Im Spiegel der Liebe - Bernd Nickel - E-Book

Im Spiegel der Liebe E-Book

Bernd Nickel

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Beschreibung

Dieses Buch ist eine Zumutung und eine Erleichterung. Eine echte Herausforderung ist es für all jene, die bislang glaubten, es gäbe diese eine große Liebe, die über Grenzen hinweg Paare zusammenschweißt, ohne dass dafür eine Gegenleistung gebracht werden müsse. Erleichtert werden die anderen darin lesen, dass wir die Liebe beeinflussen können und sogar müssen. Während die einen vielleicht ein Leben lang vergeblich auf den einen Partner, auf die große Liebe warten, dürfen die anderen folgende Erkenntnis aus diesem Buch mitnehmen und für immer bei sich tragen: "Leben Sie in einer Partnerschaft das, was möglich ist, und versuchen Sie nicht, den Partner zu ändern, versuchen Sie nicht, ihn zurechtzubiegen." Als systemischer Paarberater habe ich viele Neuanfänge, aber auch Trennungen begleitet. Ich habe Paare erlebt, die hohe Erwartungen an ihre Partnerschaft hatten und den typischen Mythen von dauerhaftem Begehren, wilder Sexualität und ewiger Treue aufgesessen sind, an denen viele Partnerschaften heute scheitern. Das Buch beschäftigt sich mit dem Phänomen der Liebe und geht dabei eingangs auf die theoretischen Fragen zur Liebe sowie die Entwicklung und Bedeutung der Ehe über die Jahrhunderte hinweg ein. Es greift zentrale Themen der Partnerschaft auf wie Liebe, Treue, Eifersucht, Monogamie, Freiheit, Bindungsangst und Narzissmus. Welche Rolle spielen Sex, Macht und Geld in einer Partnerschaft und welche Gewichtung dürfen sie haben, damit die Liebe auf Dauer eine Chance bekommt? Sie lernen authentische Beispiele von Paaren aus meiner Praxis kennen, die mit verschiedenen Problemen zu mir gekommen sind und ganz unterschiedliche Lösungsansätze für sich gefunden haben. Dabei gab es nicht immer einen Neuanfang, aber jedes Paar hat etwas Entscheidendes für sich gelernt: "Die Liebe ist oft nicht viel mehr als ein Spiegel, in dem wir uns selbst begegnen".

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Im Spiegel der Liebe

Bibliografische Informationen der

Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Bibliografische Daten im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Bernd Nickel: Im Spiegel der Liebe. Wege zu einer lebendigen glücklichen Paarbeziehung

© Bernd Nickel 2018

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag und Satz: satzmeer, Frankfurt am Main

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN 978-3-7469-2395-6 (Paperback)

ISBN 978-3-7469-2396-3 (Hardcover)

ISBN 978-3-7469-2397-0 (e-Book)

Bernd Nickel

Im Spiegel der Liebe

Wege zu einer lebendigen glücklichen Paarbeziehung

Inhalt

Vorwort

Teil 1 – Das Phänomen Liebe

Allgemeines zur Liebe

Die Liebe gibt es mehrfach

Die Fragmente der Liebe

Die Gesichter der Liebe

Die geschlechtsspezifische Liebe

Themen der Liebe

Die Liebe als Glocke

Verliebtheit als Abgrenzung zur Liebe

Die grundsätzlichen Fragen der Liebe

Teil 2 – Die Schattierungen der Liebe

Vorwort

Was heißt Schattierungen der Liebe?

Überblick über die Liebesschattierungen

Erläuterungen zu den Liebesschattierungen

Alle Bedingungen der Liebe haben wollen

Teil 3 – Liebe, Treue, Eifersucht, Monogamie und Freiheit

Liebe und Treue

Liebe und Eifersucht

Liebe und Monogamie

Liebe und Freiheit

Ausblick

Liebe, Selbstliebe und Eigenverantwortung

Teil 4 – Bindungsangst, Narzissmus, empathischfürsorgliche Liebe

Vorwort

Die Bindungsangst

Empathisch-fürsorgliche Liebe

Der Narzissmus

Eine gefährliche Mischung

Giftige Beziehungen

Zusammenfassung

Teil 5 – Liebe, Geld und Macht

Belastungsproben

Geld verdeutlicht die Machtstrukturen in der Partnerschaft

Geld als Zündstoff: Streitigkeiten in der Partnerschaft

Ich möchte einen reichen Mann: bewusste Abhängigkeit schaffen

Geld oder Liebe?

Geld und die Anerkennung in der Partnerschaft

Was macht das Geld in der Partnerschaft mit der Sexualität?

Wer zahlt die Rechnung?

Ein Lösungsansatz für Geldkonflikte in Langzeitbeziehungen

Teil 6 – Lust, Sex und Liebe

Liebe und Begehren

Viel Nähe in der Beziehung

Begehren und Sex in Langzeitbeziehungen

Liebe und Realismus

Leidenschaft – akzeptierte Vergänglichkeit

Sexualität braucht Gestaltungsfreiheit und kennt keine Normen

Akzeptieren Sie Ihre erotischen Differenzen

Wie sich ein Scheitern an der Sexualität in der Paarbeziehung verhindern lässt

Auch wenn in der Partnerschaft der Sex eingeschlafen ist – bleiben!

Liebe ganz ohne Zwang zum Sex

Liebe und Sexualität

Verständnis der Gesellschaft

Ich will etwas bekommen

Begehren und Dauerhaftigkeit

Teil 7 – Die Liebeslügen und Liebesirrtümer an sich

Vorwort

Lüge und Mythos 1: „Liebe und Sexualität gehören immer zusammen“

Lüge und Mythos 2: „Sexualprobleme gelöst, alles gelöst“

Lüge und Mythos 3: „Der Orgasmus ist das Ziel der Liebe“

Lüge und Mythos 4: „Technik ist wichtig für eine befriedigende Sexualität“

Lüge und Mythos 5: „Liebe in der Jugend ist anders als im Alter“

Lüge und Mythos 6: „Die große Liebe hält ewig“

Lüge und Mythos 7: „Nur wer eifersüchtig ist, liebt richtig“

Lüge und Mythos 8: „Wir können uns in Sachen Liebe einfach dem Schicksal ergeben“

Lüge und Mythos 9: „Es gibt nur den einen richtigen, wahren Partner“

Lüge und Mythos 10: „Freie Sexualität macht frei“

Lüge und Mythos 11: „Wenn die leidenschaftliche Liebe weg ist, ist auf jeden Fall eine sinnliche Liebe machbar“

Lüge und Mythos 12: „Wir haben eine ideale Beziehung“

Lüge und Mythos 13: „Wir können uns immer sexuell treu bleiben“

Lüge und Mythos 14: Vom dauernden Begehren

Fazit

Teil 8 – Die vielen Wege, die Liebe zu leben oder zu scheitern

Vorwort

Marion und Detlef: Zu hohe Erwartungen und überzogene Ideale

Kristina und Stefan: Wir werden Eltern und gehen in Rente

Blanka und Peter: Du bist schuld, ich weiß es besser

Sybille und Holger: Die Liebe ist kein Stück Knete

Gustav und Elise: Gewohnheiten

Bea und Mario: Wir haben einfach keine Zeit. Toxischer Stress

Anette und Michael: Meine Bedürfnisse, deine Bedürfnisse

Sabine und Jan: Fremdgehen in der Partnerschaft

Ilona und Konrad: Keine körperliche Liebe mehr

Ernst, Monika und Isolde: Die arrangierte Beziehung

Katharina und serielle Monogamie

Anette und Karl – Parallele Beziehungen

Betty – kontrollierte sexuelle Freiheit

Edit und Heinz – glücklich bis ans Lebensende

Erkennen Sie den Wert Ihrer Beziehung

Teil 9 – Wie man eine Partnerschaft mit Sicherheit scheitern lässt

Vorwort

Was Langzeitliebespaare nicht tun

Die fünf apokalyptischen Reiter nach John Gottman

Weitere acht Totschläger von Beziehungen

Schlussgedanke

Anhang

Anmerkungen sowie Bücherliste

Im Spiegel der Liebe: Dankesworte

Über den Autor

Meine Praxis für die „erlebte Paarberatung“®

Vorwort

Dieses Buch über die Liebe ist über viele Etappen und viele Jahre entstanden. Als systemischer Paarberater beschäftige ich mich mit der Auflösung des Phänomens Liebe, da ja auch immer wieder Paare in meine Praxis kommen, die eine sehr schwierige, ja sogar giftige Beziehung führen und zusammenbleiben wollen, da sie sich lieben.

„Weil wir uns lieben“, was immer das dann auch heißt. Persönliche Erkenntnisse und viele Erkenntnisse als beobachtender und betreibender systemischer Paarberater versuche ich im vorliegenden Buch zu vereinen.

Inspirationen hole ich mir insbesondere aus den Büchern „Beziehungsdrama oder Liebesabenteuer “ von Osho, „Die Liebe“ von Peter Lauster, „Lob der Vernunftehe“ von Arnold Retzer, „Wenn die Liebe fremdgeht“ von Ulrich Clement, „Wahre Liebe lässt frei“ von Robert Betz, „Treue ist auch keine Lösung“ von Holger Lendt und Lisa Fischbach, „Wie wir lieben“ von Friedemann Karig, „Freiheit von der Eifersucht“ von Thomas Deutschbein, „Meine Bedürfnisse, Deine Bedürfnisse“ von Alexandra Hartmann und aus den vielen und gut geschriebenen Veröffentlichungen von Michael Mary.1

Die größte Einflussnahme haben jedoch das eigene Leben und die in meiner Praxis für systemische Paartherapie gesammelten Erfahrungen.

Aus diesem Wissen, mit den Inspirationen aus Gesprächen mit anderen Paartherapeuten, den Geschichten der Paare aus meiner Praxis und den Gedanken der Wissenschaft ist ein Resümee entstanden, das Paaren einen Ansatz für die Beschäftigung mit dem facettenreichen Thema Liebe an die Hand geben soll. Dennoch ist dieses Buch kein wissenschaftliches Werk, sondern vielmehr eine Leselektüre für jedermann. Sie will zum Nachdenken und Nachjustieren von vorhandenen Einstellungen zur Liebe und zu damit verbundenen Themen anregen. Viel Spaß beim Lesen!

Vorstellungen und Realität

In unserer Vorstellung gibt es diese eine Liebesgeschichte, die uns schon seit dem biblischen Paradies begleitet. Zwei Menschen schauen sich in die Augen, verlieben sich und bleiben bis an ihr Lebensende ein glückliches Paar. Zweifeln nie, gehen Hand in Hand durch alle Probleme, bauen ein Haus, bekommen Kinder und werden zusammen glücklich alt. Aus jedem dieser Ereignisse gehen sie gestärkt als Paar hervor. Im Film folgt jetzt der Abspann – und der Kinobesucher ist wieder allein mit sich und der Frage, warum es in der Realität oft so ganz anders aussieht. Er geht nach Hause und setzt sich allein an den Esstisch, weil der Partner noch bei der Arbeit ist. Und während des Zweifelns und Abwägens über das Für und Wider dieser Partnerschaft stellt er sich die Frage: Was ist eigentlich das Geheimnis von Paaren, die bis an ihr Lebensende glücklich sind?

Wenn wir diesem Geheimnis auf den Grund gehen wollen, brauchen wir ein Bild, in das wir eintreten können. Lassen Sie uns die Liebe als eine Reise sehen. Eine Reise durch ein Labyrinth, in dem es viele Wege gibt – und keiner davon ist richtig oder falsch. Es gibt in diesem Labyrinth stattdessen eine Vielzahl von Möglichkeiten, und wir begleiten in den folgenden Kapiteln Paare dabei, wie sie ihren persönlichen Pfad der Liebe beschreiten.

Etwas Wegweisendes möchte ich soeben zu Beginn verraten: Ich bin nicht Professor Liebe. Ich kenne keine Kniffe oder Bannsprüche, keine Generalrezepte. Ich durfte in der Paarberatung, aber auch im Leben einigen Menschen begegnen, die es geschafft haben, ihren Weg zu finden, aber auch Paaren, die auf dem Weg gescheitert sind. Wobei ich das Wort „scheitern“ nicht negativ bewerte. Scheitern, damit können auch Paare gemeint sein, die erkannt haben, dass sie nicht zueinander passen, und Paare, die festgestellt haben, dass die jeweiligen persönlichen Entwicklungen keine gemeinsamen Interessen mehr aufzeigen.

Ein Buch über die Liebe und alle ihre Aspekte zu schreiben stellte mich vor interessante Fragen. Bei vielen Sätzen dachte ich: Was sagen wohl meine Klienten dazu? Meine Freunde? Meine Frau, meine Kinder, aber auch die Menschen, mit denen ich in diesem Leben schon liiert war?

Die Liebe mit ihren vielfältigen Seiten ist und bleibt ein kompliziertes, intimes und vor allem persönliches Thema. Jeder Mensch tickt anders. Daher ist es nicht immer einfach, darüber nachzudenken und zu schreiben. Wir fliegen zum Mond, ja sogar bald zum Mars und blicken in die Herkunft unserer Gene. Aber was wissen wir wirklich von

❖Liebe, von Freiheit und Offenheit?

❖uns?

❖den Zusammenhängen zwischen Liebe und Sex?

Das Gute ist: Es ist völlig okay, wenn das Thema Liebe für uns viele Fragezeichen und wenige sichere Erkenntnisse hat. Wir alle sind unsicher. Wir alle haben Ängste. Wer den Eindruck erweckt, sicher zu sein, will oft nur seine Unsicherheit vernebeln.

Friedemann Karig schreibt dies:

„Wie soll man angesichts von so etwas Schönem und Großem wie der Liebe nicht unsicher sein? Sie bleibt ein riesiges Planschbecken – und wir Nichtschwimmer. Manchmal geht einer unter. Mancher schafft einen Salto vom Rand. Und manche schwimmen sich ein bisschen freier als andere.“2

Dem kann ich als Autor dieses Buches nur beipflichten.

Die Liebe — Eine Darstellung der Psyche

„Wenn ich für dich will, was du für dich willst, dann liebe ich dich wirklich.“N. Walsch3

Liebe ist kein Gegenstand, den man in die Hand nehmen und betrachten kann. Daher lässt sich dieses Phänomen selbst mit heutigen Standards in der Wissenschaft nur sehr schwer erforschen. Es gibt nichts an ihr, was man unter das Mikroskop legen könnte. Wir empfinden die Liebe nicht als eine Sache, sondern vielmehr als ein Erlebnis. Versuchen Sie mal, ein schönes Erlebnis in Ihrem Leben zu beschreiben – vielleicht Ihre Hochzeit oder die Geburt eines Kindes. Sie werden sehr viele Adjektive und Attribute brauchen. Ihnen wird daneben aber auch auffallen, dass Ihr Partner oder Ihre Partnerin das Ereignis „Hochzeit“ ganz anders wahrgenommen hat. Während der eine den Ringtausch als schönsten Moment empfunden hat, war es für den anderen vielleicht die Hochzeitsnacht. Erleben ist immer subjektiv. Beide Erlebnisberichte sind gleich wahr und richtig. Sie entstehen aus einer subjektiven Wahrnehmung heraus.

Ich habe mich selbst viele Jahre lang genau beobachtet und subjektive Beobachtungen vieler Menschen aufgeschrieben – in den letzten zehn Jahren als systemischer Paarberater. Ich bin zu der festen Überzeugung gelangt, dass es mir möglich ist, das Solidarische der Erfahrungen und Erlebnisse zusammenzuziehen und zu bereinigen.

Ich stelle immer wieder fest, dass der überwiegende Teil der Menschen in der Evolution ihrer Liebesfähigkeit verkrampft und blockiert ist. Ich möchte deshalb mit diesem Buch nicht nur an Ihre Ratio appellieren und Kenntnis überbringen, sondern vielmehr beim Leser einen Prozess anregen.

Dieses Buch ist ...

... keine Gebrauchsanleitung für die Liebe. Das Buch enthält kein angenehmes oder gar bequemes Rezeptbuch. Es verrät auch keine schlichten Tricks, wie man andere schnell und problemlos verzaubert oder eins, zwei, drei sexuelle Leidenschaft in eine langjährige Beziehung zurückholen kann. Ich sehe das Buch vielmehr als einen Anstoß zur Selbstfindung. Es soll zur Entschlossenheit führen, zu mehr geistiger Freiheit zu gelangen. Mut und die Kraft zu finden, ein Ja zu sich zu sagen und seinen Weg in einer Paarbeziehung zu finden, weniger Beziehungsdrama und mehr lebendige Liebe zu leben.

Ich möchte Sie ermutigen, tiefer in die Thematik einzusteigen und über Zusammenhänge nachzudenken, die Sie bisher vielleicht scheuten – weil Ihnen der Mut fehlte.

Die Liebe ist der Weg zu Glück, Wohlbehagen, Wohlbefinden und Weisheit. Doch gleich zu Beginn eine Klarstellung: Ein dauerhaftes Hoch in Glück und Liebe ist nicht möglich. Zwangsläufig wird es immer wieder auch ein Tief geben. Wo Berge sind, sind auch Täler. Täler sind Voraussetzungen für Berge. Unglück ist Voraussetzung für Glück.

Eckart von Hirschhausen schreibt:„Überleben war das Ziel der Evolution von allem Anfang an. Wenn Sie diesen Text hier lesen, hat Ihr Hirn seinen Job gemacht! Glücksmomente sollen uns antreiben, unsere Überlebenschancen zu verbessern. Deshalb macht Essen Spaß. Deshalb macht Sex Spaß. Deshalb macht es auch Spaß, etwas dazuzulernen. Das ist schön. Aber auf Dauer glücklich sein? Nein – es wäre buchstäblich der Tod! Wir überleben, weil Glück vorbeigeht und wir weiter dazulernen. Kein Mensch ist dazu verdammt, dauerhaft glücklich zu sein. Das ist eine frohe Botschaft.“4

Wenn ich dies im Folgenden begreiflich machen kann, fühlbar und offenkundig, ist schon viel erreicht. Es ist eine Liebeserklärung an die Liebe und das Leben.

Aber lasst Raum zwischen euch.

Und lasst die Winde des Himmels zwischen euch tanzen.

Liebt einander, aber macht die Liebe nicht zur Fessel.

Lasst sie eher ein wogendes Meer zwischen den Ufern eurer Seele sein.

Füllt einander den Becher, aber trinkt nicht aus einem Becher.

Gebt einander von eurem Brot, aber esst nicht vom selben Laib.

Singt und tanzt zusammen und seid fröhlich, aber lasst jeden von euch allein sein.

So wie die Saiten einer Laute allein sind und doch von derselben Musik erzittern.

Gebt eure Herzen, aber nicht in der anderen Obhut.

Denn nur die Hand des Lebens kann eure Herzen umfassen.

Und steht zusammen, doch nicht zu nah:

Denn die Säulen des Tempels stehen für sich,

Und die Eiche und die Zypresse wachsen nicht im Schatten der anderen.

Khalil Gibran, Der Prophet5

Was lesen Sie aus diesen Zeilen? Ich lese daraus, dass Distanz der Klebstoff ist, durch den Menschen miteinander verbunden werden. Raum zwischen sich lassen. Das bedeutet vor allem, loslassen können, den anderen nicht zu dominieren, keine Besitzansprüche anzumelden und auch nicht die Persönlichkeit des anderen in die eigene zu verändern. Was bedeutet das im täglichen Miteinander? Es bedeutet, sich keine Rechtfertigungen abzuholen. Nicht zu fragen, warum und wie lange und mit wem.

Stellen Sie sich diesen Freiraum bildlich vor wie einen Ring, der um die Taille des anderen geschnallt ist. Innerhalb dieses Freiraumes darf er sich bewegen und Sie im Übrigen auch. Sich gegenseitig Freiräume zu geben, bedeutet auch, selbst freier zu leben. Sie werden dadurch etwas beobachten. Ihr Mann oder Ihre Frau wird ganz von selbst berichten, wie er oder sie den Tag verbracht hat, wenn Sie den anderen nicht ins Kreuzverhör nehmen.

Wenn Sie nicht loslassen und von alten Gewohnheiten abweichen können, machen Sie sich bewusst, warum Sie so minutiös über den Tagesablauf des Partners unterrichtet werden wollen. In der Regel stehen Verlustängste, Macht- und Kontrollsucht dahinter. Manchmal auch Eifersucht auf den Partner, der mehr Freunde, bessere Hobbys oder generell ein besseres Leben zu haben scheint.

Das Problem der Kontrolle fängt viel früher an, nämlich nicht erst in dem Moment, in dem das Verhör beim Heimkommen beginnt. Es fängt für den anderen schon auf dem Heimweg an mit diesem unguten Gefühl, was jetzt wieder kommen wird. Sitzt die Frau oder der Mann schon mit gezückter Waffe im Wohnzimmer und wartet nur darauf, das Feuer zu eröffnen? Was wird er oder sie sagen, wenn ich nach Feierabend noch einen Umweg genommen habe, um einen Freund zu treffen, statt die freie Zeit lieber zuhause zu verbringen? Solche Verhörmethoden nach Feierabend animieren auch dazu, den Partner zu belügen. Man sagt dann lieber, dass man länger arbeiten musste, um Diskussionen aus dem Weg zu gehen, statt zu erzählen, dass man eben noch ein Feierabendbier getrunken hat.

Machen Sie sich selbst frei von dem Gedanken, dass eine Partnerschaft oder der Ehering eine Kette ist, mit der Sie für immer aneinander gekettet sind und die Sie dazu zwingt, die gleichen Interessen zu haben und immer alles gemeinsam unternehmen zu müssen.

„Liebe ist das Kind der Freiheit, niemals das der Beherrschung.“6Erich Fromm

Es ist uns Menschen oft nicht bewusst, dass wir überhaupt nicht wissen, was Liebe ist. Unsere (christliche) Kultur behauptet:

„Liebe ist nie misstrauisch, Liebe ist nie eifersüchtig. Liebe mischt sich nie in die Freiheit des anderen ein. Liebe drängt sich dem anderen nie auf.“7

Liebe und auch Sexualität geben Freiheit. Und Freiheit ist wiederum nur möglich, wenn genug Raum zwischen zwei Menschen ist. Liebe ist ein Kind der Freiheit, das unbedingt geboren werden sollte.

Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für die Liebe? Sie bedeuten, dass man den anderen glücklich machen möchte, und zwar aus ganz egoistischen Gründen, um selbst glücklich zu sein. Wie kann das gelingen? Indem man kritisch hinterfragt, warum man ärgerlich ist, wenn der Partner einem anderen Menschen auf der Straße hinterherschaut. Sind Eifersucht und Streit angemessen, oder sollte an diese Stelle nicht lieber die Freude darüber treten, dass der andere Freude empfindet? Sie leben nicht in einer Seifenblase, durch die nichts eindringt. Harmonie in der Partnerschaft bedeutet, andere Menschen zuzulassen. Stärken Sie das Immunsystem der Liebe, indem Sie sich mit Ihrem Partner freuen, statt ihm als Konkurrent entgegenzutreten. Sie sind Ihre Verbindung nicht aus dem Grund eingegangen, um sich gegenseitig klein zu machen, um sich zu ducken, sich zu reduzieren und Konflikte auszutragen, die Sie allein nicht hätten.

Ich erlebe in meiner Praxis immer wieder Paare, die Freiheit als Gegenspieler der Paarbeziehung sehen. Ist es nicht ein Widerspruch, zusammen zu sein und sich gleichzeitig möglichst viel Raum zu geben? Nein, das ist es nicht. Aus Freiheit entstehen Nähe und Intimität. Das ist, als wenn am Morgen der kleine Hund über den Zaun springt und am Abend plötzlich wieder vor der Tür steht und nach Futter fragt. Sie wollen eigentlich gar nicht so sehr wissen, wo er war, sondern freuen sich darüber, das kleine Wollknäuel wieder wohlbehalten daheim zu haben. So ähnlich ist es auch in der Partnerschaft. Je freier man lebt, desto interessanter wird man für den anderen, desto mehr Gesprächsthemen gibt es am Esstisch und desto mehr Sehnsucht kann tagsüber aufkeimen, den Partner am Abend wieder in die Arme zu schließen.

In guten Beziehungen wechseln sich Nähe und Distanz ab. Da treffen sich Männer auch mal mit guten Freundinnen und Frauen mit männlichen Freunden. Dies soll jetzt allerdings nicht den Eindruck erwecken, als dürfe man in guten Partnerschaften nichts mehr gemeinsam unternehmen. Natürlich verbringen Sie dann auch wieder gemeinsame Zeit, teilen Interessen und Hobbys.

Versuchen Sie einmal zu tanzen, während Sie an Armen und Beinen aneinander gekettet sind. Es wird nicht mehr als ein kläglicher Versuch sein, sich im Rhythmus der Musik zu bewegen. Wenn Sie tanzen wollen, dann lösen Sie die Fesseln und lassen Sie sich treiben in dem freien Raum, der nun entstanden ist.

Kurzum kann bis jetzt ausgesprochen werden:

„Alles nur mit einem für immer“ ist eine unbewusste Reaktion, die sich bei den meisten Paaren einstellt, wenn sie eine Beziehung miteinander eingehen. Das ist also keine bewusste Entscheidung, nach der die Leitlinien und Werte auf den Prüfstand gestellt worden sind.

„Alles nur mit einem für immer“ erwarten wir nicht aus Liebe, sondern aus egoistischen, ja sogar egozentrischen Antrieben. Wir wünschen uns in der Liebesbeziehung vom Gegenüber einen ständigen Zufluss von Anerkennung, Bestätigung und Wertschätzung. Oft auch eine sexuelle Grundversorgung. Diesen nicht versiegenden Strom von Anerkennung, Bestätigung und Wertschätzung wollen wir sicherstellen. Darum erwarten wir auch in jeder Hinsicht eine Ausschließlichkeit. Wollen viel Zeit mit dem Partner verbringen. „Viel Zeit“ wird oft im Stillen und gänzlich unbewusst gleichgesetzt mit

❖viel Anerkennung, Zuwendung, Bestätigung und Wertschätzung,

❖Kontrolle über die Zeit des Anderen (wenn ich mit ihm zusammen bin, kann er niemand anderen kennen lernen oder einem anderen das geben, was ich für mich erwarte).

Ärger, Wut und Eifersucht ist dann die Reaktion, die sich einstellt, wenn wir merken, dass der andere unseren Erwartungen und Vorstellungen nicht entspricht.

Es ist entzaubernd zu erkennen, dass die Worte „Ich liebe Dich“ oft nichts anderes bedeuten als „ich will etwas von dir“. Die Befriedigung meiner Bedürfnisse soll sichergestellt sein, das Gefühl, „geliebt zu werden“, Anerkennung, Zuwendung, Bestätigung und Wertschätzung zu erfahren und den Sex in Quantität und Qualität zu bekommen, den ich mir vorstelle.

Wenn wir diese Erwartungen und Vorstellungen, dass der andere sich so verhält, wie wir es uns wünschen, Liebe nennen, geht es uns dabei in Wirklichkeit nicht um das Wohl des anderen, sondern um das eigene Wohl, um die Befriedigung unserer eigenen Grundbedürfnisse. Wenn wir dann nicht bekommen, was wir erwarten, werden wir oft eifersüchtig, ärgerlich oder gar wütend, ja sogar aggressiv und drohen mit Beendigung der Beziehung. Ist das Liebe? Ich schätze, das ist Ausübung von Macht und Manipulation.

Sie erinnern sich, Liebe ist:

„Wenn ich für dich will, was du für dich willst, dann liebe ich dich wirklich.“8

„Lasst Raum zwischen euch. Und lasst die Winde des Himmels zwischen euch tanzen. Liebt einander, aber macht die Liebe nicht zur Fessel.“9

„Gehen Sie drei Wege, jeweils den eigenen und den gemeinsamen.“10

...ein Kind der Freiheit: „Setz einen Adler in den Käfig und er wird in die Stäbe beißen, egal ob sie nun von Eisen oder von Gold sind.“11Henrik Ibsen

Ich wünsche Ihnen Mut zur Freiheit, die Freiheit, Sie selbst zu sein, mit all Ihren Ecken und Kanten. Das eigene Wesen zu verwirklichen, ist das größte Geschenk im Leben.

Die Rose Liebe ist wie wildes Wasser, das sich durch Felsen zehrt. Liebe ist so wie ein Messer, das dir im Herzen brennt. Sie ist süß und sie ist bitter, ein Sturmwind und ein Hauch.

Für mich ist sie eine Rose, für dich ein Dornenstrauch. Wer nie weint und niemals trauert, der weiß auch nichts vom Glück.

Wer nur sucht, was ewig dauert, versäumt den Augenblick. Wer nie nimmt, kann auch nicht geben, und wer sein Leben lang immer Angst hat vor dem Sterben – fängt nie zu leben an.

Wenn du denkst, du bist verlassen und kein Weg führt aus der Nacht, fängst du an die Welt zu hassen, die andere nur glücklich macht.

Doch vergiss nicht – an dem Zweig dort, der im Schnee bei Nacht erfror, Blüht im Frühjahr eine Rose, so schön wie nie zuvor.12

Dazu nun ein gutes Gelingen auf einer spannenden Entdeckungsreise in diesem Buch, „Im Spiegel der Liebe“!

Teil 1

Das Phänomen Liebe

allgemeines zur Liebe

Woher kommt das Wort Liebe?

Liebe ist ein großes Wort, das schon so oft definiert wurde, wie es Sterne am Himmel gibt. In der Minnezeit besangen viele Dichter ihre Gefühle zum Klang der Laute. Dabei existierte das Wort „Liebe“ an sich noch nicht. Zum Ausdruck einer großen Empfindung nutzte man den Begriff Minne. Dieses Gefühl bezog sich auf eine rein geistige Verehrung, die frei von geschlechtlichem Begehren war. Minne konnte man sowohl einem anderen Menschen als auch Gott entgegenbringen. Sie konnte ein freundschaftliches, aber auch ein tiefes Gefühl dem anderen Geschlecht gegenüber sein, eine emotionale Verbindung zur Natur, zu einem Tier oder einem Ort. Liubi war in früher Zeit ein zur Minne gehöriges Adjektiv. Mit der Zeit wurde das Adjektiv zum Substantiv und verdrängte das Wort Minne. Nach zwei Lautverschiebungen im Laufe der Zeit wurde aus diesem Wort dann die „Liebe“, die sich bis in unsere Zeit gerettet hat.

Was ist Liebe?

Seit es Menschen gibt, machen sich insbesondere Schriftsteller, Psychologen und Philosophen und neuerdings auch Paarberater Gedanken über das Phänomen Liebe. Niemand hat es bislang zufriedenstellend und umfassend beschreiben können. Dies liegt meiner Auffassung nach nicht an der Unfähigkeit der Schriftsteller, Psychologen, Philosophen oder Dichter. Es zeigt sich, dass Liebe nichts Bestimmtes, nichts Bestimmbares ist, sondern ein Konstrukt, ein Bild, das im jeweiligen Kopf entsteht, das sich in jedem Land und dann auch in der Vorstellung eines jeden Menschen unterscheidet. Liebe ist weder ein festes Objekt noch eine geistige Erscheinung. Liebe existiert nicht an sich, es gibt keine Liebe als solche. Das Bild der Liebe ist ein Kopfprodukt.

Michael Mary schreibt:

„Liebe stellt ein komplexes Gefühls- und Verhaltensphänomen dar, das in die jeweilige soziale Umgebung und konkrete Lebenswirklichkeit der Menschen eingebunden ist.“13

Das Bild der Liebe entsteht im Kopf des jeweiligen Menschen und wird durch die Kultur eines jeden Landes, einer jeden Gesellschaft beeinflusst.

Beschreibung der Liebe

In Wikipedia steht zur „Liebe“ Folgendes:

„Liebe ist im Allgemeinen die Bezeichnung für die stärkste Zuneigung und Wertschätzung zu einem oder mehreren Menschen. Diese allgemeine Interpretation versteht Liebe also zugleich als Metapher für den Ausdruck tiefer Wertschätzung.

Kulturgeschichtlich und historisch ist „Liebe“ ein schillernder Begriff, der nicht nur in der deutschen Sprache in vielfältigen Kontexten und in den unterschiedlichsten Konnotationen verwendet wird. Das Phänomen wurde in den verschiedenen Epochen, Entwicklungen und Gesellschaften unterschiedlich aufgefasst und erlebt. Jede Zeit und jeder soziale Verband setzen je eigene Verhaltensregeln für den Umgang mit der Liebe. Daher können die Bedeutungsebenen zwischen der sinnlichen Empfindung, dem Gefühl und der ethischen Grundhaltung Liebe wechseln.“14

Schauen wir nun nach Wikipedia einmal in die Bibel. Dort heißt es:

„Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Die Liebe erfreut sich, wenn es dem anderen gut geht. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.“19

Doch was hat sich Apostel Paulus dabei gedacht? Ist diese Beschreibung von Menschen überhaupt umsetzbar?

Allein der Aspekt „Liebe erfreut sich, wenn es dem anderen gut geht“ lässt die Frage aufkommen: „Auch wenn er mit einem anderen Sex hat?“ Mag dies unter Umständen noch vorstellbar sein, kann ein Versprechen wie „Die Liebe hört niemals auf“ nach meiner Meinung von keinem Menschen gegenüber einem anderen gehalten werden. Mag die Liebe in diesem Moment noch so groß empfunden werden. Liebe ist ein Gefühl. Gefühle kommen und gehen. Ich kann jemandem versprechen, immer bei ihm zu sein, zu ihm zu halten, aber niemals, ihn immer zu lieben.

Schauen wir auch einmal in das Buch „Gespräche mit Gott“, Band 3. Hier schreibt Walsch, dass Gott sprach:

„Wenn ich für dich will, was du für dich willst, dann liebe ich dich wirklich. Wenn ich für dich will, was ich für dich will, dann liebe ich mich durch dich.“20

An derselben Wertbestimmung können Sie selbst begreifen, ob der andere Sie wahrhaftig liebt und ob Sie andere wahrhaftig lieben. Denn Liebe wählt nicht für sich selbst, sondern macht die Wahl möglich, die der geliebte Mensch getroffen hat.

Zu allen Zeiten kannten Menschen die Liebe, doch verstanden sie je nach Zeitalter und Gesellschaft etwas anderes darunter. Und auch die Botschaft der Bibel legten sie verschieden aus. Selbst im christlich geprägten Europa und Amerika nahm die Paarliebe abhängig vom epochalen Kontext abwechselnde Formen an und abhängig davon erfüllte sie jeweils im Laufe der Geschichte einen anderen Zweck.

Die Liebe gibt es mehrfach

Wenn ich Paaren während des Beratungsgespräches gegenübersitze, stelle ich gerne gleich am Anfang die entscheidende Frage: Warum wollen Sie eigentlich zusammenbleiben? Die Antwort kommt dann oft – trotz giftiger Streitigkeiten – wie aus einem Munde: „Wir lieben uns eben“ oder „Weil wir uns lieben“. Diese Antwort ist angesichts des kaum noch als liebevoll zu bezeichnenden Umgangs der Partner miteinander erstaunlich. Ist „Liebe“ zu einem geflügelten Wort geworden? Wird automatisch das Vorhandensein von Liebe vorausgesetzt, wenn man ein gemeinsames Klingelschild besitzt?

Um diesen Widerspruch zu verstehen, betrachten wir die Liebe zunächst aus zweierlei Perspektiven. Es gibt zum einen die Liebe, die sich auf den Partner bezieht und zum anderen jene, die man zu sich selbst pflegt, die aber nicht mit der Selbstliebe verwechselt werden darf.

arten der Liebe

1. Die Liebe zum Partner

Diese Liebe lässt sich leicht verständlich darstellen. Man interessiert sich für den Partner, indem man offen für das ist, was ihn bewegt, zeigt Interesse durch Gesten, Blicke und Berührungen. Dadurch entsteht eine Kommunikation zwischen zwei Menschen, die man auch als Vorgang bezeichnen kann. Die Liebe „ist“ in diesem Moment nicht, sondern sie wird zwischen zwei Menschen als kommunikative Handlung praktiziert.

2. Die auf sich selbst bezogene Liebe

Bei dieser Art von Liebe geht es um ein Gefühl, das in uns selbst stattfindet. Aus diesem selbst erlebten Gefühl heraus entwickelt sich eine Verbundenheit mit einem anderen Menschen, die uns aus der Einsamkeit befreit. Dieser andere muss durchaus nicht der Partner sein.

Ich bitte Sie an dieser Stelle, diese Zweiteilung im Sinn zu behalten, wenn wir uns gemeinsam dem Phänomen der Langzeitliebe nähern. Wir dürfen die Liebe an dieser Stelle nicht länger als „Ding“ wahrnehmen, sondern brauchen eine konkretere Definition von der „gelebten Liebe“ und der „gefühlten Liebe“. Erkennen Sie nun den wesentlichen Unterschied zwischen den Fragmenten der Liebe: dem Verhalten und dem Gefühl.

Die Fragmente der Liebe

Das Verhalten Liebe

Das „Verhalten Liebe“ ist an einige wichtige Voraussetzungen geknüpft. So ist beispielsweise immer die tatsächliche Anwesenheit eines Partners erforderlich, der mit dem anderen kommuniziert (verbal und nonverbal). Beziehung ist Kommunikation, das Verhalten in der Liebe ist Kommunikation. Sie können eine echte, vollständige Liebe für einen Menschen empfinden, ohne dass Sie die entsprechenden Signale verbal oder nonverbal senden oder der Empfänger sie als solche versteht. Daran kann Liebe scheitern.

Außerdem müssen Zuwendung und Bestätigung vorhanden sein. Ist ein Partner nicht anwesend oder streiten die Parteien oft miteinander, dann erlischt sofort auch das Verhalten der Liebe. Ebbe und Flut. Bei Ebbe ist das Wasser eben verschwunden.

In Teil 2 dieses Buches schreibe ich auch von den „Schattierungen der Liebe“. Dies gibt Antwort darauf, wie das „Verhalten Liebe“ gelebt werden kann und was überhaupt möglich ist.

Das Gefühl Liebe

Das „Gefühl Liebe“ dagegen ist frei. Es braucht keine Voraussetzungen oder äußere Gegebenheiten, um stattfinden zu können. Das Gefühl kann nicht nur im Jetzt vorhanden sein, sondern kann sich zum Beispiel auch auf die Vergangenheit beziehen. Man kann das Gefühl der Liebe für eine Person empfinden, die längst gestorben ist. Aus diesem Verständnis heraus ist es eben auch möglich, dass eine Trennung nur einseitig erfolgt. Während der eine neue Wege gehen möchte, liebt der andere weiter. Es entsteht Leid.

Das Gefühl Liebe ist ein Phänomen und kann zwischen Menschen, die einander im realen Leben niemals begegnet sind, entstehen. Es ist eine reine Kopfsache. Viele TV-Dokumentationen widmen sich diesem ungewöhnlichen Thema. Da wird Herr Müller gezeigt, der schon vor zehn Jahren von seiner Frau verlassen wurde und seitdem keine Liebesbeziehung mehr geführt hat. Im Internet sieht er in einem Forum eine Frau und verliebt sich in sie. Er chattet mit einer virtuellen (vielleicht nicht einmal real existierenden) Person, die Gefühle werden tiefer, ohne dass je eine persönliche Begegnung stattfand. Diese Liebe wurzelt weniger in Erlebnissen, Erinnerungen und Begegnungen als vielmehr in einem Liebesbedürfnis und Sehnsucht nach Liebe. Ein solches Gefühl Liebe ist porös und fragil, ja oft einfach ein Bild der eigenen Sehnsucht. Ein einziges reales Treffen kann diese Liebe zunichtemachen. In diesem Verständnis ist es auch möglich, einen bereits verstorbenen Menschen weiterhin zu lieben. Es kommt zu keinem Wiedersehen mehr in dieser Liebesbeziehung, aber das Gefühl der Liebe speist sich aus der Erinnerung an die vergangenen Begegnungen.

Das Verhalten und das Gefühl der Liebe — zwei Geschwister

Sie werden vielleicht den Eindruck bekommen, dass das Verhalten und das Gefühl der Liebe nichts miteinander zu tun haben. Das ist ganz und gar nicht so, denn sie stehen in einer geschwisterähnlichen Beziehung zueinander: Am Abendbrottisch müssen beide Plätze besetzt sein, sonst ist das Paar nicht vollständig. Wenn zwei Menschen sich lieben, soll sowohl das Gefühl der Liebe vorhanden sein als auch eine offene wertschätzende Kommunikation (Worte und Handlung) zwischen beiden – also das Verhalten der Liebe – möglich werden. Diese aus beiden Teilen zusammengesetzte Liebe ist sehr störanfällig. Sie kann durch Eifersucht, Kontrolle, Lügen oder Misstrauen in ihren Grundfesten erschüttert werden.

Komplikationen, die sich daraus ergeben

Neben allen geschwisterlichen Gemeinsamkeiten gibt es auch eine geschwisterliche Konkurrenz zwischen Verhalten und Gefühl. Das Gefühl der Liebe ist wie ein Rauschmittel. Einmal probiert, möchte man es wieder und wieder erleben. Beide Partner empfinden das Rauschähnliche gleichermaßen. Dieses Stadium des Verliebtseins nennt man oft die „Vergiftung des Großhirns“. Beide haben die rosarote Brille auf, die weder Sorgen noch Probleme durchlässt, wie sie auf lange Sicht in der Partnerschaft entstehen könnten. Ich will Kinder, du auf keinen Fall – egal, es wird schon eine Lösung geben. Leider ist es ein Naturgesetz, dass es immer diesen einen Punkt in der Partnerschaft gibt, an dem die rosarote Färbung nicht mehr stark genug ist, um alle Differenzen schönzufärben. Es kommt zu ersten Streitigkeiten, zu Vorwürfen und Kritik und damit zu gefühlten Verletzungen.

„Verhalte dich wie bisher – sodass ich mich geliebt und bestätigt fühle.“

„Verhalte dich bitte nach meinen Vorstellungen.“ Meist kommt dann noch hinzu:

„Bleib mir in jeder Hinsicht treu, verlasse mich nicht und liebe ausschließlich nur mich“

Thomas Deutschbein schreibt:„Treue erwarten wir nicht aus Liebe, sondern aus selbstbezogenen Motiven: Wir wünschen uns und erwarten vom Partner einen Strom von Liebe und Bestätigung. Diesen Strom, diese ständige Zufuhr, wollen wir uns gerne sichern, wir wollen sicherstellen, dass wir immerzu geliebt und bestätigt werden. Mit dieser Erwartung machen wir uns abhängig von den Reaktionen unseres Partners; wir übertragen so dem Partner Macht über uns, die Macht, uns glücklich oder unglücklich zu machen. Eifersucht ist die Reaktion, wenn wir merken, dass der Partner unseren Erwartungen nicht entspricht. Diese Erwartungen Liebe zu nennen, ist Geschmackssache. Tatsächlich geht es bei diesen Erwartungen nicht um das Wohl des Partners, sondern um unser Wohl, um die Erfüllung unserer Bedürfnisse. Wir werden wütend oder panisch, wenn der Partner der ihm zugedachten Aufgabe, unsere Bedürfnisse zu erfüllen, nicht nachkommt. Erwartungen sind auf den Partner gerichtet, aber auf uns bezogen.“15

Woher kommt es nun, dass sich die Menschen einen „treuen“ Partner wünschen?

Es ist entzaubernd zu erkennen, dass der tiefe und eigentliche Grund die Sicherstellung unseres Bedürfnisses nach Geliebtwerden, die Erfüllung unserer Wünsche und die Bestätigung unseres Selbst durch den Partner sind. Das, was der Mensch schon im Elternhaus als Kind gerne gehabt hätte, aber oft nicht bekommen hat. Zumindest nicht in dem Maße, wie es notwendig war, um das Urvertrauen zu finden.

Anders gesagt verbirgt sich hinter der Erwartung, der Partner möge sich so verhalten, wie man es sich vorstellt, die Forderung: „Sei nicht, wer du jetzt sein willst und bist,

❖sondern werde wieder der, der du bisher für mich warst, oder

❖werde endlich so, wie ich mir das vorstelle!“

Hat ein Paar diesen Punkt erreicht, ist die Liebe oft schon nicht mehr sichtbar und spürbar, denn auf lange Sicht kann die Liebe nur fortbestehen, wenn der andere sein darf, wer er in dem Moment sein will.

Die Bestätigung des eigenen Selbst verstehe ich als wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Liebesbeziehung und als eine wichtige Wertschätzung der Persönlichkeit des Partners. Wer aus einem Adler ein Huhn machen will oder aus einem Huhn einen Adler, wird zwangsläufig scheitern. Jeder Zwang, jede Erwartungshaltung, dass eigene Vorstellungen erfüllt sein müssen, und jede Forderung nach Veränderung der Persönlichkeit lassen das Gefühl Liebe ganz automatisch schrumpfen, machen sie porös und instabil. Jeder Mensch hat einen natürlichen Drang, bestätigt zu werden, und zwar als der, der er ist.

Kurzum: Wenn ein Partner versucht, den anderen Partner in seiner Persönlichkeit zu verändern, sei es durch direkte oder indirekte Kritik (ständiges Bedauern oder ständiges mürrisches Verhalten und Unzufriedenheit), erschafft er einen „apokalyptischen Reiter“, der zum Verlust der Liebe führt, wenn er nicht durch verbale und nonverbale Kommunikation gestoppt wird (lesen Sie dazu den Teil „Die fünf apokalyptischen Reiter nach John Gottman“ am Ende dieses Buches ).

Beispiel 1: Das Paar mit dem besonderen Wunsch

Zwei Menschen kommen in die Paarberatung. Ein Partner beanstandet, dass etwas in der Beziehung fehlt – zum Beispiel ausreichend Sex. Er wünscht sich, dass der Wunsch erfüllt wird, macht dies aber nicht zur Voraussetzung für den Fortbestand der Beziehung. Es wäre für ihn auch in Ordnung, wenn der Wunsch nicht erfüllt würde.

Beispiel 2: Deine und meine Bedürfnisse