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Robert Höck ist seit seiner Kindheit begeisterter Hobbygärtner. Mit viel Esprit schildert der leidenschaftliche Pflanzenfreund und Sammler, wie er bereits in frühen Jahren vom Gartenvirus infiziert wurde, berichtet über Erfolge und Niederlagen und schöpft dabei trotz seiner Jugend aus einem überaus reichen Erfahrungsschatz. Unterhaltsame Geschichten und beeindruckende Fotos machen dieses Buch zu einem ganz besonderen Lesevergnügen. Ein unkonventionelles Gartenlesebuch für junge und erfahrene Gärtner!
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Seitenzahl: 157
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Robert Höck
HÖREN was der Garten sagt
So bekommen Sie den grünen Daumen
Bildnachweis
Titelbild: Lukas Neuner
Alle Bilder stammen vom Autor.
Fotos, auf denen der Autor abgebildet ist: Monika Höck und Lukas Neuner
©2010 avBUCH im Cadmos Verlag, Möllner Str. 47, 21493 Schwarzenbek, E-Mail: [email protected], Internet: www.avbuch.at
Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
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Projektleitung: Brigitte Millan-Ruiz, av BUCH
Redaktion: Redaktionsbüro Wolfgang Funke, Augsburg
Umschlag der Originalausgabe: Ravenstein + Partner, Verden
Layout &Satz der Originalausgabe: Ravenstein + Partner, Verden
Bildreproduktion: Hantsch & Jesch PrePress Services OG, Wien
E-Book: Satzweiss.com Print Web Software GmbH
ISBN-13: 978-3-7040-2389-6
eISBN: 978-3-84046-510-9
www.cadmos.de
„Ich bekenne mich dazu süchtig zu sein, und zwar süchtig nach Pflanzen.
Je mehr und je ausgefallener, umso besser. Irgendwann einmal fiel mir auf, wie viele Arten und Sorten es gibt und wie schön diese bei genauer Betrachtung sind. Dafür muss in unserer Familie ein besonderes Gen existieren, weil ich diese Leidenschaft für Gärten mit meiner Mutter und Großmutter teile.
Ja, ich sammle Pflanzen wie andere Menschen Briefmarken, Porzellan, Teddybären oder Münzen. Das Einzige was mich in meinem Sammeldrang bremst ist, dass mein Vater beklagt, er müsse eine Kuh verkaufen, weil die Wiese immer weniger wird. Aber Not macht erfinderisch.
Mehr davon in diesem Buch.
Heute denke ich, dass der Garten und die Arbeit im Garten zum Lebenselixier für mich geworden sind. Ich gehe in den Garten, um mir Zeit für mich zu nehmen - Aus-Zeit. Und um meine Gedanken zu sortieren, über das Leben nachzudenken und mich zu erden. Mein Garten ist wie ein guter Freund. Und gemeinsam mit meiner treuen Helferin auf vier Pfoten sind wir unzertrennlich geworden.”
Robert Höck
Wenn ich als gerade einmal 21-jähriger in meine Vergangenheit zurückblicke, besteht diese vorwiegend aus Kindheit und Jugend. Es war oft schwer erwachsen zu werden, doch Probleme hat jeder. Sie gehören dazu. Nicht jeder geht aber gleich mit ihnen um.
Ich war nie der mutige Typ, der sich den Kämpfen des Lebens stellt, sondern eher jemand, der wegläuft und sich versteckt. Zuflucht fand ich in der Natur und in Büchern. Ich gab mein Taschengeld für Tierfutter und neues Lesematerial aus. Irgendwann verliebte ich mich dann in Seerosen und begann zu gärtnern. Das Gärtnern ist gut geeignet, um von Problemen abzulenken. Die „Heile-Welt-Sucht“ wird in einem Garten aber nicht gestillt. Im Garten ist es eher wie im echten Leben: Da werden zarte Iriskeimlinge von Schnecken vernichtet, bescheidene Hauswurzen vom Feldthymian überwuchert und ganze Beete von Hagelstürmen zerstört. Doch gerade diese Wahrhaftigkeit ist es, die mich am Garten fasziniert. Das Beste ist aber wohl, dass die Freude am Gärtnern nicht weniger wird wenn man sie teilt. Ich fand viele gleich gesinnte Freunde, sogar in Gartenforen des World-Wide-Web. Da sind beispielsweise eine Sukkulenten-Sammlerin aus Kärnten, eine Blumenrohr Spezialistin aus Schwaz in Tirol, ein Raritäten liebender Biologiestudent aus Wien, zwei Passionsblumenfreaks aus Nord-Deutschland und nicht zu vergessen einige aus meiner eigenen Familie mit Vorzeigegärten. Auch was meine Lieblingsblume die Akelei betrifft, so tausche ich mit einem Freund aus Innsbruck und einer Spezialistin aus England regelmäßig Wissen, Saatgut, Pflanzen und natürlich auch Neuigkeiten aus.
Das Gärtnern hat mich selbstbewusster und weltoffener gemacht. So bin ich nun oft auf Reisen und besuche schöne Gärten und nette Leute. Letzten Endes haben mir also gerade meine Probleme über Umwege sehr viel Gutes gebracht.
Die folgenschwerste Idee, auf die mich das Gärtnern brachte, war das Schreiben. Vor gut fünf Jahren, begann ich mit meinem ersten handgeschriebenen Garten-Tagebuch. Mittlerweile habe ich vier solcher Bücher, darunter eines nur für die Akeleien. So kann die Liebe zu Pflanzen ausarten! Doch dieses hier ist mein erstes richtiges Buch. Es erhebt keinen Anspruch darauf, ein vollständiges Nachschlagewerk zu sein. Es soll vor allem Lust auf das eigene Gärtnern machen und vielleicht die eine oder andere Anregung bieten.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei meinen Freunden und meiner Familie für die tolle Unterstützung, bei meinem Lektor für die viele Geduld mit einem Frischling und beim Verlag für das Vertrauen in mich bedanken.
Robert Hoeck
Roter Fingerhut (Digitalis purpurea) und Hahnenfuß (Ranunculus acris 'Flore Pleno')
Lila war mein erstes gesprochenes Wort, das auch wirklich Sinn machte. Lila wie Wiesenglockenblume. „Lila lässt sich leicht lallen.“ Das war in meinem ersten Lebensjahr. Wie oft wohl muss mir meine Mutter auf unseren vielen Spaziergängen die Namen und Farben der unzähligen Blumen vorgesagt haben! Und wie oft hat sie mir diese Geschichte mit einem leicht vorwurfsvollen Ton erzählt – mein erstes Wort war nicht etwa Mama oder Papa, sondern lila.
Offensichtlich zeigte sich bereits damals meine besondere Liebe für schöne Blüten und Pflanzen. In unserer Familie muss hierfür ein eigenes Gen existieren, seit Generationen sind wir anfällig für das Gartenvirus.
Die lila Wiesenglockenblumen meiner Kindheit sind heute, wie auch meine rote Katze Gina, allgegenwärtig in meinem Garten. Ich gebe ihnen die volle Freiheit, sie dürfen überall sein, wo sie wollen. Mittlerweile findet man Wiesenglockenblumen nicht nur in den Staudenbeeten, sondern auch im Steingarten und sogar im Moorbeet.
Aber es gibt auch eine Glockenblume aus meiner Kindheit, die mir nicht besonders sympathisch ist: die Marienglockenblume. Sie gehört seit je, zusammen mit Bartnelken und Fingerhut, zu den Lieblingspflanzen meiner Mutter. Demzufolge war sie auch eines der ersten Gartengewächse, das ich beim Namen nennen konnte. Es sind wohl ihre großen aufgeblasenen Blütenkelche, die mir nicht gefallen. Sie wirken wie Farbkleckse im Blumenbeet, und ich vermisse an ihnen die filigrane Schönheit anderer Glockenblumen.
Wirklich gegärtnert habe ich als Kind natürlich nicht, aber ich hielt die Augen immer offen. Nach dem Winter habe ich mit Begeisterung die ersten strahlend gelben Narzissen gezählt, bestaunte im Sommer die großen, rotorangefarbenen Blüten des Türkenmohns und naschte im Herbst von den zuckersüßen alten Weintraubensorten, die entlang unseres Balkons rankten.
Ringelnatters Lieblingsbeute, der Teichfrosch.
Freilich war es die Tierwelt, die mich als Kind am meisten in Begeisterung versetzte. Sie sorgte dafür, dass ich viel Zeit draußen verbrachte, im Wald, auf den Feldern und im Garten. Man glaubt gar nicht, wie viele Tiere es für ein Kind im Garten zu entdecken gibt: Bunte Raupen fressen Löcher in die Blätter der Kapuzinerkresse, Ameisen laben sich am Nektar einer Pfingstrosenblüte, Gartenrotschwänze errichten Nester unter dem Dach, Eidechsen genießen die Nachmittagssonne, und Glühwürmchen schweben wie Funken in der Dunkelheit.
Ein Erlebnis, an das ich mich noch besonders gut erinnere, war die erste Begegnung mit einer Ringelnatter. Sie ruhte unter unserem Fliederbusch und sorgte für große Aufregung, als ich sie dort entdeckte. Nur meinen Vater ließ das mit Vorurteilen behaftete Reptil kalt. Er wusste, was zu tun war: Eine lange Stange, direkt vor die Nase der Schlange gehalten, war der ganze Trick. Ringelnattern haben einen natürlichen Instinkt, sich an allem hochzuwinden, und genau das tat dann auch unsere Schlange und sogar überraschend freiwillig. Leicht ließ sie sich so in den nahe gelegenen Sumpf zurückbringen.
Rückblickend war der Besuch der vielerorts seltenen Schlange eine große Ehre gewesen. Ringelnattern sind wunderschön und wurden in der Vergangenheit oft zu Unrecht verfolgt und getötet, zumal sie ungiftig sind. Sie können fast zwei Meter lang werden, sind meist grau und lassen sich leicht an den beiden auffälligen sichelförmigen Flecken am Kopfende erkennen.
Weil es derzeit einen Gartenteichboom gibt, wagen sich Ringelnattern immer häufiger in Siedlungsbereiche vor, denn sie lieben das feuchte Milieu. Hat man eine im Garten zu Gast, sollte man sie am besten in Ruhe lassen. Selbstverständlich kann es vorkommen, dass sie den Goldfischbestand im Teich reduziert, und auch Schwimmteichbesitzer werden nicht gerade erpicht darauf sein, mit einer Schlange um die Wette zu schwimmen. Aber wie gesagt, Ringelnattern sind absolut harmlos. Nach einer alten Tiroler Sage bringt eine Ringelnatter, die sich in der Nähe des Hauses aufhält sogar Glück für seine Bewohner.
Apropos, was man unbedingt beachten muss: Ein Teich braucht eine flache Stelle am Ufer, damit schwimmende oder hineingefallene Tiere das Wasser ungehindert wieder verlassen können. Neben Ringelnattern ertrinken besonders oft Mäuse, Erdkröten, Igel und auch Haustiere in Teichen, bei deren Bauweise dies nicht berücksichtigt wurde.
Ob mit oder ohne Ringelnatter – der Gartenteich ist ein sehr interessantes und umfangreiches Thema. Seine Anlage gehört mit Recht zu den Königsdisziplinen in der Gartengestaltung, die einiges an Wissen und Erfahrung voraussetzt. Mit zwölf Jahren ahnte ich davon natürlich noch nichts, als ich von einem Teich für den Sommeraufenthalt meiner Wasserschildkröten träumte. Platz dafür war im Garten genug vorhanden, es galt nur noch, meine Eltern von der Idee zu überzeugen. Und das war gar nicht so schwer, wie ich anfangs dachte. Kaum hatte ich ihre Zustimmung, begann ich mitten im Rasen ein Loch zu graben. Am Ende des Tages hatte die Grube etwa zwei Meter Durchmesser und war ungefähr einen Meter tief. Ich befand, dass dies völlig ausreichend sei, und legte sie mit vier Lagen herkömmlicher, normaler Plastikfolie aus, wie man sie etwa zum Abdecken von Holzstapeln verwendet. Das Ufer und den Bodengrund gestaltete ich mit Bachsteinen und Bausand und war schließlich sehr zufrieden mit mir und dem Ergebnis. Nun ließ ich Wasser einlaufen, und bereits am nächsten Tag durften die Schildkröten einziehen. Meine Eltern schenkten mir kurz darauf eine Seerose namens 'Rose Aray'. Sie passte herrlich in den kleinen Teich. Ihre perfekten rosafarbenen Blüten hatten es mir angetan. Nach und nach konnte ich die Bepflanzung meines Teiches mit Ablegern von Blutweiderich, Schwertlilien, Wollgras und Binsen ergänzen, die ich von unseren Nachbarn geschenkt bekommen hatte. So entwickelte sich alles sehr gut. Die Schildkröten genossen ihre Bewegungsfreiheit, die Seerose öffnete Blüte um Blüte, und ein paar muntere Goldfische hatten ebenfalls über nette Nachbarn den Weg in mein Biotop gefunden. Für meine Katze Gina wurde die Uferzone zu einem neuen Lieblingsplatz. Sie hatte nämlich in der Fischerei ein neues Hobby entdeckt. Nicht, dass sie je einen Goldfisch gefangen hätte, nein, es waren die graziösen Libellen, die sie mit überraschendem Geschick aus der Luft angelte.
Nymphaea, die Seerose, war meine erste große Liebe aus dem Pflanzenreich: Hier die Sorte ‘Rose Aray’ aus der Goldfischperspektive.
Von Auslaufmodellen und erwachenden Leidenschaften
Schon im nächsten Jahr sollte die kleine Idylle ordentlich getrübt werden. Die für Gartenteiche eigentlich ungeeignete Plastikfolie hielt nämlich nicht dicht. Der Teich verlor ständig an Wasser. Schließlich wurde das häufige Nachfüllen zu einem echten Problem, und ich ahnte, dass es so nicht weitergehen konnte. Glücklicherweise hatten aber auch meine Eltern den kleinen Teich lieb gewonnen. Mein Vater erklärte sich deshalb bereit, ihn noch einmal ganz neu anzulegen. Das hieß erst mal Wasser ablassen und anschließend alle pflanzlichen und tierischen Bewohner sicher evakuieren, alle Steine wieder aufsammeln und zum Schluss die ungeeignete Folie entfernen. Im nächsten Schritt vergrößerten wir die Teichgrube um einiges und legten richtige Uferzonen mit verschiedenen Wassertiefen an. Es folgte eine Schicht aus feinem Sand, die wir sorgfältig auf dem Teichgrund verteilten. Diese sollte die neue Folie vor scharfkantigen Steinen in der Erde schützen. Dieses Mal verwendeten wir eine echte Teichfolie aus Kautschuk und legten damit die Teichgrube sorgfältig und nun absolut wasserdicht aus. Zur Ufergestaltung dienten nicht mehr nur Bachsteine; zusätzliche Natursteinplatten ermöglichten es, dass wir gut am Ufer entlanggehen konnten. Fertig war das neue Biotop! Wieder ließ ich Wasser einlaufen, trug Wurzeln und Steine für die Gestaltung heran, ließ die Goldfische frei schwimmen und pflanzte die Seerose samt allen anderen Teichgewächsen erneut ein. Und zu meiner großen Freude blieb noch genügend freier Platz für viele weitere Pflanzen. Mein Interesse für Sumpfpflanzen war erwacht. Im Laufe des Sommers kaufte und erbettelte ich mir so manches Schmuckstück, von der Sibirischen Schwertlilie (Iris sibirica) mit ihren tiefblauen Blüten über die reizende Seekanne (Nymphoides peltata) mit kleinen Minischwimmblättern bis hin zur eleganten Schwanenblume (Butomus umbellatus). Mit jeder neuen Blüte erfreute ich mich mehr an ihnen. Ich lernte viel über ihre unterschiedlichen Ansprüche und versuchte sie alle so gut wie nur möglich zu pflegen. Ganz besonders hatten es mir aber die Seerosen angetan. So kam zu der lachsrosa 'Rose Aray' nach einer Weile noch eine dottergelbe 'Moorei' hinzu, die mir besonders ihrer hübschen, purpurfarben marmorierten Blätter wegen gefiel. Diese gaben einen perfekten Hintergrund für ihre leuchtenden Blüten ab.
Der asiatische Goldfisch ist wunderschön anzuschauen, vermehrt sich aber für kleine Teiche viel zu stark und kann dann zum Problem werden.
Wenn Idyllen sich trüben
In dem Maße, in dem mich die Pflanzenwelt immer mehr berauschte, verlor ich mit der Zeit mein Interesse an den Schildkröten und verschenkte sie schließlich. Die Goldfische waren somit alleinige Herrscher des Gartenteichsund nützten diese Gelegenheit weidlich aus, um sich sprichwörtlich „wie die Karnickel“ zu vermehren. Im Teich wimmelte es bald nur so vor lauter kleinen Jungfischen. Die explosionsartige Vermehrung führte aber auch dazu, dass sich das Wasser im Teich trübte. Goldfische machen leider besonders viel Dreck! Ich empfehle deshalb jedem, der Fische in seinen Teich setzen möchte, sich nicht von der Schönheit dieser ursprünglich aus Asien stammenden Goldstücke blenden zu lassen. Auch die heimische Fauna hat mit Moderlieschen, Goldorfe & Co. einige hübsche Fische zu bieten, die wesentlich „stubenreiner“ sind.
Beschäftigt man sich so intensiv mit Teichpflanzen, wie ich es damals tat, ist es wohl nur normal, dass man früher oder später auch an anderen Pflanzengruppen Gefallen findet. Nie werde ich daher den Tag vergessen, an dem ich zum ersten Mal bewusst eine Akelei wahrnahm. Am Rand des Gemüsegartens meiner Mutter stand nur eine einzige dunkelblaue Aquilegia vulgaris. Ich weiß noch genau, wie mein Herz schneller schlug, als ich sie dort entdeckte. Sie wirkte so ungewöhnlich anders als alle anderen Blumen und sie hatte eine Ausstrahlung, die mich tief im Innersten berührte.
Die anmutig nickenden Blüten, die mit fünf eingedrehten Nektarspornen gekrönt sind, erinnerten mich an Geschöpfe aus einer anderen Welt. Ich wusste es sofort: Diese Blume hat „Personality“! Schnell hatte ich herausgefunden, um welche Pflanze es sich handelte, und ich war überrascht, dass sie laut Fachliteratur nicht schwierig zu ziehen sein sollte. Auch schien es eine unglaubliche Vielfalt an Blütenfarben und -formen zu geben, wie mir „Tante Google“ offenbarte. Schon bald waren erste Samen verschiedener Akeleien gekauft und ausgesät: Der große „Akeleienwahnsinn“ konnte beginnen!
Auf Expansionskurs
Heute sind Akeleien meine absoluten Lieblingsblumen. Ich kultiviere viele seltene Arten und Sorten dieser Gattung und versuche mich sogar als Züchter. Mehr dazu aber später. Jedenfalls war mit den Akeleien das Gartenvirus bei mir endgültig ausgebrochen. Mehr und mehr entwickelte ich mich zu einem unheilbaren „Gartenfreak“. Meiner Mutter luchste ich Stück für Stück von ihrem Garten ab, um dort erste Freilandversuche mit einjährigen Sommerblumen, Wildblumen, Akeleien und Rosen zu starten. Besonders die Sommerblumen gediehen exzellent und überraschten mich sehr mit ihrer einfachen Anzucht. Auf gut Glück hatte ich Schmuckkörbchen, braunrote Tagetes, Färbermädchenaugen, Kornblumen, Seidenmohn und Wicken ausgesät. Ich konnte nicht ahnen, dass der Supersommer 2003 bevorstand, in dem es wochenlang nicht regnen sollte. Abgesehen von der Arbeit mit dem Bewässern entpuppte sich dieser Sommer aber als Glücksfall. Die vielen Sonnenstunden schienen genau richtig für das Wachstum der Einjährigen. Nie wieder gediehen sie so üppig wie in diesem Jahr. Mein Beet war am Ende des Sommers ein einziger lückenloser Blütenteppich. Hat man als Anfänger gleich solche Erfolgserlebnisse, bestärkt einen das natürlich ungemein in seinem Tun. Ich kann dem Supersommer darum nur dankbar sein. Wäre es einer dieser Regensommer gewesen, die alles faulen und kümmern lassen, hätte mir gewiss einiges an Motivation für die Zukunft gefehlt. Noch heute pflanze ich die Sommerblumen von damals gerne in meinen Beeten, an erster Stelle Schmuckkörbchen und Tagetes. Sie sind zwar ziemlich gewöhnlich, aber doch recht liebenswert. Mit ihrem unkomplizierten Wesen sorgen sie immer für gute Laune.
Thalictrum delavayi, die bezaubernde China-Wiesenraute.
Das Jahr 2003 war auch das Jahr, indem ich mich entscheiden musste, welchen Beruf ich denn einmal erlernen wollte. In dieser Zeit ging es mir oft nicht gut, weil ich nicht wirklich wusste, was ich wollte, und Angst vor der Zukunft hatte. Doch Gartenarbeit lenkt von allem ab und kann so helfen, mit unangenehmen Situationen umzugehen. Ja, Gartenarbeit hat geradezu eine therapeutische Wirkung und bringt eine auf andere Gedanken. Also verschanzte ich mich oft in meinem Garten und steigerte mich mehr und mehr in das Thema Zukunft hinein.
Warum in die Ferne schweifen...?
Die Zeit verging und die Lage spitzte sich zu. Der Abschluss des letzten Schuljahrs rückte mit großen Schritten näher. Schließlich war es meine Tante Renate, die mich auf den richtigen Wegbrachte. Eines Tages war sie zu Besuch bei uns, und wie jeder Besucher musste auch sie mit mir den obligatorischen Gang zum Teich antreten und die Seerosen bewundern. Dort standen wir nun andächtig, und sie betrachtete alles in Ruhe. Nach einer Weile sah sie mich an und fragte: „Warum wirst du eigentlich nicht Gärtner?“ Ich war erst einmal verblüfft. Selbst wäre mir das nie in den Sinn gekommen. Mir war einfach nicht bewusst, dass ich dafür geeignet bin. Während ich darüber nachdachte, fand ich immer mehr Gefallen an der Idee, es schien geradezu auf der Hand zu liegen. Das Gute liegt oft so nah.
Ab sofort suchte ich also nach einem „grünen“ Lehrplatz und hatte wieder neuen Mut gefasst. Die Suche war schon bald von Erfolg gekrönt, und so begann ich meine Lehre als Landschaftsgärtner bei einem Betrieb für Gartengestaltung im Nachbarort. Als Landschaftsgärtner hat man es aber nicht nur mit Pflanzen zu tun. In den Zuständigkeitsbereich fallen vielmehr fast alle Arbeiten rund ums Haus: Pflastersteine und Rollrasen verlegen, Steinmauern errichten, Erdarbeiten, Pallisadenbau und vieles mehr. Fürs Erste war ich als wissensdurstiger Gartenanfänger also bestens versorgt und konnte viele neue Dinge lernen. Lediglich die botanischen Pflanzennamen bereiteten mir anfangs einige Schwierigkeiten, diese waren echt mühsam zu erlernen
Die gelbe Gummibärchenblume (Cephalophora aromatica) und die braunrote Präriezapfenblume (Ratibida columnifera) wachsen schnell aus Samen heran.
Als Landschaftsgärtner greift man bei der Neubepflanzung eines Gartens in der Regel auf pflegeleichte Stauden und Gehölze zurück. Recht schnell kannte ich die wichtigsten Pflanzen, und der Drang nach immer Neuem meldete sich bald zurück. Nun erwachte mein Interesse für Raritäten und „schwierigere“ Pflanzen, bald entwickelte ich eine besondere Vorliebe für Grünzeug mit „Personality“. Die große Vielfalt an Farben und Formen, abseits des Gewöhnlichen, wurde langsam, aber sicher zu meinem Lebenselixier.
Das Ende vom Anfang