Western Legenden 26: Der Damm von Baxter Ridge - R.S. Stone - E-Book

Western Legenden 26: Der Damm von Baxter Ridge E-Book

R. S. Stone

0,0

Beschreibung

Luke Dawson bringt den toten Viehtreiber nach Baxter Ridge, dessen letzter Wille es war, dort beerdigt zu werden.Kurz darauf gerät Luke in einen Kampf zweier hitzköpfiger Parteien, in den auch Trailboss Nolan Harper und seine Mannschaft hineingezogen werden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 195

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Western Legenden

In dieser Reihe bisher erschienen

9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache

9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato

9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen

9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen

9005 Dietmar Kuegler Tombstone

9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang

9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod

9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin

9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana

9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas

9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs

9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk

9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition

9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen

9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer

9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen

9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell

9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr

9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee

9020 R. S. Stone Die Hand am Colt

9021 Dietmar Kuegler San Pedro River

9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen

9023 Dietmar Kuegler Alamo – Der Kampf um Texas

9024 Alfred Wallon Das Goliad-Massaker

9025 R. S. Stone Blutiger Winter

9026 R. S. Stone Der Damm von Baxter Ridge

9027 Alex Mann Dreitausend Rinder

9028 R. S. Stone Schwarzes Gold

9029 R. S. Stone Schmutziger Job

9030 Peter Dubina Bronco Canyon

9031 Alfred Wallon Butch Cassidy wird gejagt

9032 Alex Mann Die verlorene Patrouille

R. S. Stone

Der Damm vonBaxter Ridge

Die Erinnerungen des Luke DawsonBand 2

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-536-4Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Prolog

Das Knattern eines heranfahrenden Automobils durchdrang die Stille des jungen Morgens und Luke Dawson zog ärgerlich die Brauen zusammen. Eine Weile hatte er auf der Veranda seines doppelstöckigen Ranchgebäudes gesessen, in Ruhe seine morgendliche Pfeife geraucht und den Sonnenaufgang beobachtet, der sich hinter den fernliegenden Hügelketten vollzogen hatte. Ein Ritual, das sich seit vielen Jahren vollzog, und auf das Luke nie mehr verzichten würde. Er war nun einmal ein Mann, der von jeher mit der Natur im Einklang stand. Und gerade den Frühling liebte er am meisten. In dieser Jahreszeit war die Luft angefüllt mit dem Duft des Salbeis, dem harzigen Geruch der Lodgepole-Fichten und dem Duft blühender Creosotbüsche. Dies alles gab es um seine Ranch herum in Hülle und Fülle. Dieser Ford, der jetzt über die breite Hofeinfahrt gefahren kam, war für ihn nur ein lästiger Störfaktor, der einfach nicht in die gesamte Umgebung passen wollte. Aber auch hier in dem Landstrich, der nicht großartig besiedelt war, hatte der Fortschritt Einzug gehalten und in Lukes Augen bereits deutliche Spuren hinterlassen. Und gerade die knatternden Benzinkutschen, die die Luft verpesteten, waren ihm ein mächtiger Dorn im Auge. Immer mehr nahmen diese Dinger zu, und in El Vado, die Stadt, die der Ranch am nächsten lag, füllten sie die Straßen und parkten die Gehsteige zu. Jeder, der etwas auf sich hielt, tauschte Pferd gegen ein Automobil und war auch noch stolz darauf. Für einen Mann wie Luke Dawson unfassbar. Er konnte es nicht begreifen.

Dicht vor der Veranda kam das knatternde Gefährt zum Stehen, und es war Jim, Lukes ältester Sohn, der aus dem Wagen stieg und mit einem breiten, stolzen Lächeln zu seinem Vater herübersah. „Morgen, Dad“, dröhnte es zu Luke heran, der sich inzwischen aus seinem Stuhl erhoben und die Verandastufen erreicht hatte. „Den habe ich gerade bei Crusader, dem Autohändler in El Vado abgeholt. Fabrikfrisch. Was sagst du dazu? Ist das nicht ein herrlicher Wagen?“

„Zum Teufel“, brummte Luke und klopfte seine Pfeife am Haltebalken aus. „Jetzt haben wir schon vier von diesen stinkenden Krachmachern auf der Firebrand stehen. Was soll das hier werden, Jim? Und wo soll das enden? Bald können wir selbst ’nen verdammten Autohandel aufmachen, statt Rinderzucht zu betreiben. Zur Hölle mit diesen luftverpestenden Dreckschleudern.“

Jim lachte laut, strich mit der Handfläche über das Verdeck seines neuen Ford T. „Ich weiß einfach nicht, was du hast, Dad. So ein Auto erspart viel Zeit, und es lässt sich bequem darin fahren. Komm, wir beide machen ’ne kleine Spritztour und fahren ein bisschen übers Land.“

Luke machte eine unwirsche Handbewegung und schüttelte energisch den Kopf. „Tu nur, was du nicht lassen kannst, Jim. Aber ohne mich.“ Er deutete mit einer ruckartigen Kopfbewegung zum Pferdestall. „Da drinnen stehen die Fortbewegungsmittel, die für mich geeignet sind. Ja, ich werde eine sogenannte Spritztour machen – im Sattel meines Braunen, mein Sohn.“

Jim, der eine große Ähnlichkeit mit seinem Vater hatte, als dieser noch wesentlich jünger war, zuckte nur verständnislos mit den Schultern. In vielen Dingen waren sie sich einig, Vater und Sohn. Aber wenn es um den Fortschritt des Landes ging, kamen sie einfach auf keinen gemeinsamen Nenner.

„Wie du meinst, Dad. Gott sei Dank sieht Mom die Sache anders an. Zum Geier, die stellt sich nicht so verknöchert gegen den Fortschritt wie du. Und Linda und meinen beiden Kindern werde ich damit ’ne tüchtige Freude gemacht haben – von mir selbst einmal abgesehen.“

Luke war seinem Sohn auf ein paar Schritte nähergekommen und legte ihm die lassonarbige Rechte auf die Schulter. Als er sprach, tat er es mit einem Lächeln: „Lass gut sein, Jim. Telefone und Autos passen nun einmal nicht in meine Weltanschauung.“

„Und was ist mit der Eisenbahn? Die war ja zu deiner Zeit auch schon revolutionär und hatte riesige Auswirkungen auf ein neues Leben, findest du nicht?“

„Scheiß drauf, da war ich jünger“, brummte Luke und schlenderte gemächlich zum Pferdestall. Jim, der ihm eine kurze Weile hinterherblickte, schüttelte nur den Kopf. Dann warf er einen liebevollen Blick auf seinen neu errungenen Fort T, der im Volksmund Tin Lizzy1 genannt wurde, und das strahlende Lächeln eines stolzen Besitzers zog über sein markant geschnittenes Gesicht. Seine Hand strich liebevoll über das Verdeck der neuen Errungenschaft hinweg. Vergessen war der kurze Dialog mit seinem Vater.

*

Als Luke Dawson im Sattel des Braunen saß, fühlte er sich wie ein Mann von vierzig statt der fünfundsiebzig, die er bereits an Jahren zählte. Und auch die Figur, die er als Reiter dabei machte, glich der eines wesentlich Jüngeren. Luke war es von jeher gewohnt, auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen. Und er würde erst damit aufhören, wenn die Zeit gekommen wäre, Abschied von Gottes Erden nehmen zu müssen. Er war ein Mann, der in diesem Land aufgewachsen war und den eine unstete Triebhaftigkeit über den Großteil seines Lebens hinweg begleitet hatte. Zur Ruhe gekommen war dieser Mann nie, auch nicht, als er sich vor vielen Jahren entschloss, gemeinsam mit seiner Frau Rhianna auf der Firebrand-Ranch zu leben.

Rhianna, so war ihm schon lange klar, war der ruhende Pol in seinem Leben. Ein Leben ohne sie und auch den Kindern, die bereits erwachsen waren, war für ihn unvorstellbar. Aber ein anderer Wesenszug in ihm zwang ihn immer wieder in den Sattel. Er brauchte nun einmal die Weite dieses Landes, mit den unzähligen Bergen, Tälern, Wäldern, Flüssen und Prärien – diese Freiheit, die er damit verband – wie die Luft zum Atmen.

Zappelfuß-Dawson, so hatten ihn viele Menschen genannt. Und damit war schon viel über diesen Mann gesagt.

Der Ausritt, den er jetzt unternommen hatte, hatte kein bestimmtes Ziel. Er ritt des Reitens willen, ließ sich und sein Pferd dabei treiben wie ein Blatt im Wind. So, wie er es früher oft getan hatte. Irgendwann lenkte er seinen Braunen einen schmalen Pfad entlang, der hinauf zu einer Felsleiste führte. Dort angekommen, verhielt er sein Pferd, legte sein rechtes Bein über den Sattel und gönnte sich eine kurze Pause. Die Blicke seiner zusammengezogenen Augen spähten hinunter in ein ausgedehntes Talbecken, durch das sich die Hauptstraße zog, die nach El Vado führte. Parallel zur Straße schlängelte sich der Rio Chama durch das wellenförmige Land. Hinter dem Fluss stieg das Land seicht an und war mit mehreren Gruppen von Chihuahua-Fichten bestückt. Diese Fichten zeichneten sich durch ihre extrem spitzen Nadeln und ihre immergrüne Farbe aus.

Luke zog sein Rauchzeug aus der Brusttasche seines grauen Flanellhemdes. Früher hatte er sich häufig Zigaretten gedreht oder Zigarren geraucht, seit ein paar Jahren war er auf Pfeife umgestiegen. Gemächlich begann er, seine Pfeife zu stopfen, als er aus südlicher Richtung ein Fahrzeug kommen sah, hinter dem sich eine dichte, gelbliche Staubwolke auftürmte. Es war ein Roadster, in dem zwei Personen saßen. Der Fahrer schien es ziemlich eilig zu haben, denn er drückte tüchtig aufs Gaspedal. Das Knattern und Rattern des Wagens unterbrach die ­harmonische Stille, und wieder einmal zogen sich Lukes Brauen verärgert zusammen. Pfeife und Tabak wanderten zurück in die Brusttasche. Die Lust auf Rauchen war ihm vergangen. Plötzlich mischte sich ein rasselndes Geräusch zum Rattern des Motors, und der Wagen verlangsamte das Tempo, bis er zum Stehen kam. Es dauerte einen Moment, bis Luke begriff, dass das Auto einen Defekt haben musste und daher nicht weiterfahren konnte. Die beiden Insassen stiegen aus und Luke erkannte einen Mann und eine Frau. Die Frau gestikulierte wild auf den Fahrer ein, der das Verdeck der zweigeteilten Motorhaube öffnete, einen prüfenden Blick in den Motorraum warf und nach einer Weile nur noch ratlos die Arme hob und wieder senkte. Das führte dazu, dass das Gekeife und Gezeter der Frau bis an Lukes Ohren drang, während dieser mit breitem Grinsen das Szenario dort unten verfolgte. Schließlich riss die Frau die Beifahrertür auf und warf sich auf den Sitz. Dann verschränkte sie ihre Arme ineinander und senkte ruckartig den Kopf. Für Luke eindeutig eine Geste des Schmollens. Der Mann indes verschloss den Motorraum, trat wütend mit dem Fuß gegen das linke Vorderrad und sah sich hilfesuchend nach allen Seiten um.

Luke war nicht der Mann, der sich mit Autos auskannte, was nicht verwunderlich war, denn er mochte sie ja auch nicht. Aber dieses seltsame Pärchen dort unten war in Not geraten, und irgendwie musste geholfen werden. Er wusste zwar nicht wie, aber eine Lösung würde sich schon finden. Luke zog den Braunen herum, lenkte ihn den Pfad hinunter, den er vorhin gekommen war, und führte das Tier zur Hauptstraße zu den beiden in Havarie geratenen Menschen heran. Er verhielt den Braunen neben dem Roadster, es war ein blauer Wagen vom Fabri­kat Saxon Motor Company2 mit der schlichten Typen­bezeichnung A, und warf der Frau auf dem Beifahrersitz einen flüchtigen Blick zu. Dabei tippte er höflich an die Krempe seines Texashuts. Zu dem Mann gewandt, der immer noch recht hilflos vor dem Wagen stand, fragte er: „Gibt es Probleme?“

Der Mann trat hinter der Motorhaube hervor und rief ärgerlich: „Ob es Probleme gibt? Guter Mann! Diese Karre ist uns hier mitten in der Prärie verreckt. Dabei haben meine Frau und ich den Wagen erst vor wenigen Wochen direkt in Chicago vom Werk abgeholt. Eine Schande ist das!“

Er war ein recht junger Mann, noch keine dreißig Jahre alt, blassgesichtig und nicht sehr groß. Er trug einen mausgrauen, schlecht sitzenden Anzug, der Luke unweigerlich an den eines typischen Städters erinnerte. Auf dem Kopf trug er einen schmalkrempigen Hut mit tiefem Kniff, in gleicher Farbe wie der Anzug.

Auch die Frau im Wagen war noch jung. Ihr blondes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz ­zusammengebunden. Das schuf Raum für ein glattes, ovales Gesicht, das ebenfalls von einer leichten Blässe überzogen war. Ihre Lippen waren dezent geschminkt, so dass sie etwas voller wirkten, als sie in Wirklichkeit waren. Sie war hübsch, wenngleich keine Schönheit im klassischen Sinne.

Der Mann machte einen zögernden Schritt auf Luke zu, der sich noch nicht die Mühe gemacht hatte, aus dem Sattel zu steigen. Zwei nervös flackernde Augen blickten hilfesuchend zu Luke empor. „Verstehen Sie etwas von Autos, Mister?“

Luke schüttelte den Kopf. Er konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, als er sagte: „Von Pferden ja – von Autos nein.“

Der Mann hieb mit der linken Faust in die rechte Handfläche. „Schöner Mist ist das! Hier gibt es sicher weit und breit keine Werkstatt, was?“

Luke dachte einen kurzen Augenblick nach. Wieder schüttelte er den Kopf. „Die nächste Werkstatt ist in El Vado. Bis dahin sind es gut und gern noch zwanzig Meilen.“

Die Frau im Wagen gab einen verzweifelt klingenden Laut von sich, und der Mann ließ erneut seine Faust in die freie Handfläche krachen. Pure Verzweiflung zeigte sich in seinem Gesicht, und Luke hatte schon die Befürchtung, dass der Bursche kurz davor war, zu weinen. Luke hörte die Frau schreien: „Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass wir den Zug hätten nehmen sollen. Das wäre ohnehin bequemer gewesen, als in dieser engen Seifenkiste durch die Prärie zu fahren! Aber du warst ja mal wieder schlauer. Jetzt haben wir den Salat. Und du bist schuld daran – nur du allein, Alex Wymore! Oh, ich könnte dich ...“

Luke unterbrach sie mit einer lässigen Handbewegung. „Beruhigen Sie sich, Ma’am“, raunte er ihr zu. „Ich bringe Sie beide zu meiner Ranch. Die ist nur etwa zehn Meilen von hier entfernt. Dort werden wir alles Weitere klären.“

Sie starrte entgeistert vom Beifahrersitz zu ihm auf. „Was denn? Wollen Sie mich und meinen Mann etwa mit auf ihr Pferd setzen, Mister? Und ... was passiert mit dem Auto? Soll diese Seifenkiste etwa hier stehen bleiben? Ich habe das Gefühl, Sie wollen uns hier ziemlich auf die Rolle nehmen, was?“

Luke gab keine Antwort darauf. Er glitt aus dem Sattel und nahm sein Wurfseil in die Hand. Damit ging er zum Auto, rüttelte prüfend an der Querverstrebung der beiden vorderen Speichenräder und nickte zufrieden. Er warf das Seil um die Querverstrebung und knotete das eine Ende fest zu. Dann ging er zu seinem Pferd und befestigte das andere Ende um das Sattelhorn. Alex Wymore, der ihm die ganze Zeit stirnrunzelnd zugesehen hatte, rieb sich nervös über Mund und Kinn. „Sie meinen, das funktioniert? Ihr Pferd soll den Wagen ziehen?“

„Sie kennen sich mit Pferden nicht aus, was?“

Alex Wymore zuckte verlegen mit den Schultern. „Nein, nicht besonders. Ich bin Bankkaufmann. Habe herzlich wenig mit Pferden zu tun. Auch fehlt mir die Zeit, mich darum zu kümmern, verstehen Sie? Ich ... wir haben uns Ihnen noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Alexander Wymore.“ Er wies mit einer Handbewegung auf die Frau im Wagen. „Und dies ist meine Verlobte Lilian. Wir hatten in der Nähe Freunde besucht und befanden uns auf dem Heimweg Richtung Oklahoma, als das Auto plötzlich nicht mehr wollte.“

„Dawson, mein Name, Luke Dawson. Nun, Mister Wymore, wenn diese Verstrebung da zwischen den beiden Rädern hält, wovon ich ausgehe, dürfte es keine Probleme geben.“ Grinsend setzte Luke hinzu: „Es sei denn, Sie beide würden doch lieber zu Fuß in die Stadt laufen.“

Wymore warf in gespielt entsetzter Geste seine Hände nach oben. „Um Gottes willen! Alles, nur nicht das.“

„Na, dann klettern Sie mal hübsch in Ihren Wagen und setzen sich hinters Lenkrad. Aber lassen Sie den Fuß von der Bremse, okay?“

„Natürlich“, sagte Wymore und beeilte sich, in den Roadster zu steigen. Luke schwang sich aufs Pferd, und für einen Mann in seinem Alter tat er es mit einer jugendlich wirkenden Geschmeidigkeit. Als er im Sattel saß, nahm er die Zügel auf und lenkte den Braunen vor den Wagen. Das Seil war kurz davor, sich zu spannen, als Luke sich im Sattel nach hinten zum Roadster drehte. „Sind Sie bereit, Wymore?“

„Ich bin bereit, Mister Dawson“, kam es entschlossen klingend zurück.

„Na, dann ... los geht’s.“

Der Braune zog an, das Wurfseil spannte sich, und der Roadster begann zu rollen.

*

In den späten Mittagsstunden erreichten sie die Ranch. Dort herrschte der gewohnte Tagesbetrieb. Aus der Schmiede erklangen Hammerschläge hinaus auf den Hof. Zwei Männer hatten sich mit Hammer und Nägeln ­bewaffnet und besserten das Dach einer Scheune aus, während zwei weitere Männer ein paar Bretter zurechtsägten. Das Kreischen der Kreissäge vermischte sich mit den metallischen Hammerschlägen drüben aus der Schmiede. Im eingezäunten Corral ritt ein Cowboy ein ungezähmtes Pferd zu. Ein paar Cowboys standen am Gatter herum und feuerten ihn dabei tüchtig an. Als Luke auf seinem Braunen über die großzügige Hofeinfahrt geritten kam und dabei hinter sich den blauen Roadster im Schlepp hatte, hörten sämtliche Tätigkeiten auf. Die neugierigen Blicke folgten ihnen, bis Luke sein Pferd vor dem Haupthaus zum Stehen brachte. Im Schatten einer Pinie parkte eine schwarzblaue Limousine mit schwarzen Kotflügeln und einer schwarzen Motorhaube, die Luke zunächst nicht zuordnen konnte. Er bedachte dieses fremde Vehikel mit einem leichten Stirnrunzeln und glitt aus dem Sattel. Kurz darauf betrat ein hochgewachsener Mann die Veranda, in der derben Tracht eines Weidereiters. Luke musste zweimal hinsehen, bis er diesen Mann erkannte. Er hatte ihn eine längere Zeit nicht gesehen, bestimmt waren zwei oder drei Jahre vergangen. Als Luke ihn erkannt hatte, strahlten seine Augen und er rief freudig aus: „Hol’s der Teufel! Das ist doch ... Ben! Der gute, alte Ben Fuller!“

Sie liefen einander entgegen, fielen sich stürmisch in die Arme und klopften sich gegenseitig auf die Schultern – zwei alte Compadres aus längst vergangenen Tagen.

„Lass dich ansehen, Ben! Hast ’n paar Fältchen mehr bekommen, was? Macht nichts, siehst prima aus. Braungebrannt wie immer. Mensch, ich freu mich, dich wiederzusehen!“

Ben Fuller lachte und zeigte dabei sein noch prächtiges Gebiss. Er war etwa so alt wie Luke, aber man sah ihm das Alter kaum an. Früher war sein Haar dunkelbraun gewesen. Jetzt überwog das Grau. Der Blick seiner Augen war frisch und klar. Daran schien sich nie etwas geändert zu haben. Er sagte mit seiner tiefen, dunklen Stimme: „War ganz in der Nähe, Luke. Dachte, ich komm mal rum. Ist ja ’ne halbe Ewigkeit her seit dem letzten Mal. Wie geht’s dir, du alter Haudegen?“

„Prima. Was machen deine Kinder? Wie geht es Harriett? Kommt sie mittlerweile klar mit der Ranch?“

„Alles bestens, Luke. Harriett kennt sich beinahe mit den Rindern besser aus als ich. Und die beiden Mädchen sind mittlerweile verheiratet und leben in der Stadt – in Wichita Falls. Denen gefiel das Leben auf dem Land nicht mehr, war ihnen zu langweilig. Sie sind halt noch jung, wollen was erleben.“ Ben Fuller winkte lässig ab. „Du kennst das ja.“

„Auf jeden Fall, Ben“, pflichtete Luke ihm bei. Er wies mit dem Daumen seiner rechten Hand auf die blaue Limousine. „Aber sag mal, alter Junge ... ist das etwa dein Auto, dort beim Baum?“

„Ja, das ist ein 1913er Chevy Classic Six. Hübsches Teil, was? Den habe ich einem Nachbarrancher zum halben Neupreis abgekauft, weil der Bursche mit dem Wagen nicht zurechtgekommen ist. Lässt sich prima damit fahren. Wenn du willst, können wir gleich mal ’ne Runde drehen.“

Luke winkte ab. „Ist nichts für mich. Aber ... Ben Fuller und Autos. Irgendwie passt das nicht.“

„Warum nicht? Wenn man fast sein ganzes Leben im Sattel eines Pferdes verbracht hat, so wie wir, ist so’n Automobil ’ne prima Alternative. Besitzt du etwa kein Auto, Luke?“

„Doch. Aber meines hat vier Beine und trägt ’nen Sattel auf dem Rücken.“

Ben Fuller sah grinsend an Luke vorbei in Richtung des Roadsters. Dort waren Wymore und seine Verlobte bereits aus dem Wagen gestiegen. Sie starrten mit ungeduldigen Mienen zu den beiden Männern herüber. Fuller sah Luke fragend an. „So ist das also. Nun, deshalb schleppst du auch blaue Autos hinter deinem Pferd her, was? Und wer ist das junge Paar dort bei diesem Wagen?“

„Oh, das Pärchen hatte eine Panne, kam mit dem Wagen nicht mehr weiter. Da habe ich sie erst einmal hierhergebracht. Komm, Ben, ich will mich darum kümmern. Die beiden müssen schließlich noch weiter.“

*

Nachdem einander vorgestellt worden war und sich auch Rhianna zu ihnen gesellt hatte, erlebte Luke eine weitere Überraschung an diesem Tag. Und es war Ben Fuller, der wieder dafür sorgte. Der setzte sich nämlich in den Wagen, startete, was erfolglos blieb und stieg grinsend wieder aus. „Man sollte auch genügend Benzin im Tank haben, damit so ein Wagen läuft. Ohne funktioniert sowas natürlich nicht.“

Wymores Mund klappte sperrangelweit auf. „Was?!“

Lilian starrte ihren Verlobten mit Zornesblitzen in den Augen an. „Oh, du Einfaltspinsel! Ich habe es doch gewusst! Habe ich dich nicht während der Fahrt gefragt, wann es endlich mal Zeit wäre, den Wagen zu tanken? Na?“

Wymore senkte verlegen den Kopf. In seinem bleichen Gesicht wurde es merklich rot. „Ja, schon“, stammelte er, „aber ich ... ich habe nicht mehr daran gedacht.“

Rhianna war es, die dem armen Bankkaufmann aus seiner peinlichen Situation verhalf, indem sie gekonnt das Ruder herumriss: „Ist ja alles kein Beinbruch. Ich rufe Gregg Summers an. Der soll mit einem gefüllten Benzinkanister zur Ranch kommen. Und damit dürfte das Pro­blem aus der Welt sein, richtig? Und in der Zwischenzeit sage ich unserem Köchlein Bescheid, dass er ein paar saftige Steaks auf den Grill legen soll. Wir haben schließlich mächtig hungrige Gäste.“

Luke klatschte in die Hände. „Na, das ist doch ein Wort.“

Wymore lächelte den beiden Dawsons verlegen zu: „Das ist wirklich sehr nett, Mrs. und Mister Dawson. Aber wir haben Ihnen doch schon genug Umstände bereitet, und ...“

„Wir?“, fiel ihm Lilian zornig ins Wort. „Lass mich dabei aus dem Spiel, Alex Wymore!“

Wymore nahm seine Verlobte in den Arm. „Schatz, passiert ist eben passiert. Wir können froh sein, dass nicht mehr mit dem Auto geschehen ist. Wenn wir nachher weiterfahren, werde ich auch immer auf die Tankanzeige achten. Versprochen. Also nicht mehr böse sein, okay?“

Sie blickte schräg zu ihm auf, zog einen Schmollmund, aber es war ihr anzusehen, dass langsam die Wut in ihr verrauchte. Ben Fuller war es, der fragte: „Haben Sie noch einen weiten Weg?“

Wymore nickte. „Wir wollen zurück nach Oklahoma. Aber wir werden nicht durchfahren, sondern irgendwo ein Hotel für die Nacht aufsuchen, um dann morgen früh weiterzufahren. Nach Baxter Ridge sind es von hier aus ungefähr 700 Meilen.“

Luke und Fuller wechselten einen schnellen Blick miteinander und beide sagten plötzlich wie aus einem Mund: „Baxter Ridge?“

Wymore sah die beiden Oldtimer fragend an. „J... ja. Ist etwas daran nicht in Ordnung?“

Luke stieß Fuller in die Seite. „Ist lange her, was, Ben? Kannst du dich noch daran erinnern?“

„Klar, und wie! Wir hatten damals ’ne Herde rauf nach Abilene getrieben. Und in Baxter Ridge mussten wir ’nen Zwischenstopp einlegen. Das weiß ich noch genau. Aber wieso eigentlich?“

„Der Fluss hatte Hochwasser, Ben. Und Nolan Harper hielt es damals für zu riskant, die Herde über den Fluss zu treiben.“

„Ja, stimmt genau. Und du ... du hattest doch dieses Problem mit diesem störrischen Siedler. Wie hieß der Kerl noch gleich?“

„Lass mich nachdenken, Ben.“ Luke schnippte mit den Fingern. „Warte, ich hab’s: Ferguson. Ja, genau. Ferguson hieß der Kerl ... Abel Ferguson.“

„Hatte der Bursche nicht auch ’ne Tochter, Luke?“

„Ja, und ’ne mächtig hübsche obendrein.“

Fuller klatschte in die Hände: „Mann, wenn ich an die Sache von damals denke ...“

Lilians und Wymores Blicke schnellten fragend von einem zum anderen, bis Luke zu ihnen sagte: „Wenn wir gleich zusammen am Tisch sitzen und unsere Steaks verspeisen, werde ich Ihnen in Ruhe die Geschichte erzählen, die mein Freund Ben und ich vor über vierundvierzig Jahren in Baxter Ridge erlebt hatten. Und ich kann mir lebhaft vorstellen, dass Ihnen die Geschichte mächtig gefallen wird. Einverstanden?“

Wymore sagte: „Jetzt haben Sie uns aber wirklich sehr neugierig gemacht, Mister Dawson. Stimmt’s, Schatz?“

Lilian nickte eifrig. „Auf jeden Fall.“