Auge ab.

Eine ganze Weile stand er so da, schweigsam, den Hut in der Hand. Nolan Harper war kein Mann vieler Worte. Er starrte auf das schlichte Grab, unter dem jene Frau lag, die ihn ein kurzes Stück seines Weges begleitet und geliebt hatte, und die dann so plötzlich aus dem Leben gerissen wurde.

Laura Baldwin …

Sie war krank, aber niemand hatte etwas davon gewusst. Als die Krankheit entdeckt wurde, war es zu spät. Kein Arzt der Welt hatte ihr noch helfen können.

Hier auf dem Sedalia-Trail hatte sie Harpers Hand zum letzten Mal gehalten, tapfer gelächelt und ihm zugeflüstert: »Bring sie durch, Trailboss. Du und deine Trailmen, ihr werdet es schaffen! Vergiss mich nicht. Ich liebe dich.«

Ihren dreißigsten Geburtstag hatte sie nicht mehr erlebt. Nolan Harper würde sie niemals vergessen.

So wie vieles andere auch nicht.

Tief in ihm wühlte immer noch der Schmerz über den Verlust. Es war noch lange nicht vorbei.

Zeit heilt alle Wunden, sagt man.

Aber ist es wirklich so?

»Leb wohl, Laura. Ich werde dich wieder besuchen kommen. Ganz bestimmt. Im Frühling werden wir wieder eine Herde nach Sedalia treiben, und … Verdammt, Laura, du fehlst mir.«

Seine Augen brannten. Er kniff sie zusammen und wandte sich dann abrupt ab, als könnte er damit die Gefühle hinter sich lassen. Mit einem Satz schwang er sich in den Sattel und zog den Kastanienbraunen herum. Noch einmal blickte er sich zur schlichten Grabstelle um, hob zum Abschied die Hand, ließ sie wieder sinken. Dann drehte er sich nach vorn, gab seinem Pferd einen Schenkeldruck und ritt den schmalen Pfad zurück, auf den er vorhin gekommen war.

Doch nicht einmal zwei Minuten hielt der Kastanienbraune die Nase in den Wind, bevor ein unruhiges Schnauben folgte. Harper hatte seinen Kopf gesenkt, war tief in Gedanken versunken. Nun richtete er sich alarmiert auf und suchte den Horizont ab. Was er entdeckte, trieb ihm einen heißen Schreck durch die Glieder. Ein heiserer Fluch drang ihm aus der Kehle.

*

Ben Fullers hagere Gestalt lehnte an der hölzernen Anrichte des Küchenwagens. Er schob seinen Texashut in den Nacken und wischte mit dem Ärmel seines verschlissenen Arbeitshemdes über die schweißnasse Stirn.

Es war heiß wie in der Hölle. Und das bereits seit Tagen. Über eine Woche lange hatte es nicht mehr geregnet. Der Boden war knochentrocken. Staub lag schwer in der Luft. Die Hitze ließ die Luft flirren. Auf Ben Fullers Gesicht lag ein verkniffener Ausdruck. Der Trail war in den letzten Tagen zu einer mörderischen Tortur geworden. Sie kostete die letzten Reserven von Mann und Rind.

Sein Blick schweifte zu den Hügelketten im Westen, denen sie ein gutes Stück nähergekommen waren. Aber noch immer schienen sie meilenweit entfernt zu sein.

Viel zu weit, um sie heute noch zu erreichen. Für diesen Tag war die Strecke geschafft. Sie würden jetzt pausieren.

Seine lassonarbige Rechte ergriff den Kaffeebecher, den Dryboone ihn auf die Anrichte gestellt hatte. Er nahm einen Schluck vom Kaffee, gebraut aus den letzten Wasservorräten, die sie noch hatten. Dabei verzog er angewidert sein Gesicht. Der Becher wanderte zurück auf die Anrichte.

Der Kaffee schmeckte ihm nicht. So wie vieles andere ebenfalls nicht.

Dryboone, der mit einigen Küchenutensilien laut herumhantierte, sah zu ihm auf. »Was stimmt nicht, Vormann? Spuck’s aus!«

»Hast auch schon mal besseren Kaffee gekocht, Pfannenschwenker. Das Zeug schmeckt wie schon mal getrunken. Zur Hölle damit.«

Der Trailkoch reckte angriffslustig sein bärtiges Kinn vor und stemmte die Fäuste in die Hüften. »So? Sei froh, dass es überhaupt noch Kaffee gibt, Ben Fuller. Wenn wir nicht bald diesen kleinen Arroyo erreichen, der dort hinter den Hügeln liegt, wird’s nämlich gar keinen mehr geben. Und nicht einmal Wasser. In den Fässern ist gerade noch so viel, dass es knapp den Boden bedeckt. Und was die Rinder betrifft …«

»Erzähl mir nichts, was ich schon weiß. Die Rinder sind übermüdet und vor Durst halb verrückt. Genauso wie die Mannschaft. Ich sehe selbst, was los ist.«

Der Trailkoch fuhr mit der Hand durch seinen grauen Bart, auf den er so stolz war, wie eine junge Mutter auf ihr Neugeborenes. »Umso weniger verstehe ich, weshalb du heute nicht weiterziehen willst. Je mehr Meilen wir in diesem Glutofen hinter uns lassen, desto besser ist es. Oder etwa nicht?«

Fuller schüttelte den Kopf und wies mit ausgestrecktem Arm in Richtung der Hügel. »Sieh hin, Cookie! Nichts weiter als Sand und Geröll, so weit das Auge reicht. Und das ändert sich nicht, ehe wir die ersten Ausläufer der Berge erreicht haben. Fünfzehn, vielleicht zwanzig Meilen. Erst dahinter fließt der Arroyo. Unmöglich, die Strecke heute bei dieser Hitze zu schaffen. Ich halte es für besser, jetzt eine Rast einzulegen. Wir werden bei Nacht weiterziehen. Dann ist es etwas kühler, und das Treiben erträglicher. Das sollte selbst einem Holzkopf wie dir einleuchten. Richtig, du alter Pfannenschwenker?«

Dryboone hielt Fuller den knochigen Zeigefinger entgegen und brummte in gespielt zornigem Tonfall: »Ben Fuller, ich frage mich, weshalb ich mir von dir solche Frechheiten anhören muss. Du und Harper …, ihr werdet euch von Tag zu Tag immer ähnlicher.«

Ein breites Schmunzeln erschien in Bens Gesicht. »Na, dann scheine ich ja prächtig in der Spur zu laufen und meinen Job richtig zu machen. Den Boss angemessen zu vertreten, das ist meine Pflicht.«

Dryboone machte eine abwinkende Handbewegung. »Denk doch, was du willst. Aber vermutlich hast du sogar recht. Unser Trailboss hätte bei der Hitze wohl nicht anders gehandelt als du.«

»Fein, dass du’s einsiehst. Wenn ich’s mir recht überlege, mein lieber Dryboone …, so ein Holzkopf bist du nun auch wieder nicht.«

»Verdammt! Lass das Süßholzraspeln. Die Nummer nehme ich dir nicht ab. Aber sag mal, was ist eigentlich mit Harper? Hätte der nicht schon längst zurück sein müssen?

Ben wandte den Kopf betreten zur Seite. »Du weißt, weshalb er sich vom Trail entfernt hat. Der braucht ’ne Weile, um mit sich ins Reine zu kommen. Er ist dort oben, wo wir sie beerdigt haben …«

»Ja, Miss Laura war ein feiner Kerl. Die war richtig. Eine, mit der man Pferde stehlen konnte. Sie schaffte es sogar, unseren eisenfressenden Trailboss um den Fingern zu wickeln. Das hat noch keine Frau vor ihr geschafft, soweit ich mich erinnere. Und nach ihr sowieso nicht. Ist jetzt schon fast ein Jahr her, seit sie … Zum Teufel, Harper hat’s noch nicht überwunden. Auch wenn er’s sich nicht anmerken lässt. Die Sache mit ihr sitzt ihm noch mächtig in den Knochen.«

Ben nickte. »Wird wohl noch dauern. Wir hatten sie alle sehr gern. Wenn ich daran denke, wie jung sie war, und wie verteufelt hübsch …«, Fuller schüttelte den Kopf. Plötzlich stieß er sich von der Anrichte ab, zog den Hut tiefer in die Stirn und wechselte rasch das Thema. So, als würde er seinen traurigen Erinnerungen keinen weiteren Raum mehr geben wollen. »Nun, Harper wird gewiss bald wieder zu uns stoßen. Kümmere du dich nun um das Abendessen, Dry! Ich werd den Männern Bescheid geben und die Wachen einteilen. Da die gehörnten Karnickel heute unruhig sind, werde ich die Wachen verdoppeln müssen.«

»Das wird einigen von den Jungs nicht schmecken. Dreien ganz gewiss nicht.«

»Du denkst an diesen Cordy Ellins und seine beiden Kumpels, richtig, Köchlein?«

»Bist ein Blitzmerker, Fuller. Diese Kerle waren mir von Anfang an nicht geheuer. Der Boss hätte sie nie und nimmer einstellen sollen.«

»Du weißt, dass wir dringend Männer brauchten. Und da in diesem Landstrich kaum einer Interesse zeigte, sich für dreißig Dollar im Monat den Hintern im Sattel wund zu scheuern, konnte Harper nicht wählerisch sein. Außerdem … Bis jetzt haben die drei recht gute Arbeit geleistet.«

Dryboone rieb seinen Bart. »Ja, bis jetzt …«

»Na, dann will ich dafür sorgen, dass es auch in Zukunft so bleibt, bis wir die Herde in Sedalia abliefern. Bis Harper wieder da ist, bin ich ja schließlich für den Trail verantwortlich.«

*

Die Männer der Trailmannschaft kauerten auf dem heißen, steinigen Boden. Müde, zerschunden und ausgelaugt. Ihre Hüte hatten sie tief in die ausgemergelten, stoppelbärtigen Gesichter gezogen, um wenigstens etwas Schutz vor der gleißenden Sonne zu haben, der sie zwangsläufig ausgeliefert waren. Schatten gab es kaum. Nur kleine Flecken hinter einigen umher liegenden Felssteinen. Aber die reichten nicht aus, um sich vor den zermürbend heißen Sonnenstrahlen zu schützen.

Fuller erkannte sofort, dass sich zwei Gruppen gebildet hatten.

Der harte Kern der Mannschaft saß dicht beisammen. Das waren Männer wie der Trailscout Pete Nelson, Jim Wingers, Clem Simmons, Steve Yardigan, Curly Hondo und der junge Antony Draper, in den Jahren vom schüchternen, unbeholfenen Jüngling zum Mann gereift. Graff Cole, Jim Pierce, Shorty Bones und Lem Baxter gehörten auch dazu. Ebenso Chico Morales, der Wrangler, der im Augenblick bei der Remuda war. Während Shorty Bones und Lem Baxter Wache bei der Herde hielten.

Diese Männer waren von Anfang an dabei, als Nolan Harper seine erste Herde von Texas nach Missouri gebracht hatte.

Ja, diese Männer kannten ihren Job, wussten Bescheid. Es waren raue Burschen, zäh wie Leder, treu wie Gold.

Aber es gab auch andere Typen in der Mannschaft. Jene, die erst bei diesem Trail dazugestoßen oder kürzlich angeworben waren. Die Kerle saßen etwas abseits, hatten sich vom sogenannten harten Kern entfernt und bildeten die zweite Gruppe. Sechs Männer waren es. Drei von ihnen sahen schief grinsend zu Fuller auf. Sie schienen bereits auf ihn gewartet zu haben.

Er trat so an die Männer heran, dass er beide Gruppen gut im Blick hatte. Dann klatschte Fuller laut in die Hände.

»Alle herhören! Männer, wir werden hier eine längere Rast einlegen und erst in der Nacht weiter treiben. Bis dahin gibt es Wasser nur auf Zuteilung. Die Wache bei der Herde muss verdoppelt werden. Aber morgen werden wir den kleinen Arroyo erreicht haben, der hinter den Hügeln liegt, und …«

»Spar dir dein Gewäsch, Kleiner. Für mich und meine beiden Kumpels hier ist Endstation«, unterbrach ihn Cordy Ellins grob.

Er erhob sich schwerfällig und machte einen Schritt auf Ben Fuller zu. Ein ungehobelter Bursche, mit einem Kreuz, hinter dem sich zwei Männer von der Statur eines Ben Fullers bequem verstecken konnten. Seine mehrfach gebrochene Nase und die Blumenkohlohren erinnerten an die Preiskämpfer, die am Oberlauf des Missouri mit harten Fäusten ihr Geld verdienten. Er überragte den Vormann um mindestens eine halbe Kopflänge. Und das, obwohl Fuller gewiss nicht klein war.

Ben sah mit hartem Blick zu ihm auf. »Was soll das heißen, Ellins?«

»Wir hauen ab, haben die Schnauze gründlich voll.«

»Wir, Ellins?«

In Ellins’ gelblichen Augen leuchtete es heimtückisch, sein breiter Mund war zu einem brutalen Grinsen verzogen. Mit einer ruckartigen Kopfbewegung wies er auf seine beiden Partner. »Cross und Batt kommen mit mir. Damit’s klar ist, Fuller.«

Ben warf einen Blick auf Judd Cross und Dade Batt. Die beiden saßen zusammen und grinsten hämisch. Aber sie machten keine Anstalten, sich zu erheben. Noch nicht.

Die anderen drei, welche zur zweiten Gruppe gehörten, wichen Fullers Blick aus.

Ben überlegte, was das bedeutete. Würden die anderen drei, wenn Ellins und seine beiden compadres sich in die Sättel schwingen würden, es ihnen gleich tun? Oder gäbe es für sie einen Grund, es nicht zu tun. Würden sie bleiben?

Wenn nicht, würde das einen Verlust von sechs Männern bedeuten, die mehr als dringend benötigt wurden. Egal, ob sie menschlich viel taugten oder nicht. Ihre Arbeitskraft würde fehlen.

Ben Fuller war nicht gewillt, das durchgehen zu lassen. Gewiss, es war Nolan Harpers Job, dafür zu sorgen, dass die Mannschaft zusammenblieb. Aber Harper war im Augenblick nicht anwesend. Damit fiel ihm die Aufgabe zu.

Fuller musterte Ellins mit harten Blicken und schüttelte den Kopf. »Daraus wird nichts, Ellins. Hier verlässt keiner den Trail. Es sei denn, er wird gefeuert. Ihr habt alle die Bedingungen unterschrieben.«

»Du kannst dir deinen blöden Vertrag sonstwo hinschieben, mein Junge. Wenn ich abhauen will, dann tue ich das. Mir schreibt keiner was vor, comprende? Ich habe diese verdammte Schinderei hier gründlich satt. Dich und diesen verdammten Schinder von einem Trailboss. Meine beiden Kameraden denken genauso. Also komm mir nicht mit irgendwelchen dummen Sprüchen, sondern mach den Weg frei!«

Fuller dachte nicht eine Sekunde daran. Wenn er auch nur einen Zollbreit nachgab, würde ihn keiner mehr auf dem Trail respektieren. Und Ben Fuller war ohnehin nicht der Mann, der sich leicht einschüchtern ließ.

Schon gar nicht von einem Schlägertyp wie Cordy Ellins.

»Ellins! Ich sagte: keiner verlässt den Trail, bis wir in Sedalia sind. Und das gilt auch für dich und deine beiden Freunde. Ist das klar?«

Ungestüm bewegte sich Ellins vorwärts und wollte Fuller einfach beiseite stoßen. »Scher dich zum Teufel, Vormann. Geh mir aus dem Weg!«

Ben machte einen ausweichenden schnellen Schritt nach rechts und ließ den bulligen Burschen vorbei. Aber nur, um ihm geschickt ein Bein zu stellen. Ellins stolperte, verlor die Balance und landete krachend im Staub.

Judd Cross und Dade Batt sprangen auf. Wie auf Kommando sackten ihre Hände herunter und berührten die Kolben ihrer Colts.

Aber zum Ziehen kamen sie nicht mehr.

»Lasst das ja bleiben! Hinsetzen! Alle beide!« Trailscout Pete Nelson trat aus der ersten Gruppe heraus und hielt seinen 36er Navy Belt in der Faust. Cross und Batt stierten in die drohende Mündung der Waffe und entspannten schlagartig ihre Haltung. Sie warfen einander verstohlene Blicke zu und setzten sich stumm wieder auf ihren Platz.

Ben Fuller nickte Pete kurz zu, ohne dabei Cordy Ellins aus den Augen zu lassen, der sich aus dem Staub erhob und sofort in Fullers Richtung schnellte. Ein bösartiges, verschlagenes Grinsen zeigte sich in Ellins’ Gesicht.

»All right, Vormann. Ich sehe, du willst es auf die raue Art. Nur zu! Wird mir ein Vergnügen sein, dich auf die richtige Größe zurechtzustutzen.« Er warf Pete Nelson einen giftigen Blick zu. »Und du, Trailscout …, lass dir ja nicht einfallen, mit deiner Kanone hier zwischenzufunken. Das ist ’ne Sache zwischen mir und diesem lausigen Vormann hier.«

»Pete?«, raunte Fuller dem Trailscout zu. Sein Blick war dabei fest auf Ellins gerichtet.

Pete Nelson nickte. »Geht klar. Ich halte dir den Rücken frei, Fuller. Der Rest ist deine Sache.«

»Genauso soll es sein! Du warst schon lange fällig, Vormann!«, rief Cordy Ellins. Er schlug mit der Faust in die linke Handfläche. In seinen Augen blitzte es tückisch auf. Er stürmte vor, gierig darauf, seinen Gegner mit den Fäusten zu zermalmen.

Ben hatte mit dem Angriff gerechnet. Er federte in die Knie, duckte sich ab. Ellins Fäuste gingen ins Leere. Zu spät bremste er seinen Ansturm ab und stolperte hilflos über Fuller hinweg. Fullers Körper schnellte in diesem Augenblick hoch. Er traf Ellins mit voller Wucht von unten. Ellins’ massiger Körper flog durch die Luft, überschlug sich und landete mit lautem Krachen auf dem Bo­den. Staub wallte auf.

Ein Raunen ging durch die Reihen der Männer.

Ellins rollte sich zur Seite, spuckte Sand und Dreck aus und sprang auf. Kaum stand er auf den Beinen, stürmte Ben vor. Er wusste, dass er nur durch seine Schnelligkeit eine Chance hatte, um gegen Cordy Ellins zu gewinnen, der ihm an Körperkraft weitaus überlegen war.