ICF-basierte Förder- und Teilhabeplanung für psychisch kranke Menschen -  - E-Book

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Beschreibung

Helfen, das Leben zu gestalten und vorhandene Chancen zu nutzen  Die ressourcen- und personzentrierte Hilfe- und Förderplanung gehört in der Eingliederungshilfe für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zum State of the Art. Für die fachkompetente und partizipativ gestaltete Erfassung, Beschreibung und Vereinbarung von Zielen und Maßnahmen bedarf es fundierter und in der Praxis bewährter Instrumente. Die ICF und das dort aufgegriffene bio-psycho-soziale Modell bilden dafür den geeigneten Bezugsrahmen. Das anwendungsorientierte Handbuch stellt die Grundlagen zur ICF allgemein und Beispiele zur Förderplanung für Menschen mit einer psychischen Störung vor. Es bietet eine systematische Übersicht über Projektstrukturen und Projektphasen, erprobte Module sowie eine Sammlung praxiserprobter Arbeitsmaterialien. Fundierte erfahrungsbasierte Handlungsempfehlungen unterstützen die praktische Umsetzung in verschiedenen Bereichen der Sozialpsychiatrie und der Rehabilitation für psychisch kranke Menschen. Neu in der zweiten Auflage: Praxisbeispiele aus verschiedenen -sozialpsychiatrischen Bereichen und Kontexten, aktualisierter und ausführlicher Bezug zwischen ICF und den Anforderungen bzw. -Neuerungen im Zuge des Bundesteilhabegesetzes (BTHG), Praxisbeispiel zu träger-internen BTHG-Multiplikator*innenschulungen.  Hilfreiche Checklisten und Übersichten zum Download finden Sie in der Mediathek.

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Markus Witzmann

Klaus Keller

Eva Kraus

(Hrsg.)

ICF-basierte Förder- und Teilhabeplanung für psychisch kranke Menschen

Wissen und Kontroversen zu ICF mit Beispielen aus der Praxis

2., überarbeitete und erweiterte Auflage

Unter Mitarbeit von

Lea Elixmann

Christiane Fröhler

Isabel Hölscher

Klaus Keller

Eva Kraus

Birgit Michaelis

Sara O’Connor

Martina Schabert

Juliane Siemoneit

Richard Theil

Markus Witzmann

ICF-basierte Förder- und Teilhabeplanung für psychisch kranke Menschen

Markus Witzmann, Klaus Keller, Eva Kraus (Hrsg.)

Programmbereich Psychiatrie und Psychotherapie

Prof. Markus Witzmann

kboSozialpsychiatrisches Zentrum

Ringstraße 13

85540 Haar

Deutschland

[email protected]

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

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Anregungen und Zuschriften bitte an:

Hogrefe AG

Lektorat Psychiatrie/Psychotherapie

Länggass-Strasse 76

3012 Bern

Schweiz

Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Susanne Ristea

Redaktionelle Bearbeitung: Tobias Gaudin, Gießen

Herstellung: Daniel Berger

Umschlag: Claude Borer, Riehen

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Format: EPUB

2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag, Bern

© 2015 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96267-2)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76267-8)

ISBN 978-3-456-86267-5

https://doi.org/10.1024/86267-000

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung(Witzmann M., Keller, K.)

Teil I: ICF: Grundlagen und Bedarfsermittlungsverfahren

1 ICF-Grundlagen(Keller K., Witzmann M.)

1.1 Entwicklung der ICF

1.2 Zielsetzung der WHO

1.3 Modell und Klassifikation

1.4 Konzepte/Komponenten der ICF

1.4.1 Körperfunktionen und Körperstrukturen

1.4.2 Aktivität

1.4.3 Teilhabe

1.4.4 Umweltfaktoren

1.4.5 Personbezogene Faktoren

1.4.6 Funktionsfähigkeit

1.5 Operationalisierung der Ausprägungsgrade

1.6 Ethische Leitlinien

2 ICF-Bedarfsermittlungsverfahren nach BTHG(Keller K., Witzmann M.)

2.1 Anforderungen an die Bedarfsermittlung

2.1.1 § 13 SGB IX „Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs“

2.1.2 § 99 SGB IX „leistungsberechtigter Personenkreis“

2.1.3 § 118 SGB IX „Instrumente der Bedarfsermittlung“

2.1.4 Exkurs: Bedarfserkennung, Bedarfsermittlung, Bedarfsfeststellung, Bedarfsdeckung

2.1.5 Definition Prüfkriterium „funktionsbezogen“ bzw. „ICF-Bezug“

2.1.6 Übersicht über die öffentlich verfügbaren Bedarfsermittlungsinstrumente

2.2 Überprüfung der ICF-bezogenen Kriterien in den Gesamtplaninstrumenten

2.3 Teilhabe-/Rehahypothese

2.4 Offene Punkte für weitere Entwicklung

Teil IIa: Praxis – Perspektiven – Leistungserbringer

3 Coreset BAG RPK(Keller K., Witzmann M.)

3.1 Zielsetzung eines Coresets

3.2 Coreset, Kurzliste, Screener?

3.3 Entwicklung des Coresets der BAG RPK

3.4 Anwendung im Rehamanagement

3.5 Anwendung in der Eingliederungshilfe

3.6 Nutzen- und Risikobetrachtung

3.7 Hinweis auf andere Coresets/Kurzlisten

4 ICF im strategischen Entwicklungsprozess der Regens-Wagner-Stiftungen(Theil R.)

4.1 Die Akteure: das Regens-Wagner-Werk im Kurzporträt

4.2 Der Anlass: Einführung des BTHG

4.3 Die Umsetzung: Der strategische Entwicklungsprozess

4.4 Neu denken: Struktur des strategischen Entwicklungsprozesses

4.5 BTHG: Schulungen für Mitarbeitende

4.6 ICF und bio-psycho-soziales Modell in seiner Funktion und Anwendung

4.7 Zu den Schulungen für Führungskräfte

4.8 Zu den Schulungen für Mitarbeitende der Fachdienste

4.9 Multiplikator*innen-Qualifikation BTHG

4.10 Schulungen für alle Mitarbeitenden in den regionalen Zentren

4.11 Zur Schulungsorganisation

4.12 Fazit

4.13 Ausblick

5 Praxisbeispiel kbo-SPZ: ICF-basierte Förderplanung(Kraus E., Fröhler C.)

5.1 Das Praxisfeld kbo-SPZ: Kurzbeschreibung

5.2 Projekt ICF-basierte Förderplanung 2013 bis 2015

5.2.1 Projektphasen im Überblick

5.2.2 Vorprojektphase – Projektidee, Problemlage und Ziele

5.2.3 Projektplanungsphase, Projektaufbau

5.2.4 Klärung von Verantwortlichkeiten, Schnittstellen und internen Beteiligungen

5.2.5 Projektstrukturplan

5.2.6 Projektgruppen

5.2.7 Projektrealisierung

5.2.8 Nachprojektphase und Sicherung der Nachhaltigkeit

5.2.9 Projektevaluation

5.3 Grundlegende Überarbeitung der ICF-basierten Förderplanung im Jahr 2021

5.3.1 Praxisbeispiel zum Erstellen der Förderplanung

5.3.2 Erprobung der Förderplanung mit dem ICF-Screener

5.4 Ergebnisse der Projektevaluation und Erfahrungen aus den Folgejahren

5.5 Fazit

6 Das ICF-Kit – ein Praxiswerkzeug(Michaelis B.)

6.1 Die ICF in der sozialpsychiatrischen Arbeit

6.2 Die Entwicklung des ICF-Kits

6.3 Die praktische Anwendung des Kits

6.4 Praxiserfahrungen

6.5 Fazit

Teil IIb: Praxis – Perspektiven – Einzelfall

7 ICF in der kollegialen Fallbesprechung(Elixmann L.)

7.1 Schnittstellen zwischen Fallbesprechungsmethoden und ICF-Bestandteilen

7.2 Praktische Ergänzungsmöglichkeiten von ICF-Bestandteilen in Fallbesprechungen

7.3 Fazit

8 Erfahrungen eines Teams aus der Beteiligung an der Pilotphase zum BI-Bay(O’Connor S.)

8.1 Aufbau des Dialog- und Erhebungsbogens

8.2 Vorstellung der Klientin

8.3 Einblick in die Durchführung der Bedarfsermittlung

8.4 Chancen in der Bedarfserhebung hinsichtlich der Umsetzung der Kernelemente des BTHG im sozialpsychiatrischen Kontext

8.5 Grenzen in der Bedarfserhebung hinsichtlich der Umsetzung der Kernelemente des BTHG im sozialpsychiatrischen Kontext

8.6 Resümee

9 ICF-Anwendungsbeispiel: Betroffenen- und Fallperspektive(Hölscher I.)

9.1 Hinführung

9.2 Anwendungsbezug anhand eines Fallbeispiels

10 ICF-basierte Bedarfsermittlung bei Autismus-Spektrum-Störung (ASS): Erprobungserfahrungen in einem Beratungsteam(Schabert M., Siemoneit J.)

10.1 Beratungsgespräche mit Menschen aus dem Autismus-Spektrum

10.2 Rahmenbedingungen des Beratungs- und Unterstützungssettings

10.3 Unterstützung bei der Bedarfsermittlung

10.4 Pilotprojekt zu einem ICF-basierten Bedarfsermittlungsinstrument

10.5 Anforderungen an das Interview einer ICF-basierten Hilfebedarfsermittlung

10.6 Ausblick

11 Zusammenschau und Ausblick(Witzmann M., Kraus K.)

Teil III: Anhang

Hinweise zu Zusatzmaterialien (Anlage 1–9)

Abkürzungen/Glossar

Autorenbeschreibungen

Autorenadressen

Sachwortverzeichnis

|9|Einleitung

(Witzmann M., Keller, K.)

Mit diesem Buch zur ICF-basierten Förder- und Teilhabeplanung1 für psychisch kranke Menschen stellen die Autor*innen eine komplette Überarbeitung der ersten Veröffentlichung von 2014 zur Verfügung. Diese greift den aktuellen Stand der ICF-Anwendung in der sozialen Rehabilitation mit dem Fokus auf Menschen mit psychischen Störungen bzw. Behinderungen2 auf. Es werden die wesentlichen Grundlagen der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health3) aus der Perspektive der sozialen Rehabilitation verständlich gemacht und auf die Berufspraxis einer fortschrittlichen Eingliederungshilfe übertragen. Durch die theorie- und praxisgestützte Aufbereitung der Beiträge wird auch eine Übersicht zur relevanten deutschsprachigen Literatur zum Thema (Stand: Juli 2022) angeboten. Den Autor*innen ist es ein Anliegen, weitere Berufspraktiker*innen und Verantwortliche der Versorgung zur Beschäftigung mit einem modernen Verständnis von Behinderung auf der Basis der UN-BRK, des BTHG und der ICF zu motivieren und die Entwicklung weiterer handhabbarer Instrumente zu den verschiedenen Varianten der Eingliederungshilfe anzuregen. Die von den Autor*innen vorgestellten „Tools“, die Instrumente und Verfahren zur Förderplanung wurden von diesen getestet und kritisch bewertet. Ebenso wird aufgezeigt, wie es gelingen kann, gemeinsam mit Mitarbeitenden eine gleichberechtigte konstruktive Auseinandersetzung in Bezug auf das BTHG und die Implementierung der ICF zu führen, um sie für die Umsetzung zu gewinnen.

Das Buch macht in seiner Überarbeitung deutlich, dass die Beschäftigung mit der ICF in der sozialen Rehabilitation interessant und vielfältig ist und dass es sich für die handelnden Personen in Einrichtungen, Diensten und bei Leistungsträgern lohnt, sich damit intensiv auseinanderzusetzen.

Die Umsetzung des BTHG und die Anwendung der ICF gehören wie eine ressourcen- und personzentrierte Bedarfsermittlung und Förderplanung in den Angeboten der außerklinischen ambulant psychiatrischen4 Versorgung zum State of the Art. Obwohl die ICF – angesichts ihres Kerngedankens, Behinderung als Ergebnis komplexer Wechselwirkungen zwischen Funktionsfähigkeit, Umwelt und Person zu beschreiben – den geeigneten Bezugsrahmen für Ressourcenorientierung und Personenzentrierung darstellt, wird sie in der angewandten Praxis der Bedarfsermittlung, der Förder- und Hilfeplanung weiterhin nur begrenzt berücksichtigt. Allerdings erfährt die ICF mit zunehmender Konkretisierung der Vorgaben aus dem BTHG – beispielsweise in Form von Verordnun|10|gen und Verfahren auf Bundes- und Länderebene zu Bedarfsermittlungsinstrumenten – immer mehr Geltung. Auch die Entwicklungen in anderen Rehabilitationsfeldern, wie z. B. der medizinischen und beruflichen Rehabilitation, unterstützen diesen Prozess.

Während es 2014 zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses Buches noch wenige Forschungsvorhaben im deutschsprachigen Raum im Kontext ICF und psychische Erkrankung gab, weist beispielsweise die Datenbank „Rehadat“ im Juni 2022 42 laufende Projekte in diesem Bereich aus (Rehadat, 2022). Ein Indiz für das zunehmende Interesse der Forschung zur ICF.

Aus heutiger Sicht lassen sich aus den o. g. Bezügen grundlegende Anforderungen an eine Bedarfsermittlung bei Erwachsenen5 nach BTHG ableiten. Die Bedarfsermittlung:

ist an den individuellen Wünschen und Zielen der Rehabilitand*innen ausgerichtet,

erfolgt person(en)zentriert und individuell,

ist transparent und nachvollziehbar für die Beteiligten,

ist von Beginn an partizipativ und

funktionsbezogen (ICF) angelegt und

ermöglicht eine Reflexion von Wirkung und Wirksamkeit.

Die Herausgeber*innen empfehlen hierzu auch die Lektüre „Bundesteilhabegesetz Kompakt – Teilhabeplanung“ der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR, 2019) aus dem Jahr 2019 sowie die Veröffentlichung „Bedarfsermittlung für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (BAR, BAG BBW, Hochschule Magdeburg-Stendal, 2019).

Das BTHG stellt hinsichtlich des Anspruchs, Wirkung und Wirksamkeit zu messen, Bezüge sowohl zum Leistungs- als auch zum Vertragsrecht her. Eine Konkretisierung zu möglichen Maßstäben, Kriterien etc. kann dem BTHG nicht entnommen werden. Es liegt somit in der Verantwortung der für die Gesetzesausführung bzw. Umsetzung verantwortlichen Akteure, hier einen für die Praxis angemessenen Rahmen aufzustellen. Wichtig erscheint diesbezüglich, ein gemeinsames Verständnis von Wirkung und Wirksamkeit zu erarbeiten, welches neben wissenschaftlichen Anforderungen auch eine Umsetzung in der Praxis ermöglicht und v. a. das Wohl der Rehabilitand*innen in den Blick nimmt.

Wirkung kann allgemein im Kontext von Ursache und Wirkung verstanden werden. Dies bezieht sich im Kontext des BTHG auf die Einzelfallebene. In diesem Sinne meint Wirkung allgemein mögliche Folgen von Interventionen. In Bezug auf die Förderplanung kann Wirkung als das Ergebnis gemeinsam ausgehandelter Ziele und Maßnahmen verstanden werden.

Die Wirksamkeit von Leistungen kann auch mit dem Begriff der Effektivität von Maßnahmen in Verbindung gesetzt werden. Es geht um die konzeptionelle Entwicklung und um die Qualität von Leistungen, also um das Ausmaß, in dem geplante Tätigkeiten verwirklicht und geplante Ergebnisse erreicht werden. Im Zentrum steht die Frage, was wir über verschiedene Interventionen grundsätzlich wissen und was wir mit den in unseren Fachkonzepten hinterlegten Interventionen beabsichtigen. Somit richtet sich der Fokus auch auf Ansätze der Evidenzbasierung, welche wir aus unterschiedlichsten Fachkontexten, wie der evidenzbasierten Medizin oder Pflege, kennen.

In diesem Buch geht es schwerpunktmäßig um die Umsetzung der ICF bei der Bedarfsermittlung und Förderplanung. Somit steht die Einzelfallebene im Vordergrund. Es geht um die Wirkung einer Intervention im Rahmen sozialpsychiatrischer Betreuung bei einer ganz bestimmten Person; entsprechend dem BTHG mit der Bezugnahme zur Einzelfallebene und dem Verweis auf das Gesamtplanverfahren.

Für Leistungserbringer und Leistungsträger sozialer Rehabilitation stellt sich natürlich |11|auch die Frage, wie die vereinbarten Leistungen als Gesamtes im Sinne eines Controllings von Wirksamkeit gemessen werden und eine Grundlage für Qualitätsverbesserung bilden können. Um die Wirksamkeit der – v. a. über Fachkräfte – bereitgestellten Leistungen einer Einrichtung oder eines Dienstes systematisch erfassen und bewerten zu können, müssen entsprechende Daten systematisch erhoben und analysiert bzw. interpretiert werden. Dies kann durch die Aggregation einzelfallbezogener Werte (Wirkung) und die Entwicklung so begründeter Kennzahlen erfolgen.

Wenn wir – im Sinne des BTHG – unser Wirken darauf ausrichten, Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und deren gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, müssen wir konkrete Unterstützung bei der Verwirklichung dieser Ziele leisten. Dies schließt auch ein, dass wir aktiv einer Benachteiligung entgegenwirken bzw. diese vermeiden.

Die Messung von Wirkung und Wirksamkeit stellt uns vor komplexe Anforderungen und ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Die Autor*innen dieses Buches sind der Ansicht, dass mithilfe eines systematischen Verfahrens zur Bedarfsermittlung und Förderplanung unter Einbeziehung der ICF auch Grundlagen für die Messung von Wirkung und Wirksamkeit geschaffen werden können. Die folgenden Beiträge werden hierzu direkte und indirekte Impulse geben.

Zur ICF und zur Berücksichtigung der Personengruppe von Menschen mit psychischen Störungen bzw. seelischer Behinderung im Kontext BTHG

Seit der Psychiatrie-Enquête wurde und wird auf die Besonderheiten der Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation von Menschen mit psychischen Störungen in Vergleich zu Menschen mit somatischen Erkrankungen hingewiesen. In der psychiatrischen Versorgung gehören mittlerweile bio-psycho-soziale Ansätze zum Repertoire der Diagnostik und Behandlung. In der Sozialpsychiatrie ist die Bedeutung von sozialen, kulturellen und anderen Umgebungsfaktoren für die seelische Gesundheit bzw. Erkrankung ohnehin fest verankert. Die ICF baut eine relevante Brücke für die Beschreibung der Wechselwirkungen zwischen den Schädigungen/Beeinträchtigungen und der Teilhabe sowie den Kontextfaktoren für die Erarbeitung von Behandlungs-, Rehabilitations- und Teilhabeoptionen bzw. -chancen.

Insbesondere die Partizipation der erkrankten oder von Behinderung betroffenen Person unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen personbezogenen und Umweltfaktoren spielt für die Ermittlung und Feststellung des Behandlungs-, Rehabilitations- und Teilhabebedarfs in der psychiatrischen Versorgung eine zentrale Rolle. Diese entspricht den Zielsetzungen moderner psychiatrischer Versorgung, welche eine Realisierung bzw. Förderung größtmöglicher Selbstbestimmung der „betroffenen“ Person, der Umsetzung des Trialogs unter Berücksichtigung des Erfahrungswissens, eines integrierten Versorgungsansatzes (klinisch, außerklinisch und kontextübergreifend) sowie einer notwendigen Sozialraumorientierung hat. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die regionale Gestaltung und Verfügbarkeit von Angeboten, auf allgemeine gesundheitliche und soziale Hilfen sowie Versorgungsnetzwerke.

Bereits in der „Arbeitshilfe für die Rehabilitation und Teilhabe psychisch kranker und behinderter Menschen“ (BAR, 2010) wird auf notwendige Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Teilhabe verwiesen. Hier wird z. B. erwähnt, dass im Rahmen des Rehabilitationsprozesses dem psychisch kranken Menschen und seinen Bezugspersonen Hilfe zum Verständnis und zur Akzeptanz der Krankheit zu geben sei. Zudem solle man sich auf die vorhandenen Fähigkeiten konzentrieren und an deren Weiterentwicklung sowie der Entwicklung kompensatorischer Fähigkeiten mit dem Ziel der Verhinderung von Pflegebedürftigkeit und/oder sozialer Ausgliederung arbeiten. Ebenso seien Möglichkeiten der sozialen Integration zu |12|fördern, und zwar nicht nur durch Befähigung der Betroffenen zur Anpassung, sondern ggf. auch durch entsprechende Gestaltung der sozialen Umgebung (BAR, 2010).

Die Zielsetzungen moderner Behandlungs-, Rehabilitations- und Teilhabeprozesse haben sich an der Zielsetzung des BTHG zu orientieren:

„Ziel des BTHG ist es, die Möglichkeiten einer den persönlichen Wünschen entsprechenden Lebensplanung und -gestaltung im Sinne von mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung zu stärken und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln“ (BMAS, 2022).

Dies bedingt einen personzentrierten Versorgungsansatz, welcher Prinzipien wie „Nicht ohne uns über uns“ oder „Verhandeln statt behandeln“ Rechnung trägt. Diesem Verständnis folgt auch das zentrale ethische Prinzip der ICF, sich jederzeit am jeweiligen Individuum mit seinem ihm innewohnenden Wert und seiner Autonomie zu orientieren bzw. diese zu respektieren.

Ob und inwieweit die aktuelle (sozial-)psychiatrische Versorgung diesem Verständnis Rechnung trägt, sagt auch etwas darüber aus, in welchem Maß zentrale Vorgaben aus dem BTHG umgesetzt sind. Entsprechende Fragen sind u. a.:

Inwieweit trägt das Versorgungssystem zur Förderung selbstbestimmter Lebensplanung einzelner „Betroffener“ Rechnung?

Wie werden die Prinzipien der Autonomie und des Respekts der „Betroffenen“ in den Verfahren und Instrumenten des BTHG berücksichtigt, z. B. bei der Ausgestaltung des Gesamtplanverfahrens oder bei der Erhebung des Förder- und Teilhabebedarfs?

Tragen die bereitgestellten Angebote und Leistungen zur Stärkung sozialraumorientierter Lebensverhältnisse bei und fördern diese?

Werden die mit der ICF intendierten Ziele wie gemeinsame Sprache im Versorgungsalltag wahrgenommen, auch im Rahmen sogenannter innovativer oder integrierter Versorgungsansätze?

Auch hierzu werden Sie Ansichten, Erfahrungen und Erkenntnisse in den jeweiligen Beiträgen dieses Buches finden.

Zum Aufbau des Buches

Die vorliegende Publikation gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil werden Klaus Keller und Markus Witzmann auf die aktuellen Grundlagen zur ICF und den Kontext der Bedarfsermittlung im Rahmen des BTHG eingehen. Es wird in diesem Teil insbesondere um den aktuellen Wissensstand und mögliche Kontroversen im Kontext der ICF gehen.

Im zweiten Teil liegt der Fokus auf dem praktischen Umgang mit der ICF. Es werden entsprechende Praxisprojekte und Praxiserfahrungen vorgestellt. Eva Kraus und Christiane Fröhler sowie Richard Theil stellen die Entwicklungen in zwei Einrichtungen dar, welche sich aufgrund des Angebotstyps und des Vorgehens der Beschäftigung mit der ICF unterscheiden. Im Praxisteil des kbo-SPZ werden auch die Erfahrungen mit der Weiterentwicklung der ICF-basierten Förderplanung nach der ersten Veröffentlichung des Buches 2014 beschrieben.

Klaus Keller wird auf die Nutzung sogenannter ICF-Coresets eingehen und Birgit Michaelis ein eigens von einem sozialpsychiatrischen Anbieter entwickeltes ICF-Kit (im Sinne eines ICF-Spiels) vorstellen.

Des Weiteren werden Praxiserfahrungen vorgestellt, welche auf der sogenannten Fallebene gemacht wurden. Dabei wird Lea Elixmann auf die ICF-basierte Fallbesprechung eingehen, welche als Möglichkeit zur Ergänzung bereits bekannter Methoden der kollegialen Fallbesprechung reflektiert wird. Sarah O’Connor wird sich dem Bedarfsermittlungsinstrument in Bayern, dem sogenannten BI-Bay, widmen und die Berücksichtigung der ICF im Sinne einer kritischen Reflexion zum Entwicklungsstand 2020 anhand eines Fallbeispiels aufzeigen.

|13|Der Fallperspektive auf der Basis der ICF im Rahmen eines Rehabilitationsangebotes für psychisch erkrankte Menschen (RPK) wird sich Isabel Hölscher in ihrem Beitrag widmen. Martina Schabert sowie Juliane Simoneit gehen auf die Besonderheiten der Erprobung eines ICF-basierten Bedarfserhebungsinstrumentes bei Klient*innen aus dem Autismus-Spektrum ein.

Abschließend ziehen die Herausgeber*innen dieses Buchs ein kurzes Fazit und geben einen Ausblick auf die anstehenden Entwicklungen der Umsetzung der ICF im Kontext des BTHG.

Lesehinweise

Die Autor*innen empfehlen, das Buch mit dem Lesen des Teils I, der Beschäftigung mit den Grundlagen zur ICF, zu starten. Darauf aufbauend können die jeweiligen Beiträge in Teil II inhaltlich gut verstanden, dem jeweiligen Kontext zugeordnet und kritisch reflektiert werden. Auch der Transfer auf die eigene Berufspraxis sollte damit möglich sein. Da die jeweiligen Beiträge in Teil II auch verschiedene Ebenen behandeln (Einrichtung/Dienst und Einzelfall) und aus unterschiedlichsten Perspektiven verfasst wurden, ergibt sich keine inhaltliche Aufbauordnung. Sie können frei wählen, welcher Beitrag Sie aktuell am meisten interessiert bzw. beschäftigt.

Dieses Buch versteht sich nicht als klassisches Lehrbuch zur ICF oder zur sozialen Rehabilitation, sondern soll einen guten und nachvollziehbaren Mix aus Theorie und Praxis zum Themenkomplex ICF, Bedarfsermittlung und Teilhabe-/Förderplanung für Menschen mit psychischen Störungen anbieten.

Wir, die Herausgeber*innen und Autor*innen wünschen Ihnen eine hoffentlich gute, inhaltsreiche und anregende Lektüre und hoffen, dass Sie vieles aus den Beiträgen für Ihr weiteres Wirken mitnehmen können.

1

Im Folgenden wird vorwiegend der Begriff der Förderplanung zur Anwendung kommen.

2

Im Weiteren wird der Begriff „Menschen mit psychischen Störungen“ verwendet.

3

Es werden sowohl die deutsche als auch die englischsprachige Bezeichnung verwendet.

4

Unter diesem Begriff wird in diesem Buch der außerklinische, psychiatrische, psychotherapeutische, psychosomatische Versorgungskontext verstanden mit seinen Rehabilitations-/Teilhabeangeboten für Menschen mit psychischen Störungen.

5

Hier sei angemerkt, dass in diesem Buch vor allem die Personengruppe der Erwachsenen mit psychischen Beeinträchtigungen betrachtet wird.

Literatur

Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR). (2010). Arbeitshilfe für die Rehabilitation und Teilhabe psychisch kranker und behinderter Menschen. Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation.

Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR). (2019). Bundesteilhabegesetz Kompakt – Teilhabeplanung.https://www.bar-frankfurt.de/service/publikationen/produktdetails/produkt/122.html

BAR, BAG BBW, Hochschule Magdeburg-Stendal. (2019). Bedarfsermittlungskonzept für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.https://www.bar-frankfurt.de

BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales). (2022). Umsetzung BTHG. https://www.gemeinsam-einfach-machen.de/GEM/DE/AS/Umsetzung_BTHG/Gesetz_BTHG/Gesetz_node.html

Rehadat. (2022). Forschungsprojekte. https://www.rehadat-forschung.de/projekte/behinderungen-erkrankungen/behinderungsarten/psychische-erkrankungen/

|15|Teil I: ICF: Grundlagen und Bedarfsermittlungsverfahren