Western Legenden 29: Schmutziger Job - R.S. Stone - E-Book

Western Legenden 29: Schmutziger Job E-Book

R. S. Stone

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Beschreibung

In Lariat, einer kleinen Stadt in Nebraska, wartet auf Dawson ein gut bezahlter Job. Doch als er die genauen Hintergründe kennt, wechselt er die Fronten und muss um sein Leben kämpfen.

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Western Legenden

In dieser Reihe bisher erschienen

9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache

9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato

9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen

9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen

9005 Dietmar Kuegler Tombstone

9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang

9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod

9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin

9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana

9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas

9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs

9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk

9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition

9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen

9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer

9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen

9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell

9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr

9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee

9020 R. S. Stone Die Hand am Colt

9021 Dietmar Kuegler San Pedro River

9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen

9023 Dietmar Kuegler Alamo – Der Kampf um Texas

9024 Alfred Wallon Das Goliad-Massaker

9025 R. S. Stone Blutiger Winter

9026 R. S. Stone Der Damm von Baxter Ridge

9027 Alex Mann Dreitausend Rinder

9028 R. S. Stone Schwarzes Gold

9029 R. S. Stone Schmutziger Job

9030 Peter Dubina Bronco Canyon

9031 Alfred Wallon Butch Cassidy wird gejagt

9032 Alex Mann Die verlorene Patrouille

R. S. Stone

Schmutziger Job

Die Erinnerungen des Luke DawsonBand 4

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-539-5Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Prolog

In einer kleinen Stadt in Nebraska war er auf einen alten Zeitungsartikel gestoßen, bei dem die Rede von einem Mann war, der einen zwingenden Einfluss auf ein Ereignis genommen hatte, das fast fünfunddreißig Jahre zurücklag und in jener kleinen Stadt mittlerweile längst in Vergessenheit geraten war. Nun, der Name der kleinen Stadt war Lariat, und jener Mann hieß Dawson. Dieser Zeitungsartikel in Verbindung mit dem damaligen Ereignis beschäftigte ihn und ließ ihm fortwährend keine Ruhe. Und so stellte er mühsam Nachforschungen über den Mann namens Dawson an, deren Ergebnisse ihn im Frühjahr des Jahres 1912 ins weit entfernte New Mexico brachten. Ein Brief war seiner Reise vorausgegangen, und als Malcolm Demarest aus dem Zug stieg, der soeben den Bahnhof von El Vado erreicht hatte, klopfte ihm das Herz vor Aufregung bis zum Hals. Er warf einen Blick auf seine vergoldete Taschenuhr und stellte fest, dass er noch ein wenig Zeit hatte. Bei einem Bahnhofsvorsteher erkundigte er sich nach einem Hotel, und gleichzeitig brachte er in Erfahrung, wo sich das Restaurant mit dem Namen Lilian‘s Best befand. Denn dort, so war vereinbart worden, würde es um genau 13 Uhr eine Verabredung geben, von der er sich so vieles erhoffte.

El Vado war eine Kleinstadt, die den Charakter längst vergangener Tage noch bewahrt zu haben schien. Viele der der alten Häuser waren aus Adobelehm ­errichtet ­worden, wobei sich neuere Bauten schon in etwas modernerem Licht präsentierten. Das Hotel, in dem sich Malcolm Demarest ein kleines Zimmer nahm, trug den Namen Charterhouse und schien ganz und gar nicht ins Kleinstadtbild El Vados zu passen. Es war ein recht klobig errichteter Bau über vier Etagen hinweg und somit eines der größten Gebäude dieser Stadt.

Ähnlich wie auch in vielen Kleinstädten des Westens, die er bislang in seinem Alter von vierundvierzig Jahren bereist hatte, waren auch hier die Zimmer klein und recht spartanisch eingerichtet. Allerdings hatte es den Vorzug eines abgetrennten Bades mit einer Toilette. Zwar schmal und eng – aber immerhin. Nun, einen Mann wie ­Malcolm Demarest störte das nicht sonderlich. Er war ohnehin nicht an Luxus gewöhnt. Nachdem er sich ein wenig frisch gemacht und von der anstrengenden Zugreise erholt hatte, verließ er das Zimmer, klemmte seine kleine Aktentasche unter den Arm und machte sich auf den Weg zum langersehnten Treffen ins Lilian‘s Best.

Auf kleinen Umwegen dort angekommen, stellte er fest, dass in dem gemütlichen Restaurant die Zeit stehengeblieben war. Die gesamte Einrichtung, die Wände und auch der Fußboden, bestanden aus massivem, antikem Holz. Gerahmte und bereits vergilbte Bilder in Schwarzweiß zierten die Wände. Sie gaben Aufschluss darüber, wie es einmal vor langer Zeit ausgesehen haben musste. Malcolm Demarest fühlte sich in eine Zeit zurück­versetzt, als der alte Wilde Westen noch lebendig und real gewesen war. Er liebte die Art solcher ­Atmosphären, und ein wohliges Gefühl flutete durch seinen Körper. Überhaupt schien Lilian‘s Best eine kleine Attraktion in El Vado zu sein, denn es war für die Mittagsstunde ein sehr gut gefülltes Lokal. Malcolm Demarest hatte Mühe, einen Platz an einem noch freien Tisch zu finden. Sichtlich froh darüber, dass ihm dies gelang, rückte er einen Stuhl zurecht und ließ sich darauf nieder. Wieder warf er einen ungeduldigen Blick auf seine Taschenuhr. Noch fünf Minuten, stellte er fest. Er konnte es kaum erwarten und war bis aufs Äußerste gespannt.

Der Mann, den Demarest sehnlichst zu sehen erhoffte, traf schließlich ein. Zehn Minuten später als vereinbart. Und als er ihn in diesen Augenblicken zum ersten Mal sah, legte sich ein staunender Ausdruck in sein von der Sonne kaum berührtes Gesicht. Der Mann war groß und kräftig, er füllte fast den gesamten Türrahmen aus. Aber nicht Größe und Kraft waren entscheidend, sondern eher der Ausdruck in seinen Augen. Sie waren rauchgrau, und ihre zwingenden Blicke schweiften durch den Raum, bis sie sich auf den kleinen, unscheinbar wirkenden Mann richteten, der allein an einem Tisch saß. Er war in der einfachen, schlichten Tracht eines Weidereiters gekleidet: blauweiß kariertes Flanellhemd, ausgeblichene Jeans und ein breitkrempiger Stetson, der etwas schräg geneigt auf seinem Kopf saß. Seine Füße steckten in Stiefeln, wie sie die Cowboys trugen. Silberne Sporen waren an ihnen festgemacht. Das Halstuch hatte er lässig um den Hals geschwungen, und dessen Gelb bildete einen starken Kontrast zu dem markanten, bronzefarbenen Gesicht. Zahlreiche Falten erzählten von einem bewegten Leben. Er hätte hundert sein können oder fünfzig, es ließ sich nicht erkennen. Er strömte eine enorme Vitalität aus, die der eines Dreißigjährigen glich, und ein stilles Lächeln lag unter dem eisgrauen Schnurrbart verborgen. Dieser Mann bewegte sich nun auf Demarest zu, und dem kleinen Reisenden aus Nebraska erschienen diese Bewegungen wie das Dahinschreiten einer urwüchsigen Gestalt.

Dicht vor Demarest blieb der Mann stehen, hakte seine lassonarbigen Hände hinter dem breiten Hosengürtel ein und sagte mit tiefer, sonorer Stimme: „Sind Sie der Mann aus Nebraska?“

Demarest strich nervös über sein lichtes Haar hinweg, sprang von seinem Stuhl und richtete sich auf. „Malcolm Demarest. Sie sind Mister Luke Dawson, nicht wahr?“

„Bin ich“, antwortete Luke. Ein breites Lächeln zog sich durch sein tiefgebräuntes Gesicht.

„Ich bin sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mister Dawson.“ Demarest bot ihm die Hand, die Luke kurz darauf mit eisernem Griff umschloss. Daraufhin nahmen beide Platz. Luke setzte sich Demarest gegenüber, schob seinen Hut in den Nacken und lehnte sich zurück, ohne den Blick seiner Augen von seinem Gegenüber zu nehmen. „Nun, Mister Demarest, es war also ein alter Zeitungs­artikel aus Lariat, der Sie auf mich gebracht hat? So jedenfalls stand es in Ihrem Brief.“ Während Luke sprach, zog er seine Pfeife aus der Brusttasche hervor und begann sie gemächlich zu stopfen.

„Ganz genau, Mister Dawson. Ich habe den Artikel sogar dabei“, antwortete Demarest und beeilte sich, das gefaltete und bereits stark vergilbte Schriftstück aus der Innentasche seiner Anzugsjacke hervorzuziehen. Er reichte es an Luke. Der klemmte sich seine Pfeife zwischen die Zähne, faltete es auseinander und begann zu lesen. Demarest sah, wie sich das dunkle Gesicht seines Gegenübers erhellte und ein breites Schmunzeln über dessen Lippen glitt. Dann sagte er, als er den Artikel wieder zurückgab: „Ja, an diese Geschichte erinnere ich mich. Sehr gut sogar. Ist schon verdammt lange her. Wie sind Sie denn auf diesen Artikel gestoßen?“

„Nun, Mister Dawson, das ist einfach zu erklären. Ich arbeite für den Lariat Chronicle als Zeitungsmann und beschäftige mich nebenbei intensiv als Schriftsteller mit der Geschichte unseres Landes. Genauer gesagt, mit dem Westen. Und irgendwann ist mir beim Stöbern im Archiv dieser Artikelausschnitt in die Hände gefallen. Es ist leider nur ein kurz umrissener Bericht eines Ereignisses jener Zeit, in dem Sie erwähnt worden sind.“

Luke setzte seine Pfeife in Brand. Er machte ein paar paffende Züge und sagte dabei: „Das ist gewiss mächtig interessant. Aber scheinbar genügt Ihnen dieser Artikel wohl nicht, oder?“

„Keineswegs, Mister Dawson. Mich fesselt diese Geschichte ungemein, die sich damals in West Nebraska abgespielt hatte. Daher stellte ich Nachforschungen an, denn ich wollte viel mehr über jenes Ereignis in Erfahrung bringen, als dort in dem Artikel geschrieben stand. Aber es gab kaum jemanden, der sich großartig daran erinnern konnte – wenn überhaupt.“

„Na, ja. Ist ja auch schon verdammt lange her. Aber wozu das Ganze?“

„Ich bin von der Idee besessen, einen Roman daraus zu machen. Oh, nicht irgendeinen dieser einfachen, plakativen Romane, die es hierzulande haufenweise zu kaufen gibt und das wirkliche Bild jener Tage gänzlich verfälschen. Nein, vielmehr liegt mir daran, die Geschichte in jeglichen Einzelheiten so niederzuschreiben, wie sie wirklich stattgefunden hat, sodass sie der Nachwelt in vollständiger Erinnerung bleibt.“

Luke verzog staunend sein Gesicht. „Hört, hört“, sagte er, an seiner Pfeife paffend. „Jetzt nimmt die Sache wirklich Formen an. Und nun wollen Sie von mir wissen, wie es sich damals tatsächlich zugetragen hatte, damit Sie 'n anständiges Buch daraus machen können, ist es so?“

Demarest rieb sich in freudiger Erwartung die Hände. „Ganz genau, Mister Dawson. Und wirklich alles bis ins letzte Detail.“

Luke lachte kehlig auf. „Na, dann holen Sie mal Ihren Schreibblock aus Ihrer Aktentasche und schreiben fleißig mit. Schätze, Zeit genug haben Sie ja wohl mitgebracht, nicht wahr?“

„Das hatte ich Ihnen bereits in dem Brief mitgeteilt. Und Sie glauben gar nicht, wie sehr ich darauf brenne, nun alles aus Ihrem Munde zu hören.“ Dawson hatte kurz darauf Papier und Bleistift vor sich liegen.

Luke lehnte sich zurück. Er ließ für einen Moment seine Gedanken schweifen, und dann begann er zu erzählen.

Kapitel 1

Es war an einem Morgen im Sommer des Jahres 1879, als die Hufe seines Schwarzen zum ersten Mal den Boden von West Nebraska berührten. Eine unendliche Prärie aus wogendem Gras breitete sich vor Luke Dawsons Augen aus, die von Bäumen und Felsgruppen unterbrochen wurde. Der Himmel über ihm war so blau, dass jeder andere Himmel im Vergleich dazu blass wirkte. In der Ferne lagen die kahlen Hügel, die sich bis in die dunstig blaue Ferne erstreckten. Die Landschaft gefiel ihm. Er liebte die unbegrenzte Weite, die den Menschen ebenso ungezwungene Bewegungsfreiheit gewährte wie den riesigen Rinderherden, die hier gezüchtet wurden. Etwas weiter vor ihm schlängelte sich der Frenchman River träge durch das Land. Hinter dem Fluss, so wusste Luke Dawson, lag Lariat, in südlicher Richtung, und keine fünfzehn Meilen mehr entfernt. Viele Tage und Wochen einsamer Ritte hatten diesen hochgewachsenen Mann mit den rauchgrauen Augen dazu gebracht, seinen Geist mit vielen Gedanken rege zu halten. So dachte er nun schon eine ganze Weile über die Besonderheiten nach, die ihn nach Lariat führen sollte. Vance Tadloe hatte von einem höchst lukrativen Job geschrieben, aber nicht erwähnt, um was es genau dabei ging.

Nun, egal wie – im Augenblick konnte Luke nicht wählerisch sein. Er war völlig pleite. Er besaß nur noch ein paar Silberdollar in seinen Taschen. Die reichten gerade mal für ein warmes Bad, einen ordentlichen Haarschnitt und eine kleine, bescheidene Mahlzeit. Mehr nicht, aber immerhin …

Noch im vorigen Jahr war er ein verantwortungsbewusster Vormann auf der Rafter-C1, einer Ranch in Osttexas, gewesen. Als er sich eines Tages nach harter Arbeit im Schatten einer großen Eiche ausruhen wollte, hatte ihn plötzlich wie ein Blitzstrahl jene Unruhe ergriffen, die ihn schon so oft in seinem Leben ereilt hatte. Seine Zigarette hatte ihm auf einmal nicht mehr geschmeckt, und alles Vertraute war ihm irgendwie fremd und unbefriedigend erschienen. Das war der Moment, in dem er wusste, dass es Zeit wäre, aufzubrechen. Kaum zwanzig Minuten später hatte er im Sattel seines Schwarzen gesessen und die Ranch verlassen. Frei und ungebunden war er fortgeritten, und auch Shareen Carpenters Bitten und Drängen hatten herzlich wenig dabei genützt, seinen Entschluss zu ändern.

Wieder einmal war er dann seinem Stern im Norden gefolgt. Jetzt war er auf dem Weg nach Lariat, weil sich sein Geldbeutel empfindlich geleert hatte und er zudem neugierig war, was ihn dort erwarten sollte – mit dem Wissen allerdings, dass er auch dort nicht den Rest seines Lebens verbringen würde. Der Brief, der von Vance ­Tadloe an ihn geschrieben worden war, hatte bereits einige Tage auf dem Postamt in Norfolk gelegen, bis er in Lukes Hände geraten war. Dieser Brief war einer vorhergehenden Begegnung zwischen ihm und Tadloe gefolgt, als sich die beiden Männer zufällig in einem kleinen Nest namens Swanton Hill getroffen hatten, Wochen später, nachdem Luke die Rafter-C bereits verlassen hatte. Und schon in Swanton Hill hatte Vance Tadloe, den Luke bereits aus früheren Zeiten kannte, mit glühenden Lippen davon gesprochen, dass es in Nebraska, wo er im Augenblick leben würde, eine Menge zu verdienen gäbe und er einen zuverlässigen Partner benötigen würde, um, wie Tadloe sagte, seine Pläne erfolgreich durchführen zu können.

„Kannst ‚ne Menge Geld dabei verdienen, mein Junge. Wenn‘s soweit ist, lasse ich es dich wissen. Bleibst du noch ein Weilchen in der Gegend?“

Luke hatte schmunzelnd geantwortet: „Die Gegend hier kenn ich noch nicht.“

„Gut. Ich werde entweder einen Mann losschicken, der nach dir suchen soll, oder besser … einen Brief schreiben. Den schicke ich dir nach Norfolk. Gut so?“

„Ich überleg‘s mir, Vance.“

Tadloe hatte Luke zugezwinkert, ihm dabei zuversichtlich auf die Schulter geklopft und war dann in die Postkutsche gestiegen, die ihn zurück nach Lariat bringen sollte, nachdem seine Geschäfte in Swanton Hill erledigt waren.

Zunächst hatte Luke nur wenig Interesse. Als er aber einige Wochen später den Brief in seinen Händen hielt, erwuchs in ihm ein neugieriges Interesse. Zwar war immer noch nicht eindeutig klar, was dieser angeblich lukrative Job für Luke beinhalten sollte, aber es war dringend Zeit, wieder ein paar Dollar zu verdienen. Und Luke entschied, sich die Sache einmal näher anzuhören.

Luke fand eine Stelle, von der er glaubte, dass der Fluss flach genug sei, um bequem das andere Ufer zu erreichen. Er lenkte den Schwarzen ans diesseitige Ufer zum Wasser heran und entschied kurzerhand, eine kleine Rast einzulegen. Er ließ das Tier saufen und schwang sich behäbig aus dem Sattel. Dabei griff er nach seiner Wasserflasche. Es befand sich noch etwas Wasser darin. Luke setzte die Flasche an und nahm einen Mundvoll. Das Wasser war warm und schmeckte abgestanden. In hohem Bogen spuckte er es wieder aus und verzog das Gesicht. „Pfui, Teufel“, kam es angewidert über seine Lippen. Er schüttete den letzten Rest auf den Boden. Dann trat er ans seichte Ufer, um die Flasche mit frischem Flusswasser zu füllen.

Doch dazu kam es nicht.

Es knackte und krachte hinter ihm, Hufschlag brachte den Boden zum Erzittern. Laute Schreie drangen an seine Ohren. Schreie einer Frau. Luke wirbelte herum. So heftig, dass die Wasserflasche aus seinen Händen glitt. Ein Zweispänner brach zwischen Felsen, Bäumen und Dickicht hindurch und raste in halsbrecherischem Tempo über den unebenen Boden. Auf dem Bock des Wagens saß eine Frau, die wie eine Puppe auf dem Sitz hin und her geschleudert wurde. Luke sah ihr weißes, ­angstverzerrtes Gesicht. Er wusste sofort, dass sie die Kontrolle über das Pferdegespann verloren hatte. Verzweifelt zerrte sie an den Zügeln, um das durchgehende Gespann aufzuhalten. Vergebens. Die Tiere waren in Panik. Mit weit aufgerissenen Mäulern und rollenden Augen hämmerten sie ihre Hufe über den Boden. Der Wagen polterte und hüpfte hinter ihnen her, neigte sich gefährlich nach rechts und nach links und drohte zu kippen. Staub wallte in Fontänen auf. Kleine Gesteinsplitter sprangen unter den Rädern hervor und sausten wie Geschosse davon. Lange würde sich die Frau auf dem Bock nicht mehr halten können. Es war nur eine Frage der Zeit. Jeden Augenblick konnte der Wagen kippen.

Und dann …

Ja, es ging um Sekunden.

Instinktiv warf sich Luke mit einem Satz in den Sattel seines Schwarzen, zog ihn herum und preschte dem davon rasenden Zweispänner hinterher.

Staub hüllte ihn ein, drang ihm in die Augen und in die Nase. Aber das registrierte er nur am Rande. Der Boden wurde unebener, und der Wagen vor ihm bog sich bedrohlich in den Federn. Die Frau auf dem Bock hüpfte auf und ab.

Luke feuerte den Schwarzen zu Höchstleistungen an. Meter um Meter verringerte sich der Abstand zu dem schaukelnden Gefährt. Luke erreichte den Wagen, er war nun in gleicher Höhe mit der Frau. Sie klammerte sich mit beiden Händen an den Sitzstangen fest. Die Zügel lagen auf dem Wagenboden. Kreideweiß war ihr Gesicht. Die Lippen bebten. Wie ein verängstigtes Tier starrte sie zu Luke Dawson herüber. Sie hatte längst die Kontrolle über die Situation verloren und schien nur noch auf ein Wunder zu hoffen.

Luke unterdrückte eine ganze Salve von Flüchen, während er den Schwarzen noch dichter an den schwankenden Wagen drängte. Weiter vorne fiel der Weg steil ab. Nicht nur das. Er führte zwischen Felswänden hindurch und wurde schmaler. So schmal, dass es in diesem rasenden Tempo nur eine Möglichkeit geben konnte. Wenn das Gefährt nicht in den nächsten Augenblicken umkippen sollte, würde es spätestens in etwa dreihundert Metern gegen eine Felswand schmettern. Luke streckte seinen Arm aus. „Halten Sie sich fest! Ich ziehe Sie zu mir rauf aufs Pferd!“, schrie er der Frau entgegen. Sie starrte ihn nur ungläubig an. Die Wegverengung kam immer näher. Luke Dawson war ein Mann mit Nerven wie Drahtseile. Aber in diesen Sekunden fühlte er, wie ihm der Schweiß ausbrach. „Verdammt! Nun machen Sie schon!“, schrie er sie an.

Sie dachte nicht daran. Stattdessen klammerte sie sich nur noch fester an die Sitzhalterungen und starrte mit panischem Blick zu ihm auf. Am liebsten hätte Luke Dawson sie jetzt vor lauter Zorn vom Bock geschlagen. Aber das tat er natürlich nicht. Er zog seinen Schwarzen so dicht an den Wagen heran, wie es nur möglich war. Koste es, was es wolle, aber er musste dieses panische Wesen zu sich herüber aufs Pferd ziehen. Eine andere Chance hatte sie nicht. Jedenfalls nicht in diesen Sekunden.

Das Vorderrad geriet in eine Bodenvertiefung. Der Wagen machte einen tüchtigen Hüpfer. Ihre Hand löste sich von der Sitzstange, und sie kippte seitwärts in Lukes Richtung. Dabei stieß sie einen schrillen Schrei aus. Mit einem schnellen Griff packte er die Frau von hinten unter die Achselhöhle und hob sie vom Sitz empor. Einige Sekunden hing sie zwischen Wagen und Lukes Rappen und strampelte mit den Beinen. Das machte es für Luke natürlich nicht leichter. Aber er schaffte es, sie unter enormer Kraftanstrengung zu sich aufs Pferd zu ziehen.

Als sie endlich quer vor ihm auf dem Schwarzen lag, wimmernd und keuchend, stieß er geräuschvoll die Luft aus den Lungen. Er zog an den Zügeln und brachte das Tier zum Stehen.

Das rasende Gespann verschwand mit dem Wagen durch die Wegverengung. Und kaum vier, fünf Sekunden später krachte und splitterte es mörderisch.

Luke wischte sich den Schweiß von der Stirn und stieß einen leisen Pfiff der Erleichterung aus.

*

Ihr Name war Sherry Granfield, und sie lebte auf der Ranch ihres Vaters, der Dryfork-G-Ranch. Die lag einige Meilen südlich vom Frenchman River entfernt. Sherry war eine auffallend hübsche Frau, wie Luke fand. Noch recht jung, vielleicht gerade mal etwas über zwanzig. Vor wenigen Minuten war sie noch verängstigt gewesen, hatte am ganzen Körper gezittert, und auf Luke wie ein scheues Reh gewirkt. Aber nach einer Weile schien ihr Schock überwunden, und der Ausdruck in ihren grünen Augen zeigte etwas ganz anderes.

Sie saß auf einem Stein am Ufer und hatte ihre nackten Füße in die Strömung des Frenchman getaucht. Die Sonne legte einen goldenen Schimmer auf ihr kupferfarbenes Haar, das wie eine ungebändigte Flut über ihren Schultern herabfiel.

Ihre Panik war vergessen, ihre Angst aus dem Gesicht verschwunden, das sie nun entspannt in die Sonne hielt. So, als wäre nichts geschehen. Und Luke, der sie eine Weile beobachtete, dachte: Sie scheint es wirklich leicht zu nehmen. Vielleicht wie vieles andere auch.

Dabei war sie vor wenigen Minuten nur sehr knapp dem Tod entkommen. Haarscharf war es gewesen. Ein paar Sekunden später, und sie wäre mitsamt dem Wagen an der Felswand zerschellt.

Nun wirkte die Kleine unbeschwert, während ihre Füße munter im Wasser plätscherten. Ihre grünen Augen sahen zu ihm auf. Luke wurde allmählich klar, dass diese ­Rothaarige alles andere als ein Kind von Traurigkeit zu sein schien.

Er suchte seine Wasserflasche, die er vorhin hier irgendwo fallen gelassen hatte und fand sie im Sand. Er füllte sie und bot sie ihr an. Sherry Granfield nahm die Flasche in beide Hände und trank ein paar ordentliche Schlucke. Dabei unterließ sie es nicht, ihn die ganze Zeit über anzublinzeln.

„Wieso ist Ihnen eigentlich vorhin das Gespann durchgegangen?“

Sie gab ihm die Flasche zurück und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Wieso? Weil so ein verdammter Präriehase sie erschreckt hat. Dieses Mistviech ist direkt aus dem Busch gelaufen und meinen Gäulen vor die Hufe gesprungen. Dieses blöde Vieh hat sie so erschreckt, dass sie plötzlich losstürmten, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her. Ich konnte sie nicht mehr halten.“

“Das habe ich gemerkt.“

Seine zynische Bemerkung veranlasste sie zu einem Stirnrunzeln. “Sie machen sich lustig über mich, was, Cowboy?“

Er schüttelte den Kopf, konnte sich aber ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Dieses rothaarige Geschöpf mochte sicherlich ihre Qualitäten haben. Auf Pferde schien sie sich allerdings nicht sonderlich zu verstehen. Sonst wäre es ihr nie im Traum eingefallen, einfach die Zügel loszulassen und sich an den Sitzstangen festzuhalten, in der Hoffnung auf ein Wunder.

Nun, so ganz ohne Wunder war die Sache ja nicht abgelaufen. Denn schließlich hatte Luke in letzter Sekunde das Schlimmste verhindern können.

“Doch. Ich seh‘s Ihnen an der Nasenspitze an, dass Sie sich über mich lustig machen“, unterbrach sie seine Gedanken. „Hören Sie, Cowboy, ich mag es nicht, wenn man mich auslacht. Ich kann schließlich nichts dafür, dass ich mich nicht so auf Pferde verstehe wie mein Dad oder meine ältere Schwester Kathleen. Oder der Rest der Dryfork-G-Ranch. Ich bin ...“

Luke Dawson unterbrach sie mit einer abwinkenden Geste. „Schon gut, schon gut, Lady. Regen Sie sich nicht gleich auf. Die Sache ist ja noch mal gut gegangen.“

Er nahm einen Schluck Wasser und trieb den Verschlusskorken mit dem Handballen in die Flasche. Dann drehte er sich um, ging zu seinem Schwarzen und hängte die Flasche an die Halterung seines Sattels. Er straffte die Sattelgurte und gab dem Schwarzen dabei einen freundschaftlichen Klaps. Ohne sich nach Sherry umzudrehen, meinte er: „Pferde haben die Angewohnheit, den Weg zurückzulaufen, den sie gekommen sind. Ist also möglich, dass die beiden Gespannpferde schon recht bald auf Ihrer Ranch eintreffen. Mit dem Rest, was von Ihrem hübschen Zweispänner übrig geblieben ist. Schätze, spätestens dann wird man sich dort wohl mächtige Sorgen machen. Nehmen Sie also Ihre hübschen Füßchen aus dem Wasser und steigen Sie auf mein Pferd. Ich bringe Sie nach Hause.“

Hinter ihm lachte sie plötzlich auf. „Sie sind ein echter Wohltäter, was, Cowboy? Und 'n mächtig Hübscher dazu. Aber so eilig habe ich es nicht, nach Hause zu kommen. Mir kämen da ein paar ganz andere Dinge in den Sinn.“

Luke runzelte bei diesen Worten die Stirn, drehte sich um und erlebte eine Überraschung. Sie hatte ihre Füße aus dem Wasser gezogen. Aber nicht, um in den Sattel zu klettern. Ganz im Gegenteil. Sie erhob sich von ihrem Platz, nahm ihre Stiefel auf und trat dicht an ihn heran. Dabei hatte sie die Bluse geöffnet. So weit, dass Luke Dawson einen Blick auf den Großteil ihrer ­nackten Brüste erhaschen konnte. Sie sah mit vielsagendem Augenaufschlag zu ihm auf. „Oder haben Sie es sehr eilig, Cowboy?“

„Schon möglich“, sagte er und dachte dabei: Zum Teufel, dieses kleine Luder wird doch wohl nicht etwa …

Doch! Genau das