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Diese 10 Kurzgeschichten geben einen ungeschminkten Blick hinter das Verkaufstheater aus Kostümchen, Schminke und teuren Anzüge...und hinter die immer freundliche Fassade der Angestellten und Managern von Banken und bankähnlichen Instituten. Diese Geschichten wollen in erster Linie um Verständnis für die betroffenen Menschen werben: Sind diese zu Recht „Sündenböcke“ - oder doch vielmehr Opfer unmenschlicher Arbeitsstrukturen? Dargestellt werden Zwänge und Strukturen, mit denen jeder Vertriebsmitarbeiter in irgendwie zurechtkommen muss. Geschildert werden ausschließlich Geschichten, die entweder der Autor oder andere Vertriebsmitarbeiter aus verschiedenen Großbanken genau so erlebt haben: Welche Schicksale stecken hinter der freundlichen Fassade eines Bankmitarbeiters? Mit welchen Methoden steuern und manipulieren Manager ihre Kollegen? Wie verändern sich Menschen in dieser Branche? Auf diese und ähnliche Fragen sollen die folgenden Kurzgeschichten authentische Antworten geben. Alle Namen wurden geändert. Am Ende jeder Kurzgeschichte werden einige der verwendeten Fachbegriffe für den besonders interessierten Leser erklärt, damit damit im besten Fall (erste) Schritte möglich sind, um die Verantwortung für Finanzentscheidungen selbst zu übernehmen.
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Seitenzahl: 54
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Es war einmal ’ne Kirchenmaus,
Die zog‘s hinaus,
Weit weg von Kelch’ und edlem Rauch
und manch’ andrem heilgen Brauch.
Weg, vom Beten und vom Singen,
was sie vernahm, aus Ritzen und Rinnen
im Mauerwerk des Gotteshaus’ -
Jeder Tag: ein sinnlicher Schmaus.
Dann kam ein Tag, da dachte sich die Maus:
„Aus! Ich will hinaus!“
Ich will wissen, was diese ANDRE Welt mit Geld
im Innersten zusammen hält:
Wie die Berater reden, denken und leben,
ihren Rat an Kunden weiter geben!?
Fühlen diese Leut‘ sich auch getragen,
In guten wie in schlechten Tagen?
So zog sie also einfach mal fort,
an diesen…etwas… anderen… Ort…!
Martin Hans Hofmann, 2006 bis 2015
Widmung
Für all jene Frauen und Männer, deren großes Engagement in ihrer Rolle als Kundenberater, „Relationship Manager“ oder auch Führungskraft ihre Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen haben und sie noch ziehen.
Diese Kurzgeschichten sollen einen ungeschminkten (Ein)Blick hinter den schönen Schein der Anzüge und Kostüme geben - und hinter das immer freundliche Gesicht eines Bankmitarbeiters. Diese Geschichten wollen auch um Verständnis für Kundenberater werben: Sind diese zu Recht „Sündenböcke“ - oder doch vielmehr Opfer unmenschlicher Arbeitsstrukturen?
Dargestellt werden Zwänge und Strukturen, mit denen jeder Vertriebsmitarbeiter in (Groß)Banken irgendwie zurechtkommen muss. Geschildert werden ausschließlich Geschichten, die entweder der Autor oder andere Vertriebsmitarbeiter aus verschiedenen Großbanken genau so erlebt haben: Welche Schicksale stecken hinter der freundlichen Fassade eines Bankmitarbeiters? Mit welchen Methoden steuern und manipulieren Manager ihre Kollegen? Wie verändern sich Menschen in dieser Branche? Auf diese und ähnliche Fragen sollen die folgenden Kurzgeschichten authentische Antworten geben. Alle Namen wurden geändert.
Am Ende jeder Kurzgeschichte werden einige der verwendeten Fachbegriffe für den interessierten Leser erklärt, damit im besten Fall (erste) Schritte möglich sind, um die Verantwortung für Finanzentscheidungen selbst zu übernehmen.
Teil 1 – Geschäftspartner, Geschenke und Gehälter
„Sie haben die meisten Erträge erwirtschaftet“
„Eigentlich ist es wie im Casino“
Teil 2 – Führungskräfte, Manager und Macht
„Und wenn der Kühlschrank raus muss“
„Wenn Sie keine blauen Elefanten mögen, verkaufen Sie sie trotzdem“
„You need to be a good shark“
Teil 3 – Methoden, Menschen und Schicksale
„Ihre Zahlen sind Ihrer Position nicht würdig“
„Der Kunde fragt nicht nach – er ist glücklich, dass er nur zwanzig Prozent verloren hat“
„100.000 Euro hätten auch gereicht!“
„Und wie stellen Sie sich das bei Ihren Zahlen vor?“
„Da sehen Sie mal, wie wir verarscht werden“
„Liebe Frau Bachström, ich habe von unserer Partnerfondsgesellschaft Fortuna für unser Team einen Platz für ein Wochenende in Barcelona angeboten bekommen. Sie haben von allen Kollegen in meinem Team im letzten Jahr die meisten Erträge erwirtschaftet. Deshalb möchte ich Sie gern fragen, ob Sie am letzten Wochenende im Februar schon etwas vorhaben?“ Die Stimme der Führungskraft ist gewohnt stark, sein Auftreten, wie immer, bestimmt. Die Kollegin ist kurz sprachlos, fühlt sich aber sichtlich geehrt. Sie ist alleinerziehende Mutter einer Tochter, die eben in die zweite Klasse gekommen ist. Sie muss ihr Privatleben gut organisieren. Der Weihnachtsfeier der Kollegen musste sie schon fernbleiben, da ihr Ex-Mann keine Zeit hatte und sie keinen Babysitter fand. Dieses Mal möchte sie nicht „nein“ sagen – schließlich war es ein stressiges Jahr. Sie hat sich dieses Incentive verdient, findet sie.
„Ja, gern“ antwortet Frau Bachström. „Ich muss mich noch um einen Babysitter kümmern. Ich gebe Ihnen morgen Bescheid.“ Frau Bachström arbeitet halbtags und betreut zusammen mit rund einem Dutzend Kollegen ausgewählte Kunden der Bank, die mindestens eine Million Euro in Form von Festgeldern, Fonds und anderen Geldanlagen besitzen. Sie ist morgens meist vor acht Uhr im Büro – oft als Erste. Spätestens um zwei Uhr verlässt sie dann die Bank, um sich zumindest den halben Nachmittag lang um ihre Tochter kümmern zu können. Kunden, die später anrufen, werden dann auf den nächsten Tag vertröstet – meist mit Notlügen ihrer Assistentin. Da geht ihre Tochter vor.
Seit einigen Jahren ist sie nun geschieden – ihr Ex-Mann arbeitet ebenfalls in derselben Bank, nur ein Stockwerk tiefer, auch er betreut reiche Kunden. An den Wochenenden brauchte er von dem emotional anstrengenden Job zu oft und zu viel Zeit für sich, so dass er für seine Familie kaum da war. Irgendwann knallte es, und Frau Bachström trennte sich von ihm – er sei ja eh’ nie da. Seit kurzem besucht er seine Tochter aber wieder öfter. Er wird bald wieder mehr Zeit haben …
Es ist ein grauer Wintertag im Januar. Es schüttet wie aus Eimern. Herr Bachström drückt auf die „Gespräch-Beenden“- Taste seines Handys und zieht den Mantel hoch, um sein sorgenvolles Gesicht zu vergraben. Er möchte jetzt eigentlich gar nicht mit seiner Ex-Frau sprechen, die ihn gerade gefragt hat, ob er ein Wochenende auf seine achtjährige Tochter aufpassen kann. In Kürze wird er dieselbe Bank verlassen, die seiner Ex-Frau soeben einen Luxuskurzurlaub anbietet. Zum Jahresende hat er die Kündigung eingereicht, nach vielen, vielen Jahren bei diesem Institut. Bald hätte er sein Dienstjubiläum gefeiert, zu dem ihm laut Tarif- und Arbeitsvertrag drei Monatsgehälter extra zugestanden hätten - aber er hat es einfach nicht mehr ausgehalten.
Jetzt kann jeder Tag sein letzter Arbeitstag in der Bank sein. Irgendwann wird ihn die Bank freistellen, wohl noch bevor ein Nachfolger für seinen Kundenstamm gefunden wurde. Dass die Kunden dann vor den Kopf gestoßen werden, ist egal. Von einem Kollegen aus einem anderen Institut hat er gehört, dass dieser am Tag nach seiner Kündigung früh morgens den Autoschlüssel des Firmenwagens abgeben musste und genau acht Minuten Zeit bekam, seine persönlichen Dinge aus seinem Schreibtisch zu räumen. Seinen Kunden durfte er nicht mehr zum Abschied laut oder leise „Servus“ sagen. Die Bank befürchtet bei jeder Kündigung, dass die verbleibende Arbeitszeit noch genutzt wird, um die Kunden auf den Wechsel des Kündigenden vorzubereiten und für den neuen Arbeitgeber - meist irgendein Konkurrenzinstitut - abzuwerben. Jeder Tag, den ein kündigender Mitarbeiter nicht mit Kunden telefonieren kann, erhöht die Chance, dass es der Bank gelingt, das Vertrauensverhältnis zwischen Kunden und dem alten Berater zu brechen – und möglichst schnell einen Nachfolger einzustellen. Die Kunden sollen dann - während ihr bisheriger Berater freigestellt ist - von den Qualitäten der alten Bank und des neuen Beraters überzeugt werden. Denn jeder Kunde, der seine Kontoverbindung kündigt, macht es allen schwerer, ihre Ziele zu erreichen.