House of Scarlett - Meghan March - E-Book

House of Scarlett E-Book

Meghan March

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Beschreibung

Sie dürfen sich nicht lieben, weil sie dadurch alles verlieren könnten

Gabriel Legend hätte nie gedacht, dass er einmal auf die Hilfe von Scarlett Priest angewiesen sein würde. Doch um seinen guten Ruf als Legende des New Yorker Nachtlebens zu retten, hat er einen Deal mit der High-Society-Prinzessin geschlossen - nur um jetzt festzustellen, dass sie die Grenzen ihrer Geschäftsbeziehung vom ersten Augenblick an überschritten haben. Jeder Kuss, jede Berührung rührt etwas in Legend, das er noch nie für einen anderen Menschen empfunden hat - und doch darf er sich nicht auf Scarlett einlassen, verkörpert sie doch alles, was er abgrundtief verabscheut ...

"Ich habe mich von der ersten Seite an in Gabriel Legend verliebt!" BOOK BITCHES BLOG über FALL OF LEGEND

Band 2 der verboten-heißen LEGEND-Trilogie von NEW-YORK-TIMES-Bestseller-Autorin Meghan March

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Seitenzahl: 418

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

55. Kapitel

56. Kapitel

57. Kapitel

58. Kapitel

59. Kapitel

60. Kapitel

61. Kapitel

62. Kapitel

63. Kapitel

Die Autorin

Die Romane von Megan March bei LYX

Impressum

Meghan March

House of Scarlett

Roman

Ins Deutsche übertragen von Anika Klüver

Zu diesem Buch

Als Scarlett Priest einwilligte, Gabriel Legend dabei zu helfen, sein Imperium zu retten, war sie nicht darauf vorbereitet, wie sich ihr eigenes Leben daraufhin verändern würde. Woche für Woche besucht die einflussreiche Influencerin seinen Club, um diesem neues Leben einzuhauchen und Gabriels guten Ruf als Legende des New Yorker Nachtlebens wiederherzustellen. Doch Scarlett ist nicht auf die Welt vorbereitet, die sich hinter den Türen des Legend verbirgt. Und sie ist nicht auf den Mann vorbereitet, der sie dahinter in Empfang nimmt. Seine Berührungen lassen sie den Business-Deal, den sie geschlossen haben, vergessen. Seine Küsse wecken Gefühle in ihr, die sie noch nie zuvor gespürt hat. Durch die Anziehungskraft zwischen ihnen prallen zwei Welten aufeinander, die sich nie begegnen sollten. Doch so sehr Scarlett sich auch fragt, ob sie wirklich bereit ist, für Gabriel alles hinter sich zu lassen, spürt sie gleichzeitig, dass man für einen Mann wie ihn nie bereit sein kann – aber auch, dass sie jede einzelne Sekunde, die sie mit ihm hat, genießen will, als sei es ihre letzte …

1. KAPITEL

Gabe

Fünfundzwanzig Jahre zuvor

Die Sturmsirene heulte in der Ferne, während ich Ma wachrüttelte. »Wir müssen los! Die haben gesagt, dass wir uns in die Notunterkunft begeben sollen.«

Ma musste eine Flasche gefunden haben, die sie versteckt hatte, denn ich hatte bereits alles weggeschüttet, was ich finden konnte. Aber da lag sie wieder mal völlig weggetreten auf der Couch.

»Nur noch ein paar Minuten«, murmelte sie. »Ich werde zur Arbeit gehen.«

Wenn ich nicht wegen des nahenden Sturms so besorgt gewesen wäre, hätte ich abfällig geschnaubt. Sie hatte seit über einem Jahr keinen Job mehr, und das bisschen Geld, das sie bekam … Ich schluckte schwer. Darüber will ich nicht nachdenken.

»Die ganze Siedlung wird evakuiert. Wir müssen los!«

Inmitten einer Siedlung aus Blechbüchsen in Biloxi zu wohnen bedeutete, dass wir uns an einen sichereren Ort begeben mussten, sobald der Wind stärker wurde und das Fernsehen Reporter in die Gegend schickte, um vor Ort über die Geschehnisse zu berichten.

»Geh ohne mich. Ich komme später nach.« Sie tätschelte geistesabwesend meine Hand, und ich biss die Zähne zusammen. »Braver Junge.«

Neun Jahre alt zu sein war ätzend. Ich war nicht stark genug, um sie von der Couch und aus dem Wohnwagen zu hieven, zumindest noch nicht. Aber irgendwann würde ich es sein. Dann würde mir niemand mehr sagen, was ich zu tun hatte, und diese Jungs, die mir auf dem Heimweg von der Schule meine Sachen geklaut hatten, würden mir nichts mehr anhaben können.

Ich ballte die Hände zu Fäusten und ließ mich auf ein Knie sinken. »Ma, wach auf. Wir werden dir in der Unterkunft eine neue Flasche besorgen.«

Nun öffnete sie die blutunterlaufenen Augen – alle beide. Ich wusste, dass ich auf diese Weise an sie herankommen würde. »Veranstalten die dort eine Hurrikanparty?«

»Ja. So was in der Art.«

Das war natürlich Quatsch, aber ich war bereit, ihr zu erzählen, was immer nötig war, damit sie sich in Bewegung setzte. Sie war nicht die beste Mom der Welt, aber sie war alles, was ich hatte. Und sie liebte mich. Wirklich. Wenn es hart auf hart käme, würde sie sich für mich statt für den Alkohol entscheiden. Das wusste ich.

»Okay, okay, ich komme. Aber zuerst will ich mich noch frisch machen. Ich muss meinen Lippenstift nachziehen.«

Sie rollte sich von der abgewetzten Couch, aber ich würde auf keinen Fall zulassen, dass sie sich vor den Spiegel stellte. Dann würden wir niemals hier rauskommen. Ihr Lippenstift war verschmiert und bedeckte die Hälfte ihrer Wange. Die verlaufene Schminke rund um ihre Augen ließ sie wie ein Waschbär aussehen. Und ich wollte nicht an den Mann denken, der sie gestern Nacht hier abgesetzt hatte, während ihr schwarze Tränen übers Gesicht gelaufen waren. Kaum hatte sie einen Fuß in den Wohnwagen gesetzt, hatte sie sich darangemacht, ihn auf der Suche nach Alkohol auseinanderzunehmen. Ich war ins Bett gegangen, einfach nur dankbar dafür, dass sie sicher zu Hause war. Ich hatte gelernt, ihr Gelärme auszublenden, damit ich schlafen konnte, aber die Sirenen ließen niemanden schlafen. Sie waren viel zu laut.

»Du siehst toll aus, Ma. Lass uns gehen.« Ich hoffte, dass sie mir die Lüge verzeihen würde, denn wir hatten keine Zeit.

»Okay, okay. Ich hole noch schnell meine Handtasche.«

Ich schnappte sie mir vom Wohnzimmertisch – auf dem sich unbezahlte Rechnungen und Werbeprospekte für Lebensmittel stapelten, die wir uns nicht leisten konnten, weil Mom das Geld, das sie vom Staat bekam, versoff – und reichte sie ihr. Dass sie diesen Monat tatsächlich die Miete bezahlt hatte, war ein Wunder. Ich hasste es, wenn Tony, der Verwalter des Trailerparks, kam und damit drohte, uns rauszuwerfen, und uns als »weißen Abschaum« beschimpfte.

Ich schnallte den Rucksack um, in den ich all unsere wichtigen Sachen gepackt hatte – siebenundachtzig Dollar, die ich mir ohne ihr Wissen mit Unkrautjäten und anderen kleinen Jobs für Nachbarn verdient hatte, ihr Asthmaspray, in dem sich nur noch ein paar Sprühstöße befanden, unsere Geburtsurkunden sowie das Taschenmesser, das ich gefunden hatte, als das Paar von Stellplatz 18 mitten in der Nacht abgehauen war, ohne die Miete zu bezahlen.

Es war nicht viel, aber für den Moment reichte es.

Eines Tages wird alles anders sein …

Eines Tages würde ich alt genug sein, um mir einen richtigen Job zu besorgen und die Rechnungen zu bezahlen. Niemand würde uns rauswerfen können, weil wir nie wieder mit der Miete in Verzug sein würden. Im Kühlschrank würde Essen sein, und vielleicht hätten wir sogar ein paar Erdnussbutterkekse im Schrank.

Bevor ich mich in meinen Träumereien verlieren konnte, indem ich über all die Dinge nachdachte, sie sich ändern würden, wenn ich derjenige sein würde, der sich um uns kümmerte, klemmte sich Ma ihre Handtasche unter den Arm und straffte die Schultern. Für eine Mom war sie immer noch recht hübsch. Sie hatte langes dunkelblondes Haar – dieselbe Farbe wie meins. Auch ihre hellblauen Augen hatte ich geerbt. Aber ihre waren zu hübsch. Denn wann immer ein Mann auf sie aufmerksam wurde, geriet sie in Schwierigkeiten.

»Lass uns gehen, Kleiner. Zeit zum Feiern.«

Ich würde mächtig Ärger bekommen, sobald ihr klar werden würde, dass es in der Notunterkunft keinen Alkohol gab, sondern nur Menschen, die schreckliche Angst davor hatten, alles zu verlieren, falls der Sturm schlimmer wurde, was laut der Wettervorhersage durchaus passieren konnte. Aber damit würde ich mich später beschäftigen.

Sobald wir durch die kaputte Fliegengittertür nach draußen traten, hörte ich nur noch Geschrei. Mary Jo, die nette Dame von nebenan, die mir immer einen Keks gab und mich für kleinere Hilfsarbeiten bezahlte, brüllte Carl, ihren Freund, an, dass er sich beeilen solle. Sie fuhr sich mit den Händen durchs Haar und brachte die schwarzen Wellen durcheinander. Doch als sie mich sah, lächelte sie.

»Sorg dafür, dass du Gabe in die Highschool schaffst, Lauralee!«, rief Mary Jo.

»Kümmer dich verdammt noch mal um deinen eigenen Kram, Miststück.«

Ma zeigte ihr den Mittelfinger, als wir an ihr vorbeigingen, und mein Magen verkrampfte sich. Ich schenkte Mary Jo ein schwaches Lächeln, um mich für meine Ma zu entschuldigen, aber sie war schon wieder dabei, Carl anzubrüllen.

»Diese verfluchte Schlampe denkt, dass sie alles weiß. Tja, sie hat keine Kinder. Sie hat einen Mann, der sich um sie kümmert. Sie hat keine Ahnung von irgendwas.«

Ma redete nicht wirklich mit mir, aber ich verschränkte meine Finger trotzdem mit ihren und drückte ihre Hand.

Sie schaute zu mir herunter und warf einen Blick auf unsere Hände. »Du bist zu alt, um meine Hand zu halten, nicht wahr, Junge?«

Hinter meinen Augen prickelte etwas, aber ich schüttelte den Kopf. »Ich bin der Mann im Haus. Ich darf deine Hand halten, weil das bedeutet, dass ich auf dich aufpasse.«

Ihr Gesicht wurde weich, und sie blinzelte ein paarmal. »Du bist ein guter Junge. Ich habe dich wirklich verdammt gut erzogen.«

Um uns herum ließ der böige Wind Wohnwagentüren auf- und zuklappen, während die Leute zu ihren Autos und Pick-ups eilten und sie mit massenhaft Zeug beluden. Doch wir gingen weiter. Wir würden die Notunterkunft erreichen, bevor der Sturm richtig loslegte, und wenn ich Glück hatte, würde es wieder Sandwiches und Trinkpäckchen geben, so wie letztes Jahr, als es hieß, dass ein Hurrikan im Anzug wäre, der dann doch nicht eintraf. Diese Sandwiches waren sogar noch besser als meine Schulmahlzeiten, die so ziemlich das Beste waren, was ich bekam.

Trotz des Sturms ist heute ein guter Tag.

Wir hatten den Trailerpark hinter uns gelassen und überquerten einen leeren Parkplatz auf der anderen Straßenseite, als ich Glas zerbrechen hörte.

»Mist. Die Plünderer sind unterwegs«, sagte Ma, ließ meine Hand los und schaute sich suchend nach der Meute um.

Ich hatte bisher erst einmal Plünderer gesehen, und das war im Fernsehen. Sie hatten Autos auf der Straße angezündet, bis die Polizei gekommen war und eingegriffen hatte. Doch die einzige Sirene, die ich jetzt hörte, war die, die uns vor dem Sturm warnte.

»Hoffentlich wird die Polizei sie erwischen«, sagte ich und hielt auf den Bürgersteig zu, über den wir zu der Kreuzung gelangen würden, von der aus es zur Highschool ging, wo wir Unterschlupf finden konnten. Und hoffentlich Sandwiches bekommen werden.

Mein Magen knurrte. Seit dem Mittagessen gestern in der Schule hatte ich nichts mehr gegessen.

Die Wochenenden waren am schlimmsten. Normalerweise versuchte ich, das Brötchen vom Burger, den es freitags gab, aufzuheben, um es am Samstag essen zu können, bevor ich mich in die Kirche am Ende der Straße schlich und Donuts und Saft stahl, damit ich den Sonntag überstand. Doch diese Woche hatten mir der dämliche Pat und seine Bande das Brötchen beim Verlassen der Cafeteria aus der Hand geschlagen, und es war unter die Mülltonnen gerollt. Ich hätte nicht danach angeln können, ohne Mrs Everts Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, und sie stellte ohnehin schon zu viele Fragen nach meiner Ma und danach, wie es bei mir zu Hause so lief.

Nach ein paar Schritten blieb ich stehen und schaute mich um. Ma folgte mir nicht mehr. Sie ging in die entgegengesetzte Richtung. Zu den Plünderern, die Charlies Schnapsladen auseinandernehmen.

Mist.

Ich drehte mich um und rannte los. »Ma, nein! Das ist die falsche Richtung. Wir müssen hier lang. Der Sturm kommt.«

Sie warf einen Blick über die Schulter und starrte mich an. »Und es gehört sich nicht, mit leeren Händen auf einer Party aufzutauchen.«

»Es gibt keine Party! Ma!« Der peitschende Wind trug meine Stimme davon und ließ ihr dunkelblondes Haar flattern. »Ma! Bitte!« Ich streckte einen Arm aus und ergriff ihre Hand, um sie am Weitergehen zu hindern.

Als sie sich nun umdrehte, war ihre Miene vollkommen verändert. »Du glaubst, du bist groß genug, um mich herumkommandieren zu können? Das bist du nicht.« Sie schüttelte meine Hand ab. »Du willst unbedingt in die Unterkunft, weil du Angst vor dem Sturm hast? Dann beweg deinen Hintern dorthin, und ich sehe dich dann später wieder.«

Ich stand wie erstarrt da, während sie herumwirbelte und auf das Chaos zulief.

Sie hat mich allein gelassen. Um Charlies Laden zu plündern. Zusammen mit einem Haufen Verbrechern.

Ich schaute zum Himmel hinauf, der aus nichts anderem als wütenden schwarzen und grauen Wolken bestand. Der Wind wehte mir ins Gesicht, und ich spürte etwas Nasses auf meinen Wangen. Ich wusste nicht, ob es Regentropfen oder Tränen waren, und es war mir auch egal.

Sie hat mich allein gelassen.

Ich stand auf diesem leeren Parkplatz und blickte ihr nach, bis sie im Laden verschwand.

Dann schrillten die anderen Sirenen los. Die Polizeisirenen.

Nein! Ich muss sie warnen!

Aber das konnte ich nicht. Sobald die Plünderer das Geräusch hörten, kamen sie aus Charlies Laden auf den Parkplatz gestürmt. Leute rannten in alle Richtungen und hatten so viele Flaschen bei sich, wie sie tragen konnten. Eine Frau, die sich etwas an die Brust presste, stieß mit einem Mann zusammen, und sie gingen beide zu Boden.

Das erste Polizeiauto traf ein und blockierte einen Zugang zur Straße. Die Menge machte kehrt und lief in die andere Richtung. Alle brüllten wild durch die Gegend. Die Polizisten beeilten sich, aus ihrem Auto zu steigen.

Wo ist Ma?

Mir war nicht mal klar, dass ich mich in Bewegung gesetzt hatte, aber ich bahnte mir bereits einen Weg durch die Menge. Bei jedem Schritt kassierte ich Stöße und wurde zur Seite geschubst.

Mehr Polizisten trafen ein. Mehr Geschrei ertönte. Dann folgten Rufe durch Megafone.

Ich konnte nichts sehen. Jemand rannte gegen mich und stieß mich zu Boden. Ich legte die Arme um den Kopf, als ein Schuh so heftig gegen meinen Unterarm prallte, dass er einen Abdruck hinterließ.

»Ma!« Ich schrie um Hilfe, aber der Regen prasselte vom Himmel auf mich herab, und um mich herum heulte der Wind.

Ich kroch davon, bis jemand meinen Rucksack packte und mich daran hochzog, um mir auf die Beine zu helfen. Ich verspürte Erleichterung, doch als ich mich umdrehte und das Gesicht vor mir sah, verflüchtige sich diese Erleichterung ebenso schnell, wie sie gekommen war.

Es war nicht meine Mom. Es war ein Polizist.

»Komm schon, Kleiner. Du musst von hier verschwinden.«

»Aber meine Ma …«

»Ist sie in dem Laden?«, fragte er und griff nach dem Funkgerät, das an seinem Gürtel befestigt war.

»Ich weiß es nicht. Wir waren auf dem Weg zur Unterkunft. Wir … wir wurden getrennt.«

»Geh und setz dich neben das Auto. Ich komme gleich wieder zu dir. Rühr dich nicht vom Fleck.« Er stieß mich in Richtung der Motorhaube eines Streifenwagens, während das große Fahrzeug eines Sondereinsatzkommandos herangerollt kam – dicht gefolgt von einem Gefangenentransporter. Das war genau wie im Film, verdammt noch mal.

Ich kauerte mich an die Stoßstange, während der Regen weiter auf mich herabging und das Sondereinsatzkommando die Menge unter Kontrolle brachte und eine Person nach der anderen auf die Knie zwang, um ihr Handschellen anzulegen.

Ma war nirgends zu sehen.

Bis ich das Kreischen hörte.

Oh Gott. Nein. Mein Magen rutschte schlagartig nach unten und landete auf dem mit Ölflecken übersäten Betonboden unter mir. Ich war mir sicher, dass ich mich gleich übergeben würde.

Ma hielt eine zerbrochene Flasche in der Hand und stieß damit nach einem Polizisten, während sie mehrere Flaschen mit Alkohol an ihre Brust presste. Er zuckte zurück und entging nur knapp ihrem Angriff mit der zerbrochenen Flasche.

Nein, Ma! Nein!

In diesem Augenblick wurde mir klar, dass ich es war, der da kreischte.

Doch der Wind war so laut, dass mich niemand hören konnte. Und niemand konnte Ma davon abhalten, sich ihren Alkohol zu besorgen.

Zumindest nicht bis ein zweiter Polizist sie von hinten packte, ihr die zerbrochene Flasche aus der Hand schlug und ihre Arme hinter ihren Rücken zerrte, um ihr Handschellen anzulegen. Die anderen Flaschen fielen zu Boden und zersplitterten. Sie zappelte und wand sich in dem Versuch, sich zu befreien, und spuckte jeden in ihrer Reichweite an, während die Polizisten sie zu der Reihe von Leuten eskortierten, die bereits auf dem Boden saßen.

In diesem Moment wusste ich, dass mein Leben nie wieder dasselbe sein würde.

Meine Ma würde ins Gefängnis wandern. Was bedeutete, dass man mich in einer Pflegefamilie unterbringen würde.

Sie hat mir versprochen, dass das niemals passieren würde. Sie hat mir versprochen, sie würde niemals zulassen, dass man mich ihr wegnimmt.

Sie hatte gelogen.

Ich saß an die Stoßstange des Polizeiautos gekauert da, und Tränen liefen über mein Gesicht, während um mich herum ein schrecklicher Sturm wütete. Ich war dankbar für den Regen, weil dadurch wenigstens niemand sehen konnte, dass ich weinte.

Während die Polizisten meine Ma und die anderen zu dem Gefangenentransporter führten, beobachtete ich sie und erwartete, dass sie sich hektisch nach mir umschauen würde. Dass sie sich Sorgen um mich machen würde. Ihren einzigen Sohn.

Aber das hätte ich mir auch sparen können.

Sie schaute nicht ein einziges Mal zurück.

2. KAPITEL

Scarlett

Gegenwart

Ich starre Gabriel Legend an, den Mann, der noch vor wenigen Minuten in mir war, und sehe zu, wie er aus seinem Büro stürmt, als würden ihn Dämonen aus der Hölle verfolgen.

Aber in diesem Zimmer gibt es keine Dämonen.

Nur mich.

Meine Knie geben nach, und ich stolpere auf der Suche nach Halt auf den Schreibtisch zu. Mein ganzer Körper, der von dem fantastischen Sex immer noch ganz erschöpft ist, verwandelt sich in Eis, und ich befürchte, dass ich in tausend winzige Teile zersplittern könnte, die sich dann überall auf diesem Teppich verteilen werden.

Dieser verdammte Teppich.

Ich lasse die Finger vom Schreibtisch gleiten und sinke auf den verfluchten Orientteppich, mit dem das alles anfing.

Allerdings ist mein Zusammenbruch nicht die Schuld des Teppichs. Es ist seine.

»Du wirst immer das sein, was ich am meisten will. Aber ich kann dich nicht haben.«

»Wie konnte er das sagen?«, flüstere ich ins leere Zimmer hinein. »Wie konnte er einfach … gehen?« Ich bekomme keine Antwort.

»Du solltest gehen. Und komm nicht zurück, Scarlett. Das mit uns darf nicht sein.« Seine barschen Worte, die er vor nur wenigen Minuten gesagt hat, hallen in meinem verwirrten Kopf in Endlosschleife wider.

Ich lasse den Kopf auf die Knie sinken, während ich mir sein Gesicht in Erinnerung rufe, das zuerst gequält und dann einfach … leer wirkte.

Er hat mich ausgesperrt. Er hat mich abgeblockt. Er hat alles abgeblockt.

Jemand klopft an die Tür, die sich nur einen Sekundenbruchteil später öffnet. Ich habe nicht genug Zeit, um mich aufzurappeln, also sieht mich Q hier auf dem Boden sitzen wie ein kleines Mädchen, das dumm genug war, sich auf den falschen Kerl einzulassen.

Ich springe auf und verliere auf meinen hohen Absätzen beinahe das Gleichgewicht. Er streckt eine Hand aus, als wollte er versuchen, mich zu stützen, doch ich weiche hektisch zurück und knalle mit der Hüfte gegen den Schreibtisch. Schmerz strahlt von der Stelle aus, an der das Holz auf den Knochen prallt, und ich atme scharf ein.

Ich kneife die Augen fest zu und konzentriere mich auf den Schmerz. Den verstehe ich wenigstens. Doch das, was gerade in diesem Büro passiert ist, werde ich niemals begreifen.

Q schweigt einen Moment lang, und ich gehe davon aus, dass er vermutlich darauf wartet, dass ich die Augen öffne. Ich nehme mir noch ein paar weitere Sekunden, um mich zusammenzureißen und die Schultern zu straffen.

Meine Würde mag in Fetzen auf dem Teppich liegen, auf dem ich wieder zu mir gekommen war, nachdem man mich entführt hatte, aber ich werde nicht zulassen, dass mich dieser Mann weinen sieht. Ich werde nicht zulassen, dass mich irgendeiner von ihnen weinen sieht.

Ich trage schon mein ganzes Leben lang eine Rüstung. Die Art von Rüstung, die man anzieht, wann immer man das Haus verlässt, weil die Reporter der Klatschspalten das Outfit, das man trägt, auseinandernehmen und nicht freundlich sein werden, wenn sie beschließen, dass die trendige Kombination in Wahrheit ein Griff ins Klo ist.

Im Vergleich zu dieser öffentlichen Demütigung ist Q ein leichter Gegner. Wenigstens rede ich mir das ein.

»Ich muss gehen«, sage ich mit ruhiger Stimme, während ich bete, dass meine Tränen dort bleiben, wo sie sind – brennend in meinen Augen.

»Natürlich, Ms Priest, ganz wie Sie wünschen.«

Ich bin stolz auf die gemäßigten Schritte, die ich in seine Richtung mache, trotz des Schmerzes an meiner Hüfte und in meinem Herzen.

»Teilen Sie meinen Freundinnen mit, dass mir etwas dazwischengekommen ist. Sagen Sie ihnen …« Ich werfe einen Blick zur Tür, bevor ich mich schließlich zwinge, ihm in die Augen zu schauen. »Sagen Sie ihnen, dass ich mich morgen bei ihnen melden werde.«

Der entschuldigende, beinahe einfühlsame Blick in seinen Augen bringt mich fast um.

»Sie wussten, dass das passieren würde, nicht wahr?«

Q setzt eine undurchschaubare Miene auf. »Ich weiß nicht, was Sie meinen, Ms Priest.«

»Schwachsinn«, sage ich und spucke das Wort förmlich aus. »Aber keine Sorge, sein wertvoller Club ist nicht in Gefahr. Ich hoffe, dass es das wert war.«

Ich marschiere auf die Tür zu, doch Q streckt eine Hand aus und legt sie sanft auf meinen Oberarm, um mich zurückzuhalten.

»Ich weiß nicht genau, was hier passiert ist, aber ich kann es mir vorstellen. Der Club hatte nicht das Geringste damit zu tun. Mit nichts davon.«

Ich drehe langsam den Kopf herum und betrachte sein Gesicht. »Was zum Teufel sollte das dann?«

Meine Stimme zittert ein wenig, und ich weiß, dass mir die Zeit davonläuft. Die Tränen werden kommen, egal ob ich bereits von hier verschwunden bin oder nicht. Doch aus irgendeinem Grund warte ich auf eine Antwort. Ich habe ein Recht darauf zu wissen, warum mir Legend so etwas antut.

Q presst die Lippen zu einer flachen Linie zusammen. »Es ist besser so. Vertrauen Sie mir.«

Wenn ich ein anderer Typ von Frau wäre, hätte ich ihm dafür eine Ohrfeige verpasst.

»Ich vertraue keinem von Ihnen.« Mit dem bisschen Stolz, das mir noch geblieben ist, hebe ich das Kinn an und marschiere zum letzten Mal aus dem Legend.

Zum Teufel mit euch allen.

Kaum sitze ich in dem Auto, das an der Bordsteinkante auf mich wartet, breche ich in Tränen aus.

3. KAPITEL

Legend

»Wo zum Teufel ist sie?«

Ich wende mich von der Säule ab, hinter der ich gestanden habe. Ja, ich habe verdammt noch mal beobachtet, wie sie davonstolziert ist wie eine Prinzessin, die sich dem Bösewicht gestellt, ihre Krone verloren und jeden Augenblick davon bereut hat. Und ja, ich stehe immer noch hier, obwohl sie schon seit zwanzig Minuten weg ist. Niemand bemerkt mich, bis die kleinere schwarzhaarige Frau, die mit Scarlett herkam, wütend mit einem Finger in meine Schulter sticht.

Kelsey. Die Stylistin. Die, von der Scarlett sagte, dass sie zu ihren engsten und treuesten Freundinnen gehöre.

Ich hätte wieder in mein Büro gehen sollen. Ich hätte irgendwo anders hingehen sollen, anstatt hierzubleiben.

Ich starre auf Kelsey hinunter und frage mich, was in aller Welt ich sagen soll.

Sie wartet meine Antwort nicht ab. Sie sticht erneut mit ihrem Finger auf mich ein und wiederholt die Frage. »Wo zum Teufel ist sie, Legend? Sie ist mit Ihnen weggegangen, und jetzt kann ich sie nicht finden, aber Q hat mir gesagt, dass Sie hier draußen sind und ich Sie fragen soll.«

Dieser verdammte Q. Reicht es denn nicht, dass ich seinen Rat befolgt habe? Ich halte meinen Kreis klein. Ich gehe kein Risiko ein.

Und trotzdem hast du es geschafft, alles zu verbocken. Die Stimme in meinem Kopf ist heute Abend gnadenlos. Ist es da ein Wunder, dass sie in dieses Auto gestiegen ist und nicht zurückgeschaut hat? Denn du bist es verdammt noch mal nicht wert, dass man dir noch einen letzten Blick zuwirft.

Ich spanne den Kiefer an und beiße die Zähne zusammen, um die Wahrheit zu verdrängen. Die Stimme hat recht.

Wenn sich schon meine eigene Mutter nicht umgedreht hat, um nach nach mir zu sehen, warum zum Teufel sollte Scarlett Priest es dann tun? Vor allem nachdem ich sie praktisch aus dem Club geworfen habe. Ich bin ein Stück Dreck, und die Frau vor mir ist als Nächstes damit an der Reihe, mir das bewusst zu machen.

»Sie ist weg«, sage ich barsch. Die Worte kommen heiser aus meiner Kehle, so als hätte ich sie mir mit Gewalt abringen müssen.

Kelsey stemmt die Hände in die Hüften und setzt eine kämpferische Miene auf. »Was meinen Sie damit? Sie würde nicht einfach gehen, ohne …« Sie bricht ab, und ihr Gesicht läuft knallrot an. »Oh nein! Nein, das haben Sie verdammt noch mal nicht getan!«

Doch. Doch, das habe ich verdammt noch mal getan, erwidere ich lautlos.

Aber sie wartet meine Äußerung gar erst nicht ab, sondern droht mir sofort. »Wenn Sie ihr auch nur ein einziges Haar gekrümmt haben, schwöre ich bei Gott …«

»Was geht hier vor, Kels?« Die Brünette, auf die Bump ein Auge geworfen hatte, kommt zu uns. An ihrer Seite befindet sich ein großer, muskulöser Kerl. Er muss einer der Profi-Baseballspieler sein. »Hast du Scarlett gefunden?« Sie schaut zu mir und kneift die Augen zusammen.

»Scarlett ist gegangen«, presst Kelsey zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Zwischen ihr und Legend muss irgendwas vorgefallen sein, und jetzt ist sie weg.«

»Nate, ich weiß, dass deine Hände wirklich wichtig sind, aber könntest du ihn bitte für mich ins Gesicht schlagen? Denn wenn er es mit meiner Kleinen getrieben und sie dann aus seinem Club geworfen hat, als wäre sie ein Stück Dreck anstatt die Königin, die sie verdammt noch mal ist, muss er auf der Stelle eine Tracht Prügel bekommen.«

MonroeGrafton. So heißt die Brünette. Sie ist mit Nate Grafton verheiratet, der mich mustert, als wüsste er, dass ich es verdient habe. Aber ohne Rückendeckung ist er nicht bereit, mir einen Schlag zu verpassen. Kluger Mann. Ich würde der Mannschaft nur ungern die Chance auf die Endspielserie verderben, indem ich ihm etwas breche. Ich mag es verdammt noch mal verdient haben, aber ich werde ihm auf keinen Fall die Chance geben, auf mich loszugehen. Er ist nicht Scarletts Beschützer.

Ach ja, und wer ist es dann? Denn du bist es ganz sicher nicht.

Ich sage der Stimme, dass sie die Klappe halten soll, während ich krampfhaft überlege, was ich sagen kann. Aber mir fällt nichts ein. Ich habe keine Ausreden. Und diese Leute sind ohnehin nicht diejenigen, die eine Erklärung verdienen.

»Haben Sie nichts dazu zu sagen?« Kelsey sticht einmal mehr mit ihrem Finger auf mich ein. »Sie sind ein Scheißkerl, Legend. Ich habe ihr geraten, Ihnen aus dem Weg zu gehen. Ich habe ihr gesagt, dass Sie nur Ärger bedeuten. Normalerweise liebe ich es, recht zu haben, aber dieses Mal nicht. Sie haben es verbockt. Was auch immer hier heute Abend passiert ist, eins ist sicher: Sie haben gerade Ihre Chance auf das Beste verspielt, was Sie je hätten haben können. Scheren Sie sich zum Teufel.«

Ich nehme die Attacke hin. Sie ist ihnen wichtig, und ich bin für das, was passiert ist, verantwortlich. Ich kann es nicht leugnen und habe keine Entschuldigung, die man verstehen würde.

Kelsey wirbelt herum und schnappt sich Monroes Hand. »Lass uns schleunigst von hier verschwinden. Ich will nicht länger seine Luft atmen, sonst werde ich ihn noch erstechen.«

»Die einzige Person, die ihn erstechen darf, ist Scarlett«, sagt Monroe und wirft mir einen Blick zu, der giftig genug ist, um zu töten. »Komm, wir holen Harlow, und dann hauen wir ab.«

Sie lässt seine Hand los, und die beiden Frauen marschieren in den Club und lassen mich mit Nate Grafton zurück.

»Ich weiß nicht, was vorgefallen ist, Mann, aber diese Frauen … die wollen Sie wirklich nicht verärgern.« Aufgrund seines Tonfalls habe ich das Gefühl, dass er sie schon mal im vollen Wahnsinnsmodus erlebt hat.

Ich werfe einen Blick auf meine Uhr, weil ich gerade zu aufgewühlt bin, um ihm in die Augen zu schauen. »Nichts für ungut, Mann, aber ich habe größere Probleme, als mir Sorgen darum zu machen, dass sie meine Reifen aufschlitzen könnten.«

Nate Grafton lacht schnaubend. »Das wäre noch harmlos. Sie werden Ihr Leben ruinieren.«

Ich denke an den Club, der gerade von den Toten auferstanden ist, und frage mich, wie lange er durchhalten wird, sobald sie ihren Zerstörungskreuzzug gegen mich begonnen haben.

Du hättest sie niemals anrühren dürfen. Sie ist nichts für dich. Du hättest es besser wissen sollen. Dieses Mal ist es nicht die Stimme in meinem Kopf. Ich selbst bin derjenige, der mich zurechtweist, weil ich die Sache so dermaßen verbockt habe.

Jeder,denichliebe,wirdverletzt,getötetoderverlässtmich.Ichhättewissenmüssen,dassichnichtnachetwasgreifensollte,dassoweitaußerhalbmeinerReichweiteistundmireinfachnichtzusteht.

»Sie werden sich nicht allzu sehr anstrengen müssen. Ich mache das selbst schon ziemlich gut«, teile ich Nate mit, bevor ich mich umdrehe und mir einen Weg durch die Menge bahne. Dabei habe ich absolut kein Ziel im Sinn. Ich will einfach nur weg.

4. KAPITEL

Scarlett

In der Sekunde, in der ich durch meine Wohnungstür trete, meldet sich mein Handy mit Textnachrichten und Anrufen. Ich hatte mir schon gedacht, dass sie eine Weile brauchen würden, um mitzubekommen, dass ich verschwunden bin, und sobald sie es merken würden … tja.

Ich kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass ich tolle Freundinnen habe. Aber jetzt gerade kann ich mich nicht mit ihnen beschäftigen. Nicht wenn …

Eine Träne tropft auf das Display meines Handys, und die Worte, die ich gerade in unseren Gruppenchat tippen wollte, in dem sie mich mit ihren Fragen bestürmen, verschwimmen vor meinen Augen. Meine Finger zittern so sehr, dass ich ständig die falschen Buchstaben erwische und solch ein Gestammel fabriziere, dass nicht mal die Autokorrekturfunktion weiß, was ich zu sagen versuche.

Ich atme schniefend ein, wische die Tränen mit einem Taschentuch weg und fange noch mal von vorne an.

SCARLETT: Ich musste weg. Es ist was passiert. Lange Geschichte. Aber es geht mir gut.

KELSEY: Es geht dir nicht gut. Wir kommen zu dir.

MONROE:Nate hat ihn nicht geschlagen, aber wir können ihn mit dem Auto überfahren. Gib mir einfach Bescheid, dann organisiere ich uns für diesen Zweck irgendeine Schrottkarre ohne Nummernschilder.

Ein bitteres Lachen kommt mir über die Lippen, als ich mir vorstelle, wie Monroe ein Auto stiehlt, um Legend zu überfahren. Doch das Lachen bleibt mir sofort im Hals stecken, als ich daran denke, dass er verletzt werden könnte.

SCARLETT: Nein. Bitte. Tut einfach GAR NICHTS. Lasst sowohl den Club als auch ihn in Ruhe. Und sprecht auch nicht darüber. Das ist ein Thema für den doppelt gesicherten Tresor, und ich will nichts davon in den Zeitungen lesen.

Harlow, Monroe, Kelsey und ich haben den »doppelt gesicherten Tresor« eingeführt, als Harlow einmal versehentlich etwas über Monroe und Nate an die Presse durchsickern ließ, worauf ihre Freundschaft Jahre brauchte, um sich davon zu erholen.

HARLOW: Ich weiß, was du meinst, ich werde nicht das Geringste sagen. Der doppelt gesicherte Tresor ist fest verschlossen. Der Riegel ist vorgeschoben. Aber wir kommen trotzdem zu dir. Ich muss mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass er dir nichts angetan hat.

Mein Körper tut weh, und Muskeln protestieren an Stellen, die ich noch nicht gespürt hatte, bevor ich sein Büro betrat, aber meine Freundinnen müssen nicht erfahren, dass ich nach dem besten Sex meines Lebens abserviert wurde.

Nein. Ich wurde nicht mal abserviert. Ich wurde benutzt und dann stehen gelassen. Ich glaube, Kelsey hat einmal etwas Ähnliches erlebt, als sie einen One-Night-Stand mit einem Mann hatte, der einfach verschwand, als sie nach dem Sex ins Bad ging, um sich zu waschen.

Egal wie man es nennt, es tut verdammt weh. Mein Stolz, mein Ego, meine Würde … alles hat einen heftigen Schlag abbekommen.

Ja, und was ist mit deinem Herzen?

Der Teil von mir, der Bedenken hatte, sich auf Legend einzulassen, klingt jetzt süffisant und selbstgerecht, aber ich denke nicht über mein Herz nach. Wenn ich kein Blut sehe, ist damit alles in Ordnung. Richtig?

Ich rede mir so einen Schwachsinn ein, dass ich nicht mal meine eigenen Lügen glaube.

Meine Unterlippe zittert, als ich mir seinen gequälten Gesichtsausdruck ins Gedächtnis rufe. Mich wegzustoßen tat ihm weh. Etwas in mir will sich daran festklammern, weil es mir Hoffnung gibt, aber das darf ich nicht. Weil er es trotzdem getan hat.

Ich habe keine Ahnung, welchen Grund Gabriel Legend für sein Verhalten hatte, und ich darf mir darüber keine Gedanken machen.

Aber zuerst … muss ich mir unter der Dusche die Augen ausweinen. Tränen, die man in der Dusche vergießt, zählen nicht, weil man sie nicht sehen kann.

Ich wickle ein Handtuch um mein Haar, ziehe den Gürtel meines Bademantels zu und eile zur Gegensprechanlage, die einfach nicht aufhört zu summen.

Ich würde so gerne glauben, dass er es ist. Dass er es bereut, mich von sich gestoßen zu haben. Mich fortgeschickt zu haben. Mich weggeworfen zu haben. Aber als ich den Knopf berühre, weiß ich, dass nicht er es ist. Meine Freundinnen sind hartnäckig.

»Ja?«

»Ms Scarlett?« Die Stimme, die aus dem Lautsprecher kommt, gehört weder Harlow noch Monroe oder Kelsey.

»Wer ist da?«

»Ich bin’s, Bump. Ich habe gesehen, wie Gabe abgehauen ist, und Roux und ich wussten nicht, wo er sonst hingegangen sein könnte. Ist er hier?«

Ich lasse den Kopf an die Wand sinken und schließe die Augen. Ich habe keine Ahnung, woher er weiß, wo ich wohne, also gehe ich davon aus, dass er meine Adresse entweder gegoogelt hat oder mir gefolgt war, nachdem er mich damals entführt hatte. »Er ist nicht hier, Bump. Sie sollten gehen.«

Der Lautsprecher knistert. »Wissen Sie, wo er ist?«

»Nein. Das weiß ich nicht.«

»Okay, dann lassen wir Sie jetzt in Ruhe.«

Ich eile zum Fenster, um auf den Bürgersteig hinauszuschauen. Keine Frage, da steht Bump mit Gabriels Hund. Allein. In der Dunkelheit. Verdammt.

Ich zerre am Fenstergriff, bis ich die Nachtluft auf meinem Gesicht spüre, und bin dankbar, dass ich das Fenster vor ein paar Jahren austauschen ließ. »Hey!«, rufe ich zu ihm hinunter. »Sie sollten nachts nicht allein herumlaufen. Das ist nicht sicher.«

Er wirbelt herum und versucht herauszufinden, woher meine Stimme kommt. Er braucht ein paar Sekunden, bis er mich über sich am Fenster entdeckt.

Ich kann ihn auf keinen Fall einfach allein in die Nacht hinausspazieren lassen. Falls ihm etwas zustößt, würde es Gabriel, Q und Zoe das Herz brechen, und ich werde nicht diejenige sein, die dafür verantwortlich ist.

»Warten Sie, Bump. Kommen Sie um die Seite des Hauses herum, dann lasse ich Sie rein. Wir werden Ihnen ein Taxi rufen, das Sie nach Hause bringt.«

»Ich kann zum Club zurückgehen.«

»Das ist zu gefährlich.«

Er zuckt mit den Schultern. »Roux ist ein starkes Mädchen. Sie wird nicht zulassen, dass mir etwas passiert.«

Ich würde ihm gerne glauben, aber ich kann das Risiko nicht eingehen. »An der Seite des Hauses befindet sich eine braune Tür. Öffnen Sie sie, wenn der Summer ertönt, und kommen Sie in den dritten Stock hinauf.«

Bump wiegt den Kopf hin und her, als müsste er darüber nachdenken. Als er schließlich nickt und auf den Seiteneingang zutrottet, frage ich mich, was zum Teufel ich hier mache.

Versuche ich, Gabriel dazu zu bringen, zu mir zu kommen?

Oh, auf gar keinen Fall. Ich bin nicht so manipulativ oder verzweifelt, seinen Freund zu benutzen, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich mache mir nur einfach Sorgen um den Jungen und will nicht die Schuld daran tragen, wenn heute Abend noch etwas Schlimmes passiert.

Als Bump an meine Tür klopft, öffne ich sie, und Roux zwängt sich sofort an ihm vorbei. Ich hatte noch nie einen Hund in meiner Wohnung, aber sie springt nicht auf die Möbel und stößt auch nichts um. Sie tapst lediglich ruhig umher und beschnüffelt alles, bevor sie wieder zu mir kommt.

»Gabe ist einfach abgehauen und geht nicht an sein Handy. Ich hasse es, wenn er das tut. Er ist mein Bruder, und ich darf ihn nicht verlieren.«

Das Geständnis klingt so aufrichtig und verzweifelt, dass ich Mitleid mit dem Jungen habe, obwohl er gar kein Junge ist. Er ist der Mann, der mich entführt hat.

»Macht er das öfter?«, frage ich, ohne darüber nachzudenken.

»Manchmal. Er geht gerne spazieren. Er sagt, dass ihm das dabei hilft, den Kopf frei zu bekommen. Und da er Sie mag und Sie nicht mehr im Club waren, dachte ich, dass er hier sein würde.«

Ich will so viel sagen, zum Beispiel: Er mag mich nicht, und er will nicht mal in meiner Nähe sein. Aber das ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort dafür, ganz zu schweigen davon, dass Bump nicht der richtige Gesprächspartner ist.

Roux stupst mein Bein an, und ich greife nach unten, um sie zu streicheln, statt dem besten Kumpel meines One-Night-Stands mein Leid zu klagen.

»Wo wohnen Sie, Bump? Welche Adresse soll ich dem Taxifahrer nennen?«

Er runzelt die Stirn. »Sie wollen mir nicht dabei helfen, Gabe zu finden? Ich dachte, Sie würden mir helfen.«

Herrgott. Was soll ich jetzt tun? »Ich denke nicht, dass er sich freuen würde, mich jetzt zu sehen«, sage ich in Ermangelung einer besseren Erklärung.

Bump betrachtet mein Gesicht. »Ohne Schminke sehen Sie hübsch aus. Q sagt, dass ich mich nur nach Frauen umsehen soll, die ohne Schminke hübsch aussehen, weil es sonst sein könnte, dass man mit einer Zehn ins Bett geht und neben einer Zwei aufwacht. Sie sind immer noch eine Zehn.«

Gott, dieser Junge.

Ich wische mir eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus dem Handtuch um meinen Kopf gelöst hat. »Danke, Bump.«

»Gabe hätte heute Abend nicht spazieren gehen sollen. Er sollte hier bei Ihnen sein. Sogar Jorie fände das gut.«

»Wer ist Jorie?« Ich stelle die Frage hauptsächlich aus Höflichkeit, aber auch weil ich immer noch so armselig bin und unbedingt alles über Gabriel wissen will – auch wenn ich mir gerade geschworen habe, dass ich ihn für immer aus meinem Kopf und meinem Leben verbannen würde. Aber leider stimmt das, was sie im Musical South Pacific singen, nicht – man kann sich einen Mann nicht einfach aus den Haaren waschen.

Er runzelt die Stirn und fährt geistesabwesend mit einem Finger über die haarlose Narbe auf seinem Kopf. »Meine Schwester. Sie ist tot.«

Ich zucke zusammen und sehe ihn an. »Das tut mir so leid.«

Er schüttelt den Kopf. »Es ist schon lange her. Deswegen sind wir nach New York gekommen. Sie und Gabe wollten heiraten und Babys bekommen, aber …«

Er verstummt, doch den Rest kann ich mir auch selbst denken. Aber das konnten sie nicht, weil sie tot ist.

Gottverdammt.

Gabriel war in Bumps Schwester verliebt, und dann starb sie.

Ich dachte, mein Herz wäre bereits gebrochen, aber nun bekommt es erneut Risse. Er verlor die Frau, die er liebte, und diese schmerzvolle Enthüllung trifft mich schwer. Zuerst empfinde ich Mitleid mit Gabriel und dann auch mit mir selbst. Selbstwenn ich es wollte, mit einer Toten könnte ich niemals mithalten.

»Es tut mir so leid, Bump«, sage ich erneut und strecke eine Hand aus, um sie in Roux’ zottigem Fell zu vergraben.

»Das muss Ihnen nicht leidtun. Es könnte Ihnen nur leidtun, wenn Gabe etwas passiert. Er ist für mich so was wie meine Familie.«

»Er ist ein starker Kerl. Ich bin mir sicher, dass er auf sich aufpassen kann.«

Bump zuckt mit den Schultern. »Leute suchen nach ihm. Wenn sie ihn finden, werden schlimme Sachen passieren.«

Die nüchterne Art, wie er mir das mitteilt, erschüttert mich bis ins Mark. »Was für Leute? Was für schlimme Sachen?«

Wieder zuckt er mit den Schultern, aber ich kann erkennen, dass ihn das, was ihm gerade durch den Kopf geht, nervös macht. Er kratzt sich unter dem zerknitterten Ärmel seines T-Shirts am Oberarm. »Ich sollte jetzt gehen. Roux und ich müssen ihn finden.«

»Moment … warten Sie.« Ich schnappe mir mein Handy und rufe Zoes Nummer auf. Sie geht nach dem zweiten Tuten dran.

»Scarlett? Geht es Ihnen gut? Ihre Freundinnen sind gegangen, und sie waren … aufgebracht.«

»Es geht mir gut. Aber Bump ist hier, und ich denke, dass Sie oder Q vorbeikommen sollten, um ihn abzuholen.«

»Bump ist wo?« Sie ist verständlicherweise verwirrt.

Ich erkläre ihr alles und versuche dabei, fröhlich zu klingen, um Bump nicht in Verlegenheit zu bringen. »Er streichelt Roux in meinem Wohnzimmer.«

»Oh mein Gott. Das tut mir so leid. Ich lasse sofort einen Wagen zu Ihnen kommen. Schicken Sie mir Ihre Adresse.«

Bump steht nun nah genug bei mir, um jedes Wort, das wir wechseln, zu hören. »Ich brauche keinen Wagen, Zoe«, brüllt er beinahe. »Ich muss Gabe finden.«

Ich stelle das Telefon auf laut, damit Zoe direkt mit Bump reden kann.

»Kumpel, verlass die Wohnung nicht. Q hat nach dir gesucht. Er muss dir etwas sagen.«

»Was?«

»Komm zurück zum Club, dann wirst du es erfahren.«

Bump tritt auf meinen Teppich wie ein schmollendes Kind. »Ich will nicht zurück zum Club gehen. Ich muss Gabe finden. Was ist, wenn sie ihn vor mir finden, Zoe?«

»Bump, hör auf! Der Wagen wird in fünfzehn Minuten da sein. Wir sehen uns, wenn du wieder im Club bist.«

»Meinetwegen«, sagt er seufzend.

Ich schalte die Lautsprecherfunktion aus und halte das Handy wieder an mein Ohr. »Ist alles in Ordnung? Wer will Gabriel schaden?«, frage ich Zoe und bete, dass ihre Antwort meinen von Krämpfen heimgesuchten Magen beruhigen wird.

»Es ist alles in Ordnung, Scarlett. Wir danken Ihnen für das, was Sie für den Club getan haben. Wir werden Ihnen niemals genug dafür danken können. Ich weiß nicht, was zwischen Ihnen und Gabriel vorgefallen ist, aber falls ich Ihnen jemals irgendwie helfen kann, rufen Sie mich an. Ich werde immer drangehen. Schicken Sie mir Ihre Adresse, dann sorge ich dafür, dass Bump so schnell wie möglich abgeholt wird.«

Bevor ich eine weitere Frage stellen kann, beendet sie das Gespräch, und ich starre auf das Display meines Handys hinunter. Es zeigt ein Foto von mir und den Mädels vom heutigen Abend, weil wir vor unserem Aufbruch so verdammt gut aussahen.

In dem Moment treffen neue Textnachrichten von eben diesen Mädels ein.

HARLOW: Wenn du nicht antwortest, kommen wir vorbei.

KELSEY: Ich werde ihn umbringen.

Ich tippe auf das Display, um Zoe meine Adresse zu schicken, bevor ich eine Nachricht an meine Freundinnen verfasse.

SCARLETT: Es geht mir gut. Er hat nur mein Ego verletzt. Ich gehe jetzt ins Bett. Ich hab euch lieb, Mädels.

KELSEY: Na, gut, ich glaube dir/Ich will dir glauben.

HARLOW: Sie redet nur Schwachsinn.

MONROE: Triff dich morgen mit uns im Dolly’s zum Brunch. Mittags. Ich werde auch nicht zu spät kommen. Versprochen.

MONROE: Falls du nicht auftauchst, werde ich am Freitag einen Stripper mit einer Nachricht für dich in den Store schicken, während der Laden voller Kunden ist.

Dieses Miststück.

SCARLETT: Ich werde kommen. Ich hab euch lieb. Gute Nacht.

»Mit wem chatten Sie da?« Bump lehnt sich über mein Handy und versucht, die Nachrichten zu lesen.

Ich stopfe es in die Tasche meines Bademantels und ziehe noch einmal fest am Gürtel, um den Knoten zu sichern. »Mit meinen Freundinnen.«

»Auch mit der mit den hübschen braunen Haaren? Die ist wirklich heiß.«

Er muss von Monroe reden. »Ja, die hübsche Brünette ist eine von ihnen.«

»Ich mag sie, aber Q sagt, dass sie verheiratet ist, also werde ich mich weiter umschauen müssen. Ich denke allerdings, dass Gabe aufhören sollte, sich umzuschauen. Er hat Sie gefunden. Er sollte hier sein und nicht durch die Straßen wandern.«

»Können wir über etwas anderes reden?«, frage ich ihn leise. »Ich denke nicht, dass es Gabriel gefallen würde, wenn wir über ihn reden.«

Bump schaut mich mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck an und verlagert das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Sie sollten mit mir und Roux nach Hause kommen. Dann können Sie Gabe sehen und ihm sagen, dass er nachts nicht spazieren gehen soll. Auf Sie hört er vielleicht.«

Ich seufze, weil er nicht falscher liegen könnte. »Nein, Bump. Das würde er nicht.«

Er stutzt. »Aber er mag sie wirklich. Sehr sogar. Mehr als jedes Mädchen, das ich je gesehen habe. Wenn ich ihm erzähle, dass Sie das, was er getan hat, traurig gemacht hat, wird er es nicht mehr tun. Ich fahre nicht gerne über die Brücken, also nehmen wir stattdessen die Tunnel, wenn das möglich ist. Ich kann Wasser nicht leiden. Es macht mich traurig. Ich wette, dass er Sie auch nicht traurig machen will.«

Ich denke daran, wie Gabriels Stimme klang, als er sagte, dass er mich nicht haben könne. Es war herzzerreißend. »Ich denke nicht, dass Gabriel und ich uns je wiedersehen werden.«

Bump reißt die Augen auf. »Aber warum nicht? Mögen Sie ihn nicht?«

Plötzlich spüre ich einen gewaltigen Kloß in meinem Hals. »Jetzt gerade in diesem Moment bin ich nicht so glücklich mit ihm. Aber nein, das ist nicht der Grund.«

»Vermutlich denkt er, Jorie wäre sauer darüber, dass er Sie gefunden hat, aber das wäre sie nicht. Sie würde Sie mögen. Nach dem, was ich getan habe, hätten Sie gemein zu mir sein können, aber das waren Sie nicht. Sie sind ein guter Mensch, Ms Scarlett. Ich hoffe, dass Sie Gabe wiedersehen werden. Sie bringen ihn zum Lächeln, wenn das niemand sonst schaffen kann.«

Draußen hupt ein Auto.

Bump dreht ruckartig den Kopf zum Fenster, und die Hündin, die zwischen unseren Füßen gesessen hat, erhebt sich. »Ist das für mich und Roux?«

Ich gehe zum Fenster und sehe draußen vor dem Haus einen schwarzen Wagen. »Ja, das ist für Sie und Roux. Soll ich Sie nach unten begleiten?«

Er schüttelt den Kopf. »Nein, ich bin kein Kind. Ich verhalte mich nur so, weil mir jemand in den Kopf geschossen hat. Wir sehen uns, Ms Scarlett. Ich hoffe, dass Sie bald aufhören zu weinen. Das macht mich traurig.«

Verdammt, es ist ihm aufgefallen. Wahrscheinlich sind Duschtränen doch nicht so unauffällig, wie ich dachte.

Er schenkt mir ein schwaches Lächeln und zieht dann an Roux’ Leine. Kurz darauf verschwinden die beiden durch die Tür und nehmen den gleichen Weg, den sie gekommen sind.

5. KAPITEL

Legend

In Manhattan gibt es nicht genug Straßen, um die Schuldgefühle abzulaufen, die ich nach dem, was ich heute Abend getan habe, empfinde, also marschiere ich bis nach Jersey. Als ich endlich zu Hause eintreffe, setzt Q gerade Bump vor der Werkstatt ab.

Bump lässt Roux’ Leine los, rennt auf mich zu und umarmt mich heftig. »Gott sei Dank geht es dir gut, Gabe! Ich habe mir Sorgen um dich gemacht! Du bist im Dunkeln spazieren gegangen und hast Roux nicht mitgenommen. Du musst Roux immer mitnehmen. Sie passt auf dich auf.«

Ich wusste nicht, dass ich mich noch schlechter fühlen konnte als ohnehin schon, aber Bumps Ausbruch ist ein weiterer Tritt in den Magen.

»Es tut mir leid, Kumpel. Es geht mir gut. Versprochen. Mir ist nichts passiert.«

Bump hält mich noch ein paar Sekunden lang fest und lässt dann endlich los. Als er aufschaut, schimmern Tränen in seinen Augen. In ihnen spiegelt sich das Licht der Straßenlampen. »Versprich mir, dass du das nicht noch mal machst.«

Bump nimmt Versprechen sehr ernst, also gebe ich sie ihm nur widerwillig. Er wird mich darauf festnageln, und ich würde ihn nur ungern für den Rest meines Lebens enttäuschen, falls mich irgendetwas davon abhalten sollte, sie einzuhalten.

»Nur wenn es wirklich, wirklich nötig ist, okay?«

Er schüttelt den Kopf und wischt sich die Tränen aus den Augen. »Okay. Damit komme ich klar. Ich werde jetzt ins Bett gehen. Kann Roux mit mir kommen?«

»Ja, Kumpel. Sie kann heute Nacht bei dir bleiben.«

Er nickt und tätschelt Roux’ Kopf. »Er ist in Ordnung, Mädchen. Er wird uns nicht auch noch verlassen.«

Das ist ein unerwarteter Schlag, aber ich habe ihn verdient, also stehe ich schweigend da, während Bump meinen Hund zur Tür führt und verschwindet.

»Was zum Teufel ist heute Abend passiert?«, fragt Q, sobald Bump und Roux fort sind.

Ich schaue meinen besten Freund an. »Ich habe es verbockt.«

Er mustert mein Gesicht mit seinen schwarzen Augen. »Du hast es mit ihr getrieben.« Als ich nur nicke und nichts erwidere, fragt Q: »Also, was ist passiert?«

Unter anderen Umständen würde ich die Frage ignorieren oder nur eine schwachsinnige Antwort geben, aber das kann ich jetzt nicht machen.

»Sie ist anders, Q. Sie ist … Verdammt, sie ist all das, von dem ich nie wusste, dass es existiert. Es war nicht nur Sex, es war …«

Q hebt eine Hand. »Hör sofort auf damit. Ich weiß nicht, was du dir da einredest, aber du musst dich zusammenreißen und dich daran erinnern, wer du bist und was du erreichen willst. Eine Frau wie sie bedeutet für einen Kerl wie dich nur Ärger. Ich liebe dich wie einen Bruder, Gabe. Du bist der ehrgeizigste Mann, den ich kenne. Lass nicht zu, dass dich irgendeine Prinzessin von der Upper East Side von diesem Weg abbringt. Sie kann ihn nicht mit dir beschreiten.«

Qs Worte sind der gesunde Menschenverstand, den ich hören muss, aber das bedeutet nicht, dass sie leicht zu schlucken sind. Ich stehe in der Nachtluft, die von der Hitze des schwindenden Sommers immer noch warm ist, und schüttle den Kopf.

»Was zum Teufel soll ich tun? Mir einfach etwas entgehen lassen, von dem ich weiß, dass es verflucht toll ist? Du hättest sie sehen sollen, als ich sie weggeschickt habe. Ich hätte ihr ebenso gut eine Ohrfeige verpassen können.« Zum tausendsten Mal seit ich mein Büro verlassen habe, fahre ich mir mit den Händen durch die Haare.

»Ich weiß nicht, was du tun sollst. Aber ich erinnere mich noch an den Ausdruck auf deinem Gesicht, als du vor all den Jahren an der Haustür meiner Leute aufgetaucht bist, die gerade beim Abendessen saßen. Du hattest einen blutüberströmten Jungen bei dir, und deine ganze Welt war zerstört. Wir haben dich schon einmal aufgepäppelt. Ich will dich nie wieder so sehen, Mann.«