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Sie schuldet ihm eine halbe Million Dollar, doch er will nur sie!
Keira Kilgore ist stolze Besitzerin der Whiskey-Destillerie Seven Sinners - und in großen Schwierigkeiten. Denn plötzlich taucht Lachlan Mount, der gefürchtetste Unternehmer New Orleans, in ihrem Büro auf und behauptet, ihr verstorbener Ehemann schulde ihm eine halbe Million Dollar. Mount stellt Keira vor die Wahl: Entweder sie wird alles verlieren, was ihrer Familie jemals wichtig war, oder aber sie lässt sich auf sein unmoralisches Angebot ein. Denn Mount will nicht ihr Geld - er will sie!
"Das ist DIE Art von Liebesromanen, für die ich lebe und sterben würde. Unglaublich schön und eins der heißesten Bücher des Jahres!" SPICEY READS
"Mindblowing wie es besser nicht sein könnte! 5 Sterne für RUTHLESS KING!" CARLY PHILLIPS, SPIEGEL-BESTSELLER-AUTORIN
Band 1 der sinnlich-verbotenen SINFUL-EMPIRE-Trilogie von USA-TODAY-Bestseller-Autorin Meghan March
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Seitenzahl: 318
MEGHAN MARCH
Sinful King
Roman
Ins Deutsche übertragen von Anika Klüver
Sie schuldet ihm eine halbe Million Dollar, doch er will nur sie!
Keira Kilgore ist stolze Besitzerin der Whiskey-Destillerie Seven Sinners – und in großen Schwierigkeiten. Denn plötzlich taucht Lachlan Mount, der gefürchtetste Unternehmer New Orleans, in ihrem Büro auf und behauptet, ihr verstorbener Ehemann schulde ihm eine halbe Million Dollar. Mount stellt Keira vor die Wahl: Entweder sie wird alles verlieren, was ihrer Familie jemals wichtig war, oder aber sie lässt sich auf sein unmoralisches Angebot ein. Denn Mount will nicht ihr Geld – er will sie!
Keira
Sind das Schritte?
Ich erstarre vor der Tür meines verschlossenen Büros und starre auf die Klinke, als wäre sie mit Milzbrand verseucht.
Meine Mitarbeiter würden es nicht wagen. Sie wissen, dass der Zutritt zu meinem Büro verboten ist. Und meine Eltern sind über tausend Kilometer entfernt in Florida und genießen ihr Rentnerdasein mit den monatlichen Zahlungen, die ich ihnen von den jämmerlichen Gewinnen der Brennerei schicke. Das Geschäft hat sich vier Generationen lang gerade so damit über Wasser gehalten, in New Orleans irischen Whiskey herzustellen, und auch jetzt läuft es nicht unbedingt gut.
In diesem Keller spukt es nicht. In diesem Keller spukt es nicht.
Ich wiederhole diese Tatsache wie einen feierlichen Gesang, bis sich mein Herzschlag einigermaßen normalisiert. Der Geist meines toten Ehemanns sollte sich besser nicht da drin befinden, denn sonst werde ich Brett zurück ins Jenseits befördern, und zwar eigenhändig, so wahr mir Gott helfe.
Ich beschwöre den gleichen eisernen Willen herauf, den ich brauchte, um diese Firma aus dem Dreck zu ziehen, greife nach der Klinke, reiße die Tür auf und stürme in mein Büro. Auf diese Weise hoffe ich, das Überraschungsmoment auf meiner Seite zu haben.
»Versuchen Sie, einen gelungenen Auftritt hinzulegen?«
Die tiefe Stimme, die aus der Dunkelheit kommt, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren.
Ich habe sie zuvor erst einmal gehört, und zwar durch das abgenutzte Holz eben jener Tür, durch die ich gerade in den Raum gestürmt bin. Doch damals sprach sie Drohungen aus, die ich nicht verstand, anstatt auf diese kühle, kontrollierte Weise eine Frage zu stellen.
Ich will mit dieser Stimme auf keinen Fall allein in der Dunkelheit sein.
Er ist kein Geist. Er ist etwas Schlimmeres.
Er ist der verdammte Butzemann, über den man in den Schatten flüstert, den man in höflicher Gesellschaft aber nie erwähnt, fast so, als würde er erscheinen, wenn man auch nur seinen Namen laut ausspricht. Und das will niemand.
Ich habe ihn nie laut ausgesprochen. Ich will nicht mal an ihn denken, aber in meinem Kopf taucht der Name trotzdem auf.
Lachlan Mount.
Ich schlage auf der Suche nach dem Lichtschalter gegen die Betonwand. Doch als ich ihn endlich gefunden habe und umlege, passiert nichts.
Oh, Herr im Himmel. Ich werde sterben, und ich werde es nicht mal kommen sehen.
Mein antiker Schreibtischstuhl knarrt. Dann leuchtet das schwache Glühen meiner Schreibtischlampe auf.
Zuerst sehe ich seine riesigen Hände, dann seine dunkel gebräunten Unterarme mit den weißen hochgekrempelten Hemdsärmeln. Das Licht erreicht sein Gesicht nicht.
»Schließen Sie die Tür, Miss Kilgore.«
Ich schlucke den Speichel hinunter, der sich angesichts der Tatsache, dass er meinen Namen kennt, in meinem Mund gesammelt hat, und bewege meine Hand, als würde ich direkt auf seinen Befehl reagieren. Ich taste nach der Türklinke hinter mir, obwohl ich mich eigentlich nur umdrehen und davonrennen will.
Zur Polizei.
Vielleicht könnte sie … keine Ahnung. Mich retten?
Ich werfe einen Blick über die Schulter und umklammere die Klinke. Die Tür quietscht, als ich sie schließe. Der Drang zu fliehen wird immer stärker, als das schwache Licht im Flur verschwindet.
»Wenn Sie auch nur einen Schritt in diese Richtung machen, werden Sie alles verlieren.«
Meine Füße erstarren auf dem rissigen Zementboden, während mir eine Schweißperle über die Brust rinnt. Normalerweise würde ich das den saunaartigen Bedingungen zuschreiben, die in einer Whiskeybrennerei herrschen, aber nicht heute Abend.
»Was wollen Sie?«, flüstere ich. »Warum sind Sie hier?«
Der Stuhl ächzt, als er aufsteht und mit seinen breiten Fingern sein Jackett zuknöpft. Noch immer kann ich sein Gesicht nicht sehen.
»Sie haben Schulden bei mir, Miss Kilgore. Und ich bin hier, um sie einzufordern.«
»Schulden?«
Ich überlege fieberhaft, warum in aller Welt ich ihm Geld schulden könnte. Ich bin ihm noch nie zuvor begegnet. Verdammt, ich habe ihn noch nie zuvor gesehen, sondern nur seine Stimme gehört, während ich gelauscht habe. Meine Leute geben sich nicht mit seinen ab – nun ja, zumindest die meisten meiner Leute. Es kursierten ein paar Gerüchte, dass er Richelle LaFleur, eine junge Frau aus unserer Kirche, als Geliebte hatte, bis sie vor einem Jahr verschwand. Ich verdränge diesen Gedanken schnell.
»Wovon reden Sie da?« Irgendwie gelingt es mir, die Frage zu formulieren.
Mit zwei Fingern schiebt er ein Dokument über die zerkratzte Holzoberfläche meines Schreibtischs in den schwachen Lichtkegel. Darauf steht SCHULDSCHEIN. Ich starre auf das Papier, bin aber zu verängstigt, um auch nur einen Schritt näher heranzutreten.
Oh lieber Gott, Brett. Was hast du getan? Mein Herz hämmert gegen meine Rippen.
»Wollen Sie nicht wissen, wie viel sich Ihr Mann mit dieser Brennerei als Sicherheit geliehen hat?«
»Wie viel?«, frage ich und rücke gegen meinen Willen näher an ihn heran.
»Eine halbe Million Dollar.«
Ich schnappe schockiert nach Luft. »Sie lügen.«
Er lehnt sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch vor und bewegt sein Gesicht ins schwache Licht. Seine Züge sind hart, als wären sie aus Granit gemeißelt. Seine dunklen Augen sind durchdringend und starren mich erbarmungslos an, wodurch sie einen Kontrast zu der relativen Höflichkeit bilden, die sein perfekt sitzender Anzug ausstrahlt.
»Ich lüge nie.«
Eine halbe Million Dollar. Nie im Leben. »Hätte sich Brett so viel Geld geliehen, hätte ich das gewusst. Ich versichere Ihnen: Er hat sich kein Geld geliehen.«
Er zuckt mit den Schultern, als würde ihm diese Information nichts bedeuten. Und vielleicht ist das auch so.
»Seiner Unterschrift zufolge hat er das sehr wohl getan. Und seine Rückzahlung ist längst überfällig.«
Ich schaue auf das Papier auf dem Schreibtisch. Falls er das wirklich getan hat … Die Folgen wären katastrophal.
Vier Generationen von Kilgores haben ihre Hoffnungen, Träume und ihr Vermögen der Erhaltung dieses Erbes gewidmet. Es kann nicht mit mir enden.
»So viel Geld habe ich nicht.«
»Ich weiß.«
Seine Erwiderung sorgt dafür, dass ich einen Schritt zurücktaumele. »Warum sind Sie dann …«
Er tritt aus dem Licht und kommt auf mich zu. Ich weiche an die Wand zurück und mache mich immer kleiner, während er sich nähert und mir dadurch den Fluchtweg zur Tür abschneidet. Ich kann nirgendwohin. Ich sitze in der Falle.
»Weil es etwas gibt, das ich vielleicht als alternative Zahlung akzeptieren würde.«
Es kostet mich alle Kraft, mit fester Stimme zu sprechen, während mein Herz aus meiner Brust zu springen droht. »Was?«
Er bleibt einen Schritt von mir entfernt stehen und formt mit seinen vollen Lippen ein einziges Wort.
»Sie.«
Keira
Sobald sich die Tür mit einem endgültigen Klicken hinter ihm geschlossen hat, verriegele ich sie und sinke gegen das Holz gelehnt zu Boden. Ich zittere, als hätte ich gerade eine Begegnung mit dem Antichristen überlebt. Alles, was von Lachlan Mounts Besuch in meinem Büro zurückgeblieben ist, sind sein trügerisch verlockender Duft – eine intensive Mischung aus Zitrusaromen, Gewürzen und Zedernholz – und mein Entsetzen.
Und ich kann diesen Schuldschein nicht vergessen.
Ich schaue zum Schreibtisch, dann wende ich den Blick schnell wieder ab.
Es muss eine Fälschung sein. Brett hat sich nicht fünfhunderttausend Dollar geliehen und die Brennerei dafür als Sicherheit angegeben. Denn er hat das Geld eindeutig nicht für die Modernisierungen verwendet, die ich vorgenommen habe. Jeden Dollar, der in dieses Unternehmen geflossen ist, verdanke ich dem Zirkus, den ich für gefühlt jeden Banker in der Stadt veranstaltet habe.
Ich stecke bis zum Hals in Schulden. Oder zumindest war das mal so. Inzwischen versinke ich in den Schulden.
Lachlan Mount.
Ich kneife die Augen zu, hebe das Kinn zur Decke und verfluche stumm meinen toten Ehemann. Mein Dad würde vermutlich sagen, dass ich besser nach unten schauen sollte, um seine Seele zu finden.
Wie konntest du mir das antun, du Arschloch?
Diese Schulden … bei diesem Mann … sind der letzte Nagel in Bretts sprichwörtlichem Sarg. Wieso habe ich ihn nicht durchschaut und erkannt, dass er mich nur ausnutzte? Selbstvorwürfe überkommen mich zum tausendsten Mal. Es ist wie die Wiederholung einer schlechten Fernsehserie, die ich einfach nicht abschalten kann. Ich bin auf seine dummen Sprüche hereingefallen. Ich dachte, wir würden das Imperium meiner Familie wieder aufbauen. Ich dachte, ich hätte einen Partner gefunden. Ich war die Idiotin, die vorschlug, durchzubrennen und heimlich zu heiraten, weil ich so überzeugt war, dass er der Richtige war.
Es dauerte nicht lange, bis mir klar wurde, dass er ein opportunistisches Arschloch war, das mich sogar schon vor unserer Hochzeit betrogen hatte. Und sobald er Zugang zum Bankkonto der Brennerei hatte, fing er an, Geld davon abzuschöpfen.
Ich schlage mit den Handflächen gegen das massive Eichenholz der Tür hinter mir. »Zum Teufel mit dir, Brett. Zum. Teufel. Mit. Dir.«
Ich hole tief Luft, öffne die Augen und richte mich auf. Schluss mit dem Selbstmitleid. Ich habe gut drei Monate damit verbracht, mit den Folgen seines Todes klarzukommen – und wir waren gerade mal vier Monate lang verheiratet. Und gerade als ich dachte, ich hätte endlich wieder festen Boden unter den Füßen …
… taucht Lachlan Mount auf.
Ich werfe erneut einen Blick auf das Dokument auf meinem Schreibtisch. Mein Urgroßvater ließ diesen Tisch aus Irland herbringen und saß daran, als sie den allerersten Pachtvertrag für das Grundstück der Seven Sinners Distillery unterschrieben. Es gab sieben Söhne, und ihr Optimismus in Bezug auf die Herrschaft über den Whiskeymarkt war unerschütterlich.
Ich dachte, ich hätte mich endlich als würdig erwiesen, an diesem Schreibtisch zu sitzen, als mein Vater der Geschäftsübernahme durch mich zustimmte. Ich war so stolz darauf, die erste Frau zu sein, die die Leitung einer Brennerei übernehmen würde, die den besten nach irischer Tradition hergestellten Whiskey in New Orleans produzierte, wo unsere Familie Wurzeln geschlagen hatte und selbst während der Prohibition erfolgreich gewesen war.
Ein Teil von mir wünscht sich, ich wäre während dieser gesetzlosen Tage schon auf der Welt gewesen. Als Macht vor Recht ging und ein Mann – oder eine Frau – aufsteigen oder fallen konnte, je nachdem wie hart er oder sie zu arbeiten bereit war. Andererseits kann ich mir in dieser Epoche aber auch Lachlan Mount vorstellen, der mit einer Maschinenpistole jegliche Konkurrenz aus dem Weg räumt. Wobei er seine Konkurrenz vermutlich sogar jetzt noch auf diese Weise aus dem Weg räumt.
Tatsächlich habe ich keine Ahnung, wie wir es geschafft haben, seiner Aufmerksamkeit so lange zu entgehen. Aber diese Glückssträhne ist jetzt offensichtlich vorbei.
Ich nehme all meinen Mut zusammen und überquere den kalten Boden, um mir das Dokument, das so unschuldig auf meinem Schreibtisch liegt, genauer anzusehen. Zögernd strecke ich die Hand danach aus und nehme eine Ecke des Papiers zwischen Daumen und Zeigefinger.
Den rechtlichen Kram überlasse ich nach Möglichkeit den Anwälten. Aber da ihre Stundensätze so hoch sind, dass sich die Kosten schnell summieren, und ich kaum genug Geld habe, um die längst fälligen Rechnungen zu bezahlen, die sich bereits angesammelt haben, musste ich mir selbst eine Menge juristisches Wissen aneignen, um die Kosten gering zu halten.
Schuldschein.
Ich lese das Dokument Wort für Wort. Meine unschöne Zusammenfassung lautet: Dieses eine Dokument besiegelt den Untergang meines Familienerbes.
Brett Hyde hat sich vor vier Monaten fünfhunderttausend Dollar von Lachlan Mount geliehen, und letzte Woche war die Rückzahlung der vollen Summe fällig – genau drei Monate nach Bretts Tod. Oder wenn man genauer sein will, drei Monate nachdem man seine Überreste zusammen mit denen einer nicht identifizierten Frau in einem ausgebrannten Auto im Ninth Ward gefunden hatte.
Ein misstönender Tumult aus Emotionen rauscht durch meine Brust wie Blaskapellen, die an diversen Straßenecken im French Quarter um das Geld der Touristen wetteifern.
Das ist eine Katastrophe.
Ich kann die Schulden nicht bezahlen.
Mount weiß, dass ich die Schulden nicht bezahlen kann.
Aber es gibt etwas, das er als alternative Zahlung akzeptieren würde.
Ich stolpere mit wackligen Knien um den Schreibtisch herum und lasse mich auf den Stuhl fallen.
»Sie.«
Ich erschaudere am ganzen Körper und bekomme überall Gänsehaut, obwohl das Leder des Stuhls immer noch seine Körperwärme abstrahlt. Als wäre sein Blut heißer als das gewöhnlicher Männer. Und vielleicht ist das auch so. Eins kann ich mit Sicherheit sagen: Lachlan Mount ist kein gewöhnlicher Mann.
Herrgott, was könnte er von mir wollen?
Meine innere Stimme der Vernunft meldet sich plötzlich zu Wort. Ist das dein Ernst? Was will ein Mann wohl von einer Frau? Du wirst ihm die Schulden zurückzahlen, indem du auf deinem Rücken liegst.
Ich mag nur wenige Tatsachen des Lebens mit absoluter Sicherheit wissen. Seven-Sinners-Whiskey ist der beste, den ich je probiert habe. New Orleans wird immer mein Zuhause sein. Und ich werde mich nicht prostituieren, um die Schulden meines toten Ehemanns zu tilgen.
Doch trotzdem hängt dieses Wort in der Luft.
»Sie.«
Meine Hand zittert, als ich durch die Seiten blättere und mir die Worte einpräge. Doch das Einzige auf diesem Dokument, das eine Rolle spielt, ist die Summe, die ich nicht bezahlen kann, und das Datum, an dem sie fällig war. Ich drehe es um, weil ich es nicht länger ansehen will, doch ein gut lesbarer handschriftlicher Zusatz auf der Rückseite verhöhnt mich.
Siebentägiger Zahlungsaufschub gewährt.
Darunter steht eine unleserliche Unterschrift, aber man muss kein Genie sein, um zu wissen, von wem sie stammt.
Sieben Tage? Selbst wenn ich sieben Monate hätte, würde mir das nicht weiterhelfen. Ich kann keine halbe Million Dollar auftreiben.
Was hat Brett mit dem Geld gemacht?
Ich warte in der Stille, als könnte mir der liebe Herrgott mit donnernder Stimme aus dem Himmel antworten, aber das passiert natürlich nicht.
Spielt das jetzt überhaupt noch eine Rolle? Es ist weg. Er ist weg. Und ich bin diejenige, die jetzt in der Klemme steckt, weil ich, wie ich gerade auf unangenehme Weise erfahren habe, als alleinige Begünstigte und Verwalterin seines Vermögens auch all seine Schulden geerbt habe. Das Elend einer schlechten Ehe hält sehr viel länger an als »bis dass der Tod uns scheidet«.
Ich werde nicht nachgeben und für Bretts Ungeheuerlichkeit bezahlen, indem ich mich auf den Rücken lege.
Das gleichmäßige Pochen der Angst, das durch meine Adern strömt, versucht meinen eisernen Willen zu schwächen.
»Ich werde einen Weg finden, das in Ordnung zu bringen. Irgendwie. Auf irgendeine Weise. Das werde ich.«
Die Stille in meinem Büro ist die einzige Erwiderung, die ich brauche.
Ich glaube mir auch nicht.
Aber ich muss etwas tun, sonst bin ich erledigt. Falls nicht, ist es Lachlan Mount, der mich erledigen wird.
Keira
Ich führe mein Leben wie ein General. Wie ein Taktiker. Ich stelle vor jeder Entscheidung Recherchen an und führe sie dann mit Präzision aus. Mein Vater sagte stets, ich hätte Chirurgin werden sollen, aber ich wollte immer nur Whiskey machen. Er wollte einen Sohn, um die Familientradition weiterzuführen, aber stattdessen bekam er drei Töchter. Und ich war die Einzige, die sich für den Unterschied zwischen Single Malt und Single Barrel interessierte.
Momentan brauche ich Informationen über einen Mann, der in den Schatten lebt, also wende ich mich an die nächstliegende Quelle: Google. Ich tippe seinen Namen ein, und in weniger als einer Sekunde erscheint folgende Botschaft auf meinem Monitor:
IHRE SUCHE NACH LACHLAN MOUNT HAT KEINE ERGEBNISSE ERBRACHT.
Das ist unmöglich. Ich klicke auf den Reiter für Bilder, doch auch hier bleibt der Bildschirm leer. Ich füge New Orleans hinzu, und Dutzende Seiten mit Informationen über die Stadt tauchen auf. Aber keine davon enthält irgendetwas über Lachlan Mount. Ich versuche es mit ein paar anderen Suchbegriffen, erhalte jedoch immer das gleiche Ergebnis.
Das ist, als würde er gar nicht existieren. Als wäre er wirklich der Mythos und die Legende, für die ich ihn hielt, bevor ich ihm gestern von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.
Also wie zum Teufel soll ich Informationen über ihn bekommen, wenn er zumindest für das Internet ein Geist ist?
Gestern Nacht warf ich mich hin und her, während die Minuten und Stunden vergingen und mich immer näher an meinen Zahltag brachten. Hinter meiner winzigen Wohnung wächst kein Geldbaum, also kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich noch keinen Schritt näher an einer Lösung bin.
Ich könnte eine Niere verkaufen, aber selbst das wird mir vermutlich keine fünfhunderttausend Dollar einbringen. Nicht dass ich mich mit dem Wert von Organen auf dem Schwarzmarkt auskennen würde, denn, nun ja, ich bin eine normale, gesetzestreue Bürgerin.
Ich verkaufe Whiskey. Ich zahle Gewerbesteuern in einer Höhe, von der mir übel wird, wenn ich den Scheck dafür ausstelle. Aber ich hinterziehe keine Steuern. Ich spiele nach den Regeln.
Als ich die Brennerei durch den Seiteneingang betrete, umgibt mich sofort die Hitze der drei riesigen Brennkessel. Andere würden sie vielleicht als erdrückend empfinden. Mich beruhigt sie. Sie vermittelt mir ein Gefühl von Heimat.
Louis Artesian, der Leiter der Brennereiabteilung, hebt ein gefülltes Glas ins Licht, bevor er daran schnuppert und davon probiert.
»Wie läuft es?«
Er dreht den Kopf herum und grinst breit. »Hör auf meine Worte, Keira. Das wird der beste Whiskey sein, den wir je hergestellt haben.«
Das Lächeln, das an meinen Mundwinkeln zupft, ist nicht erzwungen. Der Grund dafür ist Stolz. Ich werde meinen Vater stolz machen. Ich bin ein Risiko eingegangen, als ich den Getreidelieferanten gewechselt habe – noch dazu, ohne es ihm zu sagen –, und das wird sich jetzt gewaltig auszahlen.
Falls ich die Brennerei lange genug halten kann, um Profit zu erwirtschaften.
Ich bin die ganze Nacht lang Szenarien durchgegangen. Als ich den Kredit von der Bank bekam, geschah das unter der Annahme, dass sämtliche Darlehen bereits offengelegt waren. Ich wusste nichts von den Schulden bei Mount. Wie hätte ich das offenlegen können? Und wenn es darüber keine Akten oder sonstige Aufzeichnungen gibt, dann zählt das nicht, oder? Oder könnte er ein privater Kreditgeber sein und eine Zwangsvollstreckung erzwingen, um zu bekommen, was ich ihm schulde, nachdem die ursprünglichen Kreditgeber alle ausbezahlt wurden? Ich kenne mich mit den finanziellen Fragen nicht in allen Einzelheiten aus, und abgesehen davon gehe ich davon aus, dass es ohnehin keine Rolle spielt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Lachlan Mount an normale Regeln hält, die für alle anderen gelten.
Ich kenne nur eine Person, die in der Lage sein könnte, mir diesbezüglich ein paar Auskünfte zu geben. Und da mich Google im Stich gelassen hat, ist sie meine nächstbeste Option. Kein General trifft Entscheidungen, ohne über Informationen zu verfügen.
»Findest du nicht auch, Keira?«
Louis hat die ganze Zeit über mit mir gesprochen, und ich habe ihn komplett ausgeblendet. »Tut mir leid, was?«
Sein freundliches Lächeln lässt mich an all die Menschen denken, deren Lebensunterhalt von mir abhängt.
»Egal. Ich habe nur gerade gesagt, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast. Zu Biogetreide überzugehen war ein gewagter und vor allem kostspieliger Schritt, aber das hier spricht wirklich für sich.«
Zu jedem anderen Zeitpunkt würde ich erleichtert ausatmen und mich entspannen, aber nicht heute.
Allerdings kann ich etwas Ehrliches erwidern. »Das ist die beste Neuigkeit, die ich in dieser Woche gehört habe.«
»Keira, kann ich dich mal kurz sprechen?«, ruft Temperance, meine überarbeitete und unterbezahlte Assistentin und rechte Hand, von der Tür aus. Wir scherzen immer darüber, dass sie mit ihrem Namen in einer Brennerei arbeitet – denn mit Mäßigkeit hat unser Geschäft nicht viel zu tun. »Wir müssen noch ein paar Dinge für die Veranstaltung regeln, und dafür brauche ich dich.«
Zusätzlich zu ihrer Arbeit als meine rechte Hand hat Temperance auch noch die Organisation einer gewaltigen Mardi-Gras-Veranstaltung übernommen, die wir uns glücklicherweise sichern konnten. Sie findet zu Ehren der »New Orleans Voodoo Kings« statt, einer lokalen Profifootballmannschaft. Sie mieten unser komplettes Restaurant, und das Geld, das wir dadurch einnehmen, wird ausreichen, um uns mindestens ein paar weitere Monate über Wasser zu halten. Zumindest hätte es ausgereicht, bis …
Ich verbanne den Gedanken an meinen unerwarteten und unwillkommenen Besucher aus meinem Kopf und verabschiede mich von Louis mit einer Daumen-hoch-Geste, bevor ich zu Temperance gehe und die Hitze der Brennkessel hinter mir lasse.
»Was gibt es denn?«
»Sie wollen das Menü aufpeppen und erweitern, was Odile wütend macht. Außerdem wollen sie, dass wir einen Fahrdienst anbieten und alle Teilnehmer im Auge behalten, um sicherzustellen, dass keiner von ihnen das Restaurant mit seinem Autoschlüssel in der Hand verlässt und sich betrunken hinters Steuer setzt. Das wäre schlechte PR, verstehst du?«
Der Gedanke, diejenige sein zu müssen, die einem Profisportler sagt, dass er nicht nüchtern genug ist, um nach Hause zu fahren – und ihm möglicherweise den Autoschlüssel abzunehmen –, klingt wie ein Albtraum.
»Das heißt, sie wollen, dass wir die Bösen spielen? Warum können sich die Mannschaftsmitglieder nicht selbst darum kümmern, wenn sie sich so große Sorgen machen?«
»Ich weiß nicht, aber sie haben gesagt, das müsse in den Vertrag eingefügt werden, sonst würden sie sich einen anderen Ort für die Veranstaltung suchen.«
Auf gar keinen Fall. Wir brauchen diese Veranstaltung.
Ich denke kurz nach. »Sag ihnen, dass das klargeht. Aber erklär ihnen, dass wir unter diesen Umständen unbedingt einen Parkdienst einrichten müssen und dass wir jemanden von ihrem Verein brauchen, der zusammen mit einem von unseren Leuten an der Tür steht, damit wir nicht allein die Verantwortung tragen.«
Temperance zieht einen der drei Stifte, mit denen sie ihren dunkelbraunen Haarknoten zusammenhält, heraus und kritzelt damit etwas auf ihren Notizblock.
»Okay, ich werde mal sehen, ob sie sich darauf einlassen.« Sie schaut wieder zu mir hoch. »Und was, wenn sie es nicht tun?«
»Gib nach, aber sag ihnen, dass wir das nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit tun und uns das Recht vorbehalten, die Polizei zu rufen, wenn jemand außer Kontrolle gerät.«
Sie fügt die Notiz ihrer Liste hinzu. »Und wegen Odile …«
»Wie sehr erhöht sich der Preis des Menüs durch ihre Anfrage?«
Temperance blättert durch ihren Notizblock. »Unsere Kosten für das Essen steigen um zehn Prozent. Ich habe ihnen wegen der Änderung noch keinen Kostenvoranschlag gemacht.«
»Dann sag ihnen, dass die Kosten um dreißig Prozent steigen werden. Wenn sie dann verhandeln wollen, einige dich mit ihnen auf fünfundzwanzig. Und sag Odile, dass ich ihr was schuldig bin.«
Temperance grinst breit, während sie sich alles notiert. »Siehst du? Du bist eine geborene Verhandlungsführerin. Deswegen bist du so gut in deinem Job.«
Wenn ich mir mit meinen Verhandlungsfähigkeiten doch nur gewisse Schulden vom Hals schaffen könnte.
Weitere Diskussionen bleiben mir erspart, da mein Handy in meiner Hand vibriert. Ich werfe einen Blick auf den Namen auf dem Display.
Das kann kein gutes Zeichen sein.
»Tut mir leid, da muss ich drangehen«, sage ich zu Temperance.
»Natürlich. Ich melde mich später noch mal wegen der restlichen Details bei dir. Das wird eine tolle Sache für die Seven Sinners Distillery. Außerdem habe ich noch ein paar andere Interessenten an der Angel, die das Restaurant vielleicht für Veranstaltungen mieten. Und ein paar andere Ideen, die profitabel sein könnten. Ich werde dich morgen auf den neuesten Stand bringen.«
Normalerweise wäre ich erfreut, das zu hören, aber der Anruf hat mich bereits vollkommen abgelenkt.
»Danke, Temperance. Deswegen bist du so gut in deinem Job.« Ich gehe den Flur hinunter.
Mit einem »Hey« nehme ich den Anruf entgegen.
»Du weißt doch, dass ich nicht vor Mittag aufstehe. Du solltest also lieber einen guten Grund für diese verflucht kryptischen SMS haben, mit denen du mich aufgeweckt hast«, sagt Magnolia Marie Maison.
Nachdem Magnolia in der zehnten Klasse die Ausbildung an der Academy of the Sacred Heart abbrechen musste, weil man ihr das Stipendium entzogen hatte, sagte meine Mutter, dass ich mich nicht länger mit ihr treffen dürfe. Das Verbot kam nicht überraschend, denn Magnolia war dabei erwischt worden, wie sie unserem Geschichtslehrer in der Abstellkammer einen Blowjob verpasst hatte. Mr Sumpter verschwand, während Magnolia beschloss, dass sie nun ihre Berufung gefunden hatte.
Mama versuchte, sie aus meinem Leben zu verbannen, aber so funktioniert Freundschaft nicht, zumindest nicht nach meiner Auffassung. Magnolia ist diejenige, die Jill Barnard verprügelte, als diese sich in der vierten Klasse über meinen Kurzhaarschnitt lustig machte, wofür sie ebenfalls von der Schule flog. Sie zeigte mir, wie man einen Tampon benutzt, als ich zum ersten Mal einen brauchte. Sie nahm mich mit in die Klinik, um mir die Pille zu besorgen, nachdem ich eine Einladung zum Abschlussball auf einer Privatschule für Jungen erhalten hatte. Denn sie schwor, nicht zuzulassen, dass ich in meinem Leben irgendwelche dummen Fehler machen würde.
Magnolia ist die große Schwester, die ich nie hatte. Die, die sich um mich kümmerte und immer dafür sorgte, dass ich nicht in Schwierigkeiten geriet. Meine Loyalität ihr gegenüber ist enorm, und meiner Meinung nach ist es allein ihre Sache, wie sie ihr Geld verdient.
»Mags, ich habe ein Problem.«
»Was denn, baggert dich etwa schon wieder ein Gastronom an, der die Geschäftsführung im Restaurant der Seven Sinners Distillery nur übernehmen will, wenn du dich mit ihm zu einem privaten Abendessen triffst, um alles mit ihm zu besprechen?«
Ich kann praktisch durchs Telefon hören, wie sie die Augen verdreht. Seit Bretts Tod ist tatsächlich in Bezug auf Männer nichts mehr gelaufen, und sie weiß das.
Ich husche in mein Büro und schließe die Tür hinter mir, bevor ich weiterspreche. »Lachlan Mount. Er war hier.« Sobald ich seinen Namen sage, kehrt die Gänsehaut zurück. Und dazu kommt dieser verführerische Duft, den er zurückgelassen hat und der immer noch in der Luft hängt. Ich werde mein Büro vermutlich ausräuchern lassen müssen, um ihn loszuwerden.
Magnolias Stimme wird leise. »Was zum Teufel hast du gesagt?«
»Lach…«
»Halt deinen verdammten Mund und sprich diesen Namen nicht noch mal aus.«
Ich beiße die Zähne zusammen.
»Es wäre besser, wenn dieser Mann gar nicht wüsste, dass es dich gibt. Und wir können nicht am Telefon darüber reden. Ich werde aufstehen. Mich anziehen. Verdammt.«
Ihre Reaktion bestätigt alles, was ich gedacht habe. Diese Situation ist nicht einfach nur schlimm. Sie ist katastrophal.
»Was soll ich tun?« Ich hasse mich dafür, dass meine Stimme vor Angst zittert.
»Du bewegst deinen Hintern zu mir und erzählst mir verdammt noch mal alles, was passiert ist. Und bring etwas von deinem Whiskey mit, denn den werden wir brauchen.«
»Ich habe heute jede Menge Besprechungen …«
»Ke-ke, dein Terminplan ist gerade leer geworden. Schwing deinen Hintern zu mir.«
Magnolias Anweisungen an mich sind normalerweise eher so was wie: »Ke-ke, lass es drauf ankommen. Sei nicht so ein Weichei.« Oder: »Geh einfach da raus und such dir einen Kerl, um Himmels willen. Sonst trocknest du noch ein.«
Je nachdem, welche Umstände herrschen, ignoriere ich diese Kommentare. Doch diese Anweisung kann ich nicht ignorieren.
»Ich bin in zwanzig Minuten da.«
»Mach zehn draus.«
Ich parke meinen zwölf Jahre alten Honda Civic auf einem der für Gäste reservierten Plätze in der Tiefgarage des schicksten neuen Wohnkomplexes in New Orleans. Sie ist voller Autos, die mindestens zehnmal so viel wert sind wie meins.
Und obwohl Mama den Weg, den Magnolia in ihrem Leben eingeschlagen hat, missbilligt, kann niemand leugnen, dass er sich als lukrativ erwiesen hat. Sie genießt den Ruf, eine von New Orleans’ exklusivsten Zuhälterinnen zu sein, und sie hat mir die Details, wie sie in diese Position gelangt ist, nie mitgeteilt. Ich kenne lediglich Anekdoten, außerdem weiß ich, dass ihr kleines schwarzes Buch, in dem sie die Freier auflistet, dick ist. Und mehr noch: Magnolia kennt die schmutzigen Geheimnisse von so gut wie jedem, zumindest behauptete sie das in der Nacht, in der wir meine Übernahme der Seven Sinners Distillery feierten.
Als ich aus dem Auto steige und die Tür schließe, wobei ich darauf achte, dem Porsche neben mir keine Delle zu verpassen, beschleunigt sich meine Atmung. Magnolia wird sich nicht zurückhalten. Sie wird mir ganz genau sagen, wie tief ich in Schwierigkeiten stecke.
Ich durchquere die makellose Tiefgarage, um zum Aufzug zu gelangen, und drücke dort auf den Knopf. Der Aufzug kommt sofort, und nach wenigen Augenblicken stehe ich vor dem Eingang zu Magnolias Wohnung im fünften Stock. Sie hat noch nicht ganz den Penthousestatus erreicht, aber ich bezweifle nicht, dass sie sich auf dem besten Weg dorthin befindet. Durch Magnolias Adern fließt ebenso viel Unternehmergeist wie durch meine, wenn nicht sogar noch mehr.
Vielleicht ist das einer der Gründe dafür, dass wir uns so gut verstehen. Wir sind beide in sündigen Branchen tätig.
Sie öffnet mir die Tür beim ersten Klopfen. Ihr Morgenmantel aus pfirsichfarbener Seide betont all ihre umwerfenden Kurven. Anstelle des üblichen Lächelns, mit dem sie mich normalerweise empfängt, packt sie mich am Arm und zerrt mich in die Wohnung. Sie knallt die Tür hinter mir zu und schiebt den Riegel vor.
Ich starre sie an, und der Kloß in meinem Hals wird größer. »Es ist schlimm, oder?«
»Wo ist der Whiskey, den du mitgebracht hast? Wir werden ihn brauchen.«
Ich ziehe eine Flasche aus der Handtasche von Tory Burch, die sie mir in der Nacht, in der wir feierten, schenkte, und halte sie ihr hin. Magnolia schnappt sie mir aus der Hand und trägt sie zur Küchentheke, während ich ihr folge.
»In meiner Welt gibt es Dinge, die nie in deine geraten sollten, Ke-ke. Du bist süß und unschuldig, obwohl du echt krassen Whiskey herstellst. Aber du bist in meine Welt geraten, und ich habe verdammt noch mal keine Ahnung, wie wir dich da unbeschadet wieder rausbekommen sollen.«
Sie greift nach oben, holt zwei Tumbler aus Kristallglas vom Regal im Barbereich und gießt je drei Fingerbreit Whiskey hinein.
Magnolia ist immer selbstbewusst und kühn und zögert niemals. Die Tatsache, dass sie sich nun plötzlich ganz anders als sonst verhält, sorgt dafür, dass mein Herz schneller schlägt, bis es sich dem Rhythmus des Tippens ihrer langen pfirsichfarbenen Acrylfingernägel auf der Theke angepasst hat.
»Was meinst du?«, frage ich langsam, weil ich das Gefühl habe, dass ich eine ebenso langsame Erklärung brauchen werde.
»Du wurdest markiert, Kleines.«
»Was bedeutet das?« Ich kann die Angst in meiner Stimme nicht verbergen.
»Ich habe ein wenig nachgeforscht.«
»Wie? Ich habe dir doch gerade erst erzählt …«
Sie unterbricht mich, indem sie mit einer Hand in der Luft herumwedelt. »Du weißt doch, dass ich einem Rätsel schneller auf den Grund gehen kann, als eine Crackhure den Boden eines Beutels voller Gras findet. Tu nicht so überrascht. Das hat mich einen diskreten Anruf gekostet. Und was ich herausgefunden habe, ist nicht gut.«
Ich greife nach dem Tumbler und kippe den Single Malt hinunter, den ich an jedem anderen Tag nippen würde, um die Aromen herauszuschmecken, während sie meinen Gaumen liebkosen. Doch heute nicht. Heute brauche ich flüssigen Mut, um mich dem zu stellen, was Magnolia als Nächstes sagen wird.
Sie stützt beide Ellbogen auf die Theke und fährt mit einer ihrer langen, mit Glitzer versehenen Nagelspitzen um den Rand des Glases herum. »Lachlan Mount ist niemand, mit dem man sich anlegt.«
»Ich habe mich nicht mit ihm angelegt!« Ich klinge, als stünde ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch, was ehrlich gesagt auch stimmt.
»In dieser Stadt passiert nichts ohne seine Genehmigung. Er ist wie eine Leitung, durch die alles durchfließen muss. Alkohol. Drogen. Betrügereien. Glücksspiel. Ich habe keine Ahnung, wie der Mann so viel Macht angehäuft hat, aber das hat er, und er hält sie mit eiserner Faust fest.« Sie schaut zu mir auf. »Und jetzt hat er dich im Griff.«
»Alkohol? Wir haben ihn nie bezahlt.«
»Bist du dir da sicher?«
»Das wüsste ich. Dad hat nie erwähnt …«
Magnolia neigt den Kopf erst zur einen, dann zur anderen Seite. »Ich bezweifle, dass er das getan hätte. Verdammt, vielleicht hat er ihn seit deiner Übernahme weiterhin bezahlt, um ihn von dir fernzuhalten. Das spielt jetzt keine Rolle. Du schuldest ihm Geld und kannst davon ausgehen, dass er kommen und es sich holen wird.«
Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater Mount regelmäßig Geld bezahlt, und ich habe keine Ahnung, wie ich dieses Thema überhaupt ansprechen sollte. Die Andeutung hat mich schwer getroffen, und im Spiegel hinter Magnolia sehe ich, wie ich immer blasser werde.
»Ich weiß nicht, was Brett mit dem Geld gemacht hat. Ich wusste nicht mal, dass er es sich überhaupt geliehen hatte.«
Magnolia wendet den Blick von mir ab.
»Was? Was verschweigst du mir?«
»Ke-ke, du weißt, dass ich dich liebe, aber es gibt ein paar Dinge, die du nicht wissen musst.«
Dass Magnolia versuchen würde, mich zu schützen, wenn sie es kann, überrascht mich nicht. Aber jetzt gerade brauche ich Antworten. Ich atme langsam und tief ein und dann wieder aus, als würde ich mich auf etwas Schmerzhaftes vorbereiten. Was vermutlich auch so ist.
»Erzähl mir, was du gehört hast.«
Nach ein paar Sekunden spricht sie endlich. Ihre Stimme ist tonlos.
»Auf der Straße erzählt man sich, dass er einen Teil des Geldes benutzt hat, um einen sehr wütenden Kredithai auszubezahlen. Das ist so, als würde man sich Geld vom Teufel leihen, um einen seiner Lakaien zu bezahlen. Etwas investierte er in sein sehr kostspieliges Nasenproblem, und der Rest ging an das Miststück, das er nebenbei vögelte, weil sie ihm sagte, sie sei schwanger. Das sind allerdings nur Gerüchte und Hörensagen.«
Meine Knie sollten eigentlich dafür sorgen, dass ich auf den Beinen bleibe, aber sie versagen. Auf der Suche nach Halt greife ich unbeholfen nach der Theke. Doch ich greife daneben und stürze. Der Tumbler zersplittert auf dem Marmor, während ich volle Kanne mit dem Hintern auf dem Boden lande.
»Ke-ke!« Magnolia stürmt mit ausgestreckten Armen auf mich zu.
Ich halte abwehrend die Hände hoch. »Nicht. Lass es einfach.«
Wie gelähmt atme ich einfach nur ein und aus, während ich ihre Worte verarbeite.
Kredithai.
Nasenproblem.
Schwangere Geliebte.
Ich wusste, dass Brett mich betrog. Er gab sich kaum Mühe, es geheim zu halten. Ich kann nicht mal glauben, dass ich fast die ganzen vier Monate unserer Ehe brauchte, um es herauszufinden. Deswegen traf ich mich drei Tage vor seinem Tod mit einem Scheidungsanwalt und mietete mir eine Wohnung, damit ich irgendwohin konnte, wenn ich die Scheidung offiziell einreichen würde.
Magnolia weicht zurück und taucht mit einem Handfeger wieder auf, um die Glassplitter zusammenzukehren. Ich reiße mich zusammen und stehe auf. Ein Teil von dem, was sie gesagt hat, ergibt keinen Sinn.
»Was für ein Nasenproblem hatte Brett? Allergien?«
Sie kippt die Splitter von der Kehrschaufel in den Mülleimer und starrt mich mit einem Gesichtsausdruck an, den man nur als mitfühlend beschreiben kann. »Ke-ke, er war ein Kokser. Schon bevor du ihn kennengelernt hast.«
»Was?« Das Wort platzt aus mir heraus. Sie meint doch sicher nicht …
»Kokain. Schnee. Weißes Zeug.«
»Das ist unmöglich. Das hätte ich gewusst. Ich …«
»Du bist ein gutes Mädchen«, sagt Magnolia und schüttelt wohlwollend den Kopf. »Einen Trinker kannst du auf zwanzig Schritte Entfernung erkennen, aber Drogen sind nicht dein Fachgebiet, Ke-ke.«
»Dieses Stück Scheiße hat das Erbe meiner Familie wegen Drogen aufs Spiel gesetzt?« Ich stehe nicht länger kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Ich erlebe gerade einen.
»Das und Frauen, die meiner Erfahrung nach sogar noch süchtiger machen. Außerdem war Brett Hyde ein Betrüger. Er hatte dich am Haken, bevor du überhaupt eine Chance hattest.«
Ich bedecke mein Gesicht mit beiden Händen und konzentriere mich auf meine Atmung. Ich zähle bis zehn. Ich versuche, die Wut zurückweichen zu lassen.
Es funktioniert nicht.
Mit Brett durchzubrennen war die einzige impulsive Entscheidung, die ich je in meinem Leben getroffen habe. Ich dachte, dass ich mit ihm mein Schicksal gefunden hätte. Er war vom ersten Tag an so perfekt für mich, dass ich nicht anders konnte, als zu glauben, die Welt hätte uns füreinander bestimmt. Und nach dieser unglaublichen Nacht …
Ich schüttle die Erinnerungen ab. Ich war so eine naive kleine Idiotin.
»Ich wünschte, ich könnte ihn wieder lebendig machen, damit ich ihn eigenhändig umbringen kann«, flüstere ich.
Magnolia schenkt mir ein weiteres gutmütiges Lächeln. »Süße, würde er noch leben, würde ich ihm seine armselige Entschuldigung für einen Schwanz mit einem Fleischerbeil abhacken, das weißt du.«
»Was zum Teufel soll ich jetzt tun?«, frage ich sie, während ich auf dem Marmorfußboden hin und her laufe.
Magnolia dreht den Kopf hin und her und folgt mir mit ihren Blicken. »Ke-ke … diese Sache ist ernst.«
Ich wirbele herum und schaue sie an. »Ich weiß. Ich brauche fünfhunderttausend Dollar, sonst bin ich erledigt. Wie in aller Welt soll ich in einer Woche eine halbe Million Dollar auftreiben? Keine Bank in dieser Stadt wird mir angesichts der Schulden, die ich bereits habe, auch nur einen weiteren Cent leihen.«
Sie legt die Hände vor dem verknoteten Seidengürtel ihres Morgenmantels zusammen. »Ich werde ehrlich zu dir sein. Selbst wenn du noch Jungfrau wärst, könntest du niemals so schnell so viel Geld aufbringen.«
Ich kneife die Augen zusammen. Ich soll mich selbst versteigern? Ein Schauer läuft mir den Rücken hinab. Selbst das ist keine Option, weil ich nicht so viel wert bin. Ich schaue auf und starre in ihre goldbraunen Augen.
»Brett hat in einer Woche fünfhunderttausend aufgetrieben. Ich muss in der Lage sein, das ebenfalls zu schaffen.«
»Niemand wird dir so viel Geld geben.« Ihr Gesicht ist ernst.
»Was ist mit dem Aufschub? Einem Zahlungsplan?« Ich fahre mir mit den Händen durchs Haar und gehe fieberhaft alle möglichen Optionen durch.
»Kleines, ich muss dir nicht sagen, dass das dein Problem nicht lösen wird.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust und schlinge sie fest um mich. Dann gehe ich rückwärts, bis ich mit den Knien gegen Magnolias Ledersofa stoße und mich darauf fallen lasse.
»Was wäre, wenn … wenn ich einfach nicht bezahle? Wenn ich ihm sage, dass das Bretts Problem war und er tot ist, weshalb er mich da rauslassen soll?«
Dieses Mal wird Magnolias umwerfendes goldenes Gesicht blass. »Keira«, sagt sie, und ich erstarre, als sie meinen vollständigen Namen ausspricht, denn sie spricht nie meinen vollständigen Namen aus. »Das willst du nicht versuchen.«
»Ich habe keine Wahl! Ich habe das Geld nicht.«