Western Legenden 16: Aufbruch der Verlorenen - R.S. Stone - E-Book

Western Legenden 16: Aufbruch der Verlorenen E-Book

R. S. Stone

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Beschreibung

Nach dem verloren gegangenen Krieg kehrt der ehemalige Captain Nolan Harper zurück in seine Heimatstadt im Bundesstaat Texas. Schon bald muss er feststellen, dass für ihn hier nichts mehr zu holen ist. Sein Mädchen gehört jetzt zu Ace Belden, einem machthungrigen Geschäftsmann des Nordens.Harpers eigene Ranch wurde enteignet und verkauft. Er verlässt die Gegend und trifft auf Ben Fuller, dem es ähnlich ergangen ist. Die beiden Männer schließen Freundschaft und wollen zusammen einen Neuanfang wagen. Doch dann kommt alles anders.Die Printausgabe umfasst 162 Buchseiten.

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Seitenzahl: 167

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WESTERN LEGENDEN

In dieser Reihe bisher erschienen

9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache

9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato

9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen

9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen

9005 Dietmar Kuegler Tombstone

9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang

9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod

9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin

9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana

9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas

9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs

9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk

9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition

9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen

9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer

9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen

9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell

R. S. Stone

Aufbruch der Verlorenen

Texas-Trail Band 1

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-416-9Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Prolog

Nach dem verloren gegangenen Krieg 1865 lag der Süden am Boden. Texas war am schlimmsten betroffen. Das Land war völlig ausgeblutet und pleite.

Aber eines gab es dort im Überfluss: Rinder. Während der Kriegsjahre hatte sich herrenloses Vieh ­millionenfach vermehrt und überflutete das Land. Nur: Sie waren in Texas nicht einmal zwei Dollar pro Kopf wert.

Zu dieser Zeit bildeten die Staaten an der Ostküste Amerikas das Zentrum der Industrie. Von hier aus wurden die in zahllosen Fabriken hergestellten, vielfältigen Produkte auf dem Seeweg in alle Welt exportiert. Hier setzte man auf eine Ware, nach der in den Städten des Nordens und Ostens, wo man im Überfluss lebte, händeringend verlangt wurde – Fleisch!

Rinder, die in Texas wertlos waren, brachten im Norden und Osten Preise bis zu vierzig Dollar pro Rind.

Und so begann die Zeit der aufwendigen Viehtriebe von Texas hinauf in den Norden. In Kansas und Missouri entstanden die ersten Trail-Towns – Abilene, Wichita, Elsworth, Sedalia.

Nun wurden regelmäßig gewaltige Rinderherden quer durch die schier endlosen Weiten des amerikanischen Westens getrieben, um an den großen Verladebahnhöfen ihre Käufer zu finden und mit der Bahn ihren Weg in die Schlachthöfe an der Ostküste fortzusetzen.

Ein solcher Viehtrieb erforderte den ganzen Mann. Harte Burschen, die das Herz auf dem rechten Fleck trugen, die den Unbilden der Natur trotzten, es mit angriffslustigen Indianern und kaltblütigen Banditen aufnahmen und auch bereit waren, sich einer aufgescheuchten Rinderherde in den Weg zu stellen – das waren die Männer, auf die sich ein Herdenboss verlassen können musste.

Dass es dabei auch Viehtreiber gab, die schwerer im Zaum zu halten waren und mehr Schwierigkeiten bereiteten als eine Remuda nervöser Pferde oder eine Herde störrischer Longhorns, ließ sich nicht vermeiden.

In solchen Fällen erforderte es das ganze Geschick und die jahrelange Erfahrung jener Männer, die für die Herde und die Treiber-Mannschaft verantwortlich waren – Männer wie Nolan Harper, Trailboss.

Als einer der ersten brach er im Frühsommer 1866 auf, um mit einer Handvoll hartbeiniger Texaner eine dreitausendköpfige Rinderherde von San Antonio über den Shawnee-Trail nach Sedalia, Missouri zu treiben.

Lesen Sie nun, wie alles begann ...

1. Kapitel

Als Nolan Harper erwachte, hatte er einen tüchtigen Brummschädel und einen üblen, galligen Geschmack im Mund. Es dauerte etwas, bis ihm klar wurde, wo er sich befand. Stöhnend richtete er sich auf. Die Pritsche knarrte unter seinem Gewicht. Ihm war, als wäre eine ganze Rinderherde über ihn hinweg gerollt. Alles schmerzte. Besonders sein Schädel.

Und das kam nicht allein vom übermäßigen Whiskygenuss der letzten Nacht.

Nun befand er sich in einer Zelle.

Aus blutunterlaufenen Augen blickte er sich um. Dann sah er die dicke Gestalt Marshal Duggains vor der verriegelten Gittertür stehen. Dessen feiste Hände umfassten die Gitterstäbe. Ein höhnisches Grinsen begleitete seine wulstigen Lippen, die unter einem unsauber geschnittenen Schnurrbart lagen.

„Harper, du siehst zum Kotzen aus“, stellte der Marshal trocken fest.

Nolan Harper fuhr sich übers unrasierte und von Schürfungen und Beulen übersäte Gesicht und blickte zornig in das dämlich grinsende Gesicht Duggains. Seine Stimme glich dem eines Reibeisens. „Wieso hast du mich eingesperrt?“

„Willst du mich verarschen? Mann, du hast in der letzten Nacht den ganzen Saloon auseinandergenommen und die halbe Triangle-B-Mannschaft zusammengedroschen. Das wird Ace Belden gewiss nicht einfach so hinnehmen.“

Trotz Übelkeit und heftiger Schmerzen gelang Nolan Harper ein verzerrtes Lächeln.

„Und wieso sehe ich keinen von den Hombres hier im Gefängnis, Duggain? Wieso bin ich hier ganz allein?“

„Du hast den verdammten Streit schließlich angefangen, Harper. Nicht die Triangle-B. Klar?“

Langsam kehrten die Erinnerungen wieder zurück. Und die waren bitter.

Ace Belden ...

Dieser Hundesohn hatte sich in den letzten Jahren in diesem Landstrich eine ganze Menge unter den Nagel gerissen. Ein Yankee, der sich aufführte, als gehörte ihm Gott und die Welt. Oh, damit hätte Nolan Harper noch leben können. Wenn da nicht Myra Gifford gewesen wäre. Die Frau, die er, Nolan, zu heiraten gedachte.

Ja, bevor er vor fünf Jahren in den verdammten Krieg zog, war sie seine große Liebe gewesen. Treue hatten sie sich einander geschworen. Bis in die Hölle und zurück.

Wieder fuhr sich Nolan übers Gesicht, betastete seine Beulen.

Was, zum Teufel, war das für eine Treue, wenn sie sich dem erstbesten Hombre an den Hals warf, der mit einem Haufen Geldscheinen winkte? Und der zudem auch noch ein verdammter, waschechter Yankee war?

Das nagte wie eine Säure an ihm, Nolan Harper, dem ehemaligen Captain der Südstaatenarmee.

Die quäkende Stimme des feisten Marshals drang an sein Ohr, riss ihn aus den Gedanken.

„Du hattest keinen Grund, dich mit Beldens Männern im Saloon anzulegen, Harper. Nur weil Myra sich für Belden entschieden hat und nicht für dich.“

Aus Nolans Augen schossen wahre Zornesblitze in Duggains Richtung. Er mochte den Dicken nicht. Hatte es noch nie und würde es auch nicht. Dieser schwammige Hombre mit dem Blechstern auf der Brust drehte die Nase zu sehr nach dem Wind. Der wehte im Moment aus der Richtung der Triangle-B-Ranch. Dem Domizil von Ace Belden.

„Hör zu, Fettsack. Über dich weiß ich Bescheid. Spielst jetzt den Laufburschen für Belden, was? Nur zu, ­Duggain: Was zahlt dieser Yankee dir dafür, dass du hier in Spanish Crossing mit ’nem Blechstern herumstolzieren kannst, he? Zur Hölle, wie heruntergekommen muss ein Mann sein?“

Duggains Fäuste pressten sich stärker um die Gitterstäbe.

„Das muss ich mir von dir nicht anhören, du verkommener Satteltramp. Nicht von dir, Harper, hörst du?“

„Ich habe jedenfalls für unsere Sache im Krieg gekämpft, Duggain. Habe eine höllische Menge Dreck gefressen und so manch guten Kameraden verrecken sehen. Wo warst du eigentlich während dieser Kriegsjahre? Hattest ein bequemes Leben hier, wie? Oh, dein dicker Bauch ist wahrhaftig noch viel praller geworden, als er es damals schon war.“

Duggains feiste Wangen wurden knallrot. Seine Lippen bebten.

„Ich bin der Marshal hier, falls du das vergessen haben solltest, Harper. Und ich kann dich hier in der stinkenden Zelle verrotten lassen. Was ich auch verdammt noch mal tun werde.“ Ein verzerrtes, hasserfülltes Grinsen begleitete seine letzten Worte. Dann wandte er sich ab.

Als Duggain sich entfernt hatte, legte sich Nolan Harper stöhnend zurück auf die Pritsche. An den Marshal dachte er dabei nicht mehr. Er drehte sich im Liegen eine Zigarette. Nach ein paar Zügen drückte er sie angewidert am Metallgestell der Pritsche aus. Irgendwie vertrug sie sich nicht mit dem schalen Whiskygeschmack auf seiner Zunge, der vom nächtlichen Gelage noch haften geblieben war.

Er schloss die Augen, doch das linderte seine Kopfschmerzen auch nicht sonderlich. Erst nach einer Stunde gelang es ihm, wieder einzuschlafen. Ein raschelndes Geräusch weckte ihn, als es bereits Abend war. Mit einem heftigen Fluch auf den Lippen richtete er sich auf. Ein Stechen zog sich durch seine Rippen. Allerdings waren die Kopfschmerzen etwas erträglicher geworden. Fahles Licht flutete durch den Zellengang zu ihm herüber. Er sah wieder Duggains schwammige Gestalt vor der Zellentür stehen. Diesmal nicht allein. Neben ihm stand eine Frau. Myra Gifford. Verwundert sah Nolan zu ihr auf.

„Hallo, Nolan“, wehte ihre dunkle Stimme zu ihm herüber. Nolan erhob sich, wobei er gegen einen heftigen Schwindelanfall ankämpfen musste. Erst, als er sicher war, dass er nicht umkippen würde, näherte er sich der Zellentür. Langsam und auf wackeligen Beinen. Mit beiden Händen umfasste er die Gitterstäbe. Schroff raunte er ihr entgegen: „Was willst du hier?“

Große, grüne Augen sahen durch die Gitter zu ihm auf. Ein seltsamer Blick, den er nicht deuten konnte. Obwohl Myra gewiss keine kleine Frau war, so überragte Nolan sie um mindestens eine ganze Kopflänge.

„Nolan, ich möchte mir dir reden.“

Nolan warf Duggain einen scharfen Blick zu. Der Marshal war hinter Myra getreten. Er machte keine Anstalten, sich zu verziehen.

„Duggain, hast du nicht noch was in deinem Office zu erledigen? Vielleicht ein paar Steckbriefe durchsehen oder so was Ähnliches? Mann, lass uns allein.“

Duggain grinste nur blöd. Aber er trat nicht von der Stelle. Nolan hatte bereits eine heftige Verwünschung auf den Lippen. Aber Myra kam ihm zuvor. Sie wandte sich charmant lächelnd an den Marshal. Ein kurzer Augenaufschlag, dann: „Bitte, Marshal. Nur für ein paar Minuten.“

Duggain legte sich in die Brust. Dabei entblößte er seine tabakbraunen Zähne zu einem gönnerhaften Grinsen.

„Selbstverständlich, Miss Belden. Ihnen kann ich das natürlich nicht abschlagen.“

Am liebsten hätte Nolan seine Faust in das schwammige Gesicht des Marshals gesetzt. Aber Gitterstäbe und eine Zellentür trennten ihn von seinem Vorhaben. ­Duggain verbeugte sich vor Myra und verließ den ­Zellengang. Aber die Zwischentür zum Office blieb einen Spaltbreit offen.

Nun waren sie allein. Nolan Harper und Myra Gifford, die jetzt den Namen Belden trug.

Eine Weile sagten sie nichts. Nolan hätte auch nicht gewusst, was es zwischen ihnen noch zu sagen gäbe. Für ihn war alles klar. Sie hatte sich für Ace Belden entschieden.

„Warum musstest du dich unbedingt mit Aces Männern herumschlagen, Nolan? Hast du es so nötig gehabt?“

„Bist du deswegen hergekommen? Wenn ja, dann war dein Weg umsonst. Eine Moralpredigt kannst du dir für deinen Ehemann aufsparen.“

„Du bist verbittert geworden – und roh, Nolan Harper. So kenne ich dich nicht. Du hast dich wirklich sehr verändert in all den Jahren.“

Er winkte ab. „Als wenn’s eine Rolle spielen würde.“

„Für mich spielt es eine Rolle – eine sehr große sogar.“

„So?“

Sie legte ihre Hände um die Gitterstäbe.

„Nolan, bitte hör mich an. Ich weiß, dass es schmerzhaft für dich sein muss. Aber es war Krieg. Du warst lange fort. Und Ace ... er war da, als ich dich brauchte. Oh, es hieß, dass du gefallen wärest und ...“

„Hör auf!“, unterbrach Nolan sie rau. „Ich will das verfluchte Gewäsch nicht hören, Myra. Du und ich, wir waren füreinander bestimmt. Scheinst es vergessen zu haben. Du bist es, die sich verändert hat. Ich bin der alte geblieben. Mit den gleichen Gefühlen wie damals. Nun, du hast dich für diesen Mann entschieden, weil er dir mehr geben kann, als ich es vermutlich jemals könnte. Er hat Macht, Einfluss, Geld und ist dabei, hier eine ganz große Nummer zu werden. Wenn es das ist, was du wolltest, dann gratuliere ich dir. Werde glücklich mit dem Mann bis in alle Zeiten. Oder lass es sein. Meinen verdammten Segen hast du.“

Seine Worte trafen sie wie Hammerschläge. Sie schluckte hart. Aber sie fing sich. Holte tief Luft und atmete langsam wieder aus.

„Okay, Nolan. Du wolltest mir wehtun. Das ist dir gelungen. Vergessen wir das für eine Weile. Was wirst du jetzt tun? Etwa mit Ace weiter Streit anfangen?“

Ein hartes Grinsen zog sich durch sein lädiertes Gesicht.

„Das hättest du nicht gerne, was?“

„Das weißt du genau.“

„Ich bin heimgekehrt, weil ich meine kleine Ranch aufbauen wollte, mit der ich vor dem Krieg angefangen hatte. Nun, die wurde konfisziert und irgendeinem verdammten Bankier in die Hände gespielt, der sie sich unter den Nagel gerissen hat. Verdammte Yankees! Meine Braut ist mit einem Yankee verheiratet. Zuviel davon in der Gegend. Das vertrage ich nicht. Schätze, hier ist kein Platz mehr für mich. Mach dir also keine Sorgen, Myra. Ich bin nicht der Mann, der deinem Glück im Wege stehen wird. Vielleicht zieht’s mich nach Montana. Zu den Goldfedern. Nun, möglicherweise kann ein Mann wie ich da neu anfangen.“

Er sah plötzlich etwas in ihren Augen, das er am wenigsten gebrauchen konnte – Mitleid. Das Gefühl ­aufkeimender Wut vermischte sich mit seiner tiefen Enttäuschung.

Zur Hölle! Sie hatte kein Recht darauf, Mitleid für ihn zu empfinden. Nicht diese Frau, die seine Gefühle mit Füßen getreten und einen anderen Mann geheiratet hatte.

Sie schien zu spüren, was er in diesem Augenblick empfand. Und da sie Angst vor einer weiteren Demütigung hatte, senkte sie ihren hübschen Kopf und wandte sich zum Gehen. An der Zwischentür drehte sie sich noch einmal zu Nolan um.

„Leb wohl, Nolan“, kam es leise von ihren Lippen.

Er antwortete nicht. Sah ihr nur nach, als sie durch die Zwischentür verschwand und diese leise ins Schloss fallen ließ. Dann drehte er sich um und ließ sich auf seine Pritsche fallen. Das tat er mit der Resignation eines Mannes, der wahrhaftig schon bessere Tage erlebt hatte.

*

Das Glöckchen an der Eingangstür klingelte melodisch, als Ben Fuller in den Store trat. Ein großer, hagerer Mann, dessen lange Beine in einer grauen, verschlissenen Uniformhose der Konföderiertenarmee steckten. Er war dunkelhaarig, mit einem schmalen, kantigen Gesicht, von der Sonne gebräunt und mit zahllosen Bartstoppeln bedeckt. Er hatte einen langen Ritt hinter sich. Seine Augen waren von Staub und Hitze gerötet. Er war über und über mit Staub bedeckt, wirkte abgerissen und sattelmüde. Über seiner Schulter hing eine alte, abgenutzte Satteltasche, deren Schnallenriemen bereits porös und brüchig geworden waren.

Eine Frau stand hinter der Ladentheke und sah mit ausdruckslosen Augen zu ihm auf. Keine schöne Frau, wie Ben Fuller fand. Wahrhaftig nicht. Sie besaß ein hartes, verhärmtes Gesicht, das mehr aus Knochen als aus Fleisch zu bestehen schien. Ihr Haar, von grauen Strähnen durchzogen, war streng nach hinten gekämmt und legte eine hohe Stirn frei. Ihr Mund wirkte wie ein klaffender Säbelhieb. Die Last eines hart geprüften Lebens hatte sich in dieses Gesicht eingebrannt.

Das hätte Ben Fuller nicht als außergewöhnlich empfunden, wäre da nicht das Stück Kautabak gewesen, welches sie sich in den Mund schob und tüchtig zu kauen begann. So, als wäre dies das Selbstverständlichste von der Welt.

„Was starren Sie mich so an, Mister? Noch nie eine Frau gesehen?“

Ben Fuller grinste breit.

„Doch. Aber diejenigen, die ich kenne, stecken sich keinen Priem zwischen die Zähne.“

Sie stemmte ihre Hände in die Hüften.

„Die einen häkeln, die anderen kriegen Babys. Jede so, wie sie’s mag. Ich kaue nun mal Kautabak, Mister.“

Ein Argument, dem Ben nichts entgegenzusetzen hatte. Er nahm seine Satteltasche herunter und stellte sie neben sich auf den Boden. Dann fiel sein Blick auf ein Glas, das randvoll mit kurzen, schwarzen Stangen gefüllt war. Er wies mit dem Finger darauf.

„Was sind denn das für komische Zigarren?“

Sie starre ihm stirnrunzelnd entgegen. „Zigarren? Sagen Sie nur nicht, Sie kennen keine Lakritzstangen, wie?“

„La... was?“

„Lakritzstangen, Mann. Wohl wenig rumgekommen in letzter Zeit, wie?“

„War im Krieg. Da hatte ich andere Sorgen. Kann man die rauchen?“

Jetzt zeigte sich zum ersten Mal ein Lächeln um ihre schmalen Lippen. Das nahm ihrem verhärmten Gesicht den harten Ausdruck und wirkte beinah richtig sympathisch auf Ben Fuller. Sie griff in das Glas und reichte ihm eine Stange entgegen.

Ben hielt sie in den Fingern und betrachtete sie prüfend. In der Tat sah er so etwas zum ersten Mal.

„Na, nun beißen Sie ruhig mal ab, Mister. Die Dinger kann man nämlich essen. ’ne richtige Delikatesse, wenn Sie verstehen, was ich meine.“

Zögernd steckte sich Ben die Lakritzstange in den Mund. Langsam begann er zu kauen. Dann nickte er.

„Die sind gut, Ma’am. Ja, wirklich. Mächtig gut sogar. Geben Sie mir gleich eine ganze Tüte davon. Zu dem Proviant, den ich bei Ihnen kaufen will.“

Sie sah ihn skeptisch von oben bis unten an.

„Ich hoffe, Sie können auch bezahlen, Mister. Die meisten von euch Grauröcken haben keinen einzigen Cent ...“

Ben winkte ab.

„Machen Sie sich keine Sorgen, Ma’am. Was ich kaufe, wird bezahlt.“

Er griff in seine verschlissene Uniformhose und brachte ein paar Silberdollar zum Vorschein, die er auf die Theke legte. Die Augen der Storebesitzerin leuchteten auf. Unionsdollar. Dieser abgerissene Bursche, der ja offensichtlich auf der Seite des Südens gekämpft hatte, wusste also genau, wie und womit man hierzulande zu bezahlen hatte.

Ben Fuller gab seine Bestellung auf und die Frau verschwand nach hinten in den Lagerraum, der durch einen roten Vorhang vom Laden getrennt war. Wenig später kam sie zurück. Mit Bens Bestellung. Mit einem freundlichen Lächeln auf ihren schmalen Lippen legte sie die Waren auf den Tisch. Das Lächeln erstarb jedoch sofort, als das Glöckchen an der Tür klingelte und zwei Männer eintraten. Ihr plötzlich erstarrter Gesichtsausdruck gefiel Ben Fuller nicht und er drehte sich um.

Zwei hartgesichtige Hombres standen an der Eingangstür. Sie stierten mit Blicken zu ihm herüber, die nichts Gutes verhießen. Der eine von ihnen, ein breitgesichtiger Bursche mit fleischigen Lippen, die unter einer mächtigen Kartoffelnase lagen, schlug die Tür mit dem Stiefelabsatz in Schloss. Er hakte sogleich seine Daumen hinter den Revolvergurt. Der andere, eher von kleiner, gedrungener Gestalt, hieb mit der linken Faust in die rechte Handfläche und grinste böse. Ben fiel das nervöse Flackern in seinen Augen auf. Er wusste sofort, dass diese beiden Exemplare gewiss nicht in den Store gekommen waren, um hier einzukaufen.

„Habe ich doch vorhin richtig gesehen. Schon wieder so ein Johnny Reb1, Grimes“, kam es vom Kleinen.

Grimes nickte bedächtig, ohne den Blick von Ben Fuller zu nehmen.

„Ja, das, was unsere Truppen von denen übrig gelassen haben, tummelt sich nun in dieser Gegend herum und verpestet die Luft. Wird Zeit, dass das mal aufhört. Was meinst du, Bud?“

„Richtig, Grimes.“

Die beiden waren sich also einig.

In Ben Fuller keimte eine heiße Wut auf. Wieso konnte man ihn nicht endlich in Ruhe lassen? Der verdammte Krieg war vorbei.

Aber in vielen Köpfen brannte der Hass. Wohin er auch kam, dieser Hass verfolgte ihn und ließ ihn einfach nicht zur Ruhe kommen.

Ben lehnte sich mit dem Rücken zur Theke und beobachtete die beiden Männer scharfen Blickes. Er wusste nur allzu gut, was in den kommenden Minuten passieren würde. Unweigerlich rutschte seine Rechte in die Richtung seines Remingtons, dessen abgenutzter Kolben aus seinem Revolverholster ragte.

Grimes rammte seine Fäuste gegen die Hüften, stierte an Fuller vorbei zu der Frau hinterm Tresen. „Was ist, Betty, du wolltest diesem Johnny Reb doch wohl nichts verkaufen, oder?“

Sie setzte zu einer Erwiderung an. Der kleine Bud kam ihr zuvor. Er lachte trocken auf und rief: „Verkaufen? Sieh dir den Vogel doch mal genauer an, Grimes. So einer hat doch nicht einen lausigen Cent in der Tasche. Betteln wollte der. Weiter nichts.“

„Hör zu, Grimes. Und du auch, Bud Rounds. Solange jemand bei mir bezahlt, bekommt er, was er haben will. Also lasst diesen Mann hier in Ruhe seinen Einkauf ...“

„Halt’s Maul!“, fuhr Grimes dazwischen.

Nun war es für Ben Fuller an der Zeit, sich einzumischen. Er hatte dieses großmäulige Duo gründlich satt. Dennoch klangen seine Worte fast freundlich, als sie zu den beiden herüberwehten: „Jungs, so redet man doch nicht mit einer Lady. Hat man euch Yankees das nicht beigebracht?“

Grimes und Bud staunten. Sie wechselten einen kurzen Blick miteinander. Dann wandten sie sich wieder Ben Fuller zu.

Grimes rieb sich über sein breites Kinn.

„Hast du was gesagt, schmutziger Reb? Mir war so, als hätte ich da gerade etwas quaken gehört. Stimmt’s, Bud?“

Bud nickte eifrig.

Wie auf Kommando brachten sich die beiden Männer in Position. Lauernd und bösartig stierten sie in Ben Fullers Richtung. Wie Klauen schwebten ihre Hände über ihren Colts.