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Seitenzahl: 161
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 369
Textanalyse und Interpretation zu
Ralf Rothmann
IM FRÜHLING STERBEN
Stefan Munaretto
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgabe: Rothmann, Ralf: Im Frühling sterben. Berlin: Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 2020 [2016].
Über den Autor dieser Erläuterung: Stefan Munaretto hat vierzig Jahre Deutsch und Englisch unterrichtet. Er bedankt sich herzlich bei Ralf Rothmann für wertvolle Auskünfte zu seiner Biografie und für die Familienfotos, die er für diesen Band zur Verfügung gestellt hat. Außerdem bei seinem Sohn Lino Munaretto in Frankfurt, der Bücher und Materialien besorgt hat, als im Corona-Lockdown in Braunschweig alle Bibliotheken geschlossen waren.
1. Auflage 2021
ISBN 978-3-8044-7060-6
© 2021 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Rothmanns Vater (zweiter von links) mit Kameraden in Ungarn © Ralf Rothmann
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INHALT
1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Ralf Rothmann: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Der Krieg in Ungarn
Kampf bis in den Untergang
Verbrechen der Endphase
Deserteure
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
3. Textanalyse und -Interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
Schreiben über den Vater
Der Roman als Gedächtnisort
Literarisches Familienepos
3.2 Inhaltsangabe
3.3 Aufbau
Erzählebenen
Der poetische Subtext
Narrativ 1: Transgenerationale Traumaübertragung
Narrativ 2: Ungelebtes Leben
Narrativ 3: Unauflösbares Dilemma
Narrativ 4: Apokalypse und Postapokalypse
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Die Hauptfiguren: Walter, Fiete, Elisabeth
Die Nebenfiguren
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
Realismus
Erzählte Körper
Polyphonie
3.7 Interpretationsansätze
Männlichkeit
Fremde Heimat
Wiederverzauberung der Welt
4. Rezeptionsgeschichte
5. Materialien
Günter Eich: Die Häherfeder und Tage mit Häher
Das Trauma vom Erschossen-Werden
Max Frisch-Preis für Ralf Rothmann: Auszug aus der Laudatio
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 *
Aufgabe 2 **
Aufgabe 3 **
Aufgabe 4 ***
Literatur
Zitierte Ausgabe
Primärtexte
Sekundärliteratur
Rezensionen
Texte aus dem Internet
Audio
Bildnachweise Wikimedia
Damit sich alle Leser:innen in unserem Band rasch zurechtfinden und das für sie Interessante gleich entdecken, hier eine Übersicht.
Im 2. Kapitel beschreiben wir Ralf Rothmanns Leben und stellen den zeitgeschichtlichen Hintergrund dar:
Ralf Rothmann wurde 1953 in Schleswig geboren. 1958 zog seine Familie in das Ruhrgebiet. Seit 1976 lebt er in Berlin.
In der Endphase des Zweiten Weltkriegs kapitulierte das NS-Regime nicht, obwohl die deutsche Niederlage besiegelt war. Der Kampf wurde bis in den völligen Untergang fortgesetzt.
In den letzten Kriegsmonaten verschärfte das NS-Regime Massenmord und Terror noch einmal.
Deserteure wurden durch eine oft nur pseudo-legale Militärjustiz unnachgiebig bestraft, meistens mit dem Tod.
Ralf Rothmann ist vor allem als Verfasser autobiografisch inspirierter Romane und Erzählungen hervorgetreten.
Seine Figuren sind oft Außenseiter in einer spirituell verarmten Gesellschaft, die sich von der Natur und dem menschlichen Miteinander entfremdet hat.
Er ist ein Chronist der soziokulturellen Umbrüche Deutschlands seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Rothmanns Werk ist beeinflusst durch die Literatur der Romantik sowie buddhistische und christlich-mystische Lehren.
Im Frühling sterben – Entstehung und Quellen:
Im Frühling sterben ist Teil eines umfangreichen, schon vor Jahrzehnten begonnenen autofiktionalen Schreibprojekts Rothmanns über seine eigene Familie. Darin verbinden sich Erinnerungsarbeit und Fantasie.
Der Roman ist ein literarischer Gedächtnistext, der kollektive Erfahrungen aus dem Krieg und der Nachkriegszeit verdichtet und für viele Leser wieder greifbar macht.
Das Schreiben ist Rothmanns Methode, nachträglich Nähe zu seinen Eltern herzustellen und damit das Leiden an dem Mangel an Aufmerksamkeit und Wärme in der Kindheit zu überwinden.
Die Binnenerzählung ist weitgehend fiktiv. Auf das zentrale Geschehen ist Rothmann im Gespräch mit einem alten Mann in Glücksburg gestoßen, der ihm erzählte, dass er im Krieg seinen Freund erschießen musste.
Inhalt:
Im Februar 1945 arbeiten die knapp achtzehnjährigen Freunde Walter und Fiete als Melker auf einem Gut in Schleswig-Holstein. Sie werden von der Waffen-SS zwangsrekrutiert und an die Front in Ungarn geschickt, wo sie das Grauen des Krieges erleben, während die deutschen Streitkräfte sich schon auf dem Rückzug befinden. Als Fiete schließlich desertiert, wird er festgenommen und zum Tode verurteilt. Walter setzt sich verzweifelt, aber erfolglos für seine Begnadigung ein und muss sogar an Fietes Erschießung teilnehmen. Nach dem Krieg heiratet er seine Freundin Elisabeth, aber er schweigt über das Erlebte, und sein Leben und das seiner Familie bleibt durch das erlittene Trauma für immer beeinträchtigt.
Aufbau:
Der Roman erzählt eine Geschichte in der Geschichte, wobei der Schwerpunkt auf der langen Binnenerzählung liegt.
Ralf Rothmann legt zahlreiche Spuren von sich selbst und seinen Eltern zu Figuren des Romans. Die Ebene der Fiktion und die der realen Familie Rothmann durchdringen sich gegenseitig.
Durch den poetischen Subtext, der aus vernetzten Metaphern, Motiven und Anspielungen besteht, werden die verschiedenen Ebenen des Romans durchlässig füreinander gemacht.
In Im Frühling sterben überlagern sich vier sinnstiftende Erzählungen (Narrative). Dabei dominiert das Narrativ der Übertragung von Traumata über Generationsgrenzen hinweg.
Unter der Oberfläche des Textes verborgen liegt das Narrativ der Apokalypse nach dem Vorbild der Offenbarung des Johannes, des letzten Buches im Neuen Testament.
Auf die Weltzerstörung folgt aber kein Neues Jerusalem, sondern nur die Postapokalypse als Nachkriegszeit.
Der Roman unterwandert das apokalyptische Denkmodell, welches den Gläubigen dazu anhält, passiv auf Erlösung zu warten. Walter repräsentiert eine Nächstenliebe, die sich in aktivem Handeln offenbart.
Personen:
Die Hauptpersonen sind
Walter:
fürsorglich und umsichtig
repräsentiert aktive Nächstenliebe und wird mit Heiligen assoziiert (Sankt Martin, Franz von Assisi)
Fiete:
unreif und sprunghaft
wird am Karfreitag hingerichtet
als rebellischer, blasphemischer Christus charakterisiert
Elisabeth:
Flüchtlingsmädchen
Walters Freundin und spätere Ehefrau
junger Mensch, dessen Leben durch den Krieg zerstört wird
hat einen großen Hunger auf das Leben
den Traumata des Krieges begegnet sie wie Walter mit Schweigen
Unter den Nebenfiguren ragt der Sturmbannführer Domberg hervor. Oberflächlich ist er der Typus des zynischen und lüsternen SS-Offiziers mit höherer Bildung, wie er häufig in Filmen präsentiert wird; in dem apokalyptischen Narrativ des Romans repräsentiert er den Antichrist.
Stil und Sprache:
Der Roman verbindet mehrere Formen des Realismus, vor allem einen schonungslosen Realismus mit Schockeffekten bei der Darstellung der Kriegsgräuel, und einen metaphysischen Realismus, der eine höhere Wirklichkeit einbezieht.
Auffällig ist die konzentrierte Hinwendung zur Körperlichkeit der Figuren. Die geschichtlich erfahrenen Traumata manifestieren sich in Walters und Elisabeths Körpern und werden von ihnen weitervererbt. Die zerfleischten Körper der SS-Offiziere sind auch Zeichen ihrer psychischen Deformation.
Im Frühling sterben ist ein polyphoner Roman; er vereinigt eine Vielzahl von Stimmen, Perspektiven und Sprachstilen.
Interpretationsansätze:
Zwei Formen von Männlichkeit stehen sich gegenüber: einerseits das hypermaskuline nationalsozialistische Ideal des harten, seine Emotionen streng kontrollierenden Mannes und damit verbunden die Glorifizierung der Soldatenkameradschaft; andererseits der von Walter verkörperte Gegenentwurf. Walter verbindet Mut, Verantwortungsbereitschaft und moralisches Bewusstsein mit den gewöhnlich Frauen zugeschriebenen Eigenschaften Empathie und Fürsorglichkeit.
Der Roman verarbeitet das Motiv der „fremden Heimat“: Deutschland ist nach der totalen militärischen und moralischen Niederlage und der Zerstörung seiner Städte für seine Bewohner ein unbewohnbares Land geworden.
Die grausame Behandlung von Tieren spiegelt die Gewalt unter Menschen wider. Auch hier ist Walter das Gegenmodell; seine Aura von Sanftmut und Güte im Umgang mit den Rindern erinnert an Franz von Assisi.
Der Roman bietet der Hoffnung außerdem Raum in den kurzen Momenten der meditativen Stille, in denen Figuren abseits des Kriegsgeschehens die Erfahrung von Vollkommenheit in der geheimnisvollen Verschmelzung von Mensch und Natur machen.
Ralf Rothmann (* 1953)© picture alliance / EIDON/MAXPPP | Donatella Giagnori / EIDON
JAHR
ORT
EREIGNIS
ALTER
1953
Schleswig
Ralf Rothmann wird am 10. Mai in Schleswig geboren. Seine Eltern arbeiten als Melker auf dem Gut Fahrenstedt bei Böklund. Walter Rothmann stammt aus Essen, seine Frau Elisabeth (geborene Isbahner) aus Konitz in Westpreußen.
1956
Schleswig
Geburt des Bruders.
3
1958
Oberhausen
Umzug der Familie ins Ruhrgebiet nach Oberhausen-Osterfeld. Rothmanns Vater arbeitet als Bergmann, seine Mutter als Bedienung in der Bahnhofsgaststätte. Nach der vergleichsweise idyllischen Zeit auf dem Land empfindet der junge Rothmann das proletarische Milieu im Ruhrgebiet als hart und aggressiv. Die Verhältnisse in der Familie sind beengt und von Geldnot geprägt. Er verbringt möglichst viel Zeit außer Haus, wo er aber auch Gewalt erlebt.
5
1959–1967
Oberhausen
Rothmann absolviert die Volksschule und besucht anschließend für einige Monate die Handelsschule. In der katholischen Kirche mit ihren Ritualen findet er die Schönheit, die er anderweitig vermisst. Seine Freude am Lesen wird von den Eltern unterstützt. Durch sein Interesse an Büchern fühlt er sich unter seinen Altersgenossen als Außenseiter.
6–14
1967–1970
Oberhausen
Rothmann absolviert eine Maurerlehre, die er mit der Gesellenprüfung abschließt. In seiner Freizeit ist er Stammgast in der Stadtbücherei. In der Pausenbaracke auf dem Bau liest er zur Verwunderung seiner Kollegen u. a. in Reclam-Ausgaben von Heinrich von Kleist. Inspiriert von der Rockmusik der Zeit, fängt er an, Songtexte zu schreiben.
14–17
1971
Essen
Rothmann zieht aus dem Elternhaus aus und lebt in Essen. Dort findet er im Umfeld der neu gegründeten Universität ein regeres kulturelles Leben vor. Rothmann begeistert sich für die Werke Hermann Hesses; der Wunsch, selbst zu schreiben, nimmt zunehmend Gestalt an. Er erwirbt den Führerschein und begibt sich von nun an immer wieder auf Reisen in Europa und bis in die Türkei und das damalige Persien.
18
1972–1976
Essen
Rothmann beendet seine Tätigkeit auf dem Bau. In den letzten Jahren im Ruhrgebiet sammelt er in verschiedenen Berufen Erfahrungen, die später in seine Texte einfließen: als Krankenpflegehelfer im Klinikum Essen, dort auf der Dialysestation, der Chirurgischen Wachstation und der Medizinischen Aufnahmestation (ca. zwei Jahre), außerdem als Küchenhilfe und Fahrer in einer Großküche in Essen.
19–23
1976
Berlin
Rothmann folgt seiner damaligen Freundin nach Berlin, wo er bis heute wohnt. Er verdient seinen Lebensunterhalt zunächst als Offset-Drucker, Lichtpauser und Fahrer in einer Druckerei am Bahnhof Zoo, als Paketbote bei der Post in Tempelhof, als Koch in einer Jazz-Kneipe in Wilmersdorf, als Koch und Kellner in einem Behinderten-Café, ebenfalls Wilmersdorf. In Berlin findet Rothmann Anschluss an intellektuelle Kreise.
23
1983–1984
USA, Mexiko, Ecuador und Peru
Rothmann bereist insgesamt neun Monate lang den amerikanischen Kontinent.
30
1984
Berlin
Mit seinem ersten Buch, dem in einem kleinen Verlag erschienenen Lyrikband Kratzer, macht Rothmann auf sich aufmerksam und wird von Suhrkamp, einem der renommiertesten Verlage Europas, unter Vertrag genommen.
31
1985
Paris
Dreimonatiger Aufenthalt in Paris.
32
1986
Berlin/Iserlohn
Die Erzählung Messers Schneide erscheint; der Märkische Kulturpreis ist die erste von zahlreichen und hier nur auszugsweise genannten Auszeichnungen, die Rothmann erhält.
33
1987
Oberhausen
Tod des Vaters Walter Rothmann im Alter von 61 Jahren.
34
1988
Berlin
Der Windfisch (Erzählungen).
35
1989
Oberhausen
Tod der Mutter Elisabeth Rothmann, geborene Isbahner, im Alter von 60 Jahren.
36
1991
Berlin/Paris
Stier, der erste Roman, macht Rothmann einem breiteren Publikum bekannt; Beginn eines weiteren Aufenthaltes in Paris, diesmal für fünfzehn Monate.
38
1992–1993
Paris/Bergen-Enkheim
Ab September ist Rothmann für ein Jahr Stadtschreiber von Bergen-Enkheim.
39–40
1994
Berlin/Oberlin (USA)
Wie der erste Roman spielt auch Wäldernacht im Ruhrgebiet; Rothmann ist für ein Semester „Writer in Residence“ am Oberlin College in Ohio.
41
1997
Berlin
Berlin Blues (Schauspiel).
44
1998
Berlin/New York
Flieh, mein Freund! ist der erste der in Berlin angesiedelten Romane Rothmanns; dreimonatiger Aufenthalt in New York.
45
1999
Essen
Im Wintersemester Gastprofessur als „Poet in Residence“ an der Universität Essen (1999/2000).
46
2000
Berlin
Gebet in Ruinen (Gedichtband);mit Milch und Kohle erscheint der dritte der Ruhrgebietsromane.
47
2001
Berlin
Ein Winter unter Hirschen (Erzählungen).
48
2003
Berlin
Hitze ist der zweite der Berliner Romane.
50
2004
Berlin/Braunschweig
Junges Licht ist der vierte und bislang letzte der im Ruhrgebiet spielenden Romane Rothmanns. Für dieses Werk erhält der Autor den „Wilhelm Raabe-Literaturpreis“.
51
2006
Berlin/Zürich
Rehe am Meer (Erzählungen); Rothmann erhält den Max Frisch-Preis.
53
2008
Weimar
Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung.
55
2009
Berlin
Feuer brennt nicht ist der dritte in der Reihe der Berliner Romane.
56
2010
Aachen
Walter-Hasenclever-Literaturpreis.
57
2012
Berlin
Shakespeares Hühner (Erzählungen).
59
2013
Berlin/Bad Homburg
Sterne tief unten (Erzählung); Friedrich-Hölderlin-Preis.
60
2015
Berlin
Mit Im Frühling sterben hat Rothmann großen Erfolg beim Publikum. Der Roman wird in 25 Sprachen übersetzt. Rothmann lehnt es aber ab, sich damit für den Deutschen Buchpreis nominieren zu lassen. Dieser wird seit 2005 jedes Jahr zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse verliehen. Der Preis steht seit langem in der Kritik, weil er sich nach Auffassung vieler Autoren zu sehr an den Umsatz- und Marketinginteressen des Buchhandels orientiert.
62
2016
Berlin
Adolf Winkelmanns Verfilmung des Romans Junges Licht wird von der Kritik lobend aufgenommen.
63
2017
Berlin
Rothmann erhält den Kleist-Preis.
64
2018
Berlin
Der Gott jenes Sommers (Roman) ist nach Im Frühling sterben der zweite Roman, in dem Rothmann die Endphase des Zweiten Weltkriegs in den Mittelpunkt stellt; dafür erhält er den Uwe-Johnson-Preis.
65
2020
Berlin
Rothmann ist innerhalb Berlins schon zwölfmal umgezogen und lebt jetzt im Ortsteil Frohnau; als bislang letztes Buch erscheint Hotel der Schlaflosen, ein Band mit Erzählungen. Er arbeitet an einem dritten Roman, der in der Kriegs- und Nachkriegszeit spielt. Dieser soll unter dem Titel Die Nacht unterm Schnee im Herbst 2022 erscheinen.
67
ZUSAMMENFASSUNG
In der Endphase des Zweiten Weltkriegs kapitulierte das NS-Regime nicht, obwohl die deutsche Niederlage besiegelt war. Der Kampf wurde bis in den völligen Untergang fortgesetzt.
Die misslungene Offensive in Ungarn war so etwas wie das letzte Aufbäumen der Wehrmacht und SS.
In den letzten Kriegsmonaten verschärfte die NS-Schreckensherrschaft Massenmord und Terror noch einmal, vor allem gegen KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und politische Gegner.
Deserteure wurden durch eine oft nur pseudo-legale Militärjustiz unnachgiebig bestraft, meistens mit dem Tod.
Erst 2002 hob der Bundestag alle Urteile gegen Deserteure des Zweiten Weltkriegs pauschal auf.
Der Krieg in Ungarn
Im Februar 1945, als der Krieg für das nationalsozialistische Deutschland schon längst eine verlorene Sache war, bereitete die Wehrmacht noch einmal eine große Offensive vor. Die 6. Panzerarmee wurde dafür vom Rhein an den Plattensee (Balaton) in Ungarn verlegt. Dieser Verband mit einem harten Kern von SS-Leuten hatte an der gescheiterten und verlustreichen Ardennenoffensive an der Westfront teilgenommen und wurde mit unerfahrenen und nur notdürftig ausgebildeten Soldaten aufgefüllt. Weil es nicht genug Freiwillige gab, wurden junge Männer wie Walter und Fiete in Im Frühling sterben von den Werbern der SS mit List und Alkohol in die Falle gelockt, andere wurden aus dem Kinosaal oder vom Schulhof weggeholt (55). Der Titel des Romans spielt ironisch auf das Unternehmen „Frühlingserwachen“ an, das ein Teil der Plattenseeoffensive war.
Festnahme von Juden in Budapest im Oktober 1944© Wikimedia Commons
Im Februar 1945 war das ursprünglich mit Deutschland verbündete Ungarn bereits in weiten Teilen zerstört und zum Schauplatz schwerer Verbrechen des NS-Regimes geworden. Im März 1944 hatte Hitler auf einen Versuch der ungarischen Regierung, die Seiten zu wechseln, mit der Besetzung des Landes reagiert und gleich die Deportation der ungarischen Juden in Gang gesetzt; zwischen Mai und Juli des Jahres wurden 437.000 von ihnen sowie eine große Zahl von Sinti und Roma in das Vernichtungslager Auschwitz gebracht, wo die meisten von ihnen in Gaskammern ermordet wurden. Als der „Reichsverweser“ Miklós Horthy im Oktober der Sowjetunion ein separates ungarisches Waffenstillstandsangebot machte, erzwang das Deutsche Reich seinen Rücktritt. Anschließend übernahm die faschistische Pfeilkreuzlerpartei die Regierung. Nach der Machtübernahme der Pfeilkreuzler kam es in Budapest zu Massenerschießungen, vor allem von Juden. Weitere 76.000 Juden wurden deportiert.
Militärisch befanden sich die deutschen Verbände und ihre ungarischen Kollaborateure in der Defensive. Seit September 1944 war die Rote Armee schrittweise in das Land eingerückt. Anfang Februar nahm sie nach einer 102 Tage andauernden Belagerung und heftigen Straßenkämpfen die Hauptstadt Budapest ein. Die Offensive am Balaton sollte das Blatt wenden, litt aber von ihrem verspäteten Beginn am 6. März 1945 an unter ungünstigen Voraussetzungen: Das Gelände in der Steppe bot wenig Deckung, und die Witterungsverhältnisse waren ungünstig für einen Angriff mit Kettenfahrzeugen; es hatte getaut und außerdem seit Wochen geregnet. Deshalb blieben die Panzer im Morast stecken, und es wurden kaum Geländegewinne erzielt. Trotz der katastrophalen Lage und hoher Verluste fanden die SS-Führer Gelegenheit, sich gegenseitig Orden zu verleihen und dies in ausgelassener Stimmung zu feiern.[1]
Die Gegenoffensive der an Soldaten und Ausrüstung weit überlegenen Roten Armee begann am 16. März 1945 bei inzwischen besserem Wetter und kam zügig voran. Das seit Monaten schwer umkämpfte und im Roman mehrfach erwähnte Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) musste am 21. März geräumt werden. Die deutsche Front brach nun schnell zusammen, und die Truppen zogen sich in Richtung Westen zurück. Am 4. April 1945 erreichte die Rote Armee bereits Wien.
Rothmanns Vater (zweiter von links) mit Kameraden in Ungarn© Ralf Rothmann
Kampf bis in den Untergang
Am Anfang des Jahres 1945 standen die Gegner Deutschlands nicht nur in Ungarn dicht vor den Reichsgrenzen. Eine vernichtende Niederlage an den Fronten im Osten und Westen war kaum zu vermeiden. Im Roman hat Walter gehört, dass die Briten „‚schon an der holländischen Grenze sein‘“ sollen (20), und weiß deshalb, dass es völlig sinnlos wäre, ihn noch in den Krieg zu schicken. Trotzdem kam eine Kapitulation für die deutsche Führung nicht in Frage. Dies ist ein in der Geschichte ungewöhnlicher Fall; üblicherweise handeln Regierungen in vergleichbarer Lage nach dem Grundsatz „lieber ein Schrecken mit Ende als ein Schrecken ohne Ende“. So war es auch im Ersten Weltkrieg; Deutschland kapitulierte, als seine militärischen Kräfte restlos erschöpft waren.[2] Der Zweite Weltkrieg wurde jedoch bis zum bitteren Ende und der vollständigen Besetzung des Landes fortgesetzt. Zu diesem Zweck wurden immer weitere Teile der Gesellschaft für den Krieg mobilisiert. Schon am 20. 10. 1944 war die Bildung des „Deutschen Volkssturms“ verkündet worden, mit dem alle zuvor nicht wehrpflichtigen Männer im Alter zwischen sechzehn und sechzig Jahren zur Verteidigung des „Heimatbodens“ aufgeboten werden sollten.