Western Legenden 28: Schwarzes Gold - R.S. Stone - E-Book

Western Legenden 28: Schwarzes Gold E-Book

R. S. Stone

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Beschreibung

Eine Ölquelle auf dem Gebiet einer Ranch in Osttexas, ein tödlich verwundeter Rancher. Als Luke Dawson den Mann findet, gibt er dem Sterbenden ein Versprechen.Ein höllisches Spiel aus Geldgier, Intrigen und Macht beginnt.

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Western Legenden

In dieser Reihe bisher erschienen

9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache

9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato

9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen

9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen

9005 Dietmar Kuegler Tombstone

9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang

9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod

9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin

9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana

9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas

9011 R. S. Stone Der Marshal von Cow Springs

9012 Dietmar Kuegler Kriegstrommeln am Mohawk

9013 Andreas Zwengel Die spanische Expedition

9014 Andreas Zwengel Pakt der Rivalen

9015 Andreas Zwengel Schlechte Verlierer

9016 R. S. Stone Aufbruch der Verlorenen

9017 Dietmar Kuegler Der letzte Rebell

9018 R. S. Stone Walkers Rückkehr

9019 Leslie West Das Königreich im Michigansee

9020 R. S. Stone Die Hand am Colt

9021 Dietmar Kuegler San Pedro River

9022 Alex Mann Nur der Fluss war zwischen ihnen

9023 Dietmar Kuegler Alamo – Der Kampf um Texas

9024 Alfred Wallon Das Goliad-Massaker

9025 R. S. Stone Blutiger Winter

9026 R. S. Stone Der Damm von Baxter Ridge

9027 Alex Mann Dreitausend Rinder

9028 R. S. Stone Schwarzes Gold

9029 R. S. Stone Schmutziger Job

9030 Peter Dubina Bronco Canyon

9031 Alfred Wallon Butch Cassidy wird gejagt

9032 Alex Mann Die verlorene Patrouille

R. S. Stone

Schwarzes Gold

Die Erinnerungen des Luke DawsonBand 3

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-538-8Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Prolog

Vor wenigen Minuten hatten die letzten Gäste die Ranch verlassen. In der Ferne drang noch das knatternde Motorengeräusch des Autos zu ihm heran, das immer leiser wurde, bis es dann ganz verstummte. Eine angenehme Stille umfing ihn, und ein kühler Nachtwind trug den würzigen Duft von Salbei zu ihm heran, der ihm angenehm in die Nase stieg. Die Nacht war sternenklar, der Mond leuchtete als silbrige Scheibe vom Himmel herab. Ein entspanntes Lächeln legte sich um Luke Dawsons Lippen. Auch drinnen im Haus war es still geworden. Er genoss diesen Moment der Ruhe, stopfte seine Pfeife und setzte sich zum Rauchen in den Schaukelstuhl. Ein melancholischer Ausdruck erschien in seinem Gesicht, das bereits von einigen Falten durchzogen war.

Das war also das Ende eines Tages, der seinen 70. Geburtstag bedeutet hatte.

Siebzig Jahre …

Eine lange Zeit für einen Mann, der ein bewegtes und abenteuerliches Leben hinter sich gebracht hatte, und der erst in den letzten Jahren etwas ruhiger geworden war. Aber noch immer pulsierte die vitale Kraft früherer Tage in ihm, und sein Geist war jung geblieben.

Zum Teufel, was bedeutet schon die Siebzig, wenn ein Mann noch Ziele hat ..., und Träume, sinnierte er in Gedanken und gab sich im gleichen Augenblick die Antwort selbst: Nichts!

Und dennoch wurde ihm bewusst, dass der Kreis, der noch Verbliebenen von Jahr zu Jahr immer weniger wurde. Er erinnerte sich an viele, die nicht am heutigen Tag erschienen waren, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Sie würden es nie wieder tun, und der Gedanke daran stimmte ihn plötzlich traurig. Nun, es war eine schöne Feier gewesen, und es wurde keine Mühe gescheut, es allen Gästen so angenehm wie möglich zu machen. Luke lächelte. Im Grunde war das alles eher Rhianna zu verdanken. Denn sie hatte sich wie immer als hervorragende Gastgeberin erwiesen. Ja, wahrhaftig, das hatte sie im Blut. Er selbst hingegen eher weniger.

Rhianna …, eine tolle Frau! Er liebte sie noch genauso, wie am ersten Tag. Die Welt könnte im Sturm untergehen. Aber an seiner Liebe zu ihr würde sich nie etwas ändern. Ebenso wenig wie die zu seinen drei Kindern, Jim, Tyler und Nancy.

Luke lehnte sich im Schaukelstuhl zurück. Er zog an seiner Pfeife und merkte, dass sie ausgegangen war. Missmutig nahm er sie aus dem Mund, um sie zurück in die Brusttasche seines Hemdes zu befördern, als ein ratschendes Geräusch ihn herumfahren ließ. Nancy war aus dem Haus gekommen, lautlos wie ein Schatten, und stand nun neben ihm auf der Veranda. Sie lächelte, als sie ihm das aufflammende Streichholz entgegenhielt. Die Pfeife wanderte wieder in seinen Mund. Luke nahm seiner Tochter das Streichholz aus der Hand und setzte seine Pfeife erneut in Brand. Dichte Qualmwolken umwölkten sein Gesicht, während er zu Nancy aufsah. Und wieder einmal stellte er fest, wie sehr sie Rhianna ähnelte. Nicht nur äußerlich, im ganzen Wesen war sie wie ihre Mutter. Nur die Haarfarbe machte einen Unterschied. Nancy war blond, Rhianna rothaarig. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren war sie die jüngste seiner drei Sprösslinge, das Nesthäkchen. Sie hatte recht früh die Firebrand-Ranch verlassen, um nach El Vado zu ziehen. Gemeinsam mit einem jungen, ehrgeizigen Burschen namens Lance Waggoner, den sie vor drei Jahren geheiratet hatte. Sehr zu Lukes Leidwesen, denn es hatte lange gedauert, bis er sich an diesen schlaksigen Burschen gewöhnen konnte, der als Zeitungsmann beim El Vado Chronicle arbeitete und so gar nicht in das Bild eines Mannes passen wollte, das Luke sich insgeheim für seine Tochter gewünscht hatte.

Aber sie schien mit diesem Lance Waggoner glücklich zu sein. Und nur allein das zählte.

Luke schnippte das erloschene Streichholz achtlos auf die Bretterbohlen der Veranda. Er richtete seinen Blick nach vorn, paffte ein paar Züge und raunte: „Bist noch nicht müde, was?“

Nancy zog einen Stuhl heran und ließ sich rittlings darauf nieder. Sie lächelte ihren Vater an und spöttelte: „Wie fühlt sich ein Mann, der nun langsam in ein Greisenalter gekommen ist?“

„Greisenalter? Sieh dich vor, du unverschämte Göre. Ich nehm‘s sogar noch mit ‚nem ausgewachsenen Grizzly auf.“

Sie lachte perlend auf. „Dir glaube ich das sogar aufs Wort. Wie hatte dich vorhin Mrs Hodges genannt? Brummbäriger Eisenfresser, nicht wahr? Ja, das bist du. Ein brummbäriger Eisenfresser. Aber vielleicht ist das einer der tausend Gründe, weshalb ich dich so lieb habe.“

„Das hast du sehr schön gesagt, Nancy. Aber Rose Hodges hatte schon immer 'n verdammt loses Maul“, sagte Luke, aber sein Schmunzeln nahm die Schärfe aus seinen Worten.

Nancy rückte näher zu ihm heran und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Dad?“

Er blickte sie fragend an und wusste sofort, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. Denn er bemerkte, den ernsten Ausdruck auf ihrem Gesicht. „Na, was kommt jetzt?“

Ein paar Herzschläge lang zögerte sie, dann sagte sie: „Dad, Lance und ich gehen nach Texas.“

Luke nahm die Pfeife aus dem Mund und zog die Stirn in Falten. „Nach Texas? Wie kommt ihr beide denn auf diese Schnapsidee?“

Nancy schüttelte den Kopf. „Das ist keine Schnapsidee, Dad! Lance hat die Ranch seines Vaters in Vernon geerbt.“

„Hm“, machte Luke und kratzte sich mit dem Pfeifenstiel an die Wange. „Ich dachte immer, die beiden hätten sich nie verstanden, und Lance wäre deshalb von dort abgehauen.“

„Ja, das ist schon richtig. Aber es gab außer Lance niemanden, der als Erbe in Frage gekommen wäre. Bevor sein Vater starb, kam es zu einer Aussöhnung der beiden.“

„Davon hast du mir nie etwas erzählt, Kind. Weiß deine Mutter davon?“

„Ich habe es ihr vorhin gesagt.“

Luke nahm es mit einem Kopfnicken zur Kenntnis. Er wandte den Blick und sah auf den Boden. Er schwieg einen Moment, dann sagte er: „Nun, Nancy, Texas ist nicht aus der Welt. Und um dich mache ich mir keine Sorgen. Du weißt über das Leben auf einer Ranch Bescheid, kennst dich aus. Aber dein Mann? Wie ich ihn einschätze, ist der Bursche alles andere als einer, der sich mit dem Ranchleben zurechtfinden würde. Erst recht nicht mit Rindern und Pferden.“

„Um die geht es auch weniger, Dad?“

Luke hob den Blick in ihre Richtung. „Sondern?“

„Öl, Dad! Man ist auf dem Anwesen der Waggoner-Ranch auf Öl gestoßen, einige Monate bevor Lances Vater starb. Nicht nur eine Quelle, Dad, sondern gleich mehrere. Und es wurde bereits begonnen, das Öl zu fördern.“

Luke stieß einen erstaunten Pfiff aus. „Öl? Donnerwetter, Kindchen! Du bringst ja Neuigkeiten, die deinen alten Vater mächtig ins Staunen versetzen? Wahrhaftig! Aber wieso hast du nichts …“

„Lance und ich mussten uns erst darüber klar werden, was das alles für uns bedeuten würde“, schnitt Nancy ihm ins Wort. „Deshalb hatten wir beschlossen, erst einmal nichts davon zu erwähnen.“ Sie legte den Kopf schief. „Bist du jetzt deshalb böse?“

Luke lachte auf. „Unsinn, Kind! Aber eine solche Sache ist gewiss kein Pappenstiel, Nancy! Das erfordert 'ne ganze Menge. Die Ölbranche ist 'n knallhartes Geschäft. Das kannst du mir glauben.“

Sie nickte. „Darüber sind Lance und ich uns im Klaren, Daddy. Aber es gibt einen Mann namens Chance Buckner. Der ist Anwalt und ein langjähriger Freund der Familie. Zudem kennt er sich in der Ölbranche sehr gut aus. Und er ist einer, der sich ganz sicher nicht übers Ohr hauen lassen wird. Er wird mit Rat und Tat zur Seite stehen, bis Lance und ich uns in die Sache eingelebt haben.“

„Das kann dauern. Und es wird kein Spaziergang werden, Nancy.“

Nancy sah ihren Vater fest in die Augen. „Wir werden es schaffen, Dad!“

Luke antwortete mit einem bedächtigen Nicken. Er kannte seine Tochter. Sie hatte ihren eigenen Kopf – schon immer gehabt. Nancy hatte sich entschlossen, und keine Macht der Welt würde sie nunmehr von ihrem Vorhaben abbringen können. Sie war eine, die stets wusste, was sie wollte. Und wenn sich eine Nancy Dawson etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zog sie es bedingungslos durch. Das war eine Eigenschaft, die sie sowohl von ihrem Vater als auch von der Mutter geerbt hatte.

„Diesem Buckner kann man trauen?“

Nancys Antwort kam kurz und knapp. „Ja.“

Und für Luke Dawson musste diese Antwort reichen. Nachdenklich blickte er auf seine bereits wieder erkaltete Pfeife und drehte sie in den Händen. „Du hast einen Entschluss gefasst, mein Kind. Ich kann und will dir nicht mit gutgemeinten Ratschlägen kommen. Oder dir mit mahnendem Zeigefinger eines Schulmeisters irgendwelche Weisheiten um die Ohren schlagen. Ganz sicher nicht, Nancy. Ich wüsste ja nicht einmal, wohin euch euer Weg führen wird. Zum Teufel, keiner kann so was sagen. Das einzige, was mir bleibt ist, dass ich euch beiden, dir und Lance, alles Glück der Welt wünsche. Verdammt, Mädchen …, und das von ganzem Herzen.“

Nancy legte ihren Arm um seine Schulter und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dabei sagte sie leise: „Ich hatte gehofft, dass du es so ansehen wirst, Dad.“

Luke grinste sie schief an. „Was hast du denn sonst erwartet? Etwa Hausarrest für eine ungezogene Göre?“

Sie lachte. „Das nicht gerade.“

„Wenn wir schon dabei sind: Wie hat deine Mutter überhaupt auf diese tollkühne Sache reagiert?“

„Genau wie du, Dad. Nur ihr Wortlaut war etwas anders.“

„Verstehe. Nun, wir werden helfen, wo wir können, Nancy. Aber frag mich nicht, wie‘s in der Ölbranche aussieht. Ich kenne was von Pferden und Rindern, aber Öl ...“ Luke machte eine abwehrende Handbewegung. „Mit diesem schwarzen, stinkenden Zeug habe ich nichts am Hut. Und offengestanden: Ich will‘s auch gar nicht.“

„So? Aber so ganz unbedarft, wie du gerade tust, bist du nun auch wieder nicht, mein lieber Vater.“

Er sah sie überrascht an. „Wie meinst du das?“

„Mom hatte mir mal erzählt, dass du vor vielen, vielen Jahren bei einem deiner zahllosen Abenteuer auch auf Öl gestoßen bist.“

Luke runzelte die Stirn, dachte einen kurzen Augenblick nach und winkte ab. „Coleman Creek? Meinst du das etwa?“

„Glaube schon.“

„Ja, da war so eine Sache mit ‚ner Ölquelle. Stimmt. Ist aber schon verdammt lange her, Nancy. War zu 'ner Zeit, als ich deine Mutter noch nicht kannte. Aber …, auf eine Ölquelle bin ich selbst nicht gestoßen.“

Nancy knuffte ihm verspielt auf den Arm und zwinkerte ihm belustigt zu. „Dafür aber auf eine einsame und schöne Witwe, die zufällig Eigentümerin einer Ranch war, auf deren Grund und Boden sich eine Ölquelle befand, stimmst, Daddy?“

Luke rieb sich übers Kinn. „Ich staune, Kind. Dass du darüber Bescheid weißt ...“

„Oh, du weißt genau, wie sehr ich mich für die Abenteuer aus deiner frühen Zeit interessiere. Aber über diese Geschichte mit der Rancherin und der Sache mit dem Öl weiß ich nur sehr wenig.“

Luke machte eine Handbewegung, als schlüge er nach einer lästigen Fliege. „Aber deinem spöttischen Unterton zufolge mehr als genug, mein Kind.“

„Daddy, wie war die Sache damals. Bitte, erzähle mir davon.“

„Verdammt, hat das nicht Zeit bis morgen? Es ist schon sehr spät, und wir sollten ...“

Nancy blieb energisch. „Ich bin nicht müde, Dad. Und du auch nicht. Es ist eine laue, wunderbare Nacht. Und ich bin neugierig. Also, fang schon an.“

Luke zog die Stirn zusammen. „Nancy!“

Sie erhob sich aus dem Stuhl. „Keine Widerrede. Ich hole uns rasch noch etwas zu trinken. Und dann wirst du mir die Geschichte erzählen. In allen Einzelheiten, hörst du?“

Luke tat es mit einem Seufzer ab. Hatte er eine Wahl? Nein. Er blickte seiner Tochter hinterher, als sie im Haupthaus verschwand. Wenig später kam sie zurück, in den Händen eine Flasche Rye und zwei Gläser haltend. Wortlos setzte sie sich wieder in den Stuhl, goss zwei Drinks in die Gläser und reichte ihrem Vater eins in die Hand. Sie prosteten sich gegenseitig zu, nippten am scharfen Alkohol und Nancy sagte mit drängender Stimme: „Also, Daddy. Fang schon an. Ich bin jetzt ganz Ohr. Wer weiß, vielleicht lerne ich ja noch aus deiner Geschichte.“

„Zum Teufel mit dir“, brummte Luke grinsend. „Also schön. Dann pass mal auf und spitz deine Ohren ...“

Kapitel 1

Er hatte vor etwa einer Stunde den Brazos überquert, als ihn das Unwetter erwischte. Den ganzen Tag schon lastete eine drückende Hitze über dem Land. Es war gnadenlos heiß und stickig, dem einsamen Reiter lief der Schweiß aus allen Poren. Und dann tat sich plötzlich die Hölle über ihm auf. Dunkle, fast schwarze Wolken zogen am Himmel entlang. Ein seltsamer Geruch von Schwefel erfüllte die Luft. Wind kam auf, zog über die Plains und wirbelte den Staub hoch. Der schwarze Hengst hob wiehernd den Kopf. Luke Dawson tätschelte beruhigend seinen Hals. Kurz darauf war ein tiefes Grollen zu hören. Das klang wie das Brüllen eines Ungeheuers aus den Tiefen der Hölle. Blitze zuckten vom Himmel herab. Dann knallte es auch schon fürchterlich.

Lukes Blicke glitten in die Runde, nach einem geeigneten Unterschlupf suchend. Den gab es nicht. Rings um ihn herum war nur alles flaches, ebenes Land, durchbrochen von vereinzelten Bäumen oder hier und da ein paar Mequite- oder Stachelbeerbüschen. Nichts also, was Luke mit seinem Schwarzen vor dem heranrauschenden Unwetter schützen konnte. Oder doch?

Die Hütte fiel ihm wieder ein. Jene, die er vor etwa zwanzig Minuten passiert hatte. Es war eine kleine, scheinbar verlassene Hütte gewesen, der Luke zuerst keine Bedeutung beigemessen hatte. Doch nun wurde sie für ihn plötzlich verdammt wichtig.

Er riss den Schwarzen herum. Der Wind nahm zu, wurde heftiger. Regen setzte ein. Regen?

Das konnte kaum noch Regen genannt werden!

Tonnen von Wassermassen stürzten vom Himmel herab und schmetterten auf die Erde nieder. Binnen von Sekunden wurden sie zu reißenden Fluten, die sich über den Boden ergossen und alles mit sich zogen, was ihnen in den Weg kam. Und das war wahrhaftig nicht wenig.

Luke trieb seinen Schwarzen zum schnellen Galopp. Die Hufe donnerten über den Boden, der sich immer mehr in Wasserpfützen verwandelte. Die Regenwand war so dicht, dass Luke die Hütte nur schemenhaft erkennen konnte, selbst, als er noch wenige Yards davon entfernt war. Hinter ihm blitzte und krachte es. Der Sturm nahm an bedrohlicher Heftigkeit zu und trieb die Wassermassen vor sich her. Loses Geäst und Steine wirbelten durch die Luft. Luke jagte den Schwarzen in den schmalen Hof. Dabei bemerkte er nirgendwo ein Anzeichen, dass die Hütte bewohnt war. Nein, hier lebte bestimmt keiner mehr. Er zog sich aus dem Sattel. Seine Stiefel versanken dabei zur Hälfte im Matsch. Ein Ast schoss dicht an seinem Kopf vorbei und knallte mit Getöse gegen die Bretter der Hütte. Luke ergriff die Zügel des Schwarzen, senkte den Kopf und zog das Tier hinter sich her zum Eingang. Die Tür hing windschief in den Angeln und klapperte. Mit einem Ruck stieß er sie nach innen auf. In der Hütte war es dunkel. Ein modriger Geruch schlug ihm entgegen. Er trat ein. Der Schwarze und ein heftiger Windstoß folgten ihm. Mit einem Satz sprang Luke zur Tür, stemmte sich mit Gewalt dagegen und schob den Riegel vor. Dann drehte er sich um und erlebte eine Überraschung. Das metallische Klicken eines gespannten Abzugshahns drang an seine Ohren, und sogleich ertönte eine krächzend klingende Stimme: „Das ist jetzt verdammt nah genug, Mister!“

Luke verharrte mitten in der Bewegung, triefend nass, wie er war. Er starrte in den dunklen Raum hinein. Ein Streichholz ratschte an der Tischkante entlang. Es zerplatzte zu einem Lichtkegel. Im gleichen Augenblick wurde es an den Zylinder einer Petroleumlampe gehalten. Der Raum erhellte sich etwas und Luke Dawson erkannte die Gestalt eines Mannes am Tisch. Mehr liegend als sitzend, mit bleichem Gesicht und einen 44er in der zittrigen Hand, dessen Mündung genau auf Luke gerichtet war. Glasige, fiebrige Augen starrten zu Luke herüber.

„Wer bist du? Gehörst du auch zu denen, die mir eins übergebrannt hatten? Da draußen, ein paar Meilen von hier, hinter den Felsen! Und jetzt willst du nachsehen, ob ihr es auch richtig gemacht habt? Zum Teufel mit euch, dreckiges Mordgesindel!“ Ein Hustenanfall folgte den Worten des Mannes. Kurz sah es so aus, als würde er in sich zusammensinken. Das passierte nicht, und die Mündung seines 44ers zeigte weiterhin drohend in Lukes Richtung. Aber der Bursche sah nicht so aus, als würde er sich noch lange auf dem Stuhl halten können. Er war in eine schmutzige, nasse Decke gehüllt, auf der Luke unverkennbar die dunklen Flecke erkannte. Blut.

Dem Kerl ging es höllisch dreckig. Er hatte gewiss sehr hohes Fieber. So, wie es für Luke Dawson aussah, war er nur wenige Minuten zuvor in diese Hütte gekommen, denn das Wasser tropfte an ihm herunter, und auf dem schmutzigen Boden hatte sich eine Lache gebildet aus Wasser und Blut.

Luke Dawson schüttelte langsam den Kopf. Er ließ den Mann dabei nicht eine Sekunde aus den Augen. „Ich gehöre zu niemanden. Der Sturm hat mich überrascht. Ich kam gerade noch rechtzeitig hier an.“ Er wies vorsichtig mit dem Daumen zur Tür. „Sie hören ja, wie‘s da draußen zugeht.“

Luke Dawson bemerkte, wie es in dem bleichen Gesicht des Mannes zu arbeiten begann. Der sagte dann: „Meine Ohren sind noch nicht taub, Mister! Okay, vielleicht sagst du die Wahrheit. Vielleicht auch nicht. Vielleicht gehörst zu nicht zu denen. Wer weiß das schon. Ich hab‘s mit Mühe geschafft, hierherzukommen. Wusste ja, dass hier 'ne verlasse Hütte steht. Aber du rührst dich nicht vom Fleck. Ich traue niemanden, hörst du?“

„Zum Teufel, stecken Sie die verdammte Kanone weg, damit ich mir in Ruhe Ihre Wunden ansehen kann.“

„Komm ja nicht näher, du! Ich ...“

Weiter kam der Mann nicht. Sein Schädel glitt nach vorn. Ein heftiger Hustenanfall folgte und der Revolver fiel aus seiner schlaffen Hand. Polternd landete die Waffe auf dem schmutzigen Lehmboden. Es löste sich ein Schuss, der die Wände der Hütte zum Erzittern brachte. Aber die Kugel krachte harmlos irgendwo in eine Bretterwand. Noch ehe der Mann zu Boden ging, war Luke bei ihm und fing ihn auf. „Nur die Ruhe, Mann. Komm, ich leg dich da drüben auf die Pritsche.“

Glasige Augen starrten zu Luke Dawson auf. Der blutleere Mund formte sich zu ein paar Worten, die nicht ausgesprochen wurden. Die Augen fielen ihm zu und der Kopf des Mannes glitt zur Seite. Rasselnder Atem wehte Luke entgegen. Luke griff ihm unter die schlaffen Arme und wuchtete den Bewusstlosen hoch. Er zog ihn über den schmutzigen Lehmboden und legte ihn auf eine Pritsche, die in der Ecke stand. Dann nahm er die schmutzige, übelriechende Decke vom Körper und warf sie zur Seite. Der Mann trug einen schwarzen Anzug, darunter ein Hemd, welches gewiss mal weiß gewesen war. Jetzt war es durchnässt und rot von Blut. Luke bemerkte auch den Gürtel, den der Mann um den Bauch geschnallt trug. An diesem Gürtel war ein prall gefüllter Geldbeutel befestigt. War dieser der Grund, weshalb man diesem Burschen ein paar Kugeln verpasst hatte?

Luke ließ ihn zunächst unbeachtet. Er schob vorsichtig den Aufschlag der klatschnassen Anzugjacke beiseite und schüttelte den Kopf. Ganz offensichtlich hatte man diesem armen Teufel aufgelauert und ihn von hinten mit ein paar Schüssen aus großkalibrigen Waffen aus dem Sattel geholt. Zwei davon hatten getroffen. Die Geschosse waren vorne wieder ausgetreten und hatten verdammt große Löcher gerissen. Luke unterdrückte einen Fluch und presste die Lippen hart zusammen. Dass dieser Mann noch am Leben war, grenzte an ein Wunder.

Luke wusste nicht, an welcher Stelle man den Hinterhalt gelegt und ihm die Kugeln verpasst hatte. Gewiss war es unweit von der Hütte entfernt gewesen, denn weit wäre der Mann in seinem Zustand nicht gekommen. Wahrscheinlich hatte man sein Pferd auch erwischt. Umso erstaunlicher war es, wie es dieser Bursche schaffen konnte, in seinem Zustand und bei dem Unwetter überhaupt noch einen Meter zu laufen zu können. Er musste ein verdammt zäher und harter Bursche sein.

Luke Dawson sah auf ihn herab. Seine Zähne gruben sich in die Unterlippe.

„Ich bin alles andere als ein Arzt, Kumpel“, sprach er leise zu dem Bewusstlosen, „aber ich will seh‘n, dass ich dir helfen kann, so gut es geht.“

Sprach‘s, obwohl er davon überzeugt war, dass der Mann den kommenden Tag nicht mehr erleben würde. Erst jetzt warf er einen Blick in den Geldbeutel, den der Mann um seinen Bauch geschnallt hatte. Er entdeckte einen beachtlichen Haufen Scheine, zählte sie und staunte nicht schlecht.

Zehntausend Dollar! Das war ein Haufen Geld. Damit ließe sich ganz gewiss eine Menge anstellen. Ja, die Versuchung war groß, auch für einen Mann wie Luke Dawson. Viele andere hätten sich in diesem Augenblick das Geld genommen und dem Schwerverletzten sein Schicksal überlassen.

Aber zu dieser Sorte gehörte Luke Dawson nicht. Er war noch nie ein Mann gewesen, der sich etwas nahm, was ihm nicht gehörte. Dennoch drang ein leichtes Seufzen des Bedauerns aus seiner Kehle, als er die Scheine zurück in den Geldbeutel verfrachtete und diesen wieder verschloss.

*

Das Unwetter hörte genauso schnell auf, wie es gekommen war. Die Sonne brach durch die Wolkendecken, die am Himmel vorbeizogen. Es dauerte nicht lange, und es war genauso heiß wie vorher. Auch die Wassermassen, die sich am Boden gesammelt hatten, versickerten und verschwanden im Nu. Luke hatte den Verwundeten versorgt, so gut es ging. Er fand sogar eine Decke, die nicht so schmutzig und übelriechend war wie jene, in die sich der Mann eingehüllt hatte. Überhaupt befanden sich in dieser Hütte noch einige Dinge von Nutzen. Der oder die Vorgänger mussten sie Hals über Kopf verlassen haben. Oder sie hatten mit gewissen Dingen einfach nichts mehr anfangen können. Wie auch immer. Er sah zum Verwundeten, und ein Ausdruck des Bedauerns schlich sich über sein Gesicht. Ja, er hatte alles getan, was in seiner Macht stand. Ein richtiger Arzt hätte gewiss nicht viel mehr tun können. Dennoch … viel Hoffnung gab es nicht.

Luke stieß ein leichtes Seufzen aus. Dann führte er den Schwarzen nach draußen, wo sich das Tier wohler fühlte als in der beengten, stinkenden Hütte. Der Schwarze hob den Kopf, wieherte und stampfte mit dem Vorderhuf auf. Doch das war kein Zeichen der Freude.

Es war eine Warnung!

Luke drehte sich um. Zwei Reiter kamen den Weg entlang, aus südlicher Richtung und direkt auf ihn zu. Seine Haltung straffte sich, die Rechte glitt zum Holster, löste die Sicherheitsschlaufe.

Einige Yards vor ihm verhielten sie ihre Pferde. Es waren hartgesichtige Burschen, bärtig und mit Augen, die so kalt waren wie ein Winter in Wyoming. Beide trugen sie schwarze Regenmäntel, deren Aufschläge zurückgeworfen waren, sodass die Kolben ihrer Colts sichtbar waren. In ihren Sattelschuhen steckte rechts und links jeweils ein Gewehr. Die Metallbeschläge glänzen im Strahl des Sonnenlichts. Das Duo musterte Luke Dawson von oben bis unten. Es lag nichts Freundliches in ihren Blicken. Ganz im Gegenteil.

Dann wanderten ihre Blicke rüber zur Hütte und die beiden grinsten dreckig. Luke ahnte, wer diese beiden Kerle waren. Der Bursche links von Luke beugte sich im Sattel etwas vor. Er war größer als sein Nebenmann. Flachsblondes, strähniges Haar lugte unter seinem breitkrempigen Sombrero hervor und eine lange Narbe zog sich von der Nasenspitze bis zum Kinn herunter.

„Bist du allein hier, Pilger?“