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Luzifer. Wie gut dieser Name zu diesem Mann passt, denkt Genevieve. Lord Benedict Lucas sieht nicht nur teuflisch gut aus, er entfesselt auch ihre sündige Seite: Unmöglich kann sie seine Avancen ausschlagen! Mit fatalen Folgen: Ihre Verwandtschaft droht sie zu bestrafen, sollte sie ihr waghalsiges Verhältnis vertiefen. Doch Genevieve steht zu ihrem Begehren – bis sie erfährt, warum Benedict tatsächlich ihre Nähe sucht …
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Seitenzahl: 289
IMPRESSUM
In den Armen des sündigen Lords erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2013 by Carole Mortimer Originaltitel: „Some Like To Shock“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL MYLADY SPECIAL EDITIONBand 3 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Eleni Nikolina
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2023.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751521871
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Mai 1817, London
Darf ich Ihnen eine Fahrt in meiner Kutsche anbieten, Genevieve?“
Genevieve wirbelte zu dem Mann herum, der neben ihr auf der obersten Stufe der St. George’s Church am Hanover Square stand. Beide hatten eben bei der Hochzeit gemeinsamer Freunde teilgenommen und als Trauzeugen fungiert.
Was Genevieve überraschte, war weniger der Ton des Gentlemans, sondern die Frage selbst. Immerhin stand ihre eigene Kutsche vor der Kirche, die Kammerzofe gleich daneben, um sie zurück zu ihrem Haus am Cavendish Square zu begleiten.
Hinzu kam, dass sie Genevieve Forster war, verwitwete Duchess of Woollerton, und der Gentleman an ihrer Seite Lord Benedict Lucas, bei engen Freunden und Feinden besser bekannt als Luzifer. Bis zum heutigen Tag waren sie lediglich flüchtige Bekannte gewesen und standen gesellschaftlich keinesfalls auf derselben Stufe. Eigentlich hätte er sie mit „Euer Gnaden“ ansprechen müssen und nicht so vertraulich bei ihrem Vornamen.
„Genevieve?“
Unwillkürlich überlief sie ein heißer Schauer beim leicht heiseren Klang seiner Stimme. Er sah sie aus seinen geheimnisvollen dunklen Augen an, die eine Braue spöttisch gehoben.
Luzifer …
Wie gut dieser Name zu diesem Mann passte. Er sah wirklich teuflisch gut aus mit seinem mitternachtsschwarzen Haar, das sich leicht über dem Kragen seines schwarzen Mantels wellte, und mit seinen dunkelbraunen Augen, die ebenfalls schwarz erschienen. Hohe Wangenknochen, eine aristokratisch gerade, dünne Nase und der wohlgeformte, sinnliche Mund, der sich jetzt zu einem hochmütigen Lächeln verzog, passten zu der geringschätzigen Art, mit der er den Menschen gemeinhin begegnete.
Mit seinen einunddreißig Jahren war Luzifer nur sechs Jahre älter als Genevieve, aber seine verächtlich funkelnden Augen vermittelten den Eindruck eines sehr viel reiferen Mannes.
Ein Grund dafür, das wusste Genevieve ebenso wie auch der Rest der besseren Gesellschaft, war die tragische Art, wie seine Eltern vor zehn Jahren den Tod gefunden hatten. Luzifer hatte sie auf ihrem Landsitz ermordet aufgefunden, und ihr Mörder war niemals entlarvt oder zur Rechenschaft gezogen worden.
Gewiss lag es an dieser Tragödie, dass Benedict Lucas über seinen schneeweißen Hemden immer schwarz gekleidet war. Seine Erscheinung war zwar tadellos, jedes Teil seiner Garderobe war ihm perfekt auf den Leib geschneidert, sodass die breiten Schultern, seine muskulöse Brust, schmalen Hüften und langen Beine in den schwarzen Stiefeln aufs Vorteilhafteste betont wurden. Eigentlich hätte sein Auftreten ihm einen Hauch von Düsterkeit verleihen müssen, stattdessen verstärkte es nur die Aura von Gefährlichkeit und Unnahbarkeit, die ihn umgab.
Allerdings schien Benedict Lucas alles andere als unnahbar, als er ihr anbot, mit ihm in seiner Kutsche zu fahren.
Sollte Genevieve die Einladung annehmen, so wurde sie auf jeden Fall dem Vorhaben gerecht, das sie vor nur einer Woche vor Sophia und Pandora, ihren beiden engsten Freundinnen, geäußert hatte – dass alle drei Witwen, die schließlich das Trauerjahr pflichtschuldig hinter sich gebracht hatten, sich einen Liebhaber nehmen sollten, noch bevor die Saison vorüber war. Gewiss ein recht mutiger und waghalsiger Vorschlag, das wusste Genevieve, und sie hatte ihn auch eher in einem prahlerischen Impuls eingeräumt, nicht weil sie es wirklich ernst meinte. Ihre schmerzhafte, demütigende Ehe mit Josiah Forster hatte sie allen Männern gegenüber – vor allem in Dingen, die mit der körperlichen Liebe zu tun hatten – zutiefst misstrauisch gemacht.
Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Es ist sehr freundlich von Ihnen, mich einzuladen, Mylord, aber …“
„Eine so … waghalsige Dame wie Sie wird doch wohl nicht unruhig werden bei dem Gedanken, allein mit mir in einer Kutsche zu fahren, Genevieve. Oder?“
Das seltsame Gefühl süßer Erregung verwandelte sich in Besorgnis, als er ausgerechnet das Wort waghalsig benutzte – dasselbe Wort, das auch sie verwendet hatte, als sie Sophia und Pandora vorschlug, sich einen Liebhaber zu nehmen. Sie wusste, dass einer von Luzifers zwei engsten Freunden dieses Gespräch mitgehört hatte. Womöglich hatte er es weitererzählt? Wenn ja, dann war es jedenfalls eines Gentlemans nicht würdig.
Unwillkürlich hob sie das Kinn, die blauen Augen wachsam auf ihn gerichtet. „Mir ist nicht bewusst, dass ich mich jemals auf eine Weise verhalten hätte, die man als ‚waghalsig‘ bezeichnen könnte, Mylord.“ Ebenso wenig war sie sicher, dass sie es jemals tun könnte. Vor ihren zwei besten Freundinnen zu prahlen war eine Sache, doch eine ganz andere auch wirklich entsprechend zu handeln.
Außerdem war Benedict Lucas ein Gentleman, über den der ton sich allgemein nur mit gedämpfter Stimme unterhielt, wenn er es überhaupt wagte, über ihn zu reden. Man wusste, dass er ein Mann stürmischer Leidenschaften war, der vor zehn Jahren geschworen hatte, den Menschen zu finden, der für die Ermordung seiner Eltern verantwortlich war, und ihn eigenhändig zu töten, statt ihn dem Gesetz zu übergeben.
Luzifer galt als einer der besten Schützen Englands, auch das war allgemein bekannt, und ebenfalls als ein überlegener Fechter. Beide Fertigkeiten hatte er während seiner Zeit bei der Armee verfeinert und perfektioniert, was bedeutete, dass er mehr als fähig war, seine Drohung in die Tat umzusetzen.
„Oder ist Ihnen etwas anderes zu Ohren gekommen, Mylord?“, fragte sie herausfordernd, als er nichts entgegnete.
Beinahe hätte Benedict gelacht, so wenig passte der hochmütige Ausdruck zu Genevieve Forsters schönem Gesicht. Beinahe. Denn zu lachen oder Belustigung zu empfinden, worüber auch immer, war ihm in den vergangenen zehn Jahren nicht leichtgefallen. Und so verzog er auch jetzt den Mund lediglich zu einem harten, spöttischen Lächeln. „Nein, Genevieve.“ Er fuhr absichtlich fort, ihren Vornamen zu benutzen, da ihm nicht entgangen war, wie sehr es sie befremdete. „Allerdings denke ich, es ist nicht zu spät, falls Sie doch beschließen sollten, etwas Waghalsiges zu tun …“
Ganz außer Zweifel war Genevieve Forster eine sehr schöne Frau. Die Unmenge von Locken unter ihrem blauen Hut war feuerrot, ihre schelmisch zwinkernden Augen lavendelblau. Sie besaß eine makellose Pfirsichhaut, und die Stupsnase über den vollen, sinnlichen Lippen sah eher elegant als niedlich aus. Obwohl Genevieve von zierlicher, ja fast zerbrechlicher Statur war, wölbten sich volle, üppige Brüste unter dem tiefen Ausschnitt ihres blauen Kleides.
Soweit Benedict wusste, war sie sechs Jahre lang verheiratet gewesen und seit einem Jahr Witwe. Bis auf ihren Stiefsohn, der jetzige Duke, hatte sie keine männlichen Verwandten. Er war mehrere Jahre älter als sie, und jedermann wusste, dass sie sich nicht sehr nahestanden. Genevieves zwei engste Freundinnen wurden beide zurzeit von einer sich anbahnenden Liebesbeziehung in Beschlag genommen und standen ihr somit derzeit nicht zur Seite.
Zwar machte Benedict es sich nicht zur Gewohnheit, schutzlosen Frauen aufzulauern, aber auf eine Witwe von bereits fünfundzwanzig Jahren traf diese Bezeichnung sicher nicht zu. Eine öffentliche Beziehung mit ihr würde ihm sehr zunutze kommen. Sie würde von ihm und dem Vorhaben ablenken, das er in seiner Eigenschaft als Agent der Krone in den nächsten Wochen durchführen würde. Genevieves Schönheit hätte außerdem den Vorteil, dass er an einer solchen Beziehung auch noch Vergnügen finden könnte.
„Es sei denn, Sie halten es für zu waghalsig, mit mir allein zu fahren …“, forderte er sie mit leiser Stimme heraus.
Genevieve runzelte verärgert die Stirn über die, wie sie fand, herablassende Art, mit der er über ihre Unabhängigkeit sprach. Wie hart hatte sie darum gekämpft, seit sie vor einem Jahr zur Witwe geworden war. Darüber hinaus befand sie sich schon seit Langem nicht mehr in der ersten Blüte ihrer Jugend. Sie besaß den hohen Titel der Duchess und war Witwe, und somit konnte sie und würde sie auch tun, was ihr beliebte.
Auf keinen Fall würde sie dem arroganten Benedict Lucas erlauben, sie für einen Feigling zu halten. „Ganz und gar nicht, Mylord“, versicherte sie kühl. „Wenn Sie mir nur eine Minute geben möchten, damit ich meine eigene Kutsche fortschicken kann.“
„Ihre Zofe auch?“
Sie hielt einen Augenblick den Atem an bei dieser erneuten Herausforderung, zögerte aber nicht lange. „Auch meine Zofe“, gab sie schließlich ungnädig nach.
„Darf ich?“ Benedict Lucas reichte ihr den Arm, um sie die Stufen hinunterzubegleiten.
Genevieve war blass geworden, ihr Herz schlug ein wenig zu schnell, als sie die Hand leicht auf seinen muskulösen Arm legte und Benedict Lucas erlaubte, sie zu ihrer Kutsche zu führen. Woraufhin er sich entschuldigte, zu seiner eigenen Kutsche schlenderte und sich mit seinem Kutscher unterhielt, während er auf sie wartete.
„Sind Sie sicher, Euer Gnaden?“ May, seit sieben Jahren Genevieves Zofe, hatte dem dunklen, gefährlich attraktiven Luzifer einen ängstlichen Blick zugeworfen, als Genevieve sie davon in Kenntnis setzte, dass er sie nach Hause fahren würde.
„Ja, vollkommen sicher“, entgegnete Genevieve zuversichtlicher, als sie sich wirklich fühlte. May wusste im Gegensatz zu den meisten, wie entsetzlich Genevieves Ehe mit Josiah Forster gewesen war.
Sie blickte sie unsicher an. „Ich habe Geschichten über diesen Gentleman gehört …“
„Es reicht jetzt, danke, May.“ Auch Genevieve hatte Geschichten über Luzifer gehört, und jede einzelne davon konnte, gelinde gesagt, verrucht genannt werden. Aber was hätte sie anderes tun sollen, als er sie so schamlos herausforderte?
So weit wie möglich vor ihm davonlaufen!
Und dennoch. Sie wollte einfach nicht mehr so weiterleben wie in all den Jahren ihrer Ehe mit Josiah – in ständiger Furcht vor ihrem eigenen Schatten. Sosehr der Gedanke, mit einem Gentleman allein zu sein, ihr auch Herzklopfen und Übelkeit verursachte!
Was konnte Benedict Lucas ihr bei hellem Tageslicht in seiner Kutsche schon antun?
„Ist das wirklich nötig, Mylord?“
Benedict lächelte Genevieve Forster zu, als sie ihm gegenüber in seiner Kutsche Platz nahm und mit alarmiert aufgerissenen Augen zusah, wie er die Vorhänge an den Fenstern zuzog. „Finden Sie nicht, dass die Sonne blendet?“, bemerkte er dazu nur spöttisch.
Einige Augenblicke musterte sie ihn nur. „Sie ist ein wenig … aufdringlich“, räumte sie schließlich ein.
„Genau.“ Er ließ Genevieve nicht aus den Augen, bis er auch den letzten zugezogen hatte. „So ist es doch viel gemütlicher“, meinte er zufrieden.
„In der Tat.“ Ihr kühles Lächeln stand ganz im Gegensatz zu dem heftig pochenden Puls, den Benedict an ihrer Kehle sehen konnte. „Waren Sie eigentlich ebenso erstaunt über die heutige Hochzeit wie ich?“
„Nein“, antwortete er nicht besonders hilfreich. Er hatte nicht die Absicht, das Vertrauen des Bräutigams in ihn zu enttäuschen.
„Glauben Sie …“
„Nein.“
Genevieve Forster hob die Augenbrauen. „Sie haben doch meine Frage noch gar nicht gehört.“
Auch er lächelte jetzt kühl. „Das ist auch nicht nötig, da ich nicht beabsichtige, die Privatangelegenheiten des Brautpaars zu diskutieren.“ Sein Blick glitt zu ihren vollen Brüsten, als Genevieve tief einatmete. „Das ist ein sehr schöner … Schmuck, den Sie tragen.“
„Äh … danke.“ Unwillkürlich legte sie die Hand auf den großen Saphir, der an einer Kette zwischen ihren Brüsten lag. „Ein Hochzeitsgeschenk“, fügte sie knapp hinzu.
„Ihr Gatte hat ganz offensichtlich über einen exquisiten Geschmack verfügt“, sagte er leise. „Sowohl in der Wahl seiner Frau als auch der Geschenke, die er ihr machte.“
„Das dürfen Sie gern glauben, wenn Sie das möchten, Lucas.“ Ihr Ton war eisig geworden.
Verwundert musterte Benedict sie, und ihm fiel die Röte auf, die ihr in die Wangen gestiegen war, und das wütende Funkeln in ihren schönen blauen Augen. „Der Duke war also kein Gentleman von exquisitem Geschmack?“, fragte er behutsam.
„Er war überhaupt kein Gentleman!“, stieß sie heftig hervor. „Und lassen Sie mich etwas sagen, Lucas. Falls Sie mich in Ihre Kutsche gebeten haben, um unsere Bekanntschaft zu vertiefen, dann muss ich Ihnen klarmachen, dass Ihnen das niemals gelingen wird, sollten Sie meinen verstorbenen Mann dabei erwähnen!“
Ihre Offenheit ließ ihn verblüfft die Augenbrauen heben. „Ihre Ehe war also nicht glücklich?“
„Offensichtlich nicht.“
Genevieve Forster würde seine Gedanken wohl noch mehr verstreuen, als er vermutet hatte, bevor er sich auf ein Gespräch mit ihr eingelassen hatte.
„Die Tatsache, dass Sie Gattin eines Dukes wurden, hat Sie nicht für die Unzulänglichkeiten Ihres Mannes entschädigt?“
„Nein.“ Genevieves Stimmung hob sich keineswegs, denn der leichte Spott in seiner Stimme entging ihr keineswegs. „Wenn ich Ihnen einen Rat geben dürfte für das nächste Mal, wenn Sie mit einer Dame allein sind, Mylord, dann wäre es der, nicht ihren verstorbenen Gatten zu erwähnen!“
„Falls ich Sie gekränkt habe …“
„Ich bin nicht gekränkt, Mylord, ich bin lediglich gelangweilt von dieser Unterhaltung.“ Sie schob den Vorhang an ihrem Fenster beiseite und blickte auf die Straße hinaus.
Benedict lehnte sich verblüfft zurück und musste sich insgeheim eingestehen, dass er noch nie einer Frau wie Genevieve Forster begegnet war. Zwar war er sein Leben lang diskret gewesen, dennoch hatte er in den vergangenen zwölf Jahren das Vergnügen gehabt, eine ganze Reihe von Damen intim kennenzulernen. Jede von ihnen hatte er begehrt, darüber hinaus allerdings nie das Interesse gehabt, mehr über sie zu erfahren – ganz gewiss nicht irgendwelche Einzelheiten über das Leben, das sie geführt hatten, bevor sie ihm begegnet waren.
Wie andere Frauen wollte er auch mit Genevieve ein nüchternes Verhältnis eingehen, um sie als eine Art Deckmantel für gesellschaftliche Anlässe zu benutzen. Für gewöhnlich vermied er die diversen Bälle und Veranstaltungen der feinen Gesellschaft. Nur wenn seine Rolle als Agent der Krone es verlangte, ließ er sich dazu herab, eine Einladung anzunehmen.
Genevieve Forsters so offen geäußertes Desinteresse, die Bekanntschaft mit ihm zu vertiefen, war, gelinde gesagt, ärgerlich und gleichzeitig doch auch faszinierend. „Kann ich meine Plumpheit denn nicht irgendwie wiedergutmachen?“, bedrängte er sie sanft.
Ihre Miene spiegelte leichten Unmut wider, als sie sich ihm zuwandte. „Sie sollen wissen, dass ich sechs Jahre lang unglücklich verheiratet war und ein Jahr damit zugebracht habe, einen Mann zu betrauern, den ich aus tiefster Seele verabscheute. Und somit möchte ich in Zukunft ein Leben voller Abenteuer und Spaß verbringen.“
Benedict war bereits zu Ohren gekommen, wie groß der Altersunterschied zwischen dem verstorbenen Duke und seiner Frau gewesen war, hatte aber nicht geahnt, wie die beiden zueinander standen. Jetzt fragte er sich voller Neugier, weswegen die Ehe wohl so unglücklich gewesen war. „Und Sie halten mich für unfähig, Ihnen zu Spaß und Abenteuer zu verhelfen?“ Er hob leicht die dunklen Augenbrauen.
„Abenteuer einer gewissen Art vielleicht schon“, gab sie gelassen zu. „Schließlich sind Sie wohl nicht umsonst als der gefährliche, aufregende Luzifer bekannt.“
„Ach, bin ich das?“
„Oh ja.“ Sie neigte spöttisch den Kopf. „Aber Spaß? Nein, das glaube ich nicht, Mylord.“ Ihr Lächeln war kühl und abweisend.
Benedict ärgerte sich über ihr leichtfertiges Urteil. „Wie können Sie da so sicher sein, ohne jemals Zeit in meiner Gesellschaft verbracht zu haben?“
„Ich verbringe gerade diese Kutschfahrt in Ihrer Gesellschaft, Mylord“, kam ihre hochmütige Antwort.
„Und?“
Sie zuckte die Achseln. „Und das hat gereicht, um mir zu zeigen, dass wir im Wesentlichen zu verschieden voneinander sind, um zueinanderpassen zu können.“
Benedicts Missmut über diese Unterhaltung und vor allem über diese Frau nahm von Moment zu Moment zu. „Werden Sie heute Abend Lady Hammonds Ball besuchen?“
Sie zögerte kurz, bevor sie antwortete. „Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich zum Ball gehen oder besser ein privates Dinner mit dem Earl of Sandhurst genießen soll.“
„Sie denken daran, mit Charles Brooks zu dinieren?“ Abrupt setzte Benedict sich auf.
Ihre blauen Augen blitzten verärgert auf über seine offensichtliche Geringschätzung. „Der Earl ist nicht nur ausgesprochen charmant und liebenswürdig, sondern außerdem schön wie ein griechischer Gott.“
Zweifellos war er das. Allerdings war er auch als einer der größten Wüstlinge Londons bekannt. Eine Tatsache, die Genevieves Plänen, ein Leben voller Abenteuer und Spaß zu führen, vielleicht sogar entgegenkam.
Konnte Benedicts Unmut womöglich daran liegen, dass sie ihn selbst also abgewiesen hatte? Vielleicht ein wenig, gestand er sich verärgert ein. Aber es konnte doch wirklich nicht angehen, ausgerechnet wegen Charles Brooks, diesem Stümper, eine Abfuhr zu erhalten!
„Ich habe am frühen Abend eine Verabredung, aber wir könnten danach gemeinsam dinieren, wenn es das ist, was Sie abenteuerlich und amüsant finden“, schlug er ihr zu seiner eigenen Überraschung vor.
„Nein, ich denke nicht, dennoch vielen Dank für das Angebot“, lehnte Genevieve kühl ab.
„Warum zum Teufel nicht?“, fuhr er sie an.
„Nun, zum einen, weil ich es gar nicht zu schätzen weiß, erst an zweiter Stelle Ihrer Verabredungen für den heutigen Abend zu stehen.“
„Es handelt sich lediglich um eine geschäftliche Angelegenheit!“
Wieder zuckte sie die zierlichen Schultern. „Dann wünsche ich Ihnen mehr Erfolg damit, als Sie bei mir gehabt haben.“
Luzifer unterdrückte einen Fluch. „Sie benehmen sich völlig unvernünftig!“
Genevieve lächelte nur mitleidig. „Gewiss gibt es viele Damen, die sich über Ihr Interesse freuen würden, Mylord, aber so bald nach dem Ende meiner unglücklichen Ehe brauche ich etwas Romantischeres als alles, was Sie mir offensichtlich bieten können.“
„Romantisch!“ Er sah sie an, als hätte sie völlig den Verstand verloren.
Genevieve schaute aus dem Fenster. „Wie es scheint, sind wir bei mir angekommen.“ Sie schenkte ihm ein nichtssagendes Lächeln und griff nach ihrem Retikül. „Vielen Dank für die Fahrt, Mylord. Sie war ausgesprochen … aufschlussreich.“
Er antwortete ihr mit einem finsteren Blick. „Es gibt viele Wege, Spaß zu haben, Genevieve“, sagte er gedehnt. „Und ich glaube, wenn Sie erst einmal eingehender darüber nachgedacht haben, werden Sie auch erkennen, dass ich in der Hinsicht über ein sehr viel größeres … Wissen verfüge als Sandhurst.“
Ungerührt zuckte sie die Schultern. „Vielleicht werde ich irgendwann in Betracht ziehen, einen Vergleich anzustellen über dieses … Wissen, und selbst entscheiden, ob Sie recht haben. Allerdings nicht heute.“
Luzifer runzelte die Stirn. „Sie müssen sehr naiv sein, wenn Sie glauben, ein Kerl wie Charles Brooks würde Sie lediglich bitten, ein kleines Abenteuer mit ihm zu erleben. Geschweige denn nur Spaß mit ihm zu haben.“
Jedenfalls hatte Genevieve in diesem Moment wirklich großen Spaß, das musste sie zugeben. Sie war sehr jung gewesen, als sie Josiah geheiratet hatte, und erhielt vor der Ehe nur wenige Gelegenheiten, mit anderen Männern zu flirten. Dennoch war ihr nur allzu bewusst, dass sie Benedict Lucas’ Interesse erregt hatte, als sie sich weigerte, sich von seinem Charme einfangen zu lassen.
Was die Männer des ton anging, mochte sie ja tatsächlich so naiv sein, wie Benedict Lucas es ihr vorwarf, dumm war sie jedoch nicht. Und sie hatte geahnt, dass ein Mann wie er keinen Gefallen an einer leichten Eroberung finden würde. Zu ihrer eigenen Überraschung war es allerdings noch sehr viel aufregender, als sie geglaubt hatte, die Neugier eines so gefährlich attraktiven Mannes zu erregen …
Scheinbar ungerührt, zuckte sie erneut die Achseln. „Wie gesagt, ich möchte ein wenig umworben werden, bevor ich auch nur mit dem Gedanken spiele, einen Gentleman zu meinem Geliebten zu machen.“
„Sandhurst …“
„… hat mir heute Blumen und Konfekt geschickt. Und dazu eine wunderschön formulierte Karte.“ Sie lächelte in Erinnerung daran.
„Nur weil er hofft, Sie auf diese Weise noch heute Abend in sein Bett locken zu können!“
„Das ist mir selbstverständlich bewusst“, meinte Genevieve gelassen. „Dass Sandhurst das erhofft, bedeutet allerdings nicht, dass seine Hoffnungen auch erfüllt werden.“
Hatte ihn jemals eine Frau derart zur Weißglut gebracht? Wenn ja, so erinnerte er sich jedenfalls nicht daran. Tatsächlich erlaubte er sich selten, wenn überhaupt, heftigen Gefühlen Luft zu machen. Was nicht bedeutete, dass er keine empfand, nur dass er es vorzog, sie niemandem zu zeigen. „Mir will es nicht einleuchten, was daran romantisch sein soll, wenn Sandhurst Sie mit Blumen, Konfekt und hübschem Geschwafel traktiert.“ Er verzog verächtlich den Mund. „Noch dazu, da er zweifellos von Ihnen erwartet, sich sofort nach dem Dinner von ihm verführen zu lassen.“
Genevieve betrachtete ihn spöttisch. „Und hätten Sie nicht genau dasselbe von mir erwartet, wenn ich mich heute Abend mit Ihnen verabredet hätte – allerdings ohne den Umstand, mir vorab Blumen, Konfekt und schöne Worte zu schicken?“
Er schnaubte ungeduldig. „Wenn ja, so bin ich wenigstens offen gewesen, was meine Absichten angeht.“
„Vielleicht ein wenig zu offen?“, meinte sie kühl.
Benedict zog scharf den Atem ein. „Sie sind eine ausgesprochen unangenehme Frau, Genevieve!“
Ein erstauntes Lachen entfuhr ihr. „Wirklich sehr offen, Benedict.“
Ungeduldig schüttelte er den Kopf, den Blick finster auf sie gerichtet. „Sie können mich heute Abend auf Lady Hammonds Ball sehen, falls Ihnen danach sein sollte.“
Sie neigte knapp den Kopf. „Ich werde Ihr liebenswürdiges Angebot nicht vergessen. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen möchten …“
Benedict blieb nichts anderes übrig, als auszusteigen und Genevieve die Hand zu reichen, um ihr aus der Kutsche zu helfen. Kaum stand sie neben ihm auf dem Gehweg, nickte sie flüchtig und begann, anmutig die Stufen zu ihrem Haus hinaufzugehen. Die Tür wurde sofort für sie geöffnet und danach fest hinter ihr geschlossen.
Dabei bemerkte Benedict voller Unmut, dass Genevieve sich kein einziges Mal zu ihm umgesehen hatte …
„Hat Sandhurst dich auf irgendeine Weise verärgert?“
Benedict wandte sich verwundert zu dem gedrungenen rundlichen Gentleman um, der sich am Rand der überfüllten Tanzfläche in Lady Hammonds Ballsaal zu ihm gesellt hatte. „Warum vermutest du, er hätte mich verärgert?“ Er musste fast schreien, um überhaupt gehört zu werden. Das laute Geplauder und Gelächter der etwa dreihundert Gäste, die sich in den von unzähligen Kerzen hell erleuchteten Ballsaal gedrängt hatten, erfüllte den Raum, wobei ein bestimmtes glockenklares Lachen seine Aufmerksamkeit ganz besonders auf sich zog.
„Vielleicht, weil du ihn schon eine ganze Weile mit finsteren Blicken strafst?“ Lord Eric Cargill, der Earl of Dartmouth und Benedicts Patenonkel, lachte leise.
Benedict drehte den tanzenden Paaren entschlossen den Rücken zu. „Ich habe lediglich versucht zu verstehen, wie irgendjemand sich einreden kann, ausgerechnet Sandhurst hätte Ähnlichkeit mit einem griechischen Gott“, bemerkte er geringschätzig.
„Ach?“ Der Earl hob die ergrauten Augenbrauen.
Benedict lächelte selbstironisch. „Gewiss nicht zu meiner eigenen Erbauung, du verstehst.“
„Aha.“ Der ältere Mann nickte offensichtlich erleichtert, schüttelte gleich darauf aber doch den Kopf. „Nein, ich fürchte, ich verstehe nicht das Geringste.“
„Warum solltest du auch“, sagte Benedict knapp, ganz und gar nicht bereit, den Grund für sein Interesse preiszugeben, der gerade in den Armen Sandhursts über die Tanzfläche schwebte.
Einige Augenblicke fixierte der Earl ihn streng, bevor er sich dann entschied, das Thema unter den Tisch zu kehren. „Wenn ich gewusst hätte, dass du heute Abend hier sein würdest, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, selbst zu kommen.“ Er zog eine Grimasse. Viele Jahre hatte er in der Armee als Colonel gedient und arbeitete jetzt als Geheimdienstchef für die Krone – offiziell hatte er jedoch nur einen unwichtigen Ministerposten inne. Und er fand ebenso wenig Vergnügen an den Bällen des ton wie Benedict.
„Womit du meine Tante Cynthia allerdings um einen schönen Abend gebracht hättest“, gab der spöttisch zu bedenken. Der Earl und die Countess waren nicht blutsverwandt mit ihm. Sie hatten ihn dennoch nach dem Tod seiner Eltern unter ihre Fittiche genommen, als sei er ihr Sohn. Ihre eigene Ehe war zu ihrem Kummer leider kinderlos geblieben.
„Das ist natürlich nicht wahr.“ Der Earl lachte leise, die braunen Augen zwinkerten fröhlich. „Doch sosehr ich den Ausdruck ihrer Dankbarkeit nachher genießen werde, bin ich gar nicht sicher, dass selbst das die öden Stunden wert sein wird, die ich heute Abend über mich ergehen lassen musste!“ Mit leicht zusammengekniffenen Augen betrachtete er die tanzenden Paare. „Wer ist eigentlich die wunderschöne junge Dame, die gerade mit Sandhurst tanzt?“
„Ich glaube, es ist die Duchess of Woollerton.“ Benedict musste sich nicht umdrehen, um jene ‚wunderschöne junge Dame‘ zu identifizieren.
Eric Cargill musterte ihn kurz. „Mir war nicht bewusst, dass Forster geheiratet hat.“
„Vielleicht hätte ich sagen sollen: die verwitwete Duchess“, korrigierte sich Benedict.
Erstaunt hob der Earl die Augenbrauen. „Diese junge Schönheit ist die Kindsbraut, die Josiah Forster auf dem Land versteckt hielt, kaum dass er sie geheiratet und entjungfert hatte?“
Unwillkürlich zuckte Benedict bei der geschmacklosen Bemerkung seines Onkels zusammen. „Scheint so.“
„Ich hatte ja keine Ahnung …“, sagte der ältere Mann anerkennend.
„Du solltest wirklich versuchen, ein wenig mehr unter Menschen zu kommen, Dartmouth“, sagte Benedict knapp.
Sein Patenonkel verzog bei dem Gedanken gequält das Gesicht. „Aber um genau das nicht tun zu müssen, habe ich doch Leute wie dich eingestellt, mein Junge.“
Nicht lange nach dem Mord seiner Eltern war Benedict der Armee beigetreten. Sieben lange Jahre machte er seiner Wut und seiner Verzweiflung im Kampf gegen Napoleons Armeen Luft. Erst als der Korse sicher auf der Insel Elba eingekerkert wurde, verkaufte Benedict sein Offizierspatent – zumindest hatte ganz England geglaubt, dass Napoleon sicher eingekerkert war! Nach seiner Flucht von Elba war Benedict aufs Festland zurückgekehrt und hatte gekämpft, bis der Tyrann erneut besiegt und dieses Mal auf die Insel St. Helena gebracht wurde, die noch abgelegener war.
Das Zivilleben war Benedict unerträglich öde erschienen. Es wollte seiner inneren Unruhe einfach nicht gerecht werden. Das Angebot seines Patenonkels vor zwei Jahren, als Agent für ihn zu arbeiten, war seine Rettung gewesen. Obwohl ihn jene innere Unruhe nie ganz losgelassen hatte, sondern lediglich schwächer geworden war.
Um sie allerdings ganz zu verlieren, musste Benedict den Menschen finden, der seine Eltern ermordet hatte. In seiner Funktion als Agent des Earl of Dartmouth war es ihm ein Leichtes, dieses Anliegen zu verfolgen, ohne bei irgendjemandem Verdacht zu erregen.
Abende wie den heutigen nutzte er meist dazu, den eigentlichen Grund seiner Anwesenheit zu verbergen, indem er vorgab, sich für eine der jungen Damen zu interessieren. Sosehr er Menschenansammlungen verabscheute, musste er doch zugeben, dass Anlässe wie dieser hier die vollkommene Gelegenheit darstellten, um Informationen zu erhalten oder weiterzuleiten.
Noch immer ärgerte es ihn, dass Genevieve sich entschieden geweigert hatte, ihm als Alibi für diesen Abend zur Verfügung zu stehen. Ganz besonders, da er seit seiner Ankunft vor etwa einer Stunde gezwungen gewesen war, Sandhursts nur allzu offensichtliche, um nicht zu sagen unverschämte Tändelei mitanzusehen. Ganz zu schweigen von Genevieves entzückter Reaktion auf die zweifellos plumpen Komplimente des Mannes.
Heute Abend sah sie wirklich hinreißend aus – ein Traumbild in cremefarbener Seide und Spitze, kleine Perlen in feuerroten Locken, unglaublich faszinierende blaue Augen und verlockende rosige Lippen. Weitere Perlen schmückten ihren zierlichen Hals und betonten den hellen Teint ihrer Haut aufs Vorzüglichste.
„… habe den Comte de Sevanne noch nicht gesehen. Benedict, hörst du mir überhaupt zu?“
Nur mit Mühe löste Benedict seinen Blick von der Tanzfläche und versuchte, seine Gedanken auf den Franzosen zu konzentrieren, wegen dem er und sein Onkel diesen Ball in erster Linie aufgesucht hatten. Napoleon befand sich zwar in Gefangenschaft, doch nichts garantierte, dass das so bleiben würde. Abgesehen davon, war er gewiss nicht Englands einziger Feind.
Während Benedict sich leise mit seinem Patenonkel unterhielt, konnte er dennoch nicht verhindern, dass sein Blick wieder und wieder zu Genevieve Forster wanderte, ganz besonders als sie und Sandhurst eine kurze Zeit später die Tanzfläche verließen, wohl um ein Getränk zu sich zu nehmen.
Oder vielmehr – so wie er Sandhurst kannte –, um einen der abgelegenen Privatsalons der Gastgeberin aufzusuchen …
Genevieve hatte beschlossen, den Abend auf Lady Hammonds Ball zu verbringen, statt allein mit Charles Brookes zu dinieren. Vor etwa einer Stunde war auch Luzifer erschienen, und seitdem war sie sich der finsteren Blicke, mit denen er sie verfolgte, allzu sehr bewusst. Ein Grund mehr, wie sie fand, Charles Brooks’ Aufmerksamkeiten zu ermutigen, der kurz nach Luzifer angekommen war und sich unverzüglich einen Weg zu ihr gebahnt hatte, um auf unziemliche Weise mit ihr zu tändeln.
Was Luzifer ganz und gar nicht zu schätzen schien, wenn sie dem mörderischen Ausdruck in seinen dunklen Augen und den fest zusammengepressten Lippen glauben durfte.
Genevieve hatte seit Jahren keine so süße Aufregung mehr verspürt. Wenn überhaupt jemals …
Josiah Forster, fast vierzig Jahre älter als sie, hatte um Genevieve angehalten, noch bevor ihre erste Saison sich dem Ende zugeneigt hatte. Ihr Bruder Colin war nur allzu froh gewesen, den Antrag sofort im Namen seiner Schwester anzunehmen. Immerhin handelte es sich um den einen Duke, der sie zur Duchess machen würde, gab Colin zu bedenken, als da Genevieve voller Entsetzen protestierte bei dem Gedanken, einen so viel älteren Mann zu heiraten.
Es war eine wahre Märchenhochzeit. Der gesamte ton war zugegen, um dem Ereignis beizuwohnen. Und obwohl Genevieve in ihren schönen Satinschuhen gezittert hatte, so fiel es jedenfalls niemandem auf, während sie anmutig zum Altar schritt, entzückend anzusehen in ihrem zauberhaften Satinkleid. Und auch später stand sie scheinbar gelassen und mit einem freundlichen Lächeln für jeden ihrer Gäste an der Seite des Dukes.
Erst später am Abend, während der Fahrt zum Woollerton-Gut in Gloucestershire, überwältigte Genevieve die Furcht vor dem, was ihr in dieser Nacht noch bevorstehen sollte.
Eine Nacht, die sich als genau der Albtraum herausstellte, den Genevieve erwartet hatte, und in der Josiah keinerlei Rücksicht auf ihre Jugend oder ihre Unerfahrenheit genommen hatte.
Auch jetzt erschauderte sie unwillkürlich in Erinnerung an das Grauen, das sie damals erlebt hatte und das nur der Beginn all der entsetzlichen Jahre der Gefangenschaft als Josiah Forsters Frau sein sollte – einer Gefangenschaft, der sie erst durch seinen Tod entkommen war.
Somit war dies die erste Londoner Saison seit sieben Jahren, die Genevieve genießen durfte. Und sie war entschlossen, jeden Moment auszukosten!
Eine sehr befriedigende Weise, genau das zu tun, war zum Beispiel, sich von dem gut aussehenden, blonden, blauäugigen Charles Brooks den Hof machen zu lassen, während der sonst so spöttisch gleichgültige, schwarzhaarige, braunäugige und hinreißend verruchte Luzifer sie mit unverhohlenem Missmut beobachtete.
Wirklich sehr aufregend, sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gleich zweier so hinreißender Männer zu befinden, nachdem sie so viele Jahre im ländlichen Gloucestershire verschollen gewesen war. Genevieves Mann hatte jede ihrer Bewegungen mit der Geistesgegenwart eines Falken verfolgt, der im Begriff stand, auf sein nichts ahnendes Opfer herabzustürzen – und ihr die nötige Bestrafung zukommen zu lassen, falls sie nicht genau das tat, was er von ihr verlangte.
Wieder konnte Genevieve einen Schauder nicht unterdrücken, als sie an ihre Hochzeitsnacht zurückdachte. Hastig verjagte sie die Erinnerungen und zwang sich wieder, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Seine Finger verweilten ein wenig zu lange auf ihrer Hand, als Charles Brooks ihr ein Champagnerglas reichte.
„Auf uns, meine liebe Genevieve.“ Er sah sie mit anerkennend leuchtenden Augen an und hob dabei sein eigenes Glas.
„Ein völlig unangemessener Gedanke, Sandhurst“, bemerkte Benedict Lucas gedehnt und nahm Genevieve gleichzeitig das Glas aus der Hand und stellte es auf das Tablett zurück, das einer von Lady Hammonds Lakaien gerade vorbeitrug. Nachdem er ihn aufgefordert hatte, das Glas doch bitte sofort auszuschütten, wandte er sich mit herausfordernder Miene an Genevieve. „Schließlich ist dies unser Tanz, Genevieve.“
Zu behaupten, sein Eingreifen hätte sie verblüfft, wäre milde ausgedrückt. Sie raste regelrecht vor Wut, so empört war sie über die selbstherrliche Art, in der Luzifer das Glas an sich genommen und sie angesprochen hatte. Einen Moment spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken, ihn einen Lügner zu nennen und nicht auf sein Spiel einzugehen. Er hatte sie heute Abend noch nicht einmal begrüßt, wie konnte er dann die Frechheit besitzen, von ‚ihrem Tanz‘ zu sprechen?
Benedict musste es in ihren zornig funkelnden Augen gelesen haben, denn gleich darauf packte er sie einfach am Arm und zog sie entschlossen von Brooks fort.
„Wie können Sie es wagen, Lucas!“, fauchte sie ihn an und versuchte vergeblich, sich aus seinem Griff zu befreien.
„Ich wage es, weil Sandhurst Ihrem Champagner etwas beigefügt hat, um Sie seinen Avancen gegenüber … geneigter zu stimmen“, erklärte er verächtlich und führte sie unbeirrt in den Ballsaal zurück.
Genevieve erstarrte einen Moment. Sie erblasste und warf Sandhurst, der ihnen finster nachblickte, einen entsetzten Blick zu. „Was sagen Sie da?“
„Ein ‚Vielen Dank für Ihre Rettung, Mylord‘ würde mir schon reichen“, sagte Benedict spöttisch.
„Sie reden unglaublichen Unsinn“, meinte sie ungeduldig, während sie bemüht war, mit ihm Schritt zu halten, ohne zu stolpern oder gar zu stürzen.
„Ach?“
„Selbstverständlich.“ Ihre Wangen waren gerötet vor Wut. „Nur weil ich die Aufmerksamkeiten eines so galanten Gentlemans wie Sandhurst vorziehe, ist das noch lange kein Grund …“ Genevieve hielt inne, als Benedict abfällig schnaubte. „Ihr Benehmen macht nur allzu deutlich, dass Sie kein Gentleman sind, Sir!“
„Und Sie, meine liebe Genevieve, haben heute Abend bewiesen, dass Sie ein wahrer Naivling sind, wenn es um Männer wie Sandhurst geht“, versicherte er ihr grimmig. „Sobald Sie Ihren Champagner getrunken und die gewünschte Wirkung der Mixtur eingesetzt hätte, wären Sie nur allzu bereit gewesen, ja sogar begierig darauf, sich mit besagtem Gentleman irgendwohin zurückzuziehen, wo Sandhurst zu all den ausschweifenden Taten übergegangen wäre, die er heute Abend für Sie im Sinn gehabt hat!“
Genevieve schnappte empört nach Luft. „Sie behaupten doch nur deswegen all diese fürchterlichen Dinge, um mich zu verängstigen! Oder viel wahrscheinlicher, damit ich eine bessere Meinung über Sie bekomme.“
„Ich bezweifle sehr, dass Ihre Meinung über mich schlechter sein könnte, als sie jetzt schon ist!“, zischte er gereizt.
„Da wäre ich mir gar nicht so sicher!“, fuhr sie ihn an.
Er lächelte freudlos. „Zweifellos.“
„Woher wissen Sie überhaupt von solchen Mixturen? Sie haben wohl schon selbst Erfahrungen damit gemacht!“
Verärgert stieß Benedict den Atem aus und blieb abrupt in Lady Hammonds riesiger Eingangshalle stehen. „Ich versichere Ihnen, Madam, dass ich niemals auf solche hinterlistigen Methoden zurückgreifen musste, um eine Frau dazu zu bringen, das Bett mit mir zu teilen!“
Sie hob störrisch das Kinn, ohne sich von der Wut in seinem Blick einschüchtern zu lassen. „Und warum glauben Sie, dass Sandhurst das nötig hatte, wenn er doch …“
„… schön ist wie ein griechischer Gott“, beendete Benedict den Satz für sie. „Ich stimme Ihnen zu, Genevieve, dass er es nicht nötig haben sollte. Leider ist Ihr griechischer Gott der Jagd auf seine Frauen überdrüssig geworden. Jene Blumen und das Konfekt, das sie heute erhalten haben, wäre die erste und letzte seiner galanten Gesten gewesen. Sandhurst zieht mittlerweile eine weniger langwierige Werbung vor. Die Frau soll so schnell wie möglich bereit sein, sich von ihm verführen zu lassen – meist auch von mehreren seiner weniger herzlichen Freunde, damit er zuschauen und sein Vergnügen noch steigern kann.“
Genevieve hielt entsetzt den Atem an. Könnte Benedict Lucas tatsächlich die Wahrheit sagen? Hatte Sandhurst ihr wirklich etwas in den Champagner getan, um sie gefügig zu machen? Für sie klang es sehr unwahrscheinlich, aber gleichzeitig musste sie zugeben, dass Luzifer, sosehr sich der ganze ton