I Do Hate You - Pippa Grant - E-Book

I Do Hate You E-Book

Pippa Grant

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Beschreibung

Drei Tage, zwei Enemies, ein Bett - was kann da schon schiefgehen?

Delaney Kingston würde alles tun, damit die Hochzeit ihrer besten Freundin reibungslos über die Bühne geht. Auch Aufpasserin für Emmas älteren Bruder Theo spielen und sich zu allem Überfluss auch noch ein Zimmer mit ihm teilen, obwohl dieser ihr Erzfeind seit der dritten Klasse ist. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein, doch schnell erkennt Laney, dass sich hinter Theos Fassade des charmanten Troublemakers so viel mehr verbirgt. Und plötzlich erwischt sie sich dabei, dass ihr Herz jedes Mal ein bisschen schneller schlägt, wenn sie mit Theo zusammen ist ...

»Diese Geschichte hat mich lachen und seufzen lassen, sie ist voller Humor und Wärme. Eine absolute Leseempfehlung!« ANGELA’S BOOK ADDICTION

Auftakt der THREE-BFFS-AND-A-WEDDING-Reihe von USA-TODAY-Bestseller-Autorin Pippa Grant

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Seitenzahl: 580

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Vorbemerkung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

Epilog

Bonus Epilog

Theos Schokosplitter-Cookies

Die Autorin

Impressum

PIPPA GRANT

I Do Hate You

Roman

Ins Deutsche übertragen von Ralf Schmitz

Zu diesem Buch

Hätte Delaney Kingston gewusst, dass Trauzeugin bei der besten Freundin zu sein bedeutet, Aufpasserin für den älteren Bruder besagter Braut zu spielen, damit die Hochzeit reibungslos über die Bühne geht, hätte sie es sich zweimal überlegt. Aber für Emma würde Laney alles tun und stimmt daher zähneknirschend zu, während der Feierlichkeiten auf Hawaii ein Auge auf den charmanten Troublemaker zu haben. Laney und Theo könnten unterschiedlicher nicht sein: Wo sie strukturiert ist, ist er verplant und hat ein Händchen dafür, sich und andere in Schwierigkeiten zu bringen. Kein Wunder also, dass die beiden sich schon seit der Schulzeit nicht ausstehen können und Erzfeinde sind. Als sie sich jedoch zu allem Überfluss auch noch ein Zimmer teilen und gemeinsam eine Hochzeitskatastrophe nach der anderen abwenden müssen, lernt sie Theo von einer ganz neuen Seite kennen. Und während sie immer mehr hinter seine unbeschwerte Fassade blickt und den wahren Theo sieht, fällt es ihr zunehmend schwerer, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Umgeben von den paradiesischen Sandstränden Hawaiis beginnt die Abneigung der beiden sich allmählich in etwas gänzlich anderes zu verwandeln …

Dieses Buch ist allen gewidmet, die jemals mit Perfektionismus zu kämpfen hatten und gelernt haben, die wichtigen von den unwichtigen Dingen zu unterscheiden.

Und allen, die mit Menschen zusammenleben, die laut niesen. Ihr wisst schon, worauf ich hinauswill. Und natürlich lieben wir sie trotzdem.

Vorbemerkung

Liebe fabelhafte Leser:innen,

ich weiß nie, wann oder wo die Inspiration zuschlägt, doch im letzten Jahr hat mich jedes zweite Video auf TikTok entweder prustend auflachen lassen oder mir die Idee zu einer besonderen Eigenschaft einer meiner Figuren gegeben. Im vergangenen Sommer habe ich ein Video gefunden, in dem beides passierte.

Am Anfang war da ein Typ mit nacktem Oberkörper, der angeschnallt hinter dem Lenkrad seines Wagens saß und eine Tasche voller Geld präsentierte. Was er dazu sagte, war ungefähr das: »Mit dem Geld, das ich auf Only Fans verdient habe, werde ich meiner Schwester das Leben erleichtern.« Anschließend marschierte er mit der Geldtasche in sein Elternhaus und drückte sie seiner Schwester in die Hand, damit sie ihr Studiendarlehen bezahlen konnte.

Falls Ihr Only Fans nicht kennt … Das ist eine Abonnentenplattform, auf der ihr exklusiven Content jeglicher Art, von Bonusmaterial eurer Lieblingsstars bis zu Erwachsenen-Unterhaltung, abrufen könnt. Und der Typ in dem Video war ein Star in der Unterhaltungsbranche für Erwachsene.

Wenn ihr also jetzt ein Exemplar meines Buches in den Händen haltet, werdet ihr sicher schon vermuten, womit sich Theo auf den folgenden Seiten etwas dazuverdient.

Aber Theo ist nicht der Typ aus dem Video. Er ist jemand, der nach und nach in meiner Fantasie entstanden ist und es sich dort bequem eingerichtet hat. Er unterscheidet sich sehr von meinen anderen Helden, über die ich bis dato geschrieben habe, ist ihnen auf andere Weise jedoch auch wieder ähnlich.

Ich hoffe, ihr findet Vergnügen an seiner und Laneys Reise. Ich hatte jedenfalls Spaß mit den beiden …

In Liebe

Pippa

P. S.: Verpasst auf keinen Fall Theos Rezept für Schokosplitter-Cookies am Ende des Buches!

1. Kapitel

Delaney Kingston alias Trauzeugin, die alles für ihre beste Freundin tun würde, auch wenn es noch so furchtbar wäre

Ah, riecht ihr das?

Diese frische, salzige Brise mit den Hauch Passionsfrucht darin? So riecht Glücklich bis ans Ende ihrer Tage.

Seht ihr den goldenen Sonnenuntergang über der Meeresbrandung?

Nach Jahren, Jahren und Jahren, die meine beste Freundin darauf gewartet hat, dass ihr Freund endlich mit der entscheidenden Frage herausplatzt, und einer weiteren Ewigkeit an Zeit für die Planung ist sie endlich da: ihre Hochzeitswoche.

Emma bekommt ihre Traumhochzeit, und ich kann nicht aufhören zu lächeln – nein, zu strahlen –, seit mein Flieger vor zwei Stunden in Hawaii gelandet ist.

Alles ist erfüllt von Liebe. Der leichte Wind, der die feuchte Luft milder stimmt. Die duftenden Blumen, die riesigen Kokospalmen. Der Gecko, der mich vom Blatt einer kleineren tropischen Pflanze aus beobachtet. Emmas Shampoo, als sie mich, kaum eine Minute, nachdem ich ihr geschrieben habe, dass mein Fahrer den Parkplatz ansteuert, vor dem Eingang des Midnight Orchid Club Resort umarmt.

»Laney! Da bist du ja!«

»Glückliche Hochzeitswoche, du wunderschöne Braut, du.«

Ich erwidere ihre Umarmung, als hätten wir nicht erst vor vier Tagen daheim in Snaggletooth Creek im Bean & Nugget Café zusammen Kaffee getrunken und dem Schneefall im Januar zugesehen. »Bist du nervös? Hast du schon zu Abend gegessen?«

Sie lacht, als sie einen Schritt zurücktritt, allerdings schriller als angemessen. »Hawaiianischer Festschmaus. Du hast das Programm gesehen, oder? Natürlich hast du das Programm gesehen. Schließlich lebst du streng nach Programm.«

Ihr Magen knurrt, als hätte sie nichts von dem hawaiianischen Festschmaus abbekommen.

Ich greife in einer instinktiven Reaktion in meine Handtasche und zaubere einen Proteinriegel für sie daraus hervor. »Ähm, alles in Ordnung, Süße?«

Sie reißt ihre Augen bis zum Anschlag auf, nickt und schüttelt gleichzeitig schnell und übertrieben nachdrücklich den Kopf. »Aber sicher.«

Zum ersten Mal, seit ich an Bord des Fliegers gegangen bin, um mich dem Rest der Hochzeitsgesellschaft anzuschließen – nachdem ich wegen eines unglücklichen Notfalls auf der Arbeit erst einen Tag später aufbrechen konnte –, lächle ich nicht. »Rede mit mir! Was ist los?«

Da sie acht Zentimeter größer ist als ich, muss ich, um sie mustern zu können, zu ihr hochschauen. Sie hat ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Ihre scharf geschnittenen Wangenknochen sind fraglos noch schärfer als sonst. Und ich glaube nicht, dass der Stich ins Hysterische in ihren braunen Augen eine Folge des fortschreitenden Abendlichts ist.

»Hochzeitsstress. Sonst nichts. Ganz normal. Wie war dein Flug? Bist du erschöpft? Hier, ähm, dein Zimmerschlüssel. Wir haben gestern die komplette Hochzeitsgesellschaft untergebracht. Komm, alle sind am Pool. Dein Gepäck kannst du hierlassen.« Sie wendet ihren Emma-Charme auf den Hotelpagen an, einen jungen Mann in einem Hawaiihemd. »Könnten Sie das Gepäck meiner Freundin bitte zum Plumeria-Bungalow bringen?«

»Selbstverständlich, Ma’am.«

»Ich danke Ihnen sehr«, ruft sie zu gut gelaunt und gibt ihm ein Trinkgeld.

Dann packt sie mich beim Ellbogen und zerrt mich in die Lobby des Resorts, vorbei an der unbesetzten Rezeption, an sterbenden tropischen Topfpflanzen und großformatigen Landschaftsbildern des hiesigen Strandes. Erst im offenen Atrium, von dem drei Wege abzweigen, bleibt sie für eine Sekunde stehen.

»Hier lang!«, ruft sie noch besser aufgelegt.

Emma ist ein glücklicher Mensch. Aber das ist mir zu glücklich, sogar für ihre Verhältnisse.

Und dann kommt’s!

Das nervöse Knibbeln am Daumennagel, als wir den von Petroleumfackeln erleuchteten Weg nach links einschlagen.

Den Proteinriegel hält sie in derselben Hand. Also schiebt sie sich die Verpackung praktisch in die Nase, um an ihrem Daumennagel knabbern zu können.

»Ähm?«, frage ich.

Sie lässt ihre Hand ruckartig fallen und spendiert mir abermals ein Lächeln. Diesmal wirkt es jedoch völlig falsch, und ich muss blinzeln, um mich zu versichern, dass die Müdigkeit von der Reise mich nicht halluzinieren lässt.

»Da lang«, wiederholt sie.

Wir sind beiderseits des Weges von blühenden Sträuchern und Palmen umgeben. Der leichte Wind vom Meer raschelt in den leuchtend roten und grünen Blättern eines kleineren Baums, und irgendwo weiter entfernt trällert heitere Inselmusik.

Ein paar der Petroleumfackeln sind erloschen, und unter ein, zwei Bäumen liegen tote Palmwedel im Gras.

Trotzdem: Dieser Ort ist ein tropisches Paradies.

Meine beste Freundin dürfte eigentlich nicht gestresst sein. Am wenigsten, da sie in ein paar Tagen die Liebe ihres Lebens heiraten wird, und zwar in genau dem Resort, von dem sie absolut jedem erzählt hat, dass sie einmal dort heiraten würde – seit sie ein Foto davon in einem Reiseprospekt entdeckt hat, als wir noch klein waren.

Nun bleibe ich stehen, packe ihre Arme und blicke zu ihr hoch. »Also, was ist los?«

»Nichts.«

Emma ist seit mehr als zwanzig Jahren eine meiner zwei besten Freundinnen. Ich weiß, wenn sie lügt, und ich weiß, wenn sie sich anstrengt, um mir weiszumachen, dass sie gerade nicht lügt. Und ich sehe es, wenn sie am Rande eines Nervenzusammenbruchs steht und als allerletzte Zuflucht zur Lüge greift, um sich einzureden, dass alles in Ordnung sei.

Und genau in diesem Stadium befinden wir uns gerade.

»Okay, fangen wir damit an, dass wir tief Luft holen. Was es auch ist, wir kriegen es hin.«

»Laney«, haucht sie, ein klagendes Flehen voller Hoffnung. »Ich weiß nicht, ob du das kannst.«

»Rede erst mal mit mir. Sag mir einfach, was los ist. Alles in Ordnung mit dir und Chandler?«

Sie windet sich.

Ich lege den Kopf schief und warte.

»Mit Chandler und mir ist alles gut. Mit der Hochzeit ist alles gut. Alles ist gut.«

So hört sich nicht so an, als wäre alles gut.

Sie hört sich so an, als wäre sie nur eine Haaresbreite davon entfernt, auf einen vorbeifahrenden Laster zu springen und ihrem Leben davonzufahren.

Nun hebe ich auch noch eine Braue und warte weiter.

»Es ist nicht so wie vor drei Jahren, als wir uns fast getrennt hätten«, platzt es schließlich aus ihr heraus. »Mit uns ist alles gut. Wir sind beide ganz aufgeregt, weil wir hier sind und endlich heiraten. Es … es liegt an keinem von uns beiden.«

Lügen kann ich keine ausmachen, aber sie ist immer noch so gestresst, dass sie ganz verkniffen guckt und viel zu flach atmet. Ich nicke und drücke ihren Arm. »Gut. Also, was stimmt dann nicht?«

Sie macht sich frei und setzt den Weg fort. Zwischen zwei Büschen kommt kurz der Sonnenuntergang zum Vorschein und …

Oh, mein Gott.

Es ist einfach umwerfend. Hinter einer Reihe Kokospalmen mischen sich Orange- und Rosatöne. Was – oder wer – auch immer Emma hier die Freude verdirbt, wird dafür zur Strecke gebracht. Sie müsste in diesem Augenblick mit Chandler am Strand sitzen und sich diesen Traum ansehen.

Doch als ich ihr den gewundenen, rissigen Gehweg entlang folge, verschwindet der Sonnenuntergang hinter einem hochgewachsenen, blühenden Busch.

»Emma?«

Mit den Zähnen reißt sie das Papier des Proteinriegels auf, beißt ein mächtiges Stück ab, kaut dreimal und schluckt. »Oh, Cookies and Cream. Die mag ich am liebsten.«

»Ich weiß. Was stimmt nicht? Womit kann ich die Braut der Stunde so glücklich wie möglich machen?«

Sie wirft mir einen Blick zu, dann attackiert sie den Proteinriegel mit einem weiteren Bissen, der die Hälfte dessen vernichtet, was noch davon übrig war.

Oh, oh.

»Du muss… …ir ein… …fallen tun.«

»Ich muss dir einen Gefallen tun?«

Sie nickt und sieht mich an, während wir weitergehen.

»Emma! Du weißt, ich bin hier, um alles für dich zu tun, was du diese Woche brauchst. Alles. Du musst es bloß sagen. Oh. Mein. Gott.« Ich senke die Stimme zu einem Flüstern. »Bist du etwa schwanger? Brauchst du …?«

»Nein.«

»Okay, okay.«

Sie schluckt sichtlich und windet sich wieder. »Ich wünschte, ich wäre schwanger«, grummelt sie dann. »Aber, leider nein. Es ist viel schlimmer, Laney. Ich hätte es wissen müssen, habe ich aber nicht, also finde ich mich jetzt damit ab. Ich bin bloß so müde. Und ich hasse es, dich das zu fragen, aber ich weiß, du bist die Einzige, auf die ich mich verlassen kann.«

»Nun sag schon. Ich bin ja bei dir.«

Als das Buschwerk sich vor uns öffnet, bleibt sie stehen, die Musik wird lauter, und hinter einem nierenförmigen Pool, um den sich – im Wasser, auf Liegen oder auf Stühlen am Rand der Terrasse – rund ein Dutzend Leute versammelt haben, weitet sich der Blick auf den Sonnenuntergang.

Diesmal erlaubt sie sich, ungehemmt an ihrem Daumen zu knabbern, obwohl sie den Rest des Proteinriegels essen könnte, und starrt auf den Pool. Allerdings nicht mit einem abwesenden, auf nichts Besonderes gerichteten Blick, als würde sie angestrengt über irgendetwas nachdenken. Sie starrt vielmehr so, als hätte sie das Problem direkt vor ihrer Nase, begleitet von dem tiefsten Seufzen, das ich in meinem ganzen Leben von ihr gehört habe.

Claire, Emmas beste Freundin aus ihrer Studentenverbindung und ihre dritte Trauzeugin, hat sich eine Liege am Pool gesichert. Sie gehört zu Emmas College-Kommilitoninnen, die ich am besten leiden kann. Ihr Haar und ihr heller Badeanzug sind nass, als wäre sie eben erst aus dem Wasser gestiegen. Die Sonne scheint nicht mehr genug, um noch ein paar Sonnenstrahlen zu tanken, aber irgendetwas anderes hält sie eindeutig dort fest.

Etwas äußerst Markantes.

Sie beugt sich über den Rand der Liege und flirtet lächelnd mit einem Mann in einem … Was?

Wieso trägt dieser Kellner ein aufblasbares Ride-on-Flamingo-Kostüm? Wie so ein Tyrannosaurus-Rex-Kostüm, nur eben in Form eines riesigen Flamingos, über dem seine unbekleidete obere Hälfte zu sehen ist. Das Kostüm hat links und rechts aufgeblasene Menschenbeine, sodass es aussieht, als würde der Mann auf dem Flamingo reiten, was ja ganz lustig wäre, wenn es an diesem Ort nicht so unerwartet wirken würde.

Er präsentiert Claire, die ihn mit Blicken verschlingt, ein Tablett mit Ananas an Schirmchen und Strohhalm.

Schön für sie.

Ich schaue Emma an, die ihrerseits entschieden den Kellner anstarrt.

Er ist muskulös, tätowiert, er hat lange Haare wie ein Surfer, allerdings kann ich sein Gesicht nicht erkennen. Doch ich sehe klar, dass Claire von ihm verzaubert ist.

Verzaubert verzaubert.

Sie sabbert sogar.

Großer Gott.

Emma steht bestimmt auf den Poolboy hier im Resort und hat es sich anders überlegt.

Ich meine, ich kann das verstehen. Chandler mag ja in Snaggletooth Creek ein Fang sein, aber er ist lange nicht so scharf wie dieser muskulöse, tätowierte Surfer. Hast du seine breiten Schultern gesehen? Und die Grübchen über seinem, ähm, Flamingo-Hintern?

Ich pirsche mich an meine Freundin ran und lege ihr einen Arm um die Taille. »Ähm, Em, sag mir nicht, du …«

Sie fällt mir mit einem halben Schluchzen ins Wort. »Onkel Owen hat ihn dazu angestachelt, sich das Kostüm anzuziehen, und weil die Bar unterbesetzt war, hat er sich einfach ein Tablett geschnappt und … ausgeholfen.«

Ich blinzle zu ihr hoch. Irgendwas entgeht mir hier. »Dein Onkel hat ihn angestachelt …«

»Ja, und ich weiß nicht, was passiert ist, aber als heute Morgen alle zum Tiefseefischen waren und zurückkamen, war Chandler stinksauer auf ihn. Er tat aber so, als wäre er nicht wütend, obwohl ich es ihm ansehen konnte, und ich verstehe es nicht. Ich meine, ich verstehe es schon, ich weiß, dass er manchmal ein Riesenhornochse ist, aber er ist nie absichtlich ein Hornochse. Eigentlich benimmt er sich sonst fast gar nicht mehr wie ein Hornochse. Es ist eher so, dass er irgendein Spielzeug sieht, das er dann haben will, und manchmal … passiert dann halt was … wenn das passiert.«

Ich bin total verwirrt. »Chandler ist doch kein Hornochse, Süße.«

Chandler kann sich absolut wie ein Hornochse aufführen, aber in all den Jahren, seit sie zusammen sind, hat er sich Emma gegenüber niemals wie ein Hornochse benommen. Und in den unwahrscheinlichen Fällen, in denen er doch mal kurz davor war, einer zu sein, machte er es mit lächerlich großzügigen Geschenken an Emma wieder gut.

Und wenn Emma daran denken sollte, die Hochzeit abzublasen, weil sie sich zu jemandem vom Hotelpersonal hingezogen fühlt, würde ich Chandler bis zum Ende verteidigen.

Denn Chandler zu heiraten ist genau das, was sie will.

Jedenfalls hat sie das seit ihrem ersten Date auf der Highschool ungefähr dreiundvierzig Milliarden Mal gesagt. Dass er ihr da noch keinen Heiratsantrag gemacht hat, haben wir ihm verziehen. Wir waren alle noch viel zu jung. Auf dem College haben sie sich dann getrennt, aber als sie vor sieben Jahren wieder zusammenkamen, wurden auch wir anderen das Warten allmählich leid.

Meiner Meinung nach hätte er sie vor mindestens vier Jahren fragen sollen. Schließlich hatte es nie den geringsten Zweifel daran gegeben, wohin diese Beziehung führen würde. Nicht einmal während der kurzen Trennungsphase vor drei Jahren. Und ich weiß, Emma hat immer wieder Andeutungen gemacht. Kann sogar sein, dass sie ihm ihrerseits ein- oder zweimal einen Antrag gemacht hat.

Aber genau so, wie er ihre Andeutungen bis vor einem Jahr nicht beachtet hat, hört sie mir jetzt gerade nicht zu. Stattdessen stürmt sie drauflos und lässt alles raus, was bedeutet, sie hat sich jetzt in das Thema verbissen.

Dann stelle ich meine Fragen eben später.

»Und dann war da noch die Sache auf dem Flug hierher«, sagt sie gerade. »Jetzt ist Chandler total besessen von dem, was an Thanksgiving vorgefallen ist. Ich hasse es, das zu fragen, ich weiß, es ist schrecklich, aber wir sind so kurz davor zu heiraten. Mir ist klar, dass er das nicht aufs Spiel setzen will, aber ich weiß auch, wie er ist, also, könntest du vielleicht … Gott, ich kann nicht fassen, dass ich das ausspreche, aber könntest du vielleicht, bitte, seine Babysitterin sein?«

Ich glotze sie mit offenem Mund an. Bin mir sicher, sie meint nicht Chandler.

»Okay, Babysitterin ist vielleicht ein bisschen drastisch. Eher ein Puffer. Ja. Könntest du nicht ein Puffer zwischen ihm und Chandler dein? Nur für ein paar Tage?«

»Du willst, dass ich auf den Poolboy aufpasse?«

Als sie mich endlich ansieht, legt sich ihr ganzes Gesicht in Falten. »Poolboy?«

Ich deute auf den Typ im Flamingo-Kostüm, der Claire offenbar irgendwas Lustiges erzählt, weil sie gleichzeitig vor Lachen fast zusammenklappt und um ihn herumscharwenzelt. Was ich ihr nicht verdenken kann.

Er ist heiß. Und unbestreitbar komisch. Wer trägt bei der Arbeit in einem Resort schon so ein Kostüm?

»Du redest von dem da? Dem Typ, der die Drinks serviert?«

Emma kreischt, und als ich sie wieder ansehe, fällt mir auf, dass sie soeben drei Stufen Entsetzen übersprungen hat. »Laney, das … ist Theo.«

Ich blicke wieder zum Pool, und der Kellner dreht den Kopf, sodass ich sein breites Grinsen sehen kann, und …

Oh, mein Gott! Sie hat recht. Das ist ihr Bruder. Ich meine, natürlich kennt sie ihren Bruder.

Aber der da sieht nicht aus wie ihr Bruder.

Jedenfalls nicht wie die Version von ihm, die ich kenne und über die ich mich die meiste Zeit meines Lebens geärgert habe.

Dann sehe ich genauer hin.

Theo Monroe, der mir, Emma und unserer Freundin Sabrina in der dritten Klasse den Spitznamen DiehässlichenErbinnen verpasst hat. Der der Highschool verwiesen wurde, weil er in der Schulküche mit einem Haufen ausgestopfter Tiere aus der Sammlung ihres Vaters eine Szene aus Braveheart nachgestellt hatte. Der, der wenige Monate nach dem Schulabschluss infolge einer Mutprobe um ein Haar das berühmte Denkmal unseres Stadtgründers zerstört hätte. Der schließlich bei dem Online-Versand meiner Familie etwas dermaßen Obszönes bestellt hat, dass ich es hier unmöglich aussprechen kann: etwas, das er dann, als ich nach meinem Master-Abschluss gerade in die Stadt zurückgekehrt war, überall in Snaggletooth Creek zur Schau trug und das mich bei seinem Anblick sabbern ließ.

Pfui.

Pfui!

Das muss der Jetlag sein. Oder die Luftfeuchtigkeit. Oder sonst irgendwas.

Wie konnte ich nicht sehen, dass dieser Flamingo-Mann Theo ist?

Snaggletooth Creek – für uns Einheimische nur The Tooth – ist klein, aber nicht so klein, dass man auf der Straße ständig allen anderen Einwohnern über den Weg laufen würde. Schon gar nicht, weil ich im Ostteil der Stadt wohne, wo sich die Weltzentrale des Unternehmens meiner Eltern befindet, weshalb ich überhaupt nicht mitbekommen habe, dass Theo allein in einem Häuschen am Rand des väterlichen Grundstücks gleich hinter der Westgrenze unseres beschaulichen, kleinen Bergstädtchens lebt. Während ich mittags im Stadtkern essen gehe oder im Café sitze, verbringt er seine Freizeit irgendwo, nur nicht im Herzen des Tooth, mit Bergsteigen, Snowboarden oder Kajakfahren. Zumindest nehme ich das an, nach allem, was mir Emma gelegentlich über ihn erzählt hat. Ich kann mich nicht erinnern, ihm in den letzten vier oder fünf Jahren persönlich begegnet zu sein. Und bestimmt nicht mit nacktem Oberkörper. Und ganz bestimmt hat er mich noch nie so angegrinst, wie er Claire in diesem Moment angrinst.

Pfui.

Das ist echt demütigend.

»Großer Gott, Laney, du warst meine letzte Hoffnung«, flüstert Emma. »Fall jetzt bloß nicht auf das Theo-Leuchten rein.«

Ich blinzle, schüttle den Kopf und rufe meine Gesichtszüge zur Ordnung, während ich mich wieder ihr zuwende. »Ist er noch derselbe wie früher?«

Als sie lacht, klingt es derart aufrichtig belustigt, dass meine Schultern sich lockern. »Ja«, antwortet sie bestimmt. »So was von ja.«

»Dann ist wohl alles klar.« Nur dass mir, noch während ich es ausspreche, der Rest unseres Gesprächs wieder einfällt …

Oh nein.

Oh nein, nein, nein, nein …

»Dann machst du es?«, hakt sie nach. »Du spielst die Babysit… äh … die Brandmauer zwischen Chandler und Theo?«

Ich erblicke Chandler auf der anderen Seite des Pools, wo er inmitten seiner Drillingscousins thront, die ihm als Trauzeugen dienen. Alle vier sitzen um einen etwas abgelegenen Tisch, der eine fantastische Aussicht auf den Sonnenuntergang bietet, doch ich sehe selbst von hier, wie er verärgert die Lippen kräuselt, während er Theo im Auge behält. Dabei trommelt er auf etwas am Tischrand, das wie ein Tennisschläger aussieht, und blickt finster drein.

Wie war das noch mit dieser Hochzeit? Eine Woche Sonne, Spaß und Urlaub im Kreise der Familie und ihrer engsten Freunde, während daheim in den Bergen alles in Schnee und Eiseskälte versinkt?

Emmas Traum.

Sie ist in einer baufälligen Hütte gleich hinterm Stadtrand aufgewachsen. Meine Eltern hatten, als wir klein waren, einen T-Shirt-Laden, ihr Vater war ein unbedeutender Tierpräparator.

Aber mit dem Internet wurden die Geschäfte unserer Familien immer größer. Allerdings ist ihr Laden in der Stadt nicht ganz so angesehen wie unserer. Was nie anders war, nicht einmal, als ihre Mutter noch lebte und unseren Schulbus fuhr.

Deshalb weiß ich, wie sehr es sie stört, dass sie zu Hause als das Mädchen gefeiert wird, das seine bescheidene Herkunft hinter sich gelassen und etwas aus sich gemacht hat.

Dass sie etwas aus sich gemacht hat, heißt, dass sie mit einem Abschluss in Buchhaltung und einer eigenen Steuerberatungsfirma nach Hause kam, die inzwischen für die halbe Stadt die Steuern erledigt. Und sie liebt es.

Und Chandler heiraten und eine Familie gründen?

Das wäre die Kirsche auf dem Eisbecher, der Emmas Leben darstellt.

»Na klar mache ich das«, sage ich – hoffentlich mit der Überzeugungskraft, die ich benötige, um mir auch selbst zu glauben.

Theo kann echt ein Arsch sein, und so was wie Verantwortungsbewusstsein würde er nicht mal erkennen, wenn es oben auf Ol’Snaggletooth, dem Goldgräber-Denkmal vor unserem heimischen Rathaus, einen Striptease vor ihm hinlegen würde. Emma beschwert sich längst nicht mehr darüber, dass sie ihn im Alter wird unterstützen müssen. Ich habe den Verdacht, das liegt mehr an der Loyalität ihrer Familie gegenüber und daran, dass sie vor niemandem schlecht über ihn reden will, als an einem plötzlichen Mangel an Sorgen um Theo. Allerdings ist er dafür bekannt, sich immer gut zu amüsieren.

Das Flamingo-Kostüm, das Flirten und die Drinks?

Einhundert Prozent Theo.

»Ich würde ja Sabrina fragen, aber die hat ihm die ganze Zeit Fratzen geschnitten …«, setzt Emma an.

»Wahnsinn«, seufze ich, ehe ich mich zurückhalten kann.

»… sicher nur aus Loyalität Chandler gegenüber, weil er doch ihr Cousin ist und weil sie Kollegen sind und all das. Chandler war heute Nachmittag echt stinksauer, weil er gestresst ist …«

»Alle wollen, dass in deiner Hochzeitswoche alles wie am Schnürchen läuft.«

»Und was Claire betrifft …« Sie lässt seufzend den Kopf in die Hände sinken, wobei sie die letzten Reste des Proteinriegels auf ihrer Stirn verschmiert, und murmelt irgendwas.

Ich nehme ihr den Riegel weg und wische ihr die Stirn sauber. »Ja, Süße?«

»Er wird sie verführen, ehe der Abend gelaufen ist, und dann muss ich mich auch noch mit ihrem gebrochenen Herzen herumschlagen, weil sie keine Ahnung hat, dass er der Typ ist, der nichts anbrennen und seine Opfer dann sitzen lässt«, zischt sie mir zu. »Was zu jeder anderen Zeit auch kein Problem für sie gewesen wäre, allerdings ist sie nach einer fürchterlichen Trennung momentan superverletzlich, weshalb ich ihr das nicht zumuten will. Ich möchte sie in keinem noch übleren Zustand sehen als vor ihrer Ankunft hier.«

Damit könnte sie richtigliegen.

Theo zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich, als wäre er eine Sirene und sie ein liebeshungriger Seemann, der seit Wochen auf dem Meer herumirrt, was nicht so ganz zu der Claire passt, an die ich mich erinnere. Claire war immer gut drauf und Herrin ihrer Sinne, sodass sie ganz sicher nicht mit Theo geflirtet hätte. Zudem ist sie nicht die Einzige am Pool, die Theo ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen lässt.

Allerdings könnte es sein, dass Chandlers Großtante Brenda ihn böse anfunkelt. Wobei man manchmal nicht genau sagen kann, ob sie irgendwen böse anfunkelt oder ob sie gerade über ihn in Verzückung gerät.

Ich schlucke schwer. »Keine Sorge, Em, ich bin da.«

»Nur für ein paar Tage. Ich schwöre, sobald Chandler etwas Abstand von Theo hat und dazu kommt, einfach am Strand abzuhängen oder ein, zwei Runden Golf zu spielen, wird es ihm wieder gut gehen, und Theo wird ihn nicht mehr so sehr interessieren.«

»Absolut. Kein Problem.«

»Und vielleicht könntest du auch mal mit Sabrina reden und herausfinden, warum sie so sauer auf ihn ist.«

»Emma. Wenn es sonst nichts ist … Vertrau mir, ich hab alles im Griff.«

»Nur eine Sache noch.«

Ich sehe sie an.

Sie sieht mich nicht an. »Wir haben einen Bungalow zu wenig, deshalb habe ich dich bei … ihm untergebracht«, platzt sie heraus.

Keinen Mucks jetzt, Delaney. Du bist eine Kingston. Du zählst zu Emmas engsten Freundinnen. Du bist wegen ihr hier. Das ist ihre Woche. Hier geht es um ihre Hochzeit. Ihre Traumhochzeit. Keinen. Mucks. Jetzt.

Aber es klappt nicht.

Ich zucke zusammen.

Und dann fällt mir ein, was meine Eltern sagen würden. Sie sind nicht gerade Fans von Theo und bekämen einen Anfall, wenn sie mich seinen Bungalow betreten sehen würden.

Ich zucke abermals zusammen.

Meine Eltern haben sich auch nicht die subtile Bemerkung darüber verkniffen, wie schön es doch sei, dass Emma heirate, während ich vor einem Jahr den Antrag ihres Lieblingskandidaten ausgeschlagen hätte. Sie würden sich doch Sorgen machen, ich könnte als einsame alte Jungfer ohne irgendwelche Aussichten enden, wenn ich nicht langsam mal anfangen würde, die Männer, die meine Mutter mir dauernd vorstellte, wenigstens in Betracht zu ziehen.

»Der Bungalow ist riesig«, versichert sie mir viel zu enthusiastisch. »Mit zwei Schlafzimmern. Sämtliche Häuser haben mindestens zwei Schlafzimmer. Und ich bearbeite das Personal hier täglich – nein, stündlich –, dir einen eigenen zuzuweisen, sobald einer frei wird. Ich weiß, du hattest vor, dir einen mit deinen Eltern zu teilen, sodass wir sie nicht in das überbuchte Hotel stecken müssen, und ich weiß auch, es wäre okay für dich, wenn du mit Claire und Sabrina zusammenwohnen würdest, da gibt es nämlich Ausziehbetten und so, aber dann ist mir klar geworden …« Sie hält kurz inne, seufzt und beäugt aufs Neue Theo. »… dass es dir leichterfallen würde, ihn für ein paar Tage von Chandler fernzuhalten, wenn du die ganze Zeit bei ihm wärst«, flüstert sie mir schließlich zu.

Ich brauche definitiv vier von dem, was in den Ananas ist, die Theo gerade verteilt. »Oh, mein Gott, Em, das ist doch das Mindeste, was ich für dich tun kann.« Ich kreische praktisch.

Was sie natürlich mitbekommt.

Und sie weiß auch, dass sie keine von uns um etwas Schlimmeres bitten könnte.

Aber es ist ja nur für ein, zwei Tage. Nur so lange, bis sich irgendwo etwas ergibt und die Spannungen nachlassen und alles wieder in normalen Bahnen verläuft. Für ein, zwei Tage schaffe ich das schon.

Für drei jedoch eher nicht – meine Eltern treffen in drei Tagen hier ein –, aber ich kann ohne Frage helfen, Spannungen abzubauen, indem ich Theo bis dahin von Chandler fernhalte.

Ich klopfe ihr auf die Schulter und verkneife mir ein Stirnrunzeln über ihre allzu spitzen Schulterblätter. Dabei hatte sie immer Probleme, ihr Gewicht zu halten. Der Stress tut ihr offenbar nicht gut.

Während meine Eltern Theo verabscheuen, lieben sie Emma. Das Mädchen, das nach dem tragischen Tod seiner Mutter, als wir in der Middleschool waren, dem Haus eines alleinerziehenden Tierpräparators entwuchs und zu einer geachteten Steuerberaterin wurde, die ihre Rechnungen selbst bezahlt und Umgang mit den richtigen Leuten in Tooth pflegt.

Meine Eltern würden wollen, dass ich für Emma tue, was in meiner Macht steht, damit sie glücklich und wohlauf ist. »Keine Sorge. Ich bin schon bei der Arbeit. In fünf Jahren blicken wir auf diese Woche zurück, während deine Kinder ihre Geburtstagsgeschenke auspacken und wir uns darüber kaputtlachen, wie dumm wir damals alle waren und wie fantastisch alles am Ende doch ausging. Alles unter Kontrolle, ich schaffe das.«

Sie zieht mich in eine Umarmung. »Danke.«

»Em, es ist deine Hochzeit. Das ist doch selbstverständlich.«

»Ich weiß, es ist schrecklich, dich darum zu bitten …«

»Nein, ist es nicht. Schrecklich wäre, wenn du mich bitten würdest zu überwachen, mit wem dein Onkel flirtet.«

Sie lacht.

Ich lache.

Wir hören uns beide wie hoffnungslose Idiotinnen an.

»Em, du heiratest Chandler, und nach einer Woche Hawaii geht es auf die Fidschi-Inseln. Darauf hast du dein ganzes Leben lang gewartet. Selbst nachdem ihr euch auf dem College getrennt hattet. Und die Wartezeit, bis der Blödmann dir einen Antrag gemacht hat, zählt doppelt, oder nicht?«

Sie lacht wieder, als sie sich aus der Umarmung befreit, und dieses Mal klingt es schon normaler. »Du bist die Beste, Laney. Echt.«

Ich lächle sie an. »Wart’s ab, bis ich dich um einen Gefallen bitte, wenn ich mal heirate.«

»Oh Gott, sag bloß, du triffst dich mit diesem Banker, mit dem deine Mutter dich letzte Woche bekannt gemacht hat.«

Und dafür liebe ich Emma. »Nein, aber ich denke darüber nach, mit jemandem auszugehen, der überhaupt nicht zu mir passt, nur um meine Eltern in den Wahnsinn zu treiben«, scherze ich, auch wenn es nicht mehr ganz so lustig ist wie noch vor einem Jahr.

Sie sieht zuerst mich an.

Dann Theo.

Dann wieder mich.

»Nein«, sage ich.

Sie kichert.

Das Ganze grenzt immer noch an Hysterie.

»Jedenfalls nicht sofort«, sage ich schnell. »Vielleicht … später. Nachdem sie mir die Firma überschrieben haben und es nicht mehr rückgängig machen können.«

Was irgendwann in den nächsten fünf Jahren stattfinden soll, damit sie in den Ruhestand gehen und ihren Lebensabend genießen können.

Ich habe meinen Job, ich liebe unsere Mission, unsere Zielsetzung, und ich freue mich sehr darauf zu erweitern, was ich sie habe aufbauen sehen, als ich aufwuchs. Ich wünschte nur, es wäre nicht mit ganz so vielen an sämtliche Aspekte meines Lebens gerichtete Erwartungen verbunden gewesen.

Früher war das nie der Fall, doch als Kingston Photo Gift expandierte, wurden meine Eltern in allen Belangen immer unbeweglicher und wählerischer. Vor allem, wenn es darum geht, wer ihrer würdig ist. Und glaubt mir, es gibt Tage, an denen ich denke, dass sie sich da bei mir noch immer nicht sicher sind.

Wieder werfe ich einen Blick auf Theo.

Ihn betreffend gibt es keinerlei Erwartungen, denen er gerecht werden müsste. Also kreuzt er bei einer Ferienhochzeit auf Hawaii auf und tut, wonach ihm der Sinn steht.

»Was macht er jetzt?«, zische ich Emma zu. »Ich meine, in echt, benötige ich irgendwelche Zusatzinfos zu dem Kostüm?«

»Das Kostüm ist Theos Idee.« Sie verdreht die Augen. »Er und Onkel Owen haben es im Schaufenster eines Second-Hand-Ladens entdeckt. Und Onkel Owen hat ihn angestachelt, es anzuziehen. Und wie ich schon sagte, ist das Resort hier ein bisschen unterbesetzt, also hat er beschlossen, beim Servieren der Getränke zu helfen. Ist ja auch irgendwie lustig, oder?«

»Soll ich dafür sorgen, dass er es morgen nicht zum Frühstück anzieht?«

»Das wäre super. Aber wenn du mit ihm redest, sag ihm nicht …«

»Em, ich glaube, ich weiß, wie ich deinen Bruder anpacken muss, zumindest weiß ich, was ich besser nicht sage.«

»Meistens.«

Ich habe Theo, seit ich vom College nach Hause gekommen bin, nicht willentlich gemieden, war andererseits jedoch auch nicht betrübt, weil unsere Wege sich so selten gekreuzt haben.

Sie sackt erleichtert zusammen, im selben Moment holt Chandler mit dem Tennisschläger nach irgendwas aus.

»Was …«, beginne ich, verstumme aber, als ihr Augenlid zu zucken beginnt.

»Das Ungeziefer hier steht echt auf Chandler«, flüstert sie. »Das ist womöglich nicht der ideale Hochzeitsort für ihn.«

»Das …?«

»… ist ein Elektroschocker für Insekten in Tennisschlägerform. Den hat er von Theo, und zuerst hat er sich deswegen furchtbar aufgeregt, aber inzwischen benutzt er ihn dauernd. Und, bist du bereit?«

Richtig.

Bereit.

Für meinen Job, für das Einzige, was meine beste Freundin während ihrer Hochzeitswoche wirklich glücklich macht.

Theo umkreist den Pool und nähert sich dem Tisch des Bräutigams. Sein wuscheliges hellbraunes Haar weht im Wind, als er das Tablett mit dem letzten Ananas-Drink in der einen Hand und die Flamingo-Zügel in der anderen hält. Seine Haare sind nicht wirklich lang. Eher reif für einen Haarschnitt, was eine Riesenveränderung gegenüber den Tagen darstellt, in denen er sie bis auf die Kopfhaut kurz geschoren trug – die unmittelbare Folge eines Unfalls mit einem Streichholz und fermentiertem Apfelsaft in der Cafeteria unserer Middleschool. Und wäre er nicht Theo, würde ich sein Brust-Tattoo womöglich genauso unverwandt angaffen, wie Claire es tut.

Aber er ist Theo. Und er nähert sich zweifellos Chandler, was genau das ist, das zu verhindern ich soeben aufgefordert wurde.

»Ich bin dran«, sage ich.

Das habe ich nicht kommen sehen, hätte vermutlich aber damit rechnen müssen.

Warum hätte Theo ausgerechnet in diesem Paradies ein anderer sein sollen als er selbst?

Und wem sonst hätte Emma vertrauen sollen als ihrer Spaßbremse von Freundin?

Ich unterdrücke ein Seufzen. Und wann werde ich Spaß haben?

Gar nicht, wenn deine beste Freundin dich braucht, damit sie auch wirklich ihre Traumhochzeit bekommt.

»Ich schwöre, ich besorge dir eine andere Unterkunft, bevor deine Eltern hier eintreffen«, sagt sie jetzt. »Und ihnen auch, wenn ich keinen anderen Bungalow erwische.«

»Mach dir deshalb keinen Kopf. Darum kümmere ich mich schon.«

Wir sind schon sehr lange beste Freundinnen. Es ist ganz normal, dass sie weiß, dass meine Eltern nicht mitbekommen sollen, wenn ich viel Zeit mit Theo verbringe. So, wie ich euch versichern kann, dass sie die Flatter kriegt, sich aber trotzdem sicher ist, diese Heirat wirklich zu wollen. Alles wird ganz wunderbar werden und sie die glücklichste Emma in der Geschichte sämtlicher Emmas, und sie wird eine Familie gründen …

Vorher muss nur noch ihre Hochzeitswoche großartig verlaufen.

Theo bleibt neben Chandlers Tisch stehen und bietet eine Ananas mit Papierschirmchen feil.

Und dann passiert es.

Als er mit dem ausgestreckten Tablett dasteht, muss Theo plötzlich niesen.

Was nichts mit normalem Niesen zu tun hat.

Normale Menschen niesen.

Theo allerdings überkommt ein Anfall mit vollem Körpereinsatz – mit Lunge, Nase und Stimmbändern –, der sich anhört, als würde ein mit Höchstgeschwindigkeit dahinrasender Güterzug plötzlich abbremsen und sein Signalhorn auslösen.

Er gehört zu dieser Sorte Niesern.

Bei denen es ganz plötzlich kommt.

Die laut niesen.

Und so erschreckend, dass Chandler »Um Himmels willen!« schreit und mit seinem Elektroschocker in Richtung der Gefahr ausholt, bei der es sich, wie es der Zufall will, um Theo handelt.

Aber er trifft nicht Theo.

Oh nein.

Er trifft etwas weit Schlimmeres.

Nämlich ein Papierschirmchen.

Es gibt ein irgendwie zischendes Geräusch, als der Elektroschocker auf den in Theos Hand überschwappenden Drink prallt. Unmittelbar gefolgt von einem unverkennbaren »Puff«.

Begleitet von einem Feuerfunken.

»Oh, mein Gott!« Ich lasse meine Handtasche fallen sowie die Überreste des Proteinriegels und setze zu einem Sprint an.

Das Papierschirmchen ist in Flammen aufgegangen.

Es brennt lichterloh.

Und zu nah an Theos Kostüm.

Viel zu nah.

»In den Pool!«, schreie ich, während ich um das Schwimmbecken renne. »Theo, spring in den Pool!«

Die Sullivan-Drillinge zerstreuen sich, einer kommt näher, um Fotos zu machen, die anderen beiden beeilen sich, die Älteren vor dem Feuer in Sicherheit zu bringen, während Chandler Theo anglotzt.

Theo wiederum wendet mir den Kopf zu, in dem Moment entzündet sich sein Kostüm. Der Flamingo-Kopf steht in Flammen.

Er steht in Flammen.

Wir sind Bergbewohner. Wir lassen nichts anbrennen.

Am wenigsten Flamingos.

Doch Theo sieht mich mit einem Blick an, den ich schon so häufig gesehen habe, dass ich ihn förmlich in meinem Kopf sagen höre: Oh gut, Prinzessin Plainy-Laney ist hier!

Ich habe noch meine Sneakers an. Die sind praktisch, wenn man fliegt oder um einen Pool rennt, sodass ich jetzt schnell vorwärtskomme.

»Du brennst!«, kreische ich ihn an.

Endlich – endlich! – guckt er nach unten.

Und dann grinst der Blödmann. »Ah, machst du dir Sorgen um mich, Laney?«

»Du. Stehst. In. Flammen!«, schreie ich noch einmal. Ich bin fast da. Fast da.

»Was zur Hölle tust du da, du Arsch … du Vollidiot … Theo?«, schnappt Chandler nach ihm.

»Theo! Theo! Spring in den Pool!«, ruft jetzt Chandlers Mom hinter dem Drilling, der sie aus der Gefahrenzone zu schaffen versucht.

Der kriegt mich nicht klein.

Er ist mindestens fünfzehn Zentimeter größer und um fünfzig bis sechzig Pfund Muskelmasse schwerer als ich, aber ich werde mich von einer Kleinigkeit wie seiner Größe und Kraft nicht aufhalten lassen.

Er wird jeden Moment selbst lichterloh brennen.

In dieser Situation gibt es nur noch eine Möglichkeit: Ich ändere meinen Anflugwinkel und spüre die zunehmende Hitze, als ich neben ihm aufschlage und ihn mit der ganzen Wucht meines Anpralls ins Wasser stoße.

Unglücklicherweise hat sich die Wucht meiner Ankunft damit nicht verbraucht. Denn als er die Augen aufreißt und ihm klar wird, dass er rückwärtsfällt, greift er nach dem nächsten Halt.

Und der bin ich.

Und damit lande auch ich schlussendlich im Pool.

2. Kapitel

Theo Monroe alias der Typ, der macht, was er kann, wenn es darauf ankommt – dem andererseits aber kaum etwas leidtut

Onkel Owens Mutproben sind im Allgemeinen nicht ganz so witzig. Meistens fallen sie eher schlicht aus, so wie damals, als wir einen Haufen Mäuse im Park ausgesetzt haben. Ausgestopfte Mäuse. Nur damit das klar ist.

Nachdem die Leute sich beruhigt hatten, gingen wir damit als Colorado-Mäusestadt auf Instagram viral. Sogar die nationale Presse rückte an, um alle möglichen Einwohner zu interviewen, die vorgaben, keine Ahnung zu haben, woher so viele ausgestopfte Mäuse hergekommen sein könnten.

Die Nummer hier dürfte ähnlich große Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Decker Sullivan hat alles aufgenommen.

Was nicht heißen soll, dass ich vorgehabt hätte, ein Flamingo-Kostüm anzuzünden und von der sittenstrengen besten Freundin meiner Schwester in den Pool geschubst zu werden.

Irgendwie passiert immer irgendein komischer Scheiß, wenn ich dabei bin.

Es ist echt der Wahnsinn, ich zu sein. Jedenfalls denke ich das, als ich wieder an die Wasseroberfläche komme.

Dann schüttle ich mir das Wasser aus den Haaren, streiche sie mir nach hinten und erkenne den Ausdruck abgrundtiefen Kummers in Emmas Gesicht, als sie Chandler weiter vom Schwimmbecken abzudrängen versucht. Von mir.

Fuck!

Lucky Sullivan, ein weiterer der Drillinge, bekommt anscheinend nicht mit, wie Braut und Bräutigam reagieren. Grinsend reicht er mir eine Hand, um mir aus dem Pool zu helfen. »Kannst dich doch nicht einfach in Brand setzen, Junge. Und dir ausgerechnet von dem letzten Menschen den Arsch retten lassen, von dem man erwarten würde, dass er vollständig bekleidet in einen Pool springt … Ein Klassiker, Mann, echt ein Klassiker.«

Ich erwidere sein Grinsen, während ich mutwillig beschließe, die entsetzten Blicke aller hinter ihm zu ignorieren. Da steht jetzt nicht mehr nur Em, sondern es haben sich praktisch alle aus Chandlers weitläufiger Verwandtschaft, die mit uns hergekommen sind, versammelt.

»Was soll ich sagen? Gefahr ist mein Geschäft.«

Er schnaubt.

Ich grinse noch breiter und stürze um ein Haar zurück in den Pool, als ich hinauszuklettern versuche.

Das Aufblaskostüm ist nass reichlich unhandlich. Wer hätte das gedacht?

»Sei zukünftig vorsichtiger«, sagt Jack Sullivan, Drilling Nummer drei, während er einen halben Meter neben mir Delaney Kingston aus dem Pool zerrt. »Das Teil läuft mit Batterien. Die Sorte Batterien hat zwar nicht genug Saft, um den Pool unter Strom zu setzen, trotzdem sollte man bei Elektrizität und Wasser kein Risiko eingehen.«

»Tja, wenn es hieße, entweder an einem Stromstoß zu versterben oder Emmas Bruder in Flammen aufgehen zu sehen, entscheide ich mich lieber für das geringere Risiko«, keucht Delaney und spuckt ein bisschen Poolwasser.

»Spielverderber«, brummt Lucky.

»Wer von uns beiden?«, gebe ich zurück.

Er würgt an einem weiteren Lachanfall, während ich den Rest meines schlaffen Kostüms aus dem Pool ziehe.

Ich fange auch wieder an zu lachen, doch dann fällt mein Blick abermals auf Emma.

Ihr Stirnrunzeln, ihr neuerlicher frustrierter Blick in meine Richtung ist ganz klar etwas, das ich zu verantworten habe. Meine Aktionen haben zum Ziel, dass sich ihr Verlobter mies fühlt. Ich wusste natürlich, dass Chandler seekrank werden würde, als ich vorschlug, heute Vormittag mit allen zum Tiefseefischen zu gehen, und ich war schuld dran, dass sein Bildschirm während des Fluges kaputtging, sodass er sich den ganzen Flug über Filme angucken musste, die ich ausgesucht hatte, weil er hinter mir saß. Offenbar hatte ich ihm auch das Ende des letzten Avengers-Film verraten.

Lucky schaut in ihre Richtung und seufzt seinerseits. »Ich kapier es nicht, Alter«, sagt er. »Chandler ist doch sonst nicht so engstirnig wie ein entzündeter Schließmuskel, und hey, wir sind hier, mitten im Paradies …«

»Das hab ich jetzt nicht gehört«, erwidere ich. Das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können, ist, dass Chandlers Trauzeugen auf ihn losgehen. Der Junge hat Probleme. Und er braucht diese Woche ein bisschen Beistand. Allerdings nicht von mir. Von mir ganz sicher nicht. »Stell dich gefälligst auf seine Seite.«

»Es sollte gar keine Seiten geben.«

»Die gibt es immer. Aber sag Emma nichts davon.« Chandler ist nicht gerade mein Lieblingsmensch auf Erden, aber ich heirate ihn ja auch nicht.

Emma heiratet ihn.

Ihre Entscheidung. Und ihr gutes Recht. Schließlich hat er sie häufiger glücklich gemacht als unglücklich. Um ihretwillen sollte ich mich gut benehmen.

»Nachher an der Bar?«, will Lucky wissen.

Ich werfe noch einen verstohlenen Blick auf meine Schwester, die gerade Chandler tröstet, als wäre er der Mann, dessen Gesicht fast wegen eines Elektroschockers und der Fehlfunktion eines Papierschirmchens abgebrannt wäre. Ich sehe Lucky an und schüttle den Kopf. »Nee, du hast deine Pflichten als Trauzeuge zu erfüllen, mein Freund. Wir treffen uns nächste Woche zu Hause.«

»Ich schreib dir, wenn er früh schlafen geht. Ein Stück weiter gibt es eine Karaoke-Bar.«

»Fuck, ja.« Ich liebe Karaoke.

»Wenn wer früh schlafen geht?«, fragt Decker, als er zu uns stößt.

Vermutlich hat Chandlers Mom sich von dem Anblick eines den Flammentod sterbenden Flamingos erholt und muss sich nicht länger an ihm festklammern, während er alles mitschneidet.

»Du«, antwortet Lucky. »Du bist zu langweilig für Bars.«

Beide brechen in Gelächter aus.

Würde ich auch gern – mit den beiden herumzualbern ist normalerweise ganz mein Ding –, doch Emma sieht schon wieder zu mir her. Und ihr Blick ermahnt mich, ihrem Zukünftigen um Gottes willen ein bisschen Abstand zu gönnen.

Sie trifft eine Stelle in mir, die seit der Highschool superempfindlich ist. Es ist schon lange her, seit mich ein derart schlechtes Gewissen beschlichen hat. Aber wir sind hier im Paradies, wo bis vor fünf Minuten noch alles prima war, bis Chandler mich mit einem Geschenk von mir in Brand gesetzt hat.

Gut, ich habe geniest.

Jeder niest mal.

Aber anscheinend darf ich für den Rest der Woche nicht mehr niesen.

Zeit für einen Neustart.

»Viel Spaß heute Abend«, sage ich zu Lucky und Decker, während ich mich mühsam aufrapple und das triefend nasse Kostüm um mich raffe, damit niemand meine Unterhose sieht.

Den Drillingen scheint aufzufallen, dass wir die Einzigen auf der Terrasse sind, die sich amüsieren, worauf sich ein kollektives Seufzen zwischen den dreien erhebt – ein völlig gleichlautendes Seufzen, so, wie auch alle drei identische braune Haare, helle Haut und blaue Augen haben. Aber wenn man erst mal den Charakter jedes einzelnen Drillings kennt, kann man sie ziemlich gut auseinanderhalten.

Sogar Jack seufzt, als er Delany endlich wieder auf ihre Füße gestellt hat.

»Erinnert mich daran, rechtzeitig abzuhauen, wenn ich mal meine Traumfrau gefunden habe«, sagt Lucky. »Dieser Hochzeitskram ist bloß stumpfsinniger Stress.«

»Als würde dich eine haben wollen«, meint Decker.

»Fuck, und ob mich eine haben will. Schließlich bin ich der Hübscheste von uns dreien.«

Normalerweise würde ich darüber lachen.

Und die anderen beiden auch. Stattdessen seufzen sie wieder.

»Willst du wirklich noch ausgehen?«, fragt Decker.

»Nee.« Ich werde heute Abend definitiv noch einen trinken gehen. Aber ohne die drei.

Chandler könnte betrübt sein, wenn seine Trauzeugen ihn sitzen lassen.

Das kann ich nicht verantworten.

Ich bedeute Emma mit einem Wink, Chandler aus dem Weg gehen zu wollen, dann nicke ich Delaney zu. »Danke für die Rettung. Ich schulde dir was, wenn du mal Feuer fängst.«

Ihre Nasenflügel zucken. »Ich helfe, wo ich kann.«

Typische Antwort einer Streberin.

Wie nicht anders zu erwarten.

Sie will noch etwas sagen, doch ich mache mich auf den Weg um den Pool herum, als hätte ich es nicht bemerkt.

Wenn Chandlers Schließmuskel diese Woche zu eng ist, dann ist Delaney Kingstons seit ihrer Geburt praktisch zugewachsen.

Wofür sie nichts kann. Vermutlich. Aber es wäre meine Schuld, wenn ich noch länger hierbleiben und ihr auf den Zeiger gehen würde, nachdem ich ihr bereits zu einem Bad im Pool in vollständiger Bekleidung verholfen habe. Nichts ist schlimmer, als den Bräutigam und die Braut zu verstimmen.

Also mache ich mich besser rar.

Claire, Ems blonde Verbindungsfreundin und weitere Trauzeugin, öffnet den Mund, als wollte sie mich fragen, ob wir womöglich nicht zusammen langweilig sein könnten.

Mir fällt wieder ein, dass Emma von mir enttäuscht ist, und ich setze meinen Weg fort.

Diese Woche ist echt verrückt. Was nicht heißen soll, dass Emma für mich nicht eigentlich immer an erster Stelle stehen würde, doch in dieser Woche gelten besondere Regeln. Aber anscheinend habe ich mich noch nicht genug gemäßigt, um das Paar der Stunde wirklich glücklich zu machen.

»Alles okay, Sohnemann?«, fragt mein Vater, als ich den Rand des Poolbereichs streife.

»Nur ein bisschen angesengt«, vermelde ich grinsend.

Onkel Owen lacht schallend.

Dad schüttelt seufzend den Kopf, und ich gehe weiter.

Es war nicht vorgesehen, dass er ein alleinerziehender Vater zweier kleiner Kinder wurde. Aber er tut, was er kann, und mehr können wir nicht verlangen.

Und ich weiß, dass er Emma genauso verehrt wie ich.

Sie ist ein so aufrichtig guter Mensch, dass man gar nicht anders kann, als sich für sie zu freuen, wenn sie glücklich ist, auch wenn man manches vielleicht nicht versteht, zum Beispiel, dass es Chandler Sullivan sein muss, der sie glücklich macht.

Man möchte sich trotzdem in ihrem Glanz sonnen. Man möchte der Grund sein, warum sie glänzt, denn je mehr sie strahlt, desto besser ist die Welt.

Allerdings ist jetzt nicht der Moment, mich in ihrem Glanz zu sonnen. Sondern der Moment, Abstand zu ihr zu halten.

Was echt scheiße ist.

Denn sie ist einer meiner Lieblingsmenschen. Was diese Woche umgekehrt leider nicht gilt und sich viel zu sehr so anfühlt wie damals auf der Highschool.

Ich schüttle den Gedanken ab und rufe mir, während ich den von Kokospalmen gesäumten Weg zu meinem Bungalow hinunterschlendere, ins Gedächtnis, dass Hochzeiten eben blödsinnig stressig sind und dass unser Leben nächste Woche wieder in normale Bahnen einscheren wird.

»Also … das war ein nettes, erfrischendes Bad«, bemerkt Delaney Kingston, als ich fast da bin.

Aha.

Dann ist sie es, die hinter mir herschnauft.

Dann geht es hier wohl auch zu ihrem Bungalow. Und vermutlich muss ich mich bei ihr für das unerwartete Bad im Pool entschuldigen, das sie mir zu verdanken hat.

Aber dazu habe ich keine Lust.

»Hey, Prinzessin Plainy-Laney.« Ich grinse sie über die Schulter an – sie ist, abgesehen von Chandler, der einzige Mensch von zu Hause, der mich nervös machen kann. »Schöne Schuhe. Die quietschen echt hübsch.«

»Sie sind eben nicht nur bequem, sondern auch musikalisch.«

Ha. Überraschende Antwort.

Ich hätte damit gerechnet, dass sie die Augen verdreht und mich darüber belehrt, dass man mit einem Elektroschocker gegen Ungeziefer einem Papierschirmchen nicht zu nahe kommen sollte. Wenn man wissen will, wie man sich an die Regeln hält, irgendein Problem löst oder darüber unterrichtet werden will, wie es in der Welt eigentlich zugehen sollte, wendet man sich am besten an Laney.

Nicht aber, wenn man einen Scherz hören will. Sie ist der Typ, der Spaß nicht mal erkennen würde, wenn er in einem braunen Umschlag, auf dem unübersehbar Spaß steht, auf ihrem Schreibtisch landet. Ich habe mal erlebt, wie sie sich weigerte, Schlitten zu fahren, weil es unten am Hang keine Auffangnetze gab. Auf der Highschool wurde sie zu der Schülerin gewählt, die höchstwahrscheinlich einhundertsechs Jahre alt werden würde, weil sie jeden Tag Zahnseide benutzte. Sie würde niemals vorzeitig von einem Herzleiden infolge entzündeten Zahnfleischs dahingerafft werden.

Ich habe Delaney Kingston nicht vermisst, seit sie nicht mehr bei Partys auf meiner Seite der Stadt erschienen ist – und seit ich meinerseits aufgehört habe, in Bars und Restaurants auf ihrer Seite zu gehen.

Aber sie gehört zu Emmas besten Freundinnen, also werde ich nett zu ihr sein, und wenn es mich umbringt.

Ich grinse noch mal über die Schulter. Diesmal ergänzt um ein Zwinkern. »Soll ich dir deine Tasche in dein Zimmer tragen?«

»Sehr freundlich, aber wie ich sehe, hast du schon alle Hände voll zu tun, und es ist ja nur eine Handtasche.«

»Eine Handtasche? Die hat die Ausmaße eines Koffers. Würde mir gar nichts ausmachen, das Kostüm hier liegen zu lassen und dir das Ding abzunehmen.«

»Mir ist schon klar, dass dir das keine Mühe machen würde, aber ich will nicht, dass Emma wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses aus dem Resort geworfen wird, also trage ich meine Tasche lieber selbst. Aber vielen Dank, sehr freundlich von dir.«

Emma wäre superenttäuscht, wenn ich das jetzt auch noch vergeigen würde. Verdammte Schuldgefühle.

Ich hasse sie. Ich habe so etwa die letzten zehn Jahre hart daran gearbeitet, darüber hinwegzukommen und auf der Sonnenseite zu leben, aber da ist sie nun und wirft damit um sich wie mit Konfetti für Emmas Hochzeitswoche.

Lächelnd nähere ich mich meinem Bungalow, ignoriere das Stechen unter der Haut und rede mir ein, dass es sich dabei lediglich um eine allergische Reaktion auf eine Spielverderberin handelt.

Vor meiner Tür drehe ich mich zu ihr um. »Schön, dich zu sehen, Prinzessin Plainy. Aber wenn du mich das nächste Mal in einen Pool stößt, könntest du dabei vielleicht wenigstens einen Bikini anhaben.« Erneut zwinkere ich ihr zu.

Sie gibt das Zwinkern zurück.

Delaney Kingston … gibt mein Zwinkern zurück.

Stoff für feuchte Träume für den Theo der Highschool, und ja, ich habe auch hart daran gearbeitet, das zu vergessen.

Was zum Henker geht hier vor?

»Wäre das nicht lustig?«, fragt sie. »Oh, gut, wir sind da. Danke, dass du mir den Weg zu meinem Bungalow gezeigt hast.«

Ich schaue mich suchend um.

Und dann noch einmal.

Der nächste Bungalow ist eine Gebäudelänge entfernt, und Laney versucht, an mir vorbei meine Veranda zu betreten. »Wenn du mich jetzt entschuldigst …«

»Hast du dich verlaufen?«

»Nein, das ist mein Bungalow.«

»Das denke ich nicht.«

»Plumeria-Bungalow. So steht es hier auf dem Umschlag mit meiner Schlüsselkarte.«

Sie zeigt mir den Umschlag, in dem ihre Schlüsselkarte steckt, und … Nein!

So steht es da.

Aber … Nein!

Ich verschränke die Arme, lasse mein tropfendes, halb verbranntes Flamingo-Kostüm von den Hüften fallen, sodass ich nur noch in meiner schwarzen Unterhose dastehe. An einem äußerst gefährlichen Ort.

Und mein Verstand registriert allmählich, dass Laney in diesem Moment auf eine Weise rattenscharf aussieht, die definitiv nicht sein dürfte. Und das nicht bloß, weil mich die Anstrengung, die sie unternommen hat, um mich in den Pool zu stoßen, bei jeder anderen Frau angemacht hätte.

Aber nun ist sie scharf, weil sie stark ist und klatschnass.

Ihre mausbraunen Haare sind total zerzaust. Das teure Shirt klebt ihr auf der Haut. Unter dem Stoff recken sich ihre Brustwarzen, auch die Umrisse ihres unscheinbaren BHs zeichnen sich deutlich ab. Ihre Leinenhose haftet an ihren Hüften und offenbart die Konturen ihres Slips. Über hellblauen Augen haben sich dunkle Wimpern verklumpt. Und noch immer quietschen ihre Sneakers.

»Auch wenn ich nichts dagegen habe, mein Zimmer mit einer hübschen Lady zu teilen«, sage ich gedehnt, während ich meinem Schwanz befehle, nicht auf die vor mir stehende triefnasse Frau anzuspringen: »Außerdem glaube ich nicht, dass ich die Sorte Mitbewohner bin, auf die du abfährst.«

»Schätze, da liegst du falsch«, zwitschert sie, geht um mich herum und hüpft munter die drei Verandastufen hinauf. »Weil das nämlich auch mein Bungalow ist.«

Ich blinzle.

Dann blinzle ich noch mal.

Und dann werde ich sauer, und wenn ich sauer bin, werde ich nur noch saurer, weil ich es nicht ausstehen kann, sauer zu werden.

Ich hasse es, sauer zu sein.

Ich habe es mir sogar zur Lebensregel gemacht, niemals sauer zu werden.

Doch Delaney Kingston ist ein nerviger, unerträglicher, wohlerzogener Blaustrumpf, eine Frau, die sich im Leben nicht dazu herablassen würde, sich ein Zimmer mit einem Mann zu teilen, der am Samstagabend nichts lieber tut, als mit seinen Kumpels harmlose Streiche auszuhecken, die manchmal darauf hinauslaufen, dass wir zu gut drauf sind, um noch vernünftige Entscheidungen zu treffen.

Vertraut mir. Ich würde es wissen. Denn ich habe mir zu viele Jahre gewünscht, sie würde sich dazu herablassen; habe mir vorgestellt zu erleben, wie sie mit offenen Haaren und ohne ihre Verklemmung aussieht.

Und gerade hat sie gesagt: »Auch mein Bungalow.«

Als wüsste sie, dass das hier mein Bungalow ist.

Und wenn sie weiß, dass das hier mein Bungalow ist … Fuck!

Plötzlich passt eins zum anderen.

»Ich brauche keine Babysitterin«, knirsche ich mehr wie der Versager auf der Highschool als wie der Mann, der ich heute bin, und erklimme nun selbst die Stufen und trete ihr in den Weg.

»Ich bin keine Babysitterin. Du solltest mich eher als einen Puffer sehen. Du willst sicher nicht, dass Chandler versehentlich noch mehr Klamotten von dir in Brand steckt, oder? Warte. Nein. Spar dir die Antwort darauf.«

An der Tür schiebe ich mich vor sie und versperre ihr den Weg. Etwas Schlimmeres als das hätte Emma mir gar nicht antun können.

Ich liebe meine Schwester. Ich bete meine Schwester an. Wir beide haben manchen Mist zusammen durchgestanden und sind auf der anderen Seite heil wieder herausgekommen, und ich würde alles für sie tun.

Ich verbiege mich diese Woche weit mehr, als sie überhaupt weiß, und es ist wirklich egal, ob sie es jemals herausfindet. Ich will bloß, dass sie glücklich ist, auch wenn ich die ganze Zeit keine Ahnung habe, was sie glücklich macht.

Aber mir Laney als Babysitterin auf den Hals zu schicken?

Das ist grausam.

Und es wird auch nicht dazu kommen. Das geht einfach zu weit. »Amüsierst du dich eigentlich auch mal, Prinzessin Plainy-Laney?«

»Manchmal schon, dann stehe ich nachts auf, lege Puzzles und gieße einen Schuss Brandy in meinen Kamillentee. Aber nur einen Schuss. Mehr als das würde mir feuchte Träume bescheren.«

Ich bin augenblicklich sprachlos.

Vor allem deshalb, weil ich nicht unterscheiden kann, ob sie es ernst meint oder ob sie mich verarscht.

Sie lächelt jetzt breiter, ihre blauen Augen funkeln beinah. Und als ich meine Gedanken entflechte, nachdem Delaney Kingston mich vor meinen Augen auf den Arm genommen hat, weicht sie mir aus und hält die Schlüsselkarte an den Mechanismus meiner Hotelzimmertür.

Es klickt, und sie schlendert in meinen Bungalow.

Und knallt mir die Tür vor der Nase zu.

Fuck.

Fuck!

Interessiert es mich, wo ich schlafe? Nein.

Aber werde ich zulassen, dass diese Frau frei in meinem Bungalow herumläuft, obwohl ich weiß, was sich im zweiten Schlafzimmer befindet … und sie nicht?

Fuck, fuck, fuck!

Die regelkonforme Delaney Kingston darf nicht unbeaufsichtigt in meinem Bungalow bleiben.

Auf gar keinen Fall.

Ich will in meine Tasche greifen, da fällt mir ein, dass ich nichts als meine Unterhose anhabe, und mache einen Satz hin zu dem tropfnassen, verstümmelten Kostüm auf der Bungalowterrasse. Aber es dauert ein bisschen, bis ich meine Schlüsselkarte in der Innentasche gefunden habe. Endlich springt die Tür klickend auf.

Und als ich eintrete – nachdem ich erst mal über mein Kostüm gestolpert bin und es mit einem Tritt zur Seite befördert habe –, sehe ich Delaney.

Ich reibe mir die Augen.

Blinzle ein paarmal.

Gebe mich haufenweise Hoffnungen hin.

Nichts bringt irgendetwas.

Sie ist immer noch da – in der Mitte des tropisch gemusterten Teppichs im Wohnzimmer zieht sie auf dem Weg zum ersten Schlafzimmer einen gottverdammten, floral gemusterten Rollkoffer hinter sich her.

»Das ist mein Zimmer«, bemerke ich.

Sie ändert die Richtung, wie nur Miss Allwissend es kann, und steuert nun die geschlossene Schlafzimmertür auf der anderen Seite des geräumigen Wohnbereichs mit einer Kitchenette an der Wand an.

»Das ist auch mein Zimmer.«

»Du benutzt beide Schlafzimmer.« Das ist keine Frage, sondern eine Feststellung, als wollte sie darauf hinweisen, dass ich ein Vollpfosten bin.

Ich bin ein lockerer Typ. Ich amüsiere mich gern. Ich liebe es, den Menschen um mich herum Vergnügen zu bereiten. Ich komme mit vielem klar. Ich bewirke vieles.

In letzter Zeit fast nur harmloses Zeug, davon aber sehr viel.

Aber mir ein Zimmer mit Prinzessin Plainy-Delaney zu teilen, damit sie meine Babysitterin spielen kann? Nein!

Einer von uns muss gehen.

Und an jedem anderen Tag, an jedem anderen Ort, wenn sonst was im zweiten Schlafzimmer unterkriechen würde, wäre ich der, der sich freiwillig verziehen würde. Aber das kommt hier nicht infrage.

»Ja«, sage ich, als wäre sie die taube Nuss, obwohl ich weiß, dass sie das nicht ist. »Ich benutze beide Schlafzimmer.«

In ihrem Gesicht zuckt es, wie man es hätte erwarten können. »Emma arbeitet mit dem Management daran, einen eigenen Bungalow oder ein Zimmer im überbelegten Hotel für mich aufzutreiben, aber bis es so weit ist, wäre es hier eigentlich gar nicht so übel. Und ich weiß, dass du nicht beide Schlafzimmer benutzt.«

Sie nervt echt wie die Hölle, wenn sie etwas weiß.

Und wieso hat Emma mir das nicht selbst gesagt? »Du kannst das Ausziehsofa haben. Die Schlafzimmer gehören mir.«

»Theo, du kannst nicht in zwei Schlafzimmern gleichzeitig schlafen.«

»Vielleicht will ich dich einfach nicht hier haben.«

Es ist lange her, dass wir nennenswert Zeit miteinander verbracht haben. Genau genommen fast unser gesamtes Erwachsenenleben, und ich habe null Zweifel, dass sie den alten Chaos-Theo von der Highschool erwartet, nicht den erwachsenen Theo, der sein Leben im Griff hat.

Prompt lassen mich ihre Erwartungen in alte Gewohnheiten zurückfallen, die ich vor langer Zeit besaß und die mir überhaupt nicht mehr gefallen.

»Ich bin eine unkomplizierte Mitbewohnerin«, behauptet sie rundheraus mit einem riesig breiten, falsch ins Gesicht geklebten Lächeln. Bestimmt ist sie auch nicht glücklich über dieses Arrangement. »Versprochen. Mucksmäuschenstill. Du wirst nicht mal mitbekommen, dass ich hier bin.«

Sie war während meiner gesamten Schulzeit die einzige Klassenkameradin, die ich nicht rumkriegen konnte. Bis ich schließlich beschloss, es sein zu lassen, auch wenn es mich innerlich noch so fertigmachte, weil ich wusste, wie sehr ich sie rumkriegen wollte. Und dann bittet Emma ausgerechnet sie, meine Babysitterin zu spielen?

Das ist beleidigend bis zur totalen Kränkung. »Du hast, seit du zur Tür reingekommen bist, nicht aufgehört zu reden.«

»Ich verbrauche bloß alle Wörter, damit ich später still sein kann. Außer du möchtest, dass ich weiterrede.«

»Nein.« Shit! Ich weiß nicht, ob ich es ihr mit gleicher Münze heimzahlen oder ob ich ehrlich zu ihr sein soll.

»Passt für mich. Ich weiß auch nicht, ob ich noch viel länger mit dir reden soll.«

»Du nimmst kein Blatt vor den Mund, nicht wahr, Prinzessin Plainy?«

Sie zuckt die Achseln, als wollte sie den Spitznamen durch die Balkontüren und in die Finsternis über dem Pazifik abschmettern, und geht noch einmal zu der geschlossenen Schlafzimmertür. »Als käme es darauf an. Wo wir doch beide wissen, dass wir nie gute Freunde sein werden. Aber immerhin wissen wir, wie wir zueinander stehen, richtig? Ich mache das für Emma. Für Emma würde ich alles tun.«

Ich sehe sie an und wackle mit den Brauen. Ich kann nicht anders. Leichter kann ich sie unmöglich ärgern. »Und wenn Emma wollte, dass du dich vor und mit mir nackig machst?«