Hotel Amerika - Maria Leitner - E-Book

Hotel Amerika E-Book

Maria Leitner

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Beschreibung

Aus der Reihe der "verbrannte Bücher" "Hotel Amerika" war ein früher sozialkritischer Roman. Wahrscheinlich das erste Buch aus europäischer Sicht, dass die Ausbeutung der hoffnungslosen arbeitenden Bevölkerung in den USA thematisierte. Im "Hotel Amerika", das sinnbildlich für den amerikanischen Traum des "Jeder kann es schaffen" steht, aber auch als reales Gebäude der Geschichte seinen Namen gibt. Im "Hotel Amerika" treffen Sie aufeinander: Die Putzfrau Shirley, die sich schwört, eines Tages selbst als Gast im "Hotel Amerika" abzusteigen, ihre Mutter Celestina, die längst schon aufgegeben hat und sich nur durch den Tag und ihr Leben quält. Wir treffen auf den dubiosen Mr Fisher, der im Hotel auf Opfer lauert, oder auf den "schönen Alex", der seinem Traum von der eigenen Bar nachjagt. Als bekennende Marxistin machte sich die Autorin schnell das Dritte Reich zum Feind. Schon früh wurde sie mit Veröffentlichungsverboten belegt. Ihre Lage war exemplarisch für viele der leider vergessenen Autoren nach der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933. Null Papier Verlag

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Maria Leitner

Hotel Amerika

Roman

Maria Leitner

Hotel Amerika

Roman

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962810-56-6

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Au­to­rin

1

2

3

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5

6

7

8

9

10

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Autorin

Ma­ria Leit­ner (1892–1942) war eine deutsch­spra­chi­ge un­ga­ri­sche Jour­na­lis­tin und Schrift­stel­le­rin. Die Toch­ter ei­ner deutsch­spra­chi­gen jü­di­schen Fa­mi­lie leb­te seit 1896 in Bu­da­pest, be­vor sie 1910-13 in der Schweiz stu­dier­te.

Ge­gen Ende des Ers­ten Welt­krie­ges grün­de­te sie den Kom­mu­nis­ti­schen Ju­gend­ver­band Un­garns mit und wur­de Mit­glied der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei.

Zwi­schen 1925 und 1930 reis­te sie mehr­mals nach Nord-, Mit­tel- und Süd­ame­ri­ka. Ihre So­zi­al­re­por­ta­gen aus Ame­ri­ka hat Ma­ria Leit­ner in der Re­por­ta­gesamm­lung »Eine Frau reist durch die Welt« zu­sam­men­ge­fasst.

Als be­ken­nen­de Mar­xis­tin mach­te sich die Au­to­rin schnell das Drit­te Reich zum Feind. Schon früh wur­de sie mit Ver­öf­fent­li­chungs­ver­bo­ten be­legt. Ihre Lage war ex­em­pla­risch für vie­le der lei­der ver­ges­se­nen Au­to­ren nach der Bü­cher­ver­bren­nung am 10. Mai 1933.

Nach dem Sturz der Rä­te­re­pu­blik zog sie über Wien nach Ber­lin. 1933 floh sie von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten über Prag nach Frank­reich.

Nach­weis­lich kehr­te sie mehr­fach il­le­gal nach Deutsch­land zu­rück und be­rich­te­te u. a. über die ge­hei­men Kriegs­vor­be­rei­tun­gen. Durch ihre Pub­li­ka­tio­nen ver­mit­tel­te sie dem Aus­land we­sent­li­che Tat­sa­chen über die Ver­hält­nis­se im na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­land.

Im Mai 1940 wur­de Ma­ria Leit­ner von den fran­zö­si­schen Be­hör­den zu­sam­men mit an­de­ren deut­schen Exilan­ten in­ter­niert. Ihr ge­lang die Flucht, doch ret­ten konn­te sie sich nicht mehr. Auf der Flucht vor den Na­zis wur­de sie vor Er­schöp­fung in den Tod ge­trie­ben.

1

Shir­leys Kopf hängt schräg aus dem schma­len Bett. Eine un­be­que­me Lage. Doch ihre schla­fen­den Züge sind von ei­nem Lä­cheln be­lebt. Shir­ley hat an­ge­neh­me Träu­me …

Sie tanzt und schwebt da­hin auf ei­ner Spie­gel­flä­che, die tau­send­fach ihr Bild zu­rück­wirft. Sie sieht sich so, wie sie es sich im­mer ge­wünscht hat: schön, strah­lend, in ei­nem wun­der­voll flie­ßen­den Kleid, ge­schmückt mit Stei­nen, in de­nen sich das Licht in al­len Far­ben herr­lich bricht.

Sie schwebt da­hin am Arm ei­nes jun­gen Man­nes, der sie nun be­hut­sam eine brei­te, glit­zern­de Mar­mor­trep­pe hin­ab­führt. Blu­men leuch­ten an ih­rem Wege.

Un­ten er­war­tet sie ein Auto – so groß, wie sie noch kei­nes ge­se­hen hat. Und Kof­fer sind hin­ten im Auto auf­ge­türmt! Sie ha­ben die merk­wür­digs­ten For­men; alle sind far­big, und Shir­ley weiß im Traum: sie sind voll­ge­packt mit den schöns­ten Sa­chen, die alle ihr, nur ihr ge­hö­ren. Sie weiß, sie wird durch die gan­ze Welt ja­gen mit die­sem Un­ge­heu­er von Auto.

Shir­ley fühlt – je­mand hält ih­ren Kopf zwi­schen den Hän­den und flüs­tert lei­se ih­ren Na­men. Sie lä­chelt. Sie wird ge­liebt …

Shir­leys Kopf ruht wie­der auf dem Kis­sen.

Ihr Name dringt jetzt lau­ter in sie.

»Shir­ley, du musst auf­ste­hen, du kommst zu spät zur Ar­beit.«

Sie möch­te wei­ter­träu­men, will nichts hö­ren von der Au­ßen­welt, aber von al­len Sei­ten rüt­teln die Geräusche an ihr – sie muss die Au­gen öff­nen.

Zu­erst sieht Shir­ley eine große, star­ke Hand, die sich warm und ein biss­chen rau auf ih­ren Arm ge­legt hat, eine Hand mit vie­len di­cken Adern und ei­ner von Lau­ge zer­fres­se­nen Haut. Die Hand strei­chelt leicht ih­ren Arm. Sie muss auf­bli­cken und in das brei­te, ru­hi­ge Ge­sicht ih­rer Mut­ter se­hen.

Ce­les­ti­na trägt ein blau­weiß ge­streif­tes Ar­beits­kleid, das die Art ih­rer Be­schäf­ti­gung hier im Ho­tel ver­rät; sie ist Scheu­er­frau. Wie­der flüs­tert sie Shir­ley auf­mun­ternd zu.

»Komm, du musst ma­chen, dass du aus dem Bett kommst. – So ein Faul­pelz!«

Wenn Shir­ley er­wacht, ist das fast im­mer ihr ers­ter An­blick: die Mut­ter, die an ih­rem Bett sitzt und sie aus dem Bett zu ja­gen ver­sucht.

Aber sie möch­te wei­ter­träu­men und nicht die­ses Zim­mer se­hen. Wie gut sie es kennt, wie sie es hasst!

Erst sieht sie die Fah­nen­stan­ge auf dem fla­chen Vor­sprung des Da­ches. Bei star­kem Wind knarrt die Stan­ge, und Shir­ley hat dann das Ge­fühl, als flö­ge das Zim­mer wie der Raum ei­nes Luft­schif­fes zwi­schen den Wol­ken­krat­zern. Sie schei­nen ganz nahe zu sein. Man­che der Ge­bäu­de sind wie mäch­ti­ge Ber­ge, an­de­re, die schma­len wei­ßen Tür­me, ra­gen wie über­ge­wal­ti­ge Eis­blö­cke in die Luft.

Das Zim­mer ist sehr hell, hier im höchs­ten Stock­werk des Ho­tels Ame­ri­ka. Der Trakt des Per­so­nals be­fin­det sich in ei­nem ab­seits ge­le­ge­nen Teil des Dach­ge­schos­ses, fern vom pom­pö­sen Dach­gar­ten.

Shir­leys Au­gen keh­ren zu­rück von den Wol­ken­krat­zern. Dicht ne­ben dem Fens­ter be­merkt sie die alte Nan­ny, die äl­tes­te Scheu­er­frau des Ho­tels. Auch die­sen An­blick ist sie ge­wöhnt. Im­mer, wenn Shir­ley er­wacht, sitzt Nan­ny da, auf­recht, mit stei­fem Rücken, als wäre sie aus Holz ge­schnitzt, aus ei­nem dun­kel­brau­nen, sehr har­ten Holz. Sie hält eine Tas­se in der Hand und tunkt von Zeit zu Zeit lang­sam ein Stück Brot in den Tee. Nan­ny kocht schon um vier Uhr mor­gens ih­ren Tee und sitzt nun da, den Tee­topf in der Hand, und war­tet auf das Klin­gel­zei­chen, das sie zur Ar­beit ruft. Dann er­wacht sie erst wirk­lich. Nan­ny ist schon fünf­zig Jah­re Scheu­er­frau, aber im­mer noch kann sie ar­bei­ten; wie eine Ma­schi­ne reibt und wischt und wringt und bürs­tet sie. Nach der Ar­beit wird ihr Kör­per wie­der höl­zern; dann sitzt sie be­we­gungs­los und starrt auf die Wol­ken­krat­zer.

Shir­leys Bli­cke fal­len auf Pa­tri­zia. Je­den Mor­gen bie­tet auch die­se Zim­mer­ge­nos­sin den glei­chen An­blick. Sie kniet, Ge­be­te flüs­ternd, vor ih­rer Kom­mo­de, auf der sich Hei­li­gen­bil­der und eine Fo­to­gra­fie des Paps­tes be­fin­den. Shir­ley kann die großen Füße in den aus­ge­tre­te­nen, schie­fen Schu­hen se­hen und den dün­nen, klei­nen Haar­kno­ten, der et­was ver­rutscht auf ih­rem Kopf sitzt. Und je­den Mor­gen drin­gen die glei­chen sä­gen­den Lau­te aus der Rich­tung des Bet­tes, in dem das Nacht­stu­ben­mäd­chen Bes­sie, er­löst von der Ar­beit und von ei­nem al­ten Pan­zer­kor­sett, zu­frie­den sei­ne Lei­bes­fül­le aus­brei­tet.

Ce­les­ti­na möch­te Shir­ley wie­der dar­an er­in­nern, dass es Zeit sei, auf­zu­ste­hen, aber sie wagt es nicht.

So kalt, so voll Hass wan­dern die Au­gen Shir­leys wei­ter.

Sie prü­fen jetzt das Bett. Die Wä­sche ist zer­ris­sen. Das Per­so­nal auf der letz­ten Stu­fe in der Rang­fol­ge der An­ge­stell­ten be­kommt Bett­zeug, das nicht mehr aus­ge­bes­sert wer­den kann. Die auf­ge­ris­se­ne Ma­trat­ze zeigt die See­gras­fül­lung durch zer­ris­se­ne La­ken. Das Pols­ter, hart wie Stein, blickt gleich­falls neu­gie­rig aus dem Über­zug. Das Ge­stell des schma­len Bet­tes, das auf klei­nen Rä­dern steht, ist ver­bo­gen.

Shir­ley muss la­chen, wenn sie die­ses Bett sieht, aber es ist ein har­tes, ein bit­te­res La­chen. Im Zim­mer hat sie nur auf die­ses Bett und auf ein Fach des ei­ser­nen Schran­kes ein An­recht. Die Kom­mo­de dür­fen nur die bei­den äl­tes­ten Mit­be­woh­ne­rin­nen, Nan­ny und Pa­tri­zia, be­nut­zen. Bes­sie hat einen Schau­kel­stuhl, in den sie sich nur mit Schwie­rig­kei­ten hin­ein­zwän­gen kann; Ce­les­ti­na ver­fügt über einen klei­nen Tisch.

Shir­ley muss sich schüt­teln. Hier hat­te sie nun sechs Jah­re lang ge­lebt!

Un­ter den Bet­ten la­gern di­cke Staub­flo­cken. Scha­ben wan­dern, trotz der Hel­lig­keit, ge­mäch­lich um­her. Kein Wun­der! Das Per­so­nal hat wohl eine ei­ge­ne Be­die­nung – je­doch eine Frau rei­nigt hun­dert Zim­mer in sie­ben Stun­den! Kei­ne der Be­woh­ne­rin­nen aber hat Lust, wenn sie von der Ar­beit kommt, das Zim­mer noch selbst in Ord­nung zu brin­gen. Wozu? Und dann muss man noch um Be­sen bet­teln und um Scheu­er­lap­pen. Wozu? Hier ist ja nur der Trakt des Per­so­nals. Hier kann es schmut­zig sein, hier darf es dre­ckig blei­ben.

Shir­ley setzt sich plötz­lich auf, ver­schränkt die Arme über dem Kopf und jauchzt: »Heu­te der letz­te Tag. Gott sei Dank, der letz­te Tag!«

Alle bli­cken sie er­staunt an, so­gar Pa­tri­zia wen­det den Kopf von den Hei­li­gen ihr zu.

Ce­les­ti­na aber ist erst ganz starr, sie be­greift nicht, wor­auf Shir­ley ab­zielt. Hat ihre Toch­ter et­was vor, was sie ihr nicht ver­ra­ten will, ver­heim­licht sie et­was vor ihr?

Die Mut­ter beugt sich über Shir­ley, sie dringt in sie. »Was willst du denn tun, Shir­ley? Glaubst du, ich weiß nicht, du hast es schwer hier, dass ich dir nicht et­was Bes­se­res gön­ne? Du kannst mir doch sa­gen, was du vor­hast!«

Shir­ley be­dau­ert schon, dass sie ge­spro­chen hat. Sie hat­te sich fest vor­ge­nom­men zu schwei­gen; nun, mehr wird man aus ihr nicht her­aus­be­kom­men.

»Ich habe das nur so ohne Sinn her­ge­sagt.«

Ce­les­tinas Miss­trau­en ist da­mit nicht be­sei­tigt, doch sie will nicht wei­ter fra­gen. Pa­tri­zia aber winkt Ce­les­ti­na mit den Au­gen, wäh­rend sie wei­ter ihr Ge­bet mur­melt. Ihre Au­gen schie­len un­ter Shir­leys Bett. Sie scheint mehr zu wis­sen als die Mut­ter.

Ce­les­ti­na folgt ih­rem Blick und ent­deckt nun auch einen Papp­kar­ton.

Sie zieht ihn schnell her­vor, be­vor noch Shir­ley sie hin­dern kann, öff­net ihn und sieht ein mit Flit­ter dicht be­sä­tes Abend­kleid, gold­far­be­ne Abend­schu­he und eine Fo­to­gra­fie, auf der Shir­ley la­chend, am Arm ei­nes jun­gen Man­nes, in die­sem ver­heim­lich­ten Ko­stüm ab­ge­bil­det ist.

Shir­ley springt blitz­schnell aus dem Bett und reißt die Fo­to­gra­fie und das Kleid aus Ce­les­tinas Hän­den.

Die­ses Kleid üb­ri­gens, das am Abend sie noch ent­zückt hat­te, er­scheint ihr hier im hel­len Licht recht arm­se­lig, ja lä­cher­lich; aber sie wird bald an­de­re ha­ben, die kein Ta­ges­licht zu scheu­en brau­chen. Oh, man soll nur ru­hig über sie la­chen.

Ce­les­ti­na denkt an­ge­strengt nach. Der jun­ge Mann auf dem Bild scheint ihr be­kannt, si­cher ist es ein Gast aus dem Ho­tel. Was will der von Shir­ley?

»Kannst du hier nicht ge­nug Män­ner fin­den, die dei­nes­glei­chen sind?« Ce­les­ti­na ver­sucht, Shir­leys Bli­cke ein­zu­fan­gen.

Aber Shir­ley schaut in die Luft, wäh­rend sie in das Zim­mer hin­ein­schreit:

»Soll ich viel­leicht mit ei­nem Tel­ler­wä­scher oder ei­nem Haus­mann das­sel­be Le­ben wei­ter­füh­ren, das ich hier ge­nie­ße? Dan­ke, ich bin nicht ganz auf den Kopf ge­fal­len.«

Pa­tri­zia hat jetzt ihre Ge­be­te be­en­det; in ei­nem Ton, als mur­me­le sie sie wei­ter, wen­det sie sich an Ce­les­ti­na: »Du hät­test dei­ne Toch­ter heu­te früh se­hen sol­len, wie sie nach Hau­se kam. War die gu­ter Lau­ne! Ich wet­te, ihr Galan hat nicht mit Al­ko­hol ge­spart. Ja, die Mäd­chen, die nur an ihr leib­li­ches Wohl den­ken, kön­nen sich ein gu­tes Le­ben leis­ten. Aber was ge­schieht spä­ter mit ih­rer See­le?«

Shir­ley hat ihr rosa Ar­beits­kleid mit dem großen wei­ßen Kra­gen an­ge­zo­gen, die Uni­form der Wä­scher­mäd­chen. Ihre dunklen Haa­re fal­len weich auf den Kra­gen, ihre Haut ist straff und jung, ihre Ge­stalt schlank. So steht sie vor Pa­tri­zia, die ein Ge­sicht wie eine alte ge­dörr­te Pflau­me hat, und sieht sie erst wü­tend aus dunklen Au­gen an, dann aber muss sie la­chen.

»Du hast si­cher Au­gen in dei­nem Dutt, denn nichts ent­geht dir, ob­gleich du im­mer nur dei­ne Hei­li­gen an­starrst. Ich wet­te, ich wer­de nie so­viel Sün­den ha­ben, dass ich die gan­ze Nacht be­ten muss, um sie ab­zu­bit­ten. Ihr seid ja nur nei­disch, weil euch kei­ner mehr will.«

Ce­les­ti­na ver­sucht, Shir­ley an sich zu zie­hen: »Shir­ley, du weißt, was ich von dem Ge­schwätz der Pa­tri­zia hal­te, aber wozu brauchst du mit Gäs­ten aus­zu­ge­hen? Du lernst nichts Gu­tes von ih­nen, sie la­chen dich nur aus, ohne dass du was da­von merkst. Du hast dir si­cher was Dum­mes in den Kopf ge­setzt.«

Shir­ley ver­stopft sich mit den Fin­gern die Ohren. »Alle Mäd­chen ge­hen aus, wenn man sie ein­la­det – wir wol­len doch auch et­was vom Le­ben ha­ben. Wie konn­te ich es nur so lan­ge zwi­schen euch vier al­ten Frau­en aus­hal­ten? Über­lass nur mir, was ich tue! Ich will her­aus aus die­sem Dreck, ich will, und es wird auch ge­lin­gen.«

Ce­les­ti­na ist hart­nä­ckig. »Ich will nur wis­sen, was du vor­hast.«

Aber Shir­ley be­ar­bei­tet schon ihr Ge­sicht mit Cre­me, pu­dert sich und zeich­net ihre Lip­pen nach, wäh­rend sie einen halb er­blin­de­ten Spie­gel vor das Ge­sicht hält.

Sie ist froh, als In­grid, das klei­ne schwe­di­sche Stu­ben­mäd­chen, das mit Ce­les­ti­na auf der glei­chen Eta­ge ar­bei­tet, ins Zim­mer tritt.

»Heu­te ar­bei­test du in mei­ner Sek­ti­on, Ce­les­ti­na.« In­grid ist noch nicht lan­ge in Ame­ri­ka. Sie sucht Wär­me wie ein klei­nes ver­las­se­nes Tier.

»Komm her, In­grid, ich zei­ge dir, wie man sich schmin­ken muss«, ruft Shir­ley. »Hast du dich noch nie ge­schminkt? Willst du, dass alle Leu­te gleich se­hen, dass du eine Ein­ge­wan­der­te bist? Ich wer­de dich hübsch ma­chen. Gleich siehst du bes­ser aus. Wirst du oft ein­ge­la­den von den Gäs­ten? Die al­ten Da­men hier är­gern sich, wenn wir Mäd­chen mal tan­zen ge­hen. Was sa­gen dir die Her­ren?«

»Ich ver­ste­he sie oft nicht, sie spre­chen so schnell, dann kom­me ich mir im­mer sehr dumm vor. Aber jetzt gehe ich in die Abend­schu­le und ler­ne Eng­lisch.«

Die Glo­cke in dem Trakt des weib­li­chen Per­so­nals schrillt laut auf. Es ist das Zei­chen, dass es an der Zeit sei, je­den Ge­dan­ken an das Pri­vat­le­ben aus­zu­lö­schen.

Shir­ley zieht In­grid schnell aus dem Zim­mer. Sie will den fra­gen­den Bli­cken ih­rer Mut­ter ent­flie­hen.

Alle Tü­ren im Trakt des weib­li­chen Per­so­nals sind ge­öff­net. Man ver­sucht, auf die­se Wei­se Luft in die über­füll­ten Räu­me zu be­kom­men. Die Tü­ren kön­nen of­fen­ste­hen; nie­mand hat Ge­heim­nis­se zu hü­ten, und es ist auch voll­kom­men gleich­gül­tig, ob ein hal­b­es Dut­zend oder ei­ni­ge tau­send Frem­de zu­se­hen, wie man sich an- und aus­klei­det.

In al­len Zim­mern ist ein aben­teu­er­li­ches Durchein­an­der. Alle sind zwar mit den glei­chen Bet­ten voll­ge­stopft, in al­len ste­hen die glei­chen Blech­schrän­ke, doch auf den Kom­mo­den und auf den Bet­ten häuft sich der weg­ge­wor­fe­ne Tand aus den glän­zen­den Räu­men des Wol­ken­krat­zer­ho­tels. Man sieht groß­ar­ti­ge, aber schon völ­lig ver­welk­te Blu­men­ar­ran­ge­ments, Pfau­en­fe­dern, die ir­gend­ei­ner Mo­de­da­me als Schreib­fe­der dienten, zer­bro­che­ne Kris­tall­va­sen, zer­ris­se­ne Abend­klei­der in groß­ar­ti­ger Auf­ma­chung, eben­so zer­ris­se­ne Bro­kat­schu­he mit Strass­ab­sät­zen, fan­tas­ti­sche So­fa­kis­sen mit großen Brand­fle­cken, zer­drück­te, zer­bro­che­ne Bon­bon­nie­ren. Die­ses far­bi­ge Ge­rüm­pel sticht ko­misch ab von den ärm­li­chen Hab­se­lig­kei­ten des Per­so­nals, den bil­li­gen Klei­dern, den Hei­li­gen­bil­dern und den al­ten Post­kar­ten.

Die Kor­ri­do­re sind er­füllt von be­ängs­ti­gen­dem Lärm, von em­si­ger Ge­schäf­tig­keit, von Schrei­en und La­chen.

Tau­sen­de schwir­ren her­um. Bun­te Far­ben flim­mern durch­ein­an­der. Die Wä­sche­rin­nen tra­gen blaue, die Lauf­mäd­chen aus der Wä­sche­rei rosa, die Scheu­er­frau­en ge­streif­te, die Stu­ben­mäd­chen wei­ße, die Kell­ne­rin­nen in der So­daquel­le ocker­gel­be, die in dem Tee­raum flie­der­far­be­ne Ar­beits­klei­der.

Die Frau­en und Mäd­chen kom­men aus al­len Tei­len der Stadt, aus ih­ren dunklen, trost­lo­sen Quar­tie­ren, aus der Ne­ger­stadt Har­lem, aus Chi­na­town, aus den ita­lie­ni­schen und spa­ni­schen, aus den deut­schen und iri­schen Vier­teln. Alle Na­tio­nen der Welt sind ver­tre­ten.

Man hört die gut­tu­ra­len Lau­te der Ne­ge­rin­nen, den sin­gen­den Ton­fall der Ita­li­e­ne­rin­nen, die wei­chen Zischlau­te der Spa­nie­rin­nen. Ein Sprach­for­scher könn­te hier alle Dia­lek­te der Sla­wen ent­de­cken, aber auch hin­dus­ta­ni­sche und ar­me­ni­sche, grie­chi­sche und ja­pa­ni­sche Spra­chen ver­neh­men.

Zwi­schen­durch un­ter­hal­ten sie sich auch in ge­bro­che­nem Eng­lisch und wer­fen sich gäh­nend, mit noch schlaf­trun­ke­ner Stim­me, im­mer die glei­chen Sät­ze zu.

»Ein schö­ner Mor­gen heu­te.«

»Ja, wenn man spa­zie­ren ge­hen könn­te …«

»Huch, die ver­fluch­te Ar­beit!«

»Ach, ich möch­te noch schla­fen.«

»Kei­ne Nacht hat man sei­ne rich­ti­ge Ruhe.«

»Ich wünsch­te, ich könn­te die­sem dre­cki­gen Läu­se­nest adieu sa­gen.«

»Habt ihr euch gut amü­siert ges­tern Nacht?«

»Oh, ich habe ge­tanzt.«

»Ihr habt es gut, jun­ges Blut, ich bin nach der Ar­beit zu müde.«

Shir­ley zieht In­grid mit sich. »Kann man das aus­hal­ten, ein gan­zes Le­ben lang?«

Ce­les­ti­na hat die bei­den ein­ge­holt. »Du musst mir jetzt sa­gen, was du da­mit ge­meint hast: ›heu­te der letz­te Tag‹.«

Shir­ley reißt In­grid mit sich, sie nimmt ein­fach Reiß­aus, sie will nicht ant­wor­ten.

Aber weil sie sich doch aus­spre­chen möch­te, flüs­tert sie ge­heim­nis­voll In­grid zu: »Ich will heu­te fort aus dem Ho­tel, nur als Gast kom­me ich wie­der; pass auf, ich wer­de reich wer­den. Du wirst von mir ein ex­tra schö­nes Ge­schenk be­kom­men. In Ord­nung?«

In­grid löst ihre Hand aus Shir­leys Arm.

»Ich glaub das nicht, du machst nur Spaß, willst mich nur uzen.«

»Du wirst schon se­hen, ich wer­de wirk­lich ge­hen, noch heu­te, al­les dalas­sen, dies gan­ze häss­li­che, schwe­re Le­ben. Möch­test du das nicht auch?«

»Ja, ich möch­te auch an­ders le­ben, aber nicht so wie du sagst, als Gast hier im Ho­tel.«

Auf dem Wege an dem Bar­bier­la­den für das männ­li­che Per­so­nal des Ho­tels vor­bei be­geg­nen die bei­den Mäd­chen Sal­va­to­re Me­nel­li.

Sei­ne glän­zen­den schwar­zen Haa­re sind sorg­fäl­tig aus der schö­nen Stirn ge­kämmt. Die dunklen Au­gen un­ter den re­gel­mä­ßi­gen Bo­gen der Brau­en lä­cheln wohl­ge­launt. Blitz­blank sieht er aus in sei­ner Pa­gen­uni­form.

Sal­va­to­re geht zu den Schuh­put­zern, mit spit­zem Mund vor sich hin­pfei­fend, und legt den Fuß auf eine Mes­sing­plat­te. Er stemmt die lin­ke Hand ge­gen sei­ne schlan­ke Hüf­te, wäh­rend er mit der rech­ten Geld­stücke in die Luft wirft, die er mit großer Ge­schick­lich­keit im­mer wie­der auf­fängt.

»Er spielt nur Thea­ter«, flüs­tert Shir­ley ih­rer Kol­le­gin zu. »Er är­gert sich, dass ich mir nichts mehr aus ihm ma­che.«

In­grid kann sich nicht ent­hal­ten, Sal­va­to­re einen be­wun­dern­den Blick zu­zu­wer­fen.

»Willst du wirk­lich fort­ge­hen und auch ihn ganz auf­ge­ben?« In­grid weiß, dass Sal­va­to­re frü­her Shir­leys Freund ge­we­sen ist.

Shir­ley macht eine weg­wer­fen­de Be­we­gung. »Ich kann mir ganz an­de­re aus­su­chen als die­sen klei­nen Zucker­bäcker­sohn aus dem ita­lie­ni­schen Vier­tel. Aber du kannst ihn ja trös­ten, er ge­fällt dir, ich habe das schon be­merkt.«

In­grid spürt ein Er­rö­ten. Die­se Shir­ley ist schreck­lich; man weiß nie, ob sie das, was sie sagt, auch ernst meint. Aber sie will hoch hin­aus, das ist si­cher. Alle im Ho­tel sa­gen es von ihr.

Zum zwei­ten Mal er­tönt die Glo­cke in al­len Ab­tei­lun­gen des Per­so­nals. In der Luft schwir­ren Num­mern, man hört das Knar­ren der Kon­troll­uh­ren, das Klir­ren der Schlüs­sel. Im Wä­sche­raum be­gin­nen elek­tri­sche Näh­ma­schi­nen zu sur­ren, die Haus­män­ner sind schon da­bei, die Wä­sche für die drei­ßig Stock­wer­ke in große Roll­wa­gen zu ver­stau­en, die Stu­ben­mäd­chen bin­den ihre Schlüs­sel um die Tail­le, die Haus­häl­te­rin­nen se­hen die Lis­ten mit den Zim­mer­num­mern durch. Über­all wer­den Be­feh­le er­teilt, das tä­ti­ge Le­ben hat schon voll be­gon­nen.

»Wir kom­men zu spät zum Früh­stück.« In­grid blickt in den Spei­se­saal des weib­li­chen Per­so­nals un­ters­ter Stu­fe, der gleich­zei­tig auch als Kü­che und Ab­wasch­raum dient. Er ist von fast un­über­sicht­li­cher Aus­deh­nung.

Ein­ge­zwängt zwi­schen Wol­ken­krat­zern, nahe dem Kel­ler, liegt er wie in ei­nem end­los tie­fen Schacht und bleibt im­mer dun­kel und luft­los. Man müss­te sich platt auf den Bo­den le­gen, um ein Stück­chen Him­mel zu er­spä­hen. Es riecht hier im­mer un­an­ge­nehm nach ran­zi­gem Fett und Spül­was­ser.

Im Saal ist schon all­ge­mei­ner Auf­bruch; die lan­gen, leh­nen­lo­sen, nur ge­ho­bel­ten Bän­ke sind leer, die Holz­ti­sche ab­ge­räumt. Es ste­hen nur noch ei­ni­ge Grup­pen zu­sam­men.

»Ich schen­ke mein Früh­stück der Di­rek­ti­on«, sagt Shir­ley. »Na, ich brau­che ja nicht mehr lan­ge die­sen Fraß in mich zu zwin­gen, ich habe ja auch heu­te Nacht gut ge­ges­sen. Aber du, hast du Hun­ger?«

»Ei­gent­lich nein, ich ma­che mir nichts dar­aus, dass ich kein Früh­stück habe. Nachts bin ich im­mer hung­rig und kann kaum ein­schla­fen. Aber mor­gens, wenn ich er­wa­che, dann ist es weg, das Hun­ger­ge­fühl. Ich den­ke dann gar nicht mehr gern ans Es­sen.«

Es hat schon zum drit­ten Mal ge­läu­tet. Der Raum vor den für die An­ge­stell­ten be­stimm­ten Auf­zü­gen ist auch schon ent­völ­kert. Er sieht dun­kel und un­ge­pflegt aus. Die Auf­zü­ge funk­tio­nie­ren meist nicht ein­wand­frei. Jetzt sind die Klin­geln nicht in Ord­nung, und man muss schrei­en, um sich den Auf­zug­füh­rern be­merk­bar zu ma­chen.

»Hin­auf!« ruft In­grid.

»Hin­ab!« schreit Shir­ley, die in die Wä­sche­rei hin­un­ter­fah­ren muss.

Die Ver­bin­dungs­tü­ren, die sonst sorg­fäl­tig ab­ge­schlos­sen sind und die zu dem ei­gent­li­chen, für die Ho­tel­gäs­te be­stimm­ten Teil die­ses Stock­wer­kes füh­ren, sind weit auf­ge­schla­gen, und man kann den un­te­ren Ball­saal über­se­hen, einen präch­ti­gen, durch sinn­reich an­ge­brach­te Spie­gel gren­zen­los wir­ken­den mar­mor­nen Saal.

Shir­ley er­in­nert sich, dass der im Traum ge­se­he­ne Saal Ähn­lich­keit mit die­sem hat.

In­grid starrt neu­gie­rig hin­ein.

»Was sie hier wohl fei­ern wer­den?«

Es wer­den jetzt präch­ti­ge Bäu­me hin­ein­ge­tra­gen, exo­ti­sche, üp­pi­ge Bäu­me, über­schüt­tet mit ro­ten Blü­ten, li­la­far­be­ne Sträu­cher, die be­täu­bend duf­ten, Blu­men mit merk­wür­di­gen gel­ben Dol­den. Man sieht, die Vor­be­rei­tun­gen zu der Aus­schmückung des Saa­l­es ha­ben erst be­gon­nen, aber schon jetzt hat er Ähn­lich­keit mit ei­nem un­wirk­li­chen, traum­haf­ten Feen­gar­ten.

Shir­ley lacht. Sie könn­te der klei­nen In­grid nä­he­re Aus­kunft ge­ben, wenn sie nur woll­te; sie weiß mehr als die an­de­ren. Aber jetzt sagt sie nur:

»Man wird hier eine große Hoch­zeit fei­ern. Siehst du, so hei­ra­ten die rei­chen Mäd­chen. Sie ist die Toch­ter ei­nes Mil­lio­närs, ich weiß ei­ni­ges über sie – na, aber ich schwei­ge.«

Shir­ley lacht über die er­staun­ten Au­gen In­grids.

Die­se be­ginnt wie­der zu ru­fen: »Hin­auf!«, und Shir­ley schreit: »Hin­ab!«

Und in dem Fahr­stuhl, der in die Wä­sche­rei fährt, der lang­sam hin­ab­sinkt in die Tie­fe, zu den er­sti­cken­den Dämp­fen, denkt sie: es ist heu­te zum letz­ten Mal, zum letz­ten Mal hin­ab – mor­gen schon wird sie stei­gen …

2

In der Früh­stücks­bar des Ho­tels Ame­ri­ka sitzt an dem braun po­lier­ten Holz­tisch, der in ei­nem Halb­kreis durch den gan­zen Raum läuft, Herr Fish, ein jun­ger Mann mit ge­pfleg­tem Äu­ßern, und löf­felt sei­ne Gra­pe­fruit. Die an­de­ren, ho­hen run­den Stüh­le sind noch leer. Herr Fish ist der ers­te Gast und ge­nießt dem­zu­fol­ge auf­merk­sams­te Be­die­nung.

Der Kell­ner stellt ihm jetzt mit ele­gan­ter Hand­be­we­gung Ha­fer­brei mit Sah­ne auf den Tisch und bleibt dann in an­ge­mes­se­ner Ent­fer­nung vor ihm ste­hen.

Herr Fish ist leut­se­lig und mit­teil­sam.

»Ein fei­ner Mor­gen heu­te, ein schö­ner Tag, ganz ent­schie­den.« Er reibt sich die Hän­de.

Dann ent­fal­tet er die Zei­tung und be­ginnt, die Bör­sen­mit­tei­lun­gen zu stu­die­ren. Wäh­rend des Le­sens re­det er fort­wäh­rend auf den Kell­ner ein: »Mil­lio­nen, wo­hin man blickt, Mil­li­ar­den, und was al­les hin­ter die­sen Mil­li­ar­den steckt! In Bra­si­li­en sprie­ßen Gum­mi­wäl­der, echt ame­ri­ka­ni­sche, mein Lie­ber. Ja, man wird Eng­land ein Schnipp­chen schla­gen, Ame­ri­ka, das mäch­tigs­te Land der Welt. Hier se­hen Sie: ›Wall Street fi­nan­ziert Kana­li­sa­ti­ons­ar­bei­ten im Su­dan‹, ›Hun­gers­not in China‹ soll fi­nan­zi­ell aus­ge­beu­tet wer­den. ›Ra­tio­na­li­sie­rung in Deutsch­land be­fes­tigt das dort an­ge­leg­te ame­ri­ka­ni­sche Ka­pi­tal‹. Man muss Bör­sen­kur­se le­sen kön­nen, mein Lie­ber, die sind in­ter­essan­ter als der fan­tas­tischs­te Ro­man.«

»Hehe«, ki­chert dis­kret hin­ter der hoch­ge­ho­be­nen Ser­vi­et­te der Kell­ner. Er fin­det den Gast reich­lich merk­wür­dig. Man liest Bör­sen­kur­se, spricht aber nicht so­viel.

Der Gast re­det im­mer wei­ter.

»Man muss nur schlau sein, dann kann man auch sei­nen Teil aus dem trü­ben fi­schen.«

Der Kell­ner, der sei­nen Spitz­na­men »der schö­ne Alex« ger­ne hört, be­ginnt auf­zu­hor­chen. Aus dem trü­ben fi­schen – hm, das lässt sich hö­ren. Man kann nie wis­sen, ob man nicht auch ein­mal brauch­ba­re Tipps be­kommt, ob­gleich es be­kannt ist, dass die Klei­nen im­mer über den Kamm ge­scho­ren wer­den. Man kann nie vor­sich­tig ge­nug sein. Der Kerl ist viel­leicht ein Agent, der gern Ak­ti­en los­wer­den möch­te.

Von mei­nen sau­er ver­dien­ten Dol­lars be­kommst du nichts, denkt der »schö­ne Alex« und geht in die Kü­che, um dem ge­sprä­chi­gen Gast sei­ne ver­lo­re­nen Eier auf Toast und den Kaf­fee zu brin­gen. Herr Fish ist an­schei­nend noch mit sei­nen hoch­flie­gen­den Ge­dan­ken be­schäf­tigt.

»Das Gan­ze durch­schau­en, das ist al­les! Das Cha­os ana­ly­sie­ren, dann fin­det sich auch ein Weg, der rich­ti­ge Weg für den ei­ge­nen Ge­brauch und zum ei­ge­nen Nut­zen.«

Der »schö­ne Alex« denkt weg­wer­fend: Man muss nur wis­sen, was man will, das ist die Haupt­sa­che, man muss ein be­stimm­tes Ziel ha­ben. Das hat er auch. Er will eine Flüs­ter­knei­pe in der 81. Stra­ße New York-Ost, das ist sein Traum. Ja, er kennt die 81. Stra­ße im Os­ten bes­ser als sei­ne Wes­ten­ta­sche. Er hat ei­gent­lich eine schö­ne Kar­rie­re ge­macht: Kell­ner sein in dem feins­ten Ho­tel der Stadt ist kei­ne Klei­nig­keit. Und trotz­dem spürt er Heim­weh, wenn er an die al­ten Zei­ten denkt, ob­gleich man ihm übel mit­ge­spielt hat. Aber er wird Ra­che neh­men. Er sieht sich wie­der in der »Bar Lo­hen­green« (wirk­lich mit zwei »ee« ge­schrie­ben). Frei­lich, da stell­te er mehr vor als einen Kell­ner. Er war die rech­te Hand der Be­sit­ze­rin, der Wit­we Lo­hen­green, ja, mehr als die rech­te Hand: er war die große Lie­be der Wit­we, und der »schö­ne Alex« sah sich schon als Be­sit­zer, als »Lo­hen­green« selbst, ent­ho­ben dem har­ten Kampf der Ab­hän­gi­gen.

Herr Fish hängt gleich­falls sei­nen ei­ge­nen Ge­dan­ken nach und trinkt den Kaf­fee in ganz klei­nen Schlu­cken.

Der »schö­ne Alex« durch­lebt wie­der ein­mal die de­mü­ti­gen­den Mi­nu­ten sei­nes Stur­zes. Die Wit­we Lo­hen­green über­rasch­te ihn bei ei­nem Ver­gnü­gen mit ei­ner klei­nen hüb­schen Kell­ne­rin. Statt ein­zu­se­hen, dass er, der »schö­ne Alex«, ein Mann sei, den man nicht mit ge­wöhn­li­chem Maße mes­sen kön­ne, gab sie ihm noch am sel­ben Abend sei­nen Lohn mit den dür­ren Wor­ten: »Mor­gen brau­chen Sie nicht mehr zu kom­men.« Das ihm, dem »schö­nen Alex«! Wenn er an die Flüs­ter­knei­pe denkt, die er ein­mal in der 81. Stra­ße New York-Ost ha­ben wird, träumt er zu­gleich von Ra­che.

Herr Fish be­ginnt jetzt wie­der zu re­den, der »schö­ne Alex« kann sei­nen Ge­dan­ken nicht län­ger nach­hän­gen.

»Ha­ben Sie auch manch­mal die­ses kit­zeln­de Ge­fühl, hin­ein­se­hen zu wol­len in alle Häu­ser, in alle Woh­nun­gen, Lo­ka­le, Ge­schäf­te, in die Wa­ren­häu­ser, Fa­bri­ken, Wol­ken­krat­zer, Ho­spi­tä­ler, hin­ein­se­hen in al­les: die Ge­där­me, das Herz, das Ge­hirn, das gan­ze In­ne­re, die Trieb­fe­der, die Hin­ter­grün­de se­hen, ent­de­cken, er­ken­nen kön­nen? Über­kommt Sie nicht auch manch­mal die­se Neu­gier­de?«

Der »schö­ne Alex« mur­melt et­was Be­ja­hen­des. Er sagt sich, dass im Ho­tel Ame­ri­ka die Gäs­te im­mer recht ha­ben, aber er ist zu­frie­den, dass er selbst nie so ver­stie­ge­ne Ge­dan­ken wie die­ser Herr da hat; er weiß, was er will, und das ist die Haupt­sa­che, wenn man wirk­lich et­was er­rei­chen will. Wenn er das Geld für sei­ne Flüs­ter­knei­pe zu­sam­men­hät­te, so wüss­te er schon, den Be­trieb nutz­brin­gend zu füh­ren. Er wür­de sich ge­gen­über der »Bar Lo­hen­green« an­sie­deln – sie wür­de bald plei­te ge­hen, die Wit­we. Nun, sie könn­te ja zu ihm ar­bei­ten kom­men; der »schö­ne Alex« wür­de es ihr so­gar an­bie­ten. Und dann ei­nes schö­nen Ta­ges wür­de er ihr den Lohn aus­zah­len und sa­gen: »Mor­gen brau­chen Sie nicht mehr zu kom­men.« Ja, sein ei­ge­ner Herr sein, Leu­te weg­schi­cken kön­nen, das möch­te er auch …

»Sie ver­die­nen hier wohl gut«, fragt der neu­gie­ri­ge Gast; er macht kei­ne An­stal­ten, mit sei­nem Früh­stück fer­tig zu wer­den.

»Na, es geht so lala; Sie wür­den stau­nen, Herr, wie oft die vor­neh­men Leu­te Trink­gel­der zu ge­ben ver­ges­sen.«

Ja, der »schö­ne Alex« hält nicht viel von fei­nen Ge­gen­den. Auch wenn er von sei­nen Ra­che­plä­nen ab­sieht, möch­te er sich nicht in den »to­ben­den Vier­zi­gern« an­sie­deln, in den Stra­ßen zwi­schen 40 und 50 an bei­den Sei­ten des »Wei­ßen We­ges«, wie man den Broad­way dort nennt, wo er Ver­gnü­gun­gen bie­tet. Die dort flo­rie­ren­den Nacht­klubs, ge­hei­men Ab­stei­ge­quar­tie­re und Tanz­lo­ka­le sind nicht das Ziel sei­ner Sehn­sucht; da­für braucht man klot­zi­ge Gel­der, und im üb­ri­gen ist al­les in ei­ni­gen we­ni­gen Hän­den; der Au­ßen­sei­ter wird schnell zer­malmt. Aber in der 81. Stra­ße New York-Ost, da könn­te es auch noch der klei­ne Mann zu et­was brin­gen. Er sieht die Stra­ße dun­kel und schmal im East Ri­ver ver­en­den. Die Gäs­te ih­rer Knei­pen sind arm­se­li­ge Bur­schen, Leu­te, de­nen es schlecht geht, die Heim­weh ha­ben, die schon halb ver­kom­men sind, Leu­te mit ge­hei­mem Kum­mer, Ein­wan­de­rer, die sich noch nicht rich­tig ver­stän­di­gen kön­nen. Mit ei­nem Wort, lau­ter Men­schen, de­nen es ganz dre­ckig geht. Aber ge­ra­de an sol­chen Men­schen ist et­was zu ver­die­nen, stellt Alex fest. Die an­de­ren, die fest im Sat­tel sit­zen, die sind so scheuß­lich wach, so­gar dann, wenn sie viel ge­trun­ken ha­ben. Sie sind im­mer nur auf ih­ren ei­ge­nen Vor­teil be­dacht. Ja, so un­glaub­lich es auch scheint, gut ver­die­nen kann man nur an Leu­ten, die in der Pat­sche sit­zen. Vor Alex’ Au­gen tau­chen die Be­trun­ke­nen auf, die das Pflas­ter der 81. Stra­ße be­sä­en und zwi­schen de­nen die Po­li­zis­ten fried­lich da­her­wan­deln.

Herr Fish aber hat sich wäh­rend die­ser Über­le­gun­gen des »schö­nen Alex« in Be­geis­te­rung ge­re­det.

»Im­mer­hin, was Sie hier al­les se­hen kön­nen …! Ha­ben Sie schon dar­über nach­ge­dacht, was für eine un­ge­heu­re Stadt die­ses New York ist? Sie kön­nen sich große Rei­sen er­spa­ren, wenn Sie sie nur ge­nau stu­die­ren. Un­garn und Chi­na, Schwe­den und Ja­pan, bit­te, hier sitzt al­les zu­sam­men. Die Aus­ge­sto­ße­nen aus al­len Tei­len der Welt ha­ben sich in die­ser Stadt ein Ren­dez­vous ge­ge­ben. Sie kön­nen hier im Ho­tel Ame­ri­ka glän­zen­de Stu­di­en ma­chen. Wie?«

»Nun, man tut sei­ne Ar­beit, da hat man kei­ne Zeit zu Stu­di­en, mein Herr, und dann hat man auch sei­ne ei­ge­nen Sor­gen und küm­mert sich nicht so­viel um die der an­de­ren.«

Aber der »schö­ne Alex« be­ginnt doch auf­zu­mer­ken. Ob er hier Stu­di­en macht? Das klingt gut. Aber es scheint, dass die­ser merk­wür­di­ge Gast et­was Be­stimm­tes von ihm will. Man wird ja se­hen.

»Sie ha­ben hier im Ho­tel al­lein ein Dut­zend Re­stau­rants, nicht wahr?«

Der »schö­ne Alex« winkt zum Zei­chen der Be­ja­hung mit sei­ner Ser­vi­et­te.

»Sie be­die­nen wohl auch abends ge­le­gent­lich im großen Ball­saal?«

Der »schö­ne Alex« be­ginnt auf­zu­hor­chen. Jetzt komm­t’s doch, man wird ja hö­ren, was der ge­sprä­chi­ge Mann will.

»Na ja, es kommt schon vor.«

»Heu­te Abend?«

»Mag schon sein, müss­te mal nach­se­hen.«

Der »schö­ne Alex« langt nach sei­nem No­tiz­buch und über­legt. Man muss schlau sein. Dem jun­gen Mann da, der gar so­viel spricht, geht es wahr­schein­lich nicht so gut, wie er den An­schein ge­ben möch­te. Men­schen, de­nen es gut geht, re­den nicht so­viel mit ei­nem Kell­ner, man hat schon so sei­ne Er­fah­run­gen. Aber mit Men­schen, de­nen es schlecht geht, kann man wie­der­um gute Ge­schäf­te ma­chen.

Er blät­tert in sei­nem No­tiz­buch.

»Ja, heu­te Abend ist große Hoch­zeit.«

»Die Hoch­zeit Mar­jo­rie Strongs mit Ed­gar Sed­wick?«

»Mich in­ter­es­sie­ren die Na­men nicht, aber es wird schon stim­men.«

»So et­was aus der Nähe zu se­hen, das wür­de mich in­ter­es­sie­ren – ich mei­ne als dienst­ba­rer Geist, nicht als Gast.«

Der »schö­ne Alex« ist jetzt ganz Ohr.

»Hm, hm, so was lässt sich aber nur schwer durch­füh­ren. Und warum ge­hen Sie nicht als Gast, mein Herr? Las­sen Sie sich doch eine Ein­la­dung ge­ben. Ich muss schon sa­gen, ich möch­te mir so ein Fest lie­ber als Gast an­se­hen, das wür­de mir mehr Spaß ma­chen.«

»Nun, ers­tens, se­hen Sie, ist das auch mit ei­ner Ein­la­dung nicht so ein­fach, und dann, wie ich Ih­nen schon ge­sagt habe, möch­te ich ein­mal ein sol­ches ge­sell­schaft­li­ches Er­eig­nis aus ei­ner an­de­ren Per­spek­ti­ve, von der an­de­ren Sei­te an­se­hen.«

»Was Sie sich wohl den­ken, Herr? Da­bei gibt es doch gar nichts zu se­hen. Wenn man ar­bei­tet, hat man kei­ne Zeit zum Se­hen und auch kein In­ter­es­se da­für. Ha­ben Sie eine Ah­nung, mein Herr, wie es bei uns zu­geht, wie viel man ren­nen und wie man auf­pas­sen muss!«

»Na, se­hen Sie, des­halb will ich doch eine Ah­nung von der gan­zen Sa­che be­kom­men.«

»Aber warum wen­den Sie sich ge­ra­de an mich? Wie soll­te ich Ih­nen denn hel­fen?«

»Man hat mich zu Ih­nen ge­wie­sen, Sie sind als fi­xer Kerl be­kannt, mein Lie­ber; man hat mir er­zählt, dass Sie nicht ab­ge­neigt sind, klei­ne Ne­ben­ein­nah­men zu er­zie­len, ohne Ri­si­ko, ver­steht sich.«

»Ich möch­te wohl wis­sen, wer Ih­nen das von mir er­zählt hat; da hat man Sie schön an­ge­führt, Herr.«

»Also, ich könn­te auf Sie nicht rech­nen, mei­nen Sie? Ich habe na­tür­lich auch Adres­sen von an­de­ren Kell­nern.«

»Habe ich Ih­nen viel­leicht ›n­ein‹ ge­sagt? Kann man über­haupt ›ja‹ oder ›n­ein‹ sa­gen, wenn man nicht weiß, um was es sich han­delt?«

»Sie sind zu klug, als dass Sie nicht er­ra­ten hät­ten, was ich will. Lei­hen Sie mir Ihre Ar­beits­kar­te und Num­mer für heu­te Abend, das ist al­les, ver­ste­hen Sie jetzt?«

»Ver­ste­hen kann ich nicht, wie je­mand zu so et­was Lust ha­ben kann. Eine Hoch­zeit ist kein Spaß, für nie­man­den, mein Herr, aber für die Kell­ner schon ganz ge­wiss nicht. Sie wol­len also Kell­ner spie­len, dar­auf läuft wohl Ihr Vor­schlag hin­aus?«

»Pas­sen Sie auf, Sie kön­nen heu­te einen frei­en Abend ha­ben und mich zur Aus­hil­fe schi­cken – und der Ver­dienst ge­hört doch Ih­nen.«

»Dass ich nicht lach, mein Herr, mei­ne Stel­lung soll ich aufs Spiel set­zen und nicht mehr ha­ben als das, was Sie ver­die­nen kön­nen? Glau­ben Sie denn, es ist so leicht, Kell­ner zu wer­den, dass es nicht auch eine Kunst ist, die ge­lernt wer­den muss.«

»Be­ru­hi­gen Sie sich, ich wer­de schon mei­ne Sa­che gut ma­chen, ich war schon Kell­ner, ich war schon al­les. Sie wür­den schwer einen Be­ruf aus­fin­dig ma­chen, den ich nicht schon aus­ge­übt hät­te.«

»So, Sie wa­ren frü­her Kell­ner? Vor­hin er­zähl­ten Sie et­was von ei­ner Per­spek­ti­ve, die Sie stu­die­ren möch­ten. Wenn Sie schon Kell­ner wa­ren, warum wol­len Sie jetzt wie­der ei­ner sein? Wenn man den Dreh kennt und nicht un­be­dingt Geld zum Le­ben braucht, hat man kei­ne Sehn­sucht, noch ein­mal an­zu­fan­gen.«

»Ich habe Ih­nen schon ge­sagt, ich will die­ses be­stimm­te ge­sell­schaft­li­che Er­eig­nis von der Hin­ter­trep­pe aus se­hen.«

Alex über­leg­te schnell. Was will ei­gent­lich der Bur­sche? Ju­we­len steh­len? Ar­mer Mensch, der wür­de sei­ne Ent­täu­schung er­le­ben. Auf je­den Gast kommt ein De­tek­tiv und auf je­den Kell­ner zwei. Da könn­te er schon leich­ter Ju­we­len auf der Fifth Ave­nue klau­en. An­de­rer­seits: Unan­nehm­lich­kei­ten könn­te ich ja doch nicht ha­ben, wenn ich ihn auch wirk­lich ein­schmug­gel­te; ich wüss­te schon, wie ich mich aus­re­den wür­de. Und es wür­de ihm schon Hö­ren und Se­hen ver­ge­hen, wenn ihn un­se­re »Ka­pi­tä­ne« hin und her kom­man­die­ren.

Er lässt sei­ne Au­gen über Herrn Fish auf und ab wan­dern.

»Mein Herr, Sie glau­ben, es ist so leicht, im Ho­tel Ame­ri­ka als Kell­ner ein­ge­stellt zu wer­den. Ich bin nicht ein­ge­bil­det, aber se­hen Sie sich mal mei­ne Fi­gur an, se­hen Sie sich mein Pro­fil an. Wer Kell­ner im Ho­tel Ame­ri­ka wer­den will, noch dazu Aus­hilfs­kell­ner bei ei­ner erst­klas­si­gen Hoch­zeit, der muss über ein ta­del­lo­ses Äu­ße­res ver­fü­gen, mein Herr. Ein Te­nor kann einen Bauch ha­ben, ein Lieb­ha­ber auf der Büh­ne krum­me Bei­ne, aber ein Kell­ner im Ho­tel Ame­ri­ka muss aus­se­hen, dass die Leu­te Ap­pe­tit be­kom­men, wenn sie ihn er­bli­cken. Wenn Sie nur eine Pus­tel ha­ben, schickt Sie der Ober nach Hau­se.« Der Kerl ist un­ver­schämt, denkt Herr Fish. Aber er lässt sich auf kei­ne wei­te­re Dis­kus­si­on mehr ein.

»Also hö­ren Sie, Sie lei­hen mir heu­te Abend Ihren Frack, Ihre Num­mer und Ihre Ar­beits­kar­te. Ich wet­te, kei­ner wird mer­ken, dass ein an­de­rer Kell­ner zur Ar­beit an­ge­tre­ten ist, trotz Ihres voll­kom­me­nen Pro­fils. Ma­chen Sie sich also kei­ne Sor­gen.«

»Mein Herr, Sie den­ken, Sie kön­nen nur so ohne wei­te­res über mich ver­fü­gen, das Gan­ze muss noch ge­nau über­legt wer­den. Wie soll es sich mit mei­nem ent­gan­ge­nen Ver­dienst ver­hal­ten?«

»Wie viel pfle­gen Sie an sol­chem Abend ein­zu­neh­men?«