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Im Rettungsdienst wie in der ambulanten Pflege spielt die Hygiene eine eher ambivalente Rolle. Zum einen wird sie - auch situationsgegeben - nachlässig behandelt ("Not kennt kein Gebot" oder "zu Hause gibt es keine Infektionen"); zum anderen wird sie panisch betrachtet und ein Angstszenario geschürt. Formale Vorgaben der einzelnen Rechtsvorschriften werden eher locker gehandhabt, obwohl sie genau so gelten wie in Arztpraxen oder stationären Bereichen. Dieser Problematik widmet sich das vorliegende Buch. Es ist aus der Notwendigkeit entstanden, den Interessierten und den Teilnehmern der einschlägigen Fort- und/oder Weiterbildung ein praxisnahes Werk zu bieten, das die tägliche Arbeit erleichtert. Bewusst widmet es sich nicht exotischen Situationen, sondern Fragen, die jeden Tag gestellt werden. Ein Kapitel für Kindereinrichtungen ergänzt das Buch.
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Seitenzahl: 175
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Im Rettungsdienst wie in der ambulanten Pflege spielt die Hygiene eine eher ambivalente Rolle. Zum einen wird sie - auch situationsgegeben - nachlässig behandelt ('Not kennt kein Gebot' oder 'zu Hause gibt es keine Infektionen'); zum anderen wird sie panisch betrachtet und ein Angstszenario geschürt. Formale Vorgaben der einzelnen Rechtsvorschriften werden eher locker gehandhabt, obwohl sie genau so gelten wie in Arztpraxen oder stationären Bereichen. Dieser Problematik widmet sich das vorliegende Buch. Es ist aus der Notwendigkeit entstanden, den Interessierten und den Teilnehmern der einschlägigen Fort- und/oder Weiterbildung ein praxisnahes Werk zu bieten, das die tägliche Arbeit erleichtert. Bewusst widmet es sich nicht exotischen Situationen, sondern Fragen, die jeden Tag gestellt werden. Ein Kapitel für Kindereinrichtungen ergänzt das Buch.
PD Dr. Andreas Schwarzkopf, Hygieniker, Mikrobiologe, Erfahrung im Notarztdienst. Wolfgang Tanzer, Krankenpfleger, Brigitte Finsterer, Krankenschwester, und Daniela Leibinger, Med. Fachangestellte, sind Rettungsassistent/innen und praktisch und als Dozenten tätig.
PD Dr. med Andreas Schwarzkopf, Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, ehemaliger Oberarzt für Krankenhaushygiene, langjährige Lehrtätigkeit in verschiedenen Einrichtungen, Krankenhaushygieneberater, Sachverständiger, seit 1995 Fachleiter der Hygieneakademie Bad Kissingen und seit 2001 ärztlicher Leiter der L+S AG in Bad Bocklet.
Wolfgang Tanzer, Krankenpfleger für Anästhesie/Intensiv, seit vielen Jahren im Rettungsdienst tätig, lehrt an Berufsfachschulen für Rettungsdienst, Krankenpflege und Podologie sowie in der Aus-, Fortund Weiterbildung in der Hygiene.
Brigitte Finsterer ist Rettungsfachkraft beim ADAC.
Daniela Leibinger ist Hygienebeauftragte im Rettungswesen.
Andreas Schwarzkopf, Wolfgang Tanzer, Brigitte Finsterer, Daniela Leibinger
Hygienebeauftragte im Rettungs- und Sozialdienst
Lehr- und Praxisbuch
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.
Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © 2008 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany
Print: 978-3-17-020049-4
E-Book-Formate
pdf:
978-3-17-026486-1
epub:
978-3-17-027912-4
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Vorwort: Im Fernsehen ist es einfach
1 Wo steht das?
1.1 Empfehlungen zur Infektionsverhütung
1.2 Arbeitsschutz
1.3 Berufsgenossenschaftliches Regelwerk
1.4 Wissen ist Macht!
1.4.1 Hygienerelevante Gesetze
1.4.2 Hygienerelevante Verordnungen
1.4.3 Technische Regeln
1.4.4 Berufsgenossenschaftliche Veröffentlichungen
1.4.5 Normen
1.4.6 Richtlinien und Empfehlungen ohne Gesetzescharakter
2 Denken Sie mal nach!
2.1 Die Hygiene ist eine alte junge Wissenschaft
2.1.1 Die Antike wusste viel
2.1.2 Der Orient bewahrte die Medizinkultur
2.1.3 Das christliche Mittelalter räumte gründlich auf
2.1.4 Die Neuzeit machte es in vielen Bereichen nur noch schlimmer
2.1.5 In der Krankenhaushygiene hatte sich inzwischen etwas getan
2.1.6 Ein ganz unrühmliches Kapitel der Hygienegeschichte
2.2 Wie gesund leben die Menschen heute?
2.3 Blick in die Zukunft
3 Grundlagen der Mikrobiologie: Erreger sind klein – aber tüchtig
3.1 Infektion, Kolonisation und Kontamination
3.1.1 Infektion
3.1.2 Kolonisation
3.1.3 Kontamination
3.2 Infektiologische Begriffe
3.2.1 Epidemie
3.2.2 Endemie
3.2.3 Pandemie
3.2.4 Letalität
3.2.5 Mortalität
3.3 Grundlagen der Immunität
3.4 Die Erregergruppen
3.4.1 Bakterien
3.4.2 Pilze
3.4.3 Viren
3.4.4 Parasiten
3.4.5 Prionen
4 Wie wir Erreger sichtbar machen – die mikrobiologische Untersuchung
4.1 Am Anfang steht das Material
4.2 Im Labor
4.2.1 Mit Farbe Bakterien sichtbar machen
4.2.2 Futtervorlieben wirken „namensgebend“
4.2.3 Resistenzen finden: das Antibiogramm oder Resistogramm
4.2.4 Wenn die Kultur nicht geht: Antikörper- oder Erbgutnachweis
5 Die etwas anderen Krankheitserreger oder lausige Zeiten
5.1 Endoparasiten
5.1.1 Im Ausland erworbene Parasitosen (Beispiele)
5.1.2 Einheimische Endoparasiten (Beispiele)
5.1.3 Grundsätzliches zu Endoparasitosen
5.2 Ektoparasiten
5.2.1 Milben
5.2.1.1 Zecken
5.2.2 Läuse
5.2.3 Flöhe
5.2.4 Wanzen
6 Semmelweis ist tot, jetzt müssen Sie selbst ran!
6.1 Händehygiene
6.1.1 Händewaschen
6.1.2 Hygienische Händedesinfektion
6.1.3 Hautpflege
6.1.4 Schutzhandschuhe
6.1.4.1 Haushaltshandschuhe
6.1.4.2 Einmalhandschuhe (unsteril) aus dem Spenderkarton (Latex, ungepudert)
6.1.4.3 Operationshandschuhe (steril)
6.1.5 Hautpilzprophylaxe
7 Viele Fragen, wenige Antworten: Reinigung, Desinfektion und Sterilisation
7.1 Reinigungs- und Desinfektionsplan
7.1.1 Hautdesinfektion
7.1.2 Flächenreinigung und -desinfektion
7.1.3 Instrumente und Medizinprodukte
7.2 Standardarbeitsanweisungen
7.2.1 Reinigung und Desinfektion
7.2.2 Personelle Voraussetzungen
7.2.3 Schutzkleidung
7.3 Desinfizierende Flächenreinigung (Beispiele für die Praxis)
7.3.1 Desinfektionsintervalle
7.3.2 Desinfektionsmittelliste
7.3.3 Reinigungs- und Desinfektionsplan
7.4 Desinfektion in der häuslichen Pflege
8 Nur was sauber ist, kann heilen!
8.1 Wunddesinfektion
8.2 Grundlagen der Wundheilung
8.2.1 Eine saubere Wunde heilt in drei Schritten:
8.2.2 Störfaktoren der Wundheilung
8.2.3 Und was tun?
8.2.4 Wundantisepsis
9 Umgang mit potenziell kontaminierten Medizinprodukten
9.1 Beatmungszubehör
9.2 Waschwasser (Rettungsdienst)
9.3 Instrumente, Lagerungsmaterial und med.-techn. Geräte
10 Sterilisation
10.1 Auswahl der Medizinprodukte für den Einsatz
10.2 Dampfsterilisation
10.2.1 Qualitätssicherung
11 Müllentsorgung
11.1 Müllfraktionen im Gesundheitsdienst
11.2 Wäsche
12 Sicher ist sicher – Arbeitsschutz
12.1 TRBA 250
12.1.1 Arbeits- und Schutzkleidung
12.1.1.1 Rettungsdienst
12.1.1.2 Ambulante Pflege/Hauskrankenpflege
12.1.2 Arbeitsmedizinische Voraussetzungen
12.1.3 Reinigungs- und Desinfektionsplan
12.2 Gefahrstoffverordnung und Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)
12.2.1 Gefahrstoffkataster
12.3 Pausen müssen sein – aber nicht im Arbeitsraum
12.4 Instrumentenaufbereitung
13 Impfschutz
13.1 Aktiv oder Passiv?
13.1.1 Passive Impfungen
13.1.2 Aktive Impfungen
13.1.3 Kontraindikationen
14 Postexpositionsprophylaxe (PEP)
14.1 Effizienter Schutz vor Infektionen
14.1.1 PEP bei der Exposition verschiedener Infektionen
14.1.1.1 Hepatitis A
14.1.1.2 Hepatitis B
14.1.1.3 Hepatitis C
14.1.1.4 HIV
14.1.1.5 Diphtherie
14.1.1.6 Haemophilus influenzae Typ B
14.1.1.7 Masern, Mumps oder Röteln
14.1.1.8 Meningokokken
14.1.1.9 Pertussis
14.1.1.10 Varizellen
14.2 Fazit
15 Maßnahmen zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Krankentransporten mit bestehendem oder möglichem Infektionsrisiko
16 Schreckgespenst? Neue Seuche? Oder was?
16.1 Umgang mit MRSA-kolonisierten Patienten
17 Verhalten beim Umgang mit Patienten mit infektiösen Erkrankungen und/oder Ungezieferbefall
18 Lebensmittel- und Küchenhygiene
18.1 Allgemeine Hygiene
18.2 Betriebshygiene
18.2.1 Hygieneanforderungen an die Betriebsräume
18.2.2 Wareneingangskontrolle und Zwischenlagerung
18.2.3 Temperaturgrenzen bei der Zubereitung und Ausgabe
18.2.4 Desinfektions- und Reinigungsmaßnahmen in Lebensmittelbereichen
18.3 Schädlinge und Lästlinge
18.4 Persönliche Hygiene
18.5 Lebensmittelhygiene im häuslichen Bereich
19 Sichere und chemiearme Aufbereitung von Übungsmasken zur Atemspende
19.1 Warum eine desinfizierende Aufbereitung?
19.2 Möglichkeiten der Desinfektion
20 Das Hygienekonzept des ambulanten Diensts
20.1 Vorschlag für die Gliederung eines Hygieneplans
20.1.1 Personalhygiene
20.1.2 Internes Meldewesen
20.1.3 Verhalten bei infizierten oder besiedelten Betreuten
20.1.4 Injektionen und Infusionen
20.1.5 Aufbereitung von Geräten und Instrumenten
20.1.6 Entsorgung
20.1.7 Haushaltsreinigung
20.1.8 Betreutenhygiene
21 Bemerkungen für Einrichtungen zur Kinderbetreuung
21.1 Meldewesen in Kindereinrichtungen
21.1.1 Krankheiten und Erreger
21.1.2 Pflichten der Eltern
21.1.3 Pflichten der Einrichtung
21.2 Vorschlag für die Gliederung eines Hygieneplans
22 Testen Sie Ihr Wissen
Anhang
Stichwortverzeichnis
Merke/Wichtig
Definition
Hinweise
Fallbeispiel
Professor Birkmann aus der Weißwaldklinik ist ein Genie. Er ist Chirurg, aber er behandelt alles, einschließlich Psychosen. Als ihm ein Kind mit einer lebensbedrohlichen Virusinfektion vorgestellt wird, entnimmt er unnachahmlich elegant mit der Impföse Material aus einer Pustel und streicht es professionell auf einem Nährboden aus. Darauf hält er diesen gegen das Licht und spricht das Antibiogramm. So erzählt es uns die Fernsehserie und der nicht fachkundige Bürger wundert sich, dass wir das nicht können.
Mitarbeiter von Rettungs- und Sozialdiensten hingegen werden mit einem zunächst unbekannten Patienten konfrontiert. Und dies in einem Umfeld, das man nicht ohne Weiteres beeinflussen kann. Immer werden dabei richtige Entscheidungen erwartet. Wenn die erforderliche hellseherische Fähigkeit dazu fehlt, gilt man als inkompetent. (Merke: Destruktive Kritik ist einfacher als konstruktive, und hinterher ist man sowieso immer klüger.) Wenn ein Mitarbeiter (natürlich sind auch Mitarbeiterinnen gemeint) sich mit den Fragen der Hygiene und Infektionsprävention befasst, kommt er oft in Konflikt mit seinem Vorgesetzten, nicht zuletzt deswegen, weil nicht eingesehen wird, dass richtig verstandene Hygiene eher Kosten spart als verursacht. „Wo steht das?“ – diese Frage wird ihm gestellt und der interessierte Mitarbeiter kommt in Erklärungsnot.
Formale Vorschriften, die die Fragen der Hygiene bis ins Detail regeln, sind – gerade im Rettungs- und ambulanten Dienst – eher selten; auch im Krankenhaus-, Heim- und Praxisbereich gibt es eher Leitlinien als streng formulierte Vorgaben. Diesem Problem wollen wir uns mit dem vorliegenden Buch stellen.
Beides in einem Buch? Diese Frage haben wir uns natürlich auch gestellt. Aber die dem modernen Hygienemanagement zugrunde liegenden Risikobewertungen sind im Grunde überall sehr ähnlich. Auf konkrete Unterschiede wird eingegangen werden. Dazu kommt, dass viele Träger heute unterschiedliche Einrichtungen gemeinsam betreiben und betreuen.
Die einzelnen Kapitel sind in Berufsfachschulen für Pflegeberufe, medizinische Berufe, Rettungsassistenten, in Zivildienstschulen für soziale Dienste sowie in der Fortbildung der Hygienebeauftragten und natürlich bei Hygieneaudits entstanden. Sie sollen dem zukünftigen Hygienebeauftragten, aber auch seinem interessierten Mitarbeiter das erforderliche Wissen liefern, um seiner Aufgabe gerecht zu werden, und das unter Berücksichtigung der infektiologischen Erfordernis, der ökonomischen Notwendigkeit und des ökologischen Bewusstseins.
Wir heben uns bewusst von Publikationen ab, die Infektiologie grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung sehen und damit ein Horrorszenario darstellen wollen. Dem daran Interessierten empfehlen wir die entsprechenden Kinofilme. Dort ist der wohlige Schauer des Genres besser erfahrbar.
Wir wollen uns hier auch nur am Rand mit den Raritäten der seltenen importierten Infektionen befassen. Hier ist der Spezialist aus der tropenmedizinischen Klinik gefragt, der ja in der Regel ohnehin hinzugezogen wird. Wir wenden uns eher an den Mitarbeiter, der – mit einer undiagnostizierten Infektion konfrontiert – eine sachgerechte Entscheidung zu treffen hat.
Für konstruktive Kritik sind wir dankbar.
Lauf/Bad Bocklet, im Herbst 2007
Die Autoren
Allgemeines
Sie sind die oder der Hygienebeauftragte. Sie stehen vor Ihrem Geschäftsführer und wollen ihn überzeugen, dass es falsch ist, Dienstkleidung mit nach Hause zum Waschen zu geben. Oder der Betriebsratsvorsitzende will von Ihnen eine Betriebsvereinbarung zur (im Übrigen völlig überflüssigen) täglichen Desinfektion der Einsatzstiefel. Oder Sie sollen mit der seit fünf Tagen offenen physiologischen Kochsalzlösung eine Wunde spülen. Ihre Argumentation steht auf schwachen Füßen, wenn Sie nicht in der Lage sind, formale Vorgaben zu nennen.
Wo steht das? Mit dieser Frage werden Sie beinahe täglich konfrontiert, und die Beantwortung ist gar nicht so einfach. Das Infektionsschutzgesetz (IfSG), die Rettungsdienstgesetze der Länder (z. B. BayRDG), Sozialgesetzbücher oder Hygieneverordnungen schweigen sich dazu meist aus. Wo sind die Fundstellen?
Gesetze oder Verordnungen finden sich meist unter www.juris.de, einer ständig aktualisierten Seite der Bundesregierung. Für unsere konkrete Frage stehen Ihnen aber ganz andere Quellen zur Verfügung.
Die Richtlinien und die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention stehen unter www.rki.de oder sind als Loseblattsammlung im Buchhandel erhältlich. Sie haben aufgrund der Formulierung des Infektionsschutzgesetzes (§ 4 IfSG) durchaus einen Rechtscharakter, der über den einer reinen Richtlinie deutlich hinausgeht. Aber erwarten Sie nicht zu viel! Hände- und Hauthygiene werden beschrieben; auch der Aufbereitung von Medizinprodukten ist ein ausführliches Kapitel gewidmet. Die ambulante Pflege wird jedoch auf die Empfehlung für die stationäre Versorgung verwiesen und soll von dort Hinweise entnehmen, eigene Vorgaben werden nicht gemacht. Das Kapitel zum Rettungsdienst ist derzeit „Zur Überarbeitung vorgesehen“. Für ambulante Dienste gibt es Hinweise in der Empfehlung „Infektionsprävention in Heimen“.
TRBA 250
Wer konkretere Vorgaben zum Arbeitsschutz sucht, sollte die Seite www.baua.de aufsuchen. Sie wird von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsicherheit redigiert. Ehrlich gesagt, darunter sucht zunächst kein Mensch Hygienevorschriften. Sie rufen unter der Suchfunktion die Daten „TRBA 250“ auf. Diese Abkürzung bedeutet „Technische Regel für biologische Arbeitsstoffe“ und verleitet vielleicht ebenfalls nicht dazu, dort konkrete Hinweise zur Hygiene zu suchen. Aber genau dort findet sich eine besonders aussagekräftige Quelle, in der sogar die ambulante Pflege und der Rettungsdienst expressis verbis erwähnt sind. Neben vielen Ausführungshinweisen zu hygienerelevanten Themen, die uns zu interessieren haben, finden sich dort auch praktische Hinweise, wie ein Hygieneplan aufzubauen ist und zu was er Aussagen treffen muss.
Denn das, was Ihnen der Vertreter der Firma Hirnheiner und Notnickel GmbH & Co KG unter der Bezeichnung „Hygieneplan, alles auf einer Seite, können Sie in den Besenschrank hängen“ da lässt, ist meist bestenfalls ein Desinfektionsmittelplan und soll eher dem Umsatz der Firma als Ihnen behilflich sein. Was Sie in so einen Plan schreiben, hat den Charakter einer Dienstanweisung, muss also in jeder einzelnen Aussage stimmen und ständig aktualisiert werden. Das geht nicht bei einem Plan vom Außendienst, sondern nur bei dem, den Sie selbst erstellen.
Versicherungsrechtliche Fragen
Oft werden die früher so genannten UVVs, die Unfallverhütungsvorschriften, als Rechtsquelle genannt. Weil die Bezeichnung „Unfallverhütungsvorschrift“ irreführend ist, spricht man heute vom „berufsgenossenschaftlichen Regelwerk“. Dieses Regelwerk hat zunächst versicherungsrechtlichen Charakter. Wenn es eine Maßnahme, z. B. eine Schutzausrüstung, vorschreibt und der Beschäftigte verwendet diese nicht, so ist das zunächst einmal ohne Konsequenz. Nur im Erkrankungsfall geht der Versicherungsschutz verloren. Wird jedoch die Schutzausrüstung deswegen nicht verwendet, weil sie der Arbeitgeber nicht zur Verfügung stellt oder die Beschäftigten nicht über die Benutzung aufklärt und schult, so genießen diese im Erkrankungsfall Versicherungsschutz, der Versicherer allerdings wird sich die Kosten vom Arbeitgeber wieder holen. Arbeitgeber in diesem Sinne ist auch die Trägerorganisation, die ehren- oder nebenamtliche Personen oder Zivildienstleistende beschäftigt. Ob sich die betreffende Organisation die Kosten wieder holt und von wem, ist den Arbeitsverträgen der Vorgesetzten, der Dienstordnung, der Stellenbeschreibungen oder ähnlichen Vorgaben zu entnehmen.
Ergänzende Vorschriften
Um diesem Mangel zu begegnen, werden manche Vorschriften gleichzeitig in den TRBA, Verordnungen und Ausführungsbestimmungen, genannt. Damit haben sie einen höheren Rechtscharakter und bedürfen zur Anwendung auch keiner Betriebsvereinbarung. Was Sie darüber hinaus oder ergänzend als Vorschrift etablieren wollen, muss in einer Dienst- oder Organisationsvorschrift geregelt sein. Es bedarf zu ihrer Gültigkeit einer Betriebsvereinbarung mit dem Personal- oder Betriebsrat oder der Mitarbeitervertretung, je nachdem, welche Form der betrieblichen Mitbestimmung bei Ihnen gilt. Damit diese Regelung auch für Ehrenamtliche und Zivildienstleistende gilt, muss sie vom Vorstand in Kraft gesetzt und allen Betreffenden bekannt gemacht werden. Also – aufpassen: Es gibt reichlich Fußangeln! Aber nicht ins Bockshorn jagen lassen, denn ...
Die nachfolgenden Tabellen geben einen Überblick über das aktuelle Hygienerecht, sortiert nach Gesetzen, Verordnungen, Texten mit Gesetzescharakter und Normen, Richtlinien sowie Empfehlungen. Selbstverständlich sind die entsprechenden Fundstellen bei den einzelnen Themen in allen Buchkapiteln angegeben.
Gesetze müssen natürlich befolgt werden. Wer allerdings in den Texten direkte Hinweise für den Hygieneplan sucht, sucht vergeblich. Dennoch gibt Tabelle 1 eine Übersicht über die einschlägigen Gesetze, da sich aus einigen von ihnen die Notwendigkeit für ein Hygienekonzept und das dazugehörige Qualitätsmanagement klar ableiten lässt.
Gesetz
Wichtige Paragraphen
Inhalte
Infektionsschutzgesetz (IfSG)
§§ 6, 7, 8, 9
§ 34
Meldewesen an Gesundheitsamt und Robert Koch-Institut.
§ 42, 43
Umgang mit Lebensmitteln, Ausschlusskriterien.
Medizinproduktegesetz (MPG)
Div. §§
Medizinprodukte müssen mindestens ein CE-Zeichen, sterile und invasive Geräte die Prüfnummer einer benannten Stelle tragen.
Der Hersteller muss deutschsprachige, verständliche Gebrauchsanweisungen liefern, ggf. eine persönliche Einweisung.
Aufbereitete Medizinprodukte müssen „wie neu“ sein.
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
Div. §§
Personalschutz allgemein, also nicht speziell für Einrichtungen des Gesundheitsdiensts.
Arzneimittelgesetz (AMG)
Div. §§
Händedesinfektionsmittel, Schleimhautdesinfektionsmittel.
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB)
Div. §§
Anforderungen an Lebensmittel und Lebensmittelherstellung, (Qualitätsmanagement – HACCP, Rückverfolgbarkeit), Verbot der Auslobung einer Heilwirkung, Kontrolle durch Lebensmittelaufsicht.
Tab. 1:Hygienerelevante Gesetze
Eine Verordnung hat immer ein Gesetz im Hintergrund, hat aber selbst auch Gesetzescharakter und ist daher genau wie ein Gesetz zu befolgen. Oft sind Verordnungen etwas praktischer formuliert und eignen sich daher gut als verständliche Rechtsgrundlagen für die einzelnen Dokumente des Hygieneplans.
Verordnung
Wichtige Stellen
Inhalte
Biostoffverordnung (BiostoffV)
§ 2
Gefährdungsbeurteilung potenzieller Erreger,
§§ 2,7
§ 12
ungezielte Tätigkeit,
Betriebsanweisungen.
EG 852/ 2004
Div. §§
Lebensmittelhygiene, HACCP-Konzept.
Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)
Div. §§
Erfassung von Gefahrstoffen nach Mengen und Lagerart (Gefahrstoffkataster),
§ 14
Sicherheitsdatenblätter für relevante Produkte, Betriebsanweisungen.
Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV)
§ 4
Div. §§
Validierte Aufbereitung, Pflichten beim Betrieb von Medizinprodukten.
Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung (MPSicherheitsplanV)
Div. §§
Meldepflicht von Zwischenfällen und Beinahezwischenfällen bei der Anwendung von Medizinprodukten.
Arbeitsstättenverordnung (ArbstättV)
Div. §§
Bedingungen, z. B. Raumgröße, Temperatur von Arbeitsplätzen.
Trinkwasserverordnung (TVO, TrinkwV)
Div. §§
Wasserqualität für Leitungswasser und Trinkbrunnen, aber auch Tankfahrzeuge. Anforderungen an Wasserproben.
Tab. 2: Hygienerelevante Verordnungen
Technische Regeln sind Durchführungsbestimmungen zur Gefahr- und Biostoffverordnung. Auch sie haben Gesetzescharakter.
Titel
Nummer
Inhalt
Technische Regeln Gefahrstoffe (TRGS)
TRGS 540
Puderfreie Handschuhe.
TRGS 525
Desinfektionsmittel.
Technische Regeln Biologische Arbeitsstoffe (TRBA)
TRBA 400
Gefährdungsbeurteilung für Mitarbeiter.
TRBA 250
Praktischer Mitarbeiterschutz.
Tab. 3: Technische Regeln zur Gefahr- und Biostoffverordnung
Als Träger der Versicherung für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten gibt die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (ambulante Dienste) bzw. der Gemeindeunfallversicherungsverband GUVV (öffentlich-rechtliche Rettungsdienste) ein Regelwerk heraus, in dem Anweisungen zum Schutz vor Schäden durch Mikroorganismen, Viren, aber auch Desinfektionsmitteln gegeben werden. Diese wirken in zwei Richtungen: Der Arbeitgeber muss Schutzmittel zur Verfügung stellen und Arbeitsanweisungen formulieren, die Arbeitnehmer müssen sie nutzen und befolgen. Eine Nichtbefolgung kann einen verminderten Leistungsanspruch bei Betroffenen auslösen oder Regressforderungen an den Arbeitgeber.
Status
Nummer
Inhalt
Berufsgenossenschaftliche Vorschriften (BGV)
BGV A1
Prävention.
BGV A2
Betriebsärztlicher Dienst.
BGV A3
Elektrische Betriebsmittel.
BGV A5
Erste Hilfe.
Berufsgenossenschaftliche Regeln (BGR)
BGR 250
Entspricht TRBA 250 – Gesetzescharakter!
BGR 206
Desinfektionsarbeiten.
BGR 208
Reinigungsarbeiten bei Infektionsgefahr in
medizinischen Bereichen.
Tab. 4: Berufsgenossenschaftliche Verordnungen und Regeln
Entgegen der immer wieder vor allem von Industrievertretern gern aufgestellten Behauptung haben Normen keinen Gesetzescharakter. Sie repräsentieren hingegen den Stand der Technik, d. h., wenn man von ihnen abweicht, muss man das begründen.
Herkunft
Nummer
Inhalt
DIN (in Deutschland gültige Normen)
1946
Raumlufttechnik im Krankenhaus.
19 643
Wasser in Schwimmbädern.
EN (europaweit gültige Normen)
Div.
Sterilisation und Sterilisationskontrolle.
ISO (weltweit gültige Normen)
9000 : 2000 ff.
Qualitätsmanagement.
VDI (Verein Deutscher Ingenieure)
6022
Raumlufttechnik, Lüftungsanlagen.
Tab. 5: Beispiele für Normen
Von allen hier genannten haben die des Robert Koch-Instituts den höchsten Stellenwert. Gutachter müssten im Ernstfall diese Quellen – wie auch die Expertenstandards in der Pflege – einer Begutachtung zugrunde legen. Allerdings sind hier Abweichungen ohne jede rechtliche Folge, wenn das Ziel auf anderem Wege gleich gut erreicht wurde.
Übersicht 1: Richtlinien und Empfehlungen in der Hygiene
Ötzis Kenntnisse
Als im Ötztal die tief gefrorene 5000 Jahre alte Mumie des Gletschermanns gefunden wurde, hatte die Archäologie manche Nuss zu knacken. Besonders die Medizingeschichtler rätselten, wie er in einer lebensfeindlichen Umwelt existieren konnte. Musste er nicht Infektionen schutzlos ausgeliefert sein? Tatsächlich hat man aber bei seinen Utensilien antimikrobiell wirksame Pilze, Flechten und Spinnweben gefunden. Unser jungsteinzeitlicher Vorfahr musste also schon Kenntnisse über Antisepsis und anderes medizinisches Wissen gehabt haben, auch wenn diese wahrscheinlich (und ich sage das zur Entschuldigung der Ärzte im letzten Jahrtausend) rein empirisch erworben waren.
Hygiene heute
Heute glauben wir, in einer hygienisch abgesicherten Welt zu leben. Für die westlichen Industrieländer gilt das auch, zumindest für einen Großteil der Bevölkerung. In den so genannten Entwicklungsländern und sicher auch bei weiten Teilen unserer mitteleuropäischen Mitbürger sieht das anders aus. Die Kindervernachlässigung, die AIDS-Problematik, Berufserkrankungen, Arbeitsunfälle u. a. sprechen eine beredte Sprache.
Empirisch und religiös vermittelte Hygiene
Auf einem Relief aus dem ägyptischen Tal der Könige ist deutlich die Folge einer überstandenen Poliomyelitis zu erkennen. Ein verkrüppeltes Bein, der Mann stützt sich zum Gehen auf einen Krückstock.
Wie viele andere Krankheiten auch war die Poliomyelitis auf Papyri beschrieben. Dort wurde auch zwischen behandelbaren und unbehandelbaren Krankheiten unterschieden. Sicherheitshalber verband der altägyptische Arzt die Therapie mit Opfern, Beschwörungen und Anrufungen der Götter. Im Codex Hammurabi aus dem alten Babylon wurden bereits die Eigenschaften des Arztes und der Pflegenden festgeschrieben. Über den idealen Patienten steht: „Er sei geduldig und reich!“
Auch der jüdische Religionsgründer und Gesetzgeber Moses hatte medizinische Kenntnisse. Das Schweinefleischverbot resultierte daraus, dass er um die Gefahren des trichinösen Fleisches wusste, aber keine Möglichkeit hatte, diese zu erkennen. So musste eben ganz auf Schweinefleisch verzichtet werden. Die religiös begründete Beschneidung hat ebenfalls eine medizinische Ursache: Es ist bekannt, dass Frauen, die mit beschnittenen Männern verkehren, signifikant weniger an Gebärmutterhalskrebs erkranken. Das kommt daher, dass altes Smegma zu den auslösenden Noxen des Karzinoms gehört. Weitere Vorschriften aus dem Pentateuch, z. B. über die Anlage des Nomadenlagers, haben ebenfalls eine hygienische Grundlage. Griechen und Römer stellten diese zunächst empirische und religiös vermittelte Hygiene auf ein wissenschaftliches Fundament. Ihre Lehrbücher wurden bis weit ins europäische Mittelalter zur Grundlage der Wissenschaft. Ihre Bäderkultur und nicht zuletzt die Anlage von Aquädukten und Abwasserkanälen ließen das Leben in den antiken Städten ohne Seuchen erst möglich werden.
Ibn Abu Sina