Im Zwielicht des Feuers - Reinhold Di Cesare - E-Book

Im Zwielicht des Feuers E-Book

Reinhold Di Cesare

4,9

Beschreibung

Das bestgehütetste Geheimnis der Welt, das bis heute nur wenigen Auserwählten vorbehalten war, droht wegen einer unvorhergesehenen Entdeckung gelüftet zu werden. In seinem Gepäck: zwei schicksalsträchtige Botschaften für die Menschheit. Ganz gleich wie diese Geschichte auch enden wird, nichts wird mehr so sein wie zuvor. Denn wer auch nur ein einziges Mal in den Schatten des Lichts hineingezogen wird, ist zum Tode verdammt. Kann ein kriegerischer Flächenbrand auf der Erde doch noch verhindert werden?

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Leseprobe eBook Ausgabe 2014
©2014 SPIELBERG VERLAG, Regensburg
Originalausgabe erschien unter dem Titel: Die Erbsünd
Lektorat: Angelika Frey
Umschlagbild: ©Volker Warmus • www.wwcreative.de
Umschlaggestaltung: Spielberg Verlag
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung, Speicherung oder Übertragung
Di Cesare wurde am 30. Oktober 1968 unter dem bürgerlichen Namen Reinhold Hamblock in Wuppertal geboren. Nach einer über Jahrzehnte dauernden Odyssee, während die er verschiedene Familiennamen trug, wurde sein in Italien anerkannter Familienname durch eine öffentlich-rechtliche Namensänderung auch in Deutschland anerkannt. Nach dem erfolgreichen Ablegen des Staatsexamens durfte er die Berufsbezeichnung Medizinisch-Technischer-Assistent tragen. Bevor er 2008 mit dem Schreiben begann, arbeitete er in verschiedensten Berufen. Seine Hobbies: Die Psychologie, Fotografie und natürlich seine ungebremste Leidenschaft für sein Heimatland Italien. Er ist geschieden und Vater zweier Töchter. 2009 erschien sein erster Roman ›Klaras lange Reise‹. Er wurde weltweit verkauft und erreichte sehr bald Bestsellerstatus. Es folgten die Romane ›Cecilias zerrissene Bande‹ (2010), ›Klaras lange Reise: Übungsbuch‹ (2011) und ›Terralumina‹ (2012), bis er mit der authentischen Geschichte ›Was bleibt ist Sus Liebe‹ (2013) begann, ANUAS e.V. zu fördern und zu unterstützen. Diese Hilfsorganisation für Gewaltopfer mit integrierter Selbsthilfegruppe ist bundesweit einzigartig. Der Erlös aus dem Verkauf fließt dieser Hilfsorganisation zu. Alle oben genannten Romane wurden noch unter dem Künstlernamen Reinhold Kusche veröffentlicht. Seit 2013 publiziert er nur noch unter dem Namen DI CESARE.

Inhaltsverzeichnis

Ein unerwarteter Fund

Das geheimnisvolle Buch

Tod in Assisi

Die Reise in die Vergangenheit

Die gescheiterte Versöhnung

Ein erstes Umdenken

Unruhige Zeiten brechen herein

Das Gefühl der Verbundenheit

Nur einen Tick zu spät

Das Geheimnis um Himmel oder Hölle

Der Geist ist alles

Ein kaltblütiger Mord

Das Zusammentreffen

Kraft und Zuversicht

Unter Verdacht?

Der König als Leitfigur

Suche nicht nach der Wahrheit

Eine Handvoll Rätsel

Alles nur ein Traum?

Irrwege durch Prag

Der Vertrag

Das Turnier

Der Hinterhalt

Die zweite Perle

Der Orakelspruch in Delphi

Das dritte Fundstück

So nah und doch so fern

Das geheimnisvolle Grab

Glossar

GESANG DES APOSTELS JUDAS THOMAS IM LANDE DER INDER

Ein unerwarteter Fund

Der silbrige Schein der Sterne ließ den Schnee auf dem Gipfel des Monte Subasio glitzern. Der Vollmond stand am wolkenlosen Himmel über Assisi und tauchte die Gebäude, die aus dem charakteristischen weiß-rosa Gestein des Monte erbaut worden waren, in einen hellen Glanz. Die schneebedeckten Dächer des Sacro Convento und der Basilika San Francesco thronten über den Hängen des Berges. Die Bewohner der Nachbarstädte Spello und Nocera Umbra, die mit Assisi über den Naturpark Parco del Monte Subasio verbunden waren, bereiteten sich wie die überwiegende Mehrheit der Landbevölkerung auf die wohlverdiente Nachtruhe vor. Die Quelle Fontemaggio, die am Berg entsprang, plätscherte und murmelte langsam vor sich hin.

Auch die Gipfel der Berge Civitelle, Sermolla und die der Hügel San Rufino und Pietralunga, die ebenfalls zum Monte Subasio-Naturpark gehörten, badeten ausgiebig im Licht der funkelnden Sterne, sodass tanzende Lichtreflexe die Dunkelheit immer wieder durchbrachen. Diese Region grenzte nördlich an den Fluss Tescio, nordöstlich an den Wildbach Chiona und südwestlich an das Gebirgsgebiet, das Assisi mit Spello verband.

Das Erscheinungsbild des Höhenzugs im Südwesten des Monte Subasio war durch den Prozess der Verkarstung über die Jahrhunderte schwer gezeichnet und von meist flacher Struktur. Die steilen Hänge des Ostens bildeten auf diese Weise einen pittoresken Kontrast in diesem atemberaubenden Landschaftsbild Umbriens.

Silbrig glänzende, knochige und alte Ölbäume krochen den Subasio empor, deren Anpflanzung sich von Assisi bis nach Spello auf der einen Seite und von Costa di Trex bis nach Armenzano und San Giovanni auf der anderen Seite erstreckte. Die nachfolgende Landschaft wurde von Eichen, Hainbuchen, Eschen sowie Ahornen und Buchen beherrscht, die gleich finsteren Schattenriesen über den Flecken Erde zu wachen schienen. Die abschließend aufgereihten, harzhaltigen Hochwälder reckten ihre Baumkronen dem Himmel entgegen, als wollten sie die Wolken streicheln. Dieses Gebiet war sanft eingebettet in ausladende Gipfelwiesen, über die immer noch vereinzelt weiße Farbkleckse gestreut waren. Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Jahres vermochten es nicht, den hartnäckigen Schneeteppich des vergangenen Winters zu schmelzen. Weithin sichtbar thronte das Mutterhaus aller Franziskanerklöster, das Sacro Convento, auf den sanft gewellten Hängen des Monte Subasio. Hier lebten die Franziskaner nach dem Gebot des Evangeliums: »Wer vollkommen sein will unter euch, verlasse alles, und was er hat, gebe er den Armen, dann komme er und folge mir nach.«

Am Collo d'Inferno, dem sogenannten Höllenhügel, der außerhalb der damaligen Stadtmauer Assisis aufragte, schaute Pater Andrea schlaftrunken auf das aus Holz geschnitzte Kreuz, das über dem Eingangsbereich seines Schlafgemachs hing.

Seit einer Stunde wälzte er sich nun bereits auf seiner Matratze hin und her. Verzweifelt zog er die Bettdecke über seinen Kopf, um sie anschließend schwungvoll von sich zu werfen und sich aus dem Bett zu quälen. Durch das schmale Fenster drang das Schwarzgrau der Nacht. Nur das Mondlicht tauchte die Schlafkammer in fahles Licht und ergoss seinen silbrigen Schein über eine kleine Ikone, die auf seinem Nachttisch wachte. Sie zeigte das Abbild Jesu, wie ihn sich die Menschen im sechsten Jahrhundert vorgestellt hatten. Pater Andrea machte ein bis zwei tastende Schritte durch das Zimmer, bis er den Lichtschalter erreicht hatte und das Deckenlicht aufflammte.

Im Dormitorium des Sacro Convento war im klösterlichen Leben nach dem letzten Abendgebet schlagartig Ruhe eingekehrt. Die Pater suchten für ein paar Stunden im Schlaf Erholung für Körper, Seele und Geist, bevor das Invitatorium als Eröffnung des neuen Tages mit dem Ruf ›Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde‹ sie wieder in die Kapelle rief.

Pater Andrea war schon immer ein Mensch gewesen, der das ruhige Nachtleben hinter den Klostermauern nutzte, um sich völlig ungestört seiner großen Leidenschaft hinzugeben. Er hatte während seines Theologiestudiums seine Liebe zur Kirchengeschichte entdeckt. Wann immer es seine knappe Freizeit erlaubte, verbrachte er unzählige Stunden in der Scriptoriums-Bibliothek. Und er war stets auf sein äußeres Erscheinungsbild bedacht, was so gänzlich untypisch für das Klischeebild eines franziskanischen Klosterbruders war. Seine bereits früh ergrauten Haare waren durchzogen von silbrigen und grafitfarbenen Strähnen, die einen farbigen und eleganten Kontrast bildeten. Seine Frisur war abhängig von seiner Stimmung und variierte von sportlich bis elegant, stets von Andrea perfekt mit einem Kamm in Form gelegt. Einige graue Strähnen hingen ihm wie ein haariger Vorhang ins Gesicht und betonten sein klassisches Profil. Seine sportlich schlanke Figur wurde von breiten Schultern perfekt in Szene gesetzt. Sein stets aufrechter Gang strahlte überschäumendes Selbstbewusstsein aus. Seine Gesichtszüge wirkten weich, aber bestimmt, seine Augen sprühten vor Lebensfreude und erinnerten an funkelnde, smaragdgrüne Diamanten.

Andrea riskierte noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, ob sein äußeres Erscheinungsbild auch ansehnlich wirkte und warf sich seine Tunika über, die ihm als Unterkleid diente. Anschließend hüllte er seinen Körper in eine braune Kukulle, ein weites Obergewand mit einer Kapuze, und band einen einfachen, weißen Strick mit drei Knoten um seine Taille, der als Gürtel fungierte. Seit Gründung des Ordens diente dies als Symbol für Armut, Keuschheit und Gehorsam.

Das Geräusch eines sich im Schloss drehenden Schlüssels war zu hören, die Pforte schwang knirschend auf. Vorsichtig wanderte Andreas Augenpaar nach rechts, dann nach links, um sich zu vergewissern, ob die Luft im schlauchförmigen Gang rein war. Dann zog er seine Kapuze tief in sein Gesicht. Vielleicht würde es hilfreich sein, um unerkannt zu bleiben – so war seine Überlegung –, sollte er trotz der späten Stunde überraschenderweise auf einen seiner Mitbrüder treffen.

Bevor er aber endgültig seinen ersten Fuß in den Gang setzte, warf er nochmals einen letzten prüfenden Blick in beide Richtungen. Als er überzeugt war, unbeobachtet zu sein, schlich er diesen auf leisen Sohlen entlang.

Er war sehr darauf bedacht, dass seine nächtlichen Ausflüge, die er gewohnheitsmäßig unternahm, auf keinen Fall Aufsehen erregten, denn immer wieder störten sich einige seiner Mitbrüder an seinem Verhalten – allen voran Bruder Cornelio. Andrea hatte immer noch den Status des ›Sonderlings‹ inne, obwohl er bereits vor zwei Jahren nach seiner Versetzung in diese Klostergemeinde aufgenommen worden war.

Auch wenn der Orden der Franziskaner eine Hierarchie strikt ablehnte, denn offiziell existierte kein Prior, gab es dennoch ein internes, unausgesprochenes Machtgefüge. Bruder Cornelio wurde von allen dafür akzeptiert, sich um die Einhaltung der Ordensregeln zu bemühen. Und diese sah eine strenge Nachtruhe vor!

Bruder Cornelio war nicht so bemüht um sein Aussehen wie der eitle Andrea. Seine schwarzen Naturlocken flossen bis auf die Schultern hinunter. Seine Hände fanden sich oft über den Bauch gefaltet, der unter seiner braunen Kukulle spannte. Und der Gesichtsausdruck des Mönchs demonstrierte Strenge, die keinen Widerspruch duldete.

Andrea war bereits zum wiederholten Male zu Cornelio zitiert worden, nachdem er von einem seiner Mitbrüder angeschwärzt worden war. Ihm war von Cornelio mit einem missliebigen Blick nahelegt worden, sich endlich in das Klosterleben einzufügen. Dessen Stimme hatte bereits einen gefährlichen Unterton angenommen, der Andrea zur Vorsicht mahnte.

Jedoch setzte Andrea dem aufgebrachten ›Prior‹ das Beispiel Jesu während des Abendmahls entgegen: »Einer wasche des anderen Füße!« Dieser Hinweis machte Andreas Missmut nur allzu deutlich, denn mit diesen Worten ermahnte er Cornelio, sich nicht so weit aus dem Fenster zu lehnen. »Alle Brüder sollten schlechthin ›Mindere Brüder‹ heißen«, hatte Andrea hinzugefügt, bevor er Cornelios Büro vor einer Woche wutentbrannt verlassen hatte.

Andrea befand sich also auf Konfrontationskurs. Andererseits wollte er kein Öl ins Feuer gießen. Er spähte in den langen Gang, der ihm dunkel entgegengähnte. Die Stille, die hier herrschte, war fast mit den Händen greifbar. Die Strahlen seiner Taschenlampe, die er mit seiner Rechten fest umklammerte, durchschnitten wie gleißende Finger die Finsternis. Als er ein großes Fenster passierte, erhaschte er einen flüchtigen Blick auf zarte Schneeflocken, die lautlos durch das Mondlicht rieselten und den Innenhof in eine frische, weiße Decke hüllten. Der Lichtkegel geisterte über Wände aus grob behauenem Stein und über die kalten Bodenplatten.

Plötzlich hörte er dumpfe Tritte, die von den Wänden widerhallten und sich ihm zügig näherten. Kälte kroch Andreas Beine hoch und er merkte, wie sein Herz schneller klopfte. Er drückte seinen Körper geschickt in eine der Mauernischen, die seinen Weg säumten. Sein Schatten verschmolz fast vollständig mit der Dunkelheit, sodass er der Aufmerksamkeit Bruder Linus`, der wohl auf dem Weg zur Küche war – sein unbändiger Hunger war ein offenes Geheimnis – gänzlich entging. Als die Geräusche erneut verhallt waren, glätteten sich Andreas Gesichtszüge wieder und er entspannte sich.

Wenige Augenblicke später steuerte Andrea endlich auf die Tür des Raumes zu, der ihn magisch anzuziehen schien. Während er mit ausladenden Schritten direkt auf den Eingangsbereich zuhielt, fingerte er bereits einen stilvoll verzierten Schlüssel aus seiner Tasche. Die massive Holztür aus edlem Eichenholz mit der abblätternden Farbe lechzte nach einem neuen Anstrich. Immer wieder quittierte Andrea diesen armseligen Anblick mit einem Ausdruck des Bedauerns.

Nachdem er das Schloss entriegelt hatte, stemmte er die Tür behutsam auf, um das Quietschen der rostigen Angeln möglichst zu verhindern. Nur einen Wimpernschlag später hatte der Eingang Andrea verschluckt.

›Liebe - und dann tue, was du willst.‹

Glossar

Skriptorium
Die Schreibstuben, die in der Spätantike entstanden und meist in Klöstern zu finden sind, bezeichnet man als Skriptorien. Dort werden von Ordensbrüdern und -schwestern sowohl sakrale als auch teilweise profane Texte handschriftlich dupliziert.
Refektorium
So bezeichnet man den Speisesaal eines Klosters.
Dormitorium
Unter diesem Begriff versteht man den Schlafsaal oder auch den Zellengang eines Klosters.
Kapitelsaal
Dieser Saal dient als Versammlungsstätte einer klösterlichen Gemeinschaft.
Staurothek
Sie ist eine Lade mit Schubdeckel, die Holzpartikel vom Kreuz Jesu Christi birgt.
Kosmaten
Eine zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert tätige Gruppe von Marmordekorateuren, die vor allem in Rom im Bereich der Innendekoration von Kirchen beschäftigt waren.
»Stirb, bevor du stirbst!«
Dieser Satz stammt aus der Sufi-Tradition. Er beschreibt in gewisser Weise das zeitlose Wissen, den Kern aller Weisheitstraditionen. Es ist das lebendige Wissen um die Einheit und Unsterblichkeit, um dieses Mysterium, das wir ›Leben‹ nennen.
»Liebe, und dann tu, was du willst!«

GESANG DES APOSTELS JUDAS THOMAS IM LANDE DER INDER

Thomasakten ›Perlenlied‹
Acta Thomae 108-113, ed. P. Bedjan, Acta martyrorum et sanctorum III, 1892, 110-115
- deutsche Übersetzung der syrischen Version K. Schubert, Wien 1967
Als er betete, erblickten ihn all die Gefangenen und baten ihn, für sie zu beten. Nachdem er gebetet hatte, setzte er sich nieder und begann folgendes Lied zu rezitieren.
»Als ich ein kleines Kind war und in meinem Königreiche, in meinem Vaterhause, wohnte und mich erfreute am Reichtum und an der Pracht meiner Erzieher, entsandten mich meine Eltern vom Osten, unserer Heimat, nachdem sie mich ausgerüstet hatten. Und aus dem Reichtum unseres Schatzhauses schnürten sie mir eine Last zusammen, groß, doch leicht, sodass ich sie allein tragen konnte: Gold vom Hause der Hohen und Silber vom großen Gazak, Chalzedone aus Indien und Achate vom Reiche Kuschan. Und sie umgürteten mich mit dem Diamanten, der Eisen ritzt, und sie zogen mir das strahlende Gewand aus, das sie mir in ihrer Liebe gemacht hatten, und die purpurne Toga, die nach dem Maße meiner Gestalt gewebt war. Und sie schlossen mit mir einen Vertrag und schrieben ihn mir in mein Herz, damit er nicht in Vergessenheit gerate:
›Wenn du nach Ägypten hinabsteigst und die Perle bringst, die in der Mitte des Meeres ist, das der zischende Drache umschließt, dann sollst du dich wiederum in dein strahlendes Gewand und in deine Toga kleiden, die darauf liegt, und sollst mit deinem Bruder, unserem Zweiten, Erbe in unserem Reiche sein.‹
Ich brach auf vom Osten und stieg hinab, geleitet von zwei Wächtern, denn der Weg war gefährlich und schwierig und ich war zu jung, ihn zu gehen.
Ich durchschritt das Gebiet von Maischan, dem Treffpunkt der Kaufleute des Ostens, und kam zum Lande Babel und betrat die Mauern von Sarbug. Ich stieg hinab nach Ägypten und meine Gefährten verließen mich. Ohne Umweg ging ich zum Drachen, nahm Wohnung nahe bei seiner Stätte, bis er schlummern und schlafen würde und ich die Perle ihm wegnehmen könnte. Und da ich völlig allein und den Mitbewohnern meiner Herberge ein Fremder war, erblickte ich dort einen Mann meines Stammes, einen Edelmann aus dem Osten, einen schönen und anmutigen Jüngling, einen Sohn Gesalbter; und er kam und hing mir an; ich machte ihn zu meinem Freund und meinem Gefährten und ließ ihn teilhaben an meinem Handel. Ich warnte ihn vor den Ägyptern und vor den Beziehungen zu den Unreinen. Ich aber bekleidete mich mit ihren Gewändern, damit sie nicht gegen mich Verdacht schöpften, ich sei von auswärts gekommen, um die Perle zu nehmen, und damit sie nicht den Drachen gegen mich aufhetzten. Aus irgendeinem Grunde jedoch bemerkten sie, dass ich nicht einer der Ihren war. Und sie näherten sich mir listigerweise und gaben mir ihre Nahrung zu essen. Ich vergaß, dass ich ein Königssohn war, und diente ihrem König. Und die Perle vergaß ich, um derenwillen mich meine Eltern entsandt hatten; und durch die Schwere ihrer Speisen versank ich in tiefen Schlaf. Aber all dies, was sich mit mir begab, ward meinen Eltern kund und sie trauerten meinetwegen. Und in unserem Königreiche wurde verkündet, dass ein jeder zu unserem Tore komme: die Könige und Häupter von Parthien und alle Großen des Ostens; und meinetwegen fassten sie einen Entschluss, dass man mich nicht in Ägypten lassen solle. Und sie schrieben einen Brief an mich, und jeder Große unterfertigte ihn mit seinem Namen:
›Von deinem Vater, dem König der Könige und deiner Mutter, der Herrin des Ostens und von deinem Bruder, unserem Zweiten, dir, unserem Sohne in Ägypten, Gruß. Auf, erhebe dich von deinem Schlaf und höre auf die Worte unseres Briefes. Erinnere dich, dass du ein Königssohn bist. Siehe die Versklavung, siehe, wem du dienst! Entsinne dich der Perle, derentwegen du nach Ägypten geschickt wurdest! Erinnere dich deines strahlenden Gewandes und gedenke deiner prächtigen Toga, die du tragen sollst und mit der du geschmückt sein sollst, dass im Buche der Starken dein Name gelesen werde! Und mit deinem Bruder, unserem Stellvertreter, zusammen sollst du Erbe in unserem Reiche sein!‹
Der Brief war ein Brief, den der König mit seiner Rechten versiegelt hatte vor den Bösen, den Leuten von Babel und den wilden Dämonen von Sarbug. Er flog wie ein Adler, der König der Vögel. Er flog und ließ sich neben mir nieder, als ganzer wurde er Wort. Bei seiner Stimme, dem Geräusch seines Rauschens, erwachte ich und erhob mich von meinem Schlaf; ich nahm ihn auf und küsste ihn und löste sein Siegel und las. Ganz so wie in meinem Herzen aufgezeichnet, waren die Worte meines Briefes geschrieben. Ich entsann mich, dass ich ein Königssohn sei und dass meine Freiheit nach Verwirklichung dränge. Ich erinnerte mich an die Perle, um derentwillen ich nach Ägypten gesandt worden war, und ich begann, den laut schnaubenden Drachen zu beschwören. Ich versenkte ihn in Schlummer und Schlaf, da ich den Namen meines Vaters über ihm aussprach und den Namen unseres Zweiten und den meiner Mutter, der Königin des Ostens. Und ich ergriff die Perle und wandte mich um, in mein Vaterhaus zurückzukehren. Und ich zog ihr schmutziges und unsauberes Gewand aus und ließ es in ihrem Lande zurück. Und ich nahm meinen Weg zum Licht unseres Landes, zum Osten. Und meinen Brief, meinen Erwecker, fand ich auf dem Wege vor mir; wie er mich durch seine Stimme geweckt hatte, so führte er mich nun mit seinem Lichte. Auf chinesischem Stoff mit Rötel geschrieben, mit seinem Aussehen vor mir strahlend, mit der Stimme seiner Führung gab er mir Mut und zog mich mit seiner Liebe; ich zog vorwärts und durchquerte Sarbug. Ich ließ Babel zu meiner Linken und gelangte zum großen Maischan, zum Hafen der Kaufleute am Ufer des Meeres. Und das strahlende Gewand, das ich abgelegt hatte, und meine Toga, die es umhüllte, hatten meine Eltern von den Höhen Hyrkaniens durch ihre Schatzmeister hierhergesandt, die wegen ihrer Treue damit betraut wurden. Und wiewohl ich mich nicht seiner Würde entsann – denn ich hatte doch mein Vaterhaus in meiner Kindheit verlassen –, so wurde das strahlende Gewand doch plötzlich, als ich es mir gegenübersah, wie mein Spiegelbild mir gleich. Ich sah es gänzlich in mir und ich sah mich in ihm mir gegenüber, denn wir waren zwei in Verschiedenheit und doch wiederum eins in einer Gleichheit. Und auch die Schatzmeister, die es mir gebracht hatten, sah ich in gleicher Weise:
Sie waren zwei und doch waren sie gleich an Gestalt. Denn ein Siegel des Königs war auf sie gedrückt, dessen, der mir meinen Schatz und meinen Reichtum durch sie zurückstellte, mein strahlendes Gewand, geziert mit der Pracht herrlicher Farben, mit Gold und mit Beryllen, Chalzedonen und Achaten und mit verschiedenfarbigen Sardonen. Es war in seiner Erhabenheit angefertigt worden, mit Diamantsteinen waren alle seine Nähte befestigt, und das Bild des Königs der Könige war in voller Größe überall aufgemalt; Saphirsteinen gleich waren seine Farben gewirkt. Ich sah, dass in seinem ganzen Umfang die Bewegungen meiner Erkenntnis aufzuckten, und ich sah, dass es sich bereit machte wie zum Sprechen.
Ich hörte den Laut seiner Melodien, die es flüsterte bei seinem Herabkommen:
›Ich gehöre zum hurtigsten Diener, den sie vor meinem Vater großgezogen haben, ich habe in mir verspürt, dass meine Gestalt mit seinen Werken wuchs.‹
Und mit seinen königlichen Gesten streckte es sich mir entgegen und es eilte an der Hand seiner Überbringer, dass ich es nähme. Und auch mich trieb meine Liebe an, ihm entgegenzueilen und es zu empfangen. Und ich streckte mich hin und empfing es. Mit der Pracht seiner Farben schmückte ich mich und ich hüllte mich ganz in meine Toga von glänzenden Farben. Ich kleidete mich in sie und stieg auf zum Tor der Begrüßung und der Anbetung. Ich beugte mein Haupt und verehrte den Glanz meines Vaters, der es mir gesandt hatte, dessen Befehle ich befolgt hatte, so wie auch er tat, was er verheißen hatte; und am Tore seiner Satrapen gesellte ich mich zu seinen Großen, denn er hatte Wohlgefallen an mir und nahm mich auf, und ich war mit ihm in seinem Reiche. Und beim Klange von Wasserorgeln priesen ihn alle seine Diener dafür, dass er verkündete, dass ich zum Tore des Königs der Könige gehen solle und mit der Opfergabe meiner Perle mit ihm zusammen vor unserem König erscheinen solle.«
- griechische Version ed. R.A. Lipsius/M. Bonnet, Leipzig 1903
proseuchomenon de pantes eblepon auton hoi desmioi
kai edeonto autou huper autôn euxasthai
proseuxamenos de kai kathestheis
êrxato legein psalmon toiouton
hote hêmên brephos alalon en tois tou patros mou basileiois
en ploutôi kai truphêi tôn tropheôn anapauomenos
ex Anatolês tês patridos hêmôn ephodiasantes me hoi goneis apesteilan me
apo de ploutou tôn thêsaurôn toutôn phorton sunethêkan
megan te kai elaphron hopôs auton monos bastasai dunêthô
chrusos estin ho phortos tôn anô kai asêmos tôn megalôn thêsaurôn
kai lithoi ex Indôn hoi chalkedonioi kai margaritai ek Kosanôn
kai hôplisan me tôi adamanti
kai enedusan me esthêta dialithon chrusopaston
hên epoiêsan stergontes me
kai stolên to chrôma xantên pros tên emên hêlikian
sumphôna de pros eme pepoiêkasin
enkatagrapsantes têi dianoiai mou epilathesthai me – ephêsan te
ean katelthôn eis Aigupton komisêis ekeithen ton hena margaritên
ton onta ekei peri ton drakonta ton katapotên
hopôs endusêi tên dialithon esthêta
kai tên stolên ekeinên hên epanapauetai
tou eumnêstou kai genêi meta tou adelphou sou kêrux têi hêmeterai basileiai
êrchomên de ex Anatolês
eph' hodon duscherê te kai phoberan meth' hêgemonôn duo
apeiros de êmên tou tautên hodeusai
parelthôn de kai ta tôn Mosanôn methoria
entha estin to katagôgion tôn anatolikôn emporôn
aphikomên eis tên tôn Babulôniôn chôran
eiselthontos de mou eis Aigupton apestêsan hoi sunodeusantes moi hêgemones
hôrmôn de epi ton drakonta tên tachistên kai peri ton toutou phôleon kateluon
epithrôn nustaxai kai koimêtênai touton
hopôs mou ton margaritên huphelômai
monos de ôn exenizomên to schêma kai tois emois allotrios ephainomên
ekei de eidon emon suggenê ton ex Anatolês ton eleutheron
paida eucharê kai hôraton huion megistanôn
houtos moi proselthôn sungegonen kai sunhomilon auton eschon kai philon
kai koinônon tês emês poreias poiêsamenos
parekeleusamên de autôi tous Aiguptious phulassesthai
kai tôn akathartôn toutôn tên koinônian
enedusamên de autôn ta phorêmata hina mê xenizômai
hôsper exôthen epi tên tou margaritou analêpsin
kai ton drakonta dihupnisôsin kat emou hoi Aiguptioi
ouk oida de ex hoias emathon prophaseôs
hôs ouk eimi tês chôras autôn
dolôi sunemeixan moi technên
kai egeusamên tês autôn trophês
êgnoêsa emauton huion onta basileôs
tôi de autôn edouleusa basilei
êlthon de kai epi ton margaritên eph' hon hoi pateres mou apestalkasin me
tôi de tês trophês autôn barei eis hupnon katênechthên bathun
tauta de mou pathontos kai hoi pateres mou êisthonto
kai epathon huper emou
ekêruchthê de kêrugma en têi basileiai hêmôn
hina pantes epi tas hêmeteras apantôsin thuras
kai tote hoi basileis tês Parthenias kai hoi en telei kai hoi Anatolês prôteuontes
gnômês ekratêsan peri emou
hina mê elthô en Aiguptôi
egrapsan de me
kai hoi dunastai sêmainontes houtôs
para dou patros basileôn basileus
kai mêtros tên Anatolên katechousês
kai adelphous autôn deuterous aph' hêmôn
tôi en Aiguptôi huiôi hêmôn eirênê
anastêthi kai ananêpson ex hupnou
kai tôn epistolimaiôn rêmatôn akouson
kai hupomnêsthêti huios basileôn huparchôn
doulikon hupeisêlthes zugon
mnêmoneuson tês esthêtos sou tês chrusopastou
mnêmoneuson tou margaritou di on eis Aigupton apestalês
eklêthê de to onoma sou biblion zôês
kai tou adelphou sou hou pareilêphas en têi basileiai hêmôn
ho de basileus hôs presbeutês katesphragisato
dia tous ponêrous tous Babulônious paidas kai daimonas turannikous Laburinthous
egô de pros tên tautês phônên te kai aisthêsin ex hupnou anermêsamên
analabôn te kai kataphilêsas aneginôskon
egegrapto de peri ekeinou tou en têi kardiai mou anagegrammenou
kai hupemnêsthên parachrêma hoti basileôn eimi huios
kai hê eleutheria mou to genos mou epizêtei
hupemnêsthên de kai tou margaritou eph' hon katepemphthên eis Aigupton
êrchomên de eph' harmasin epi ton drakonta ton phoberon
kai kateponesa touton eponomasas to tou patros mou onoma
harpasas de ton margaritên apestrephon pros tous emous apokomisas pateras
kai apodusamenos to ruparon enduma en têi autôn kateleipsa chôrai
êuthunon de auto kai tên hodon pros to phôs tês kata anatolên patridos
kai heuron kath' hodon diairousan me
autê de hôsper phônêi chrêsamenê anestêsen hupnôthenta me
kai hôdêgêsen me tôi par' autês phôti
estin gar hote hê apo Sêrikôn esthês basilikê pro tôn emôn ophthalmôn
agousês de me kai helkousês tês storgês
tên Baburinthon parêlthon
kai kataleipsas ep' aristera tên Babulôna eis tên Meson aphikomên
tên megalên ousan paralian
ouk emnêmoneuon de tês lamprotêtos mou
pais gar ôn eti kai komidêi neos kateleloipen autên en tois tou patros basileiois
exaiphnês de idontos mou tên esthêta
hôs en esoptrôi homoiôtheisan
kai holon emauton ep' autên etheasamên
kai egnôn kai eidon di' autês emauton
hoti kata meros diêirêmetha ek tou autou ontes
kai palin hen esmen dia morphês mias
ou mên alla kai autous tous tameiouchous tous tên esthêta komisantas eôrôn duo
morphê de mia ep' amphoterôn
hen sumbolon basilikon en emphoterois ekeito
to de chrêma kai ton plouton en chersin eichon kai apedidoun moi timên
kai tên esthêta tên euprepestatên hêtis en phaidrois chrômasin
chrusôi pepoikilto kai lithois timiois kai margaritais chroiai prepousêi
idrunto en hupsei
kai hê eikôn tou tôn basileôn basileus holê di holês
lithois samppheirinois en hupsei epephêgeisan harmodiôs
eôrôn de authis hoti di holôn kinêseis exepemponto gnôseôs
kai ên etoimê apheinai logon
êkouon de autês homilousês
egô eimi ekeinou tôn pantôn anthrôpôn andreiotatou
hou heneken par' autôi tôi patri enegraphên
kai autos de êisthomên autou tês hêlikias