In den Fängen der Dukes - unzähmbare Leidenschaft - 6-teilige Serie - Carole Mortimer - E-Book

In den Fängen der Dukes - unzähmbare Leidenschaft - 6-teilige Serie E-Book

Carole Mortimer

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Beschreibung

Vier Romane und zwei Prequels, über Dukes, die ihre Leidenschaft ausleben und sich nie zähmen lassen werden. Originaltitel der Serie "Dangerous Dukes". DER DUKE, DER MEIN HERZ STAHL Einer schrecklichen Ehe entronnen, will Julianna nie wieder heiraten. Aber sie will alles über die Verführungskunst lernen, um sich dann einen Liebhaber zu suchen! Julianna engagiert den Duke of Worthing, einen bekannten Casanova, als Lehrmeister. Alles verläuft nach Plan - bis sie sich in den berüchtigten Duke verliebt ... DER DUKE, DER MICH BETÖRTE Einst ist seine Braut Georgianna mit einem Franzosen durchgebrannt - jetzt steht sie vor ihm! Zachary Black, Duke of Hawksmere sinnt auf Rache und entführt sie. Er müsste Georgianna hassen, doch stattdessen wächst sein Verlangen ins Unermessliche. Der Duke zweifelt: Kann er es wagen, ihr noch einmal sein Herz anzuvertrauen? DER DUKE, DER MICH VERFÜHRTE Ausgerechnet mit dem arroganten Duke of Wolfingham soll Mariah zusammenarbeiten und im Auftrag der Krone ein Komplott aufklären. Das Schlimmste dabei: Sie fühlt sich unwiderstehlich zu dem attraktiven Duke hingezogen. Dabei hat sie sich nach dem Tod ihres Mannes eins geschworen: Niemals wieder ihre Freiheit aufzugeben! DER DUKE, DER MICH KÜSSTE "Sir, bitte bedecken Sie sich!" Von ihrem Versteck aus hat Anna frivolerweise den Anblick des muskulösen Gentlemans genossen, der ein Bad im See nehmen will. Aber nun droht er die letzte Hülle fallen zu lassen. Das muss Anna verhindern! Doch als er seine Lippen auf ihre presst, vergisst sie alle moralischen Bedenken … DER DUKE, DER MIR DIE SINNE RAUBTE Eine zarte Gestalt rennt direkt vor seine Kutsche! Schockiert zügelt Griffin Stone, Duke of Rotherham, die Pferde und kümmert sich um die reglose Person. Es ist eine betörende junge Dame, nur mit einem Nachthemd bekleidet. Fesselmale zeichnen ihre blassen Arme und Beine. Wer hat sie so zugerichtet? Er bringt die Ohnmächtige auf sein Anwesen. Aber als die verletzte Schönheit endlich die Augen aufschlägt, hat sie keine Antwort auf seine Fragen. Ihre Erinnerung scheint für immer verloren - und ihre Verzweiflung rührt Griffin an seiner schwächsten Stelle: seinem Herz … DER DUKE, DER MICH ERLÖSTE "Du musst mit mir nach England kommen." Christian Seaton, Duke of Sutherland weiß genau, wie töricht sein Wunsch ist, die bezaubernde Französin Lisette beschützen zu wollen. Seine Leidenschaft für die schöne Unschuld kann ihn in tödliche Gefahr bringen. Denn Lisette hütet wertvolle Informationen, für die manche Männer morden würden! Um das zu verhindern, entführt er sie in dunkler Nacht und flieht mit ihr nach England. Längst ist das Herz des Duke of Sutherland in heißer Liebe zu ihr entbrannt. Doch wird Lisette ihm eine Chance geben, wenn sie seine wahre Identität erfährt?

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Seitenzahl: 1309

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Carole Mortimer

In den Fängen der Dukes - unzähmbare Leidenschaft - 6-teilige Serie

IMPRESSUM

Der Duke, der mein Herz stahl erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2014 by Carole Mortimer Originaltitel: „Marcus Wilding: Duke Of Pleasure“ erschienen bei: Harlequin Enterprises, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL MYLADYBand 565 - 2016 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Svenja Tengs

Umschlagsmotive: Novel Expression

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733734701

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Februar 1815, Worthing House, London

Verzeihen Sie, Lady Armitage, doch für einen kurzen Moment glaubte ich, Sie hätten mich darum gebeten, Sie in der Liebeskunst zu unterrichten, damit Sie sich einen Liebhaber nehmen können!“

Das harte und spöttische Grinsen von Marcus Wilding konnte Julianna nichts anhaben. Er klang, als wäre es völlig unmöglich für ihn, sich das auch nur vorzustellen. „Sie haben richtig gehört, Euer Gnaden – außer vielleicht, dass es keine Bitte, sondern vielmehr eine Absichtserklärung war“, fügte sie entschlossen hinzu und reckte das Kinn vor.

Der Duke of Worthing zog die Augenbrauen so hoch, dass sie unter dem tiefschwarzen Haar, das ihm locker in die Stirn fiel, nicht mehr zu sehen waren. Er musterte Julianna mit seinen eiskalten hellgrünen Augen, die er zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen hatte.

„Eine Absichtserklärung?“

Keine Sekunde ließ sich Julianna von der sanften Stimme des Dukes hinters Licht führen – auch nicht von der entspannten Haltung, die er ihr gegenüber auf dem Sessel im Blauen Salon seines Londoner Hauses einnahm. Sie wusste nur zu gut, dass die größte Gefahr von diesem Mann dann ausging, wenn er vernünftig erschien.

Er und ihr Bruder – sowie drei seiner engsten Freunde – waren in der Öffentlichkeit als „Die Durchtriebenen Dukes“ bekannt, und das lag sicherlich nicht an ihren angenehmen Umgangsformen. Allerdings hatten sie sich diesen Namen auch nicht nur aufgrund ihrer Gewieftheit auf dem Schlachtfeld verdient. Ihre Eroberungen in den Schlafgemächern waren mindestens genauso skandalös – und zwar so sehr, dass die meisten Mütter des ton ihre heiratsfähigen Töchter nicht einmal in die Nähe dieser verwegenen Junggesellen ließen. Julianna hatte guten Grund zu der Annahme, dass Marcus Wilding der durchtriebenste von allen war.

Wegen seines Rufs machte sie sich nicht die geringsten Sorgen. Erneut zu heiraten, war das Letzte, was ihr in den Sinn kam, ganz gleich ob es nun um Worthing oder sonst einen Gentleman ging.

Dennoch war sie froh, dass sie sich bei ihrer Ankunft den schwarzen Umhang vom Butler des Dukes nicht hatte abnehmen lassen. Dieses Kleidungsstück umhüllte sie nicht nur von den Schultern bis zu den Knöcheln, sondern verbarg auch das Zittern ihrer behandschuhten Hände unter den großen Falten des Umhangs. Die hellgraue Schute bedeckte jedoch leider nur ihr feuerrotes Haar – nicht ihr sicherlich leichenblasses Gesicht.

Julianna zwang sich zu einem ruhigen, gleichmütigen Gesichtsausdruck, während sie Marcus unverwandt ansah. Er war ein Freund ihres Bruders Christian, weshalb sie ihn gut genug kannte, um zu wissen, dass er jegliches Zeichen von Schwäche ausnutzen würde. „Ja, eine Absichtserklärung“, bestätigte sie in gleichmäßigem Ton.

„Tatsächlich.“ Zwar durchbohrte er sie mit seinem Blick, dennoch konnte sie nicht anders, als seine faszinierenden grünen Augen unter den dunklen, überaus langen und dichten Wimpern zu bewundern. Sein Gesicht war so anmutig und schön wie das eines gefallenen Engels – oder das eines Teufels? „Ist denn die Frage gestattet, warum? Schließlich waren Sie eine verheiratete Dame und sind jetzt Witwe. Es steht Ihnen daher frei, sich einen Liebhaber zu nehmen, anstatt wieder zu heiraten, wenn Sie es so wünschen …“

„Das beabsichtige ich auch“, erwiderte sie entschieden.

Er nickte. „Haben Sie denn schon einen bestimmten Herrn im Sinn, der Ihr … Liebhaber werden soll?“

„Nein, noch nicht.“

Er runzelte die Stirn. „Dann drängt sich mir eine Frage auf: Warum haben Sie sich dazu entschieden, zu mir zu kommen und mir den skandalösen Vorschlag zu unterbreiten, Sie in der Kunst der Verführung zu unterweisen?“

Der sanfte Ton der Frage traf Julianna unvorbereitet. Im Grunde hatte sie mit Worthings Spott und weniger mit der jetzt zur Schau getragenen Nachlässigkeit gerechnet. Dieser Mann gehörte zu den begehrtesten Junggesellen Englands. Sie hingegen war verheiratet gewesen und jetzt verwitwet. Beides hatte seinen Tribut gefordert – sowohl in Bezug auf ihr Äußeres als auch ihre emotionale Verfassung.

An ihrem Hochzeitstag vor vier Jahren war sie eine junge Dame von nur achtzehn Jahren gewesen. Im Herzen voller Optimismus für die Zukunft. Doch nach drei Jahren Ehe mit dem betrügerischen Lord John Armitage und fast einem Jahr im Witwenstand war Julianna zu dem Entschluss gelangt, nicht wieder zu heiraten, wenn ihr Trauerjahr in genau zwei Wochen zu Ende gehen würde. Nein, es wäre viel besser, sich einen Liebhaber zu nehmen, hatte sie entschieden. Einen, den sie sich selbst aussuchen und mit dem sie nach den eigenen Vorstellungen zusammen sein könnte.

Wer könnte sie da besser in der Liebeskunst unterrichten als der Gentleman, von dem es hieß, er sei der vollkommenste Liebhaber von ganz England?

Bis jetzt war es Julianna wie die perfekte Lösung erschienen. Doch jetzt, da sie ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber saß und sie nur wenige Schritte von dem ungemein verführerischen Duke of Worthing trennten, kamen ihr ernsthafte Zweifel, ob sie klug gehandelt hatte.

Denn Worthing war nicht nur ein vollendeter Liebhaber, sondern im Alter von zweiunddreißig Jahren auch der bestaussehende Gentleman des ton. Die dunklen, längeren Locken fielen ihm auf verwegene und nachlässige Art und Weise in die Stirn, über die Ohren und in den Nacken. Die hohen Wangenknochen betonten seine edle Nase, und der Mund – oh Gott, dieser sündhafte Mund mit den vollen, sinnlichen Lippen übte eine überaus beunruhigende Wirkung auf Julianna aus.

Neben alldem war es offenkundig, dass Worthings tadelloses Erscheinungsbild in keiner Weise dem Können seines Schneiders und Schuhmachers geschuldet war. Seine breiten Schultern, seine schmale Taille, seine muskulösen Oberschenkel und langen Beine in dem schwarzen Frackrock, der grauen Weste, dem schneeweißen Hemd und den schwarzen Pantalons waren einzig und allein auf die vielen Stunden zurückzuführen, die er mit seinen engsten Freunden im Boxring und bei Schwertübungen verbrachte.

Seit Juliannas Hochzeit mit John Armitage hatte Worthing nicht das geringste Interesse an ihr gezeigt – abgesehen von den üblichen Höflichkeitsfloskeln, mit denen er die kleine Schwester seines Freundes bedachte.

„Dürfte meine Wahl sich nicht von selbst erklären, wenn man bedenkt, dass Ihre Fertigkeiten im Schlafgemach den Gerüchten nach legendär sind?“, sagte sie in dem Versuch, desinteressiert zu klingen.

Er zog jene dunklen Brauen ein zweites Mal hoch. „Tatsächlich?“

„Oh ja“, bestätigte Julianna in kühlem Ton.

„Hat Ihr Ehemann Sie nicht … mit der sinnlichen Liebe vertraut gemacht?“

Mit einem Mal fühlte sich ihr Mund ganz angespannt an und beschämt stellte sie fest, dass ihre Wangen anfingen zu glühen. „Mein Mann war zu sehr damit beschäftigt, die Betten anderer, erfahrenerer Frauen aufzusuchen, als dass er seine kostbare Zeit mit mir verschwendet hätte – abgesehen von den Versuchen, einen Erben zu zeugen. An dieser Aufgabe ist er offenkundig gescheitert.“

Entschlossen richtete sie sich auf, als sie ihre Kinderlosigkeit erwähnte. „Ich habe akzeptiert, dass Liebe und Glück in einer Ehe eher die Ausnahme als die Regel sind. Hoffentlich liegen die Dinge bei einem Liebhaber anders. Bevor ich jedoch diesen neuen Weg einschlage, habe ich mir fest vorgenommen zu lernen, wie ich Lust bereiten und selbst erfahren kann.“

Marcus wusste nicht, ob es beabsichtigt war oder nicht, doch er hörte jede Menge Schmerz hinter diesen verbitterten Worten. Und Demütigung. Er war der Ansicht, dass ein Mann eine Frau niemals so verletzen durfte, dass sie sich nach dem Trauerjahr lieber einen Liebhaber nahm, als auch nur die Möglichkeit einer zweiten Hochzeit in Betracht zu ziehen.

Julianna war gerade fünf Jahre alt und ein kleiner Wildfang gewesen, als Marcus eingeladen wurde, in den Sommerferien mehrere Wochen bei seinem Freund Christian Seaton zu verbringen. Die beiden Jungen waren sich zwei Jahre zuvor in Eton begegnet. In den geheiligten Hallen von Eton hatte es an jenem schicksalhaften Tag vor beinahe zwanzig Jahren fünf neue Schüler gegeben, und überraschenderweise war jeder von ihnen Erbe eines Herzogtums gewesen – eine ungewöhnliche Begebenheit, die zu einem lebenslangen Band der Freundschaft geführt hatte.

Christians Eltern, der vorherige Duke und die Duchess of Sutherland, waren nachsichtige, liebevolle, doch häufig abwesende Eltern, die ihre beiden Kinder in den Sommermonaten in der Pflege der Hausangestellten ihres Landsitzes zurückließen. So war es gekommen, dass Marcus und die anderen drei Jungen in den darauffolgenden zehn Jahren viel Zeit in Sutherland Park verbrachten. Bei den Besuchen hatte Christians kleine Schwester darauf beharrt, ihnen zu folgen und bei jedem Abenteuer – vom Bäume hochklettern bis zum Angeln – mit dabei zu sein. Es war ihr gleichgültig gewesen, ob sie sich die Knie aufschürfte oder im Bach unter Wasser gedrückt wurde, solange sie nur bei ihnen und nicht in der Stube beim Kindermädchen war.

Wenn Marcus sie jetzt ansah, konnte er erkennen, dass der kleine Wildfang zwar nicht vollkommen gezähmt, aber unter der Trauerkleidung zumindest gebändigt war. Dennoch war er sich ihres schlanken, unter dem großen Umhang verborgenen Körpers nur allzu bewusst. Ihr Gesicht unter der grauen Haube wirkte wie eine schöne elfenbeinfarbene Kamee – die blassen Wangen betonten das herrliche Blaugrau ihrer Augen. Ihre vollen Lippen lächelten nicht.

Es war nicht schwierig zu erkennen, dass die unglückliche Ehe mit Armitage der Grund für diese Veränderungen an Julianna war. Schon früher hatte Marcus vermutet, dass sie keine glückliche Ehe führte. Damals hatte er eine private Unterhaltung im Spielklub mitgehört. Armitage brüstete sich vor seinen zwielichtigen Gefährten mit seinen Vorlieben im Schlafgemach. Doch die Vergangenheit ließ sich nicht ändern – egal, wie sehr Marcus sich das auch wünschte. Er konnte nicht umhin, sich zumindest teilweise für Juliannas Unglück verantwortlich zu fühlen.

Marcus hatte vor vier Jahren niemandem von seinen Gefühlen für die Schwester seines ältesten, besten Freundes Christian erzählt. Niemand wusste, wie sehr es ihn getroffen hatte, von ihrer Hochzeit mit Lord John Armitage zu erfahren, nachdem er nach einer blutigen Schlacht gegen Napoleons Armee nach England zurückgekehrt war.

In den darauffolgenden Jahren war Marcus innerlich durch die Hölle gegangen. Unerträglich war ihm der Gedanke gewesen, dass Julianna in den Armen, im Bett eines anderen Mannes lag – insbesondere da es sich bei diesem Mann um den ehebrecherischen Armitage handelte.

Jetzt, da ihr Trauerjahr in wenigen Wochen vorbei sein würde, hatte Marcus sich fest vorgenommen, Julianna so zu umwerben, wie er es vor vier Jahren hätte tun sollen: Er wollte ihr einen Heiratsantrag machen.

Weder in seinen kühnsten Träumen noch in seinen wildesten Fantasien – und manche davon waren tatsächlich sehr wild gewesen – hätte Marcus sich vorstellen können, eines Morgens nach einer durchzechten Nacht nach Hause zu kommen und zu erfahren, dass Julianna im Blauen Salon auf ihn wartete – mutterseelenallein, noch nicht einmal von einem Hausmädchen begleitet. Sie hatte ihm von sich aus einen Vorschlag unterbreitet, der nichts mit Liebe und Ehe zu tun hatte. Stattdessen wollte sie, dass er sie zu einer Verführerin machte, damit ihre zukünftigen Liebhaber davon profitieren könnten.

2. KAPITEL

Marcus stand auf, wanderte in dem Salon auf und ab und blieb vor dem Feuer stehen. Die Wärme erreichte ihn jedoch nicht, als er auf die züngelnden Flammen herabsah. Wie sollte er mit dieser komplizierten Situation umgehen?

Juliannas spärlichen Offenbarungen und seinem bisherigen Kenntnisstand über ihre Ehe nach zu urteilen, schloss sie eine zweite Heirat vollkommen aus. Sie war einzig und allein an ihn herangetreten, weil sie mehr über die Natur des ihr bisher versagten sinnlichen Vergnügens erfahren wollte.

Marcus stellte sich vor, wie es wäre, sie in der Kunst des Liebesspiels zu unterrichten und ihr auf jede erdenkliche Art und Weise beizubringen, wie sie einem Mann und sich selbst Genuss bereiten könne. Allerdings hegte er keinesfalls die Absicht, dass dieses Wissen jemals einem anderen Mann zugutekäme. Doch er glaubte nicht, dass sie bereit war, das zu hören. Noch nicht.

War er dazu in der Lage, das zu tun? War er stark genug? Würde er sich so weit zurückhalten, so viel Distanz wahren können, um Julianna sinnliche Lektionen zu erteilen – in der Hoffnung, dass sie ihn eines Tages genauso lieben würde, wie er sie schon seit Langem liebte?

Es blieb ihm keine andere Wahl, denn allein bei dem Gedanken, dass Julianna denselben Vorschlag einem anderen Mann unterbreiten könnte, wurde ihm speiübel und eine heftige Abneigung gegen jenen möglichen Konkurrenten ergriff von ihm Besitz.

Julianna wusste nicht, welche Gedanken Worthing durch den Kopf gingen, während er in die flackernden Flammen starrte, doch sie glaubte nicht, dass es etwas Angenehmes sein könnte – so blass, wie er aussah. Die Lippen presste er so fest zusammen, dass sie wie ein weißer Strich wirkten, sein Kiefer war angespannt.

Abrupt stand sie auf und erhob sich zu ihrer vollen Größe von gut einem Meter sechzig. Stolz reckte sie das Kinn. „Vielleicht war es ein Fehler, zu Ihnen zu kommen …“

„Wieso haben Sie es dann getan?“ Worthing richtete sich auf und schaute sie aus jenen unergründlichen Augen an. „Wie um alles in der Welt sind Sie darauf gekommen, dass Sie mich davon überzeugen könnten, einzuwilligen?“

Der Kloß in Juliannas Kehle wurde nicht kleiner, als sie schluckte, um dem Duke zu antworten: „Ich dachte … Ich kenne Sie seit vielen Jahren … Sie sind ein Freund meines Bruders!“

„Das wäre Grund genug gewesen, nicht an mich heranzutreten, anstatt genau das Gegenteil zu tun. Oder?“, raunte Worthing in barschem Ton.

„Vielleicht“, gab sie zu. „Aber ich dachte, dass die Verbindung zumindest Ihr Schweigen in dieser Angelegenheit sicherstellen würde, falls Sie sich dazu entscheiden sollten, meinen Vorschlag abzulehnen.“

„Fürchten Sie denn gar nicht, dass ich Ihren Bruder Christian über die Einzelheiten dieser Unterhaltung in Kenntnis setzen würde, wenn ich Ihren Vorschlag tatsächlich ablehnen sollte?“

„Nein.“

Angesichts ihrer Bestimmtheit wurden seine Augen schmal. „Warum nicht?“

Unter ihrem Umhang zog sie die Schultern hoch.

„Wenn Sie das täten, dann sähe ich mich dazu gezwungen, Lord Standish darüber zu informieren, wo und mit wem seine Frau die Nacht vor ihrer Hochzeit vor vier Jahren verbracht hat.“

Marcus rührte sich nicht, als er die offensichtliche Drohung hinter diesen Worten vernahm. Ein Drohung, die er vielleicht verdient gehabt hätte, wenn er damals nicht rechtzeitig zu Sinnen gekommen wäre.

Es war in der gleichen Nacht passiert, als er von Juliannas Ehe mit Armitage erfahren hatte. Marcus war tiefbetrübt und nicht minder betrunken gewesen. Am Anfang war er daher offen für Emily Proctors Vorschlag gewesen, das Bett mit ihr zu teilen, bevor sie am darauf folgenden Tag den betagten Randolph Standish heiraten würde.

Immerhin hatte Marcus die Angelegenheit jedoch früh genug abgebrochen und es geschafft, sich nicht vollkommen die Blöße zu geben. Was für eine Ironie des Schicksals, dass Julianna jetzt versuchte, sein Verhalten jener Nacht gegen ihn zu verwenden! Schließlich hatte er nur wegen seines Verlangens nach ihr so gehandelt.

Er zog die dunklen Augenbrauen hoch. „Dürfte ich fragen, woher Sie wissen wollen, wo und mit wem Lady Standish die Nacht vor ihrer Hochzeit verbracht hat?“

Julianna schenkte ihm ein triumphierendes, spöttisches Lächeln. „Weil die Dame es mir natürlich erzählt hat.“

Marcus sah sie zweifelnd an. „Hat sie das?“

„Oh ja.“ Julianna nickte zufrieden. „Männer sind nicht die Einzigen, die mit ihren Eroberungen im Schlafgemach angeben, wissen Sie“, versicherte sie ihm in höhnischem Ton. „Emily Standish hat mir beteuert – und sie muss es ja wissen –, dass Sie Ihrem Ruf als vollkommenster Liebhaber von ganz England alle Ehre machen.“

Wäre die hinterhältige Emily Standish in diesem Moment in greifbarer Nähe gewesen, wäre er ihr wohl an die Gurgel gesprungen. Andererseits …

Allem Anschein nach war neben seinem Ruf als Liebhaber die persönliche, wenn auch unwissentliche Empfehlung von Emily Standish der Grund für Juliannas Kommen.

Er spannte den Kiefer an. „Warum gehen Sie davon aus, dass es mir etwas ausmachen könnte, wenn Sie diese Information an Standish herantragen würden?“

Julianna schenkte ihm ein herausforderndes Lächeln. „Weil ich weiß, dass Sie und Christian erst kürzlich eine Geschäftsbeziehung mit ihm eingegangen sind.“

Marcus runzelte die Stirn. „Ach ja?“

„Ja.“ Sie nickte selbstsicher. „Es hat etwas mit Versand zu tun, aber ich könnte mich auch irren.“

Marcus wusste, dass sie alles andere als falschlag, und verfluchte Christian innerlich dafür, Geschäftsangelegenheiten überhaupt mit seiner Schwester zu besprechen.

Auf Marcus’ langes Schweigen fügte Julianna in triumphierendem Ton hinzu: „Einen Skandal möchten Sie unter diesen Umständen doch sicherlich vermeiden. Was würde Standish dazu sagen, wenn herauskäme, dass Sie noch vor ihm das Bett mit seiner Frau geteilt haben?“

Dass Julianna es wagte, dieses Wissen gegen ihn zu verwenden, ohne ihn überhaupt zu fragen, ob es stimmte, erfüllte Marcus mit großem Zorn. Zwar konnte Julianna nicht wissen, dass Emily Standish gelogen hatte, aber dennoch fand Marcus, dass Julianna eine – zumindest kleine – Bestrafung verdiente. Dafür, dass sie sich nicht einmal nach der Wahrheit erkundigt und obendrein noch versuchte hatte, ihn zu erpressen, um ihren Willen durchzusetzen. „Legen Sie Ihren Umhang ab“, wies er sie sanft an.

Julianna blinzelte nervös mit ihren langen Wimpern, als sie Marcus argwöhnisch ansah. Mit der feuchten Zunge benetzte sie sich die trockenen Lippen, bevor sie sprach. „Warum?“

„Damit ich Ihre körperlichen Vorzüge besser begutachten kann, bevor ich eine Entscheidung treffe.“

„Ich verstehe nicht, warum es nötig sein sollte, dass ich …“

„Wie soll ich Sie darin unterweisen, einem Mann Vergnügen zu bereiten, wenn Ihre körperliche Anziehungskraft auf mich nicht ausreicht, um Erregung hervorzurufen?“, sagte Marcus unwirsch.

Julianna fühlte, wie ihre Wangen glühten, als sie sich einmal mehr eingestehen musste, dass sie sich die ganze Angelegenheit besser hätte überlegen sollen, bevor sie so früh am Morgen zum Haus des Dukes aufgebrochen war. Kein einziges Mal hatte sie daran gedacht, wie es wäre, wenn Marcus Wilding derart intim mit ihr reden würde, geschweige denn …

„Ich möchte lediglich, dass Sie mich unterrichten, nicht, dass … dass …“ Sie holte tief Luft. „Ich hege die Absicht, dass der Unterricht verbaler, nicht physischer Natur sein soll.“

„Und ich hege die Absicht, dass er genau das nicht sein soll“, versicherte Marcus ihr in trockenem Ton, die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt. Er kämpfte gegen den Impuls an, Julianna über sein Knie zu legen, ihren Rock bis zur Taille hochzuschieben und ihr s olange Klapse auf den Hintern zu geben, bis ihre Pobacken eine sanfte Rötung angenommen hätten.

Bei diesem Gedanken wurde ihm augenblicklich heiß. Es erschien wie eine Verhöhnung der von ihm geäußerten Bedenken, Julianna könne nicht anziehend genug sein.

Alles an ihr betörte ihn – von ihrem dunklen rotgoldenen Haar über ihr schönes Gesicht mit den vollen, sinnlichen Lippen und den cremefarbenen Rundungen ihrer Brüste bis zu der schlanken Taille und den unbändigen Locken …

Und sie wagte es … Sie wagte es, zu ihm zu kommen und zu versuchen, ihn zu erpressen, damit er sie im Liebesspiel unterweise. „Legen Sie Ihren Umhang ab“, wiederholte er in kompromisslosem Ton.

Juliannas Finger zitterten leicht, als sie die Hände hob und ihren Umhang am Hals löste, bevor sie ihn sich von den Schultern gleiten ließ. In ihrem schlichten grauen Seidenkleid stand sie vor Marcus.

„Legen Sie ihn auf den Stuhl“, wies Marcus sie schroff an, wartete, bis sie es getan hatte, und fügte hinzu: „Und jetzt nehmen Sie diese hässliche Haube ab und machen Sie Ihre Haare auf.“

Während Julianna ihre Haube auf den Stuhl neben den Umhang legte, zögerte sie erneut. „Meine Haare aufmachen?“

Spöttisch verzog er den Mund. „Ihre erste Lektion besteht darin, dass es für einen Mann nur einen Grund gibt, warum eine Frau sich das Haar hochsteckt: Damit er ihr genüsslich dabei zusehen kann, wie sie die Haarnadeln wieder löst.“

Verblüfft schüttelte sie mit dem Kopf. „Ich erinnere mich nicht daran, dass mein Mann jemals …“

„Die Unzulänglichkeiten Ihres verstorbenen Gatten haben hier zwischen Ihnen und mir nichts zu suchen!“ Marcus Wildings Augen blitzten warnend auf.

„Aber …“

„Wenn ich Ihrer Bitte nachkomme, dann wird es in diesem Haus nur uns beide geben, Julianna“, fuhr er entschlossen fort. „Keine Vergangenheit, keine Zukunft, nur das Jetzt.“

„Das Jetzt?“

„Genau.“ Er verzog den Mund, als sie so still wie eine Statue an Ort und Stelle verharrte. „Das Liebesspiel ist ein Genuss für alle Sinne, Julianna. Zuerst das Sehen, dann das Riechen, gefolgt vom Schmecken und Hören und schließlich das Tasten. Ich habe entschieden, dass wir heute mit dem Sehen anfangen. Mit jedem weiteren Tag werden wir einen weiteren Sinn hinzunehmen. Ich habe bereits gesehen, dass Sie hübsch und kurvenreich und Ihre Brüste üppig genug sind, um die Fantasie eines Liebhabers anzuregen. Ein Liebhaber würde Sie jetzt dazu auffordern, Ihr Haar für ihn zu lösen.“

Das Zittern, das in Juliannas Fingern angefangen hatte, erfasste nun ihren ganzen Körper und ließ ihre Haut kribbeln. Ihre Brüste fühlten sich voll und schwer an. Die rosigen Knospen an ihren Spitzen schwollen gegen den Stoff ihres Kleides an. Zwischen ihren Beinen war es heiß, und sie spürte ein loderndes Verlangen in sich aufsteigen, während sie sich des durchdringenden und intensiven Blicks aus Marcus’ grauen Augen nur allzu bewusst war. Es war ein entschlossener Blick – er bat nicht darum, sondern verlangte, dass sie ihm gehorchte.

3. KAPITEL

Aus Protest gegen diese Aufforderung ließ Julianna die Arme schlaff an ihrem Körper hängen. „Ich hatte nicht die Absicht, schon heute mit dem Unterricht zu beginnen.“

Marcus lächelte, als er Unsicherheit in Juliannas dunkelgrauen Augen entdeckte. Dennoch streckte sie ihr hübsches Kinn eigensinnig nach vorne.

„Je früher wir beginnen, desto schneller haben wir es hinter uns, verstehen Sie?“

Sie runzelte die sonst so ebenmäßige Stirn. „Ich bin nicht darauf vorbereitet, heute mit … mit dem Unterricht anzufangen.“

„Ein erfüllendes, aufregendes Liebesspiel hat nichts mit guter Vorbereitung zu tun“, entgegnete Marcus ungeduldig. „Zwischen einem Mann und einer Frau sollten Leidenschaft und Lust immer spontan entstehen. Wir sind hier nicht in Ihrem früheren Ehebett, Julianna“, fuhr er fort, da sie sich nicht rührte, um seine Anweisung zu befolgen. „Zwischen uns beiden wird es kein Kerzen ausblasen, kein Rascheln der Bettdecke und erst recht keinen hastigen Paarungsakt geben.“

Juliannas Gesicht wurde vor Bestürzung aschfahl – nicht nur wegen Marcus’ unverblümter Rede, sondern auch wegen seiner genauen Beschreibung jener demütigenden Momente, in denen John ihr Bett aufgesucht hatte, nur um es am Ende genauso überstürzt wieder zu verlassen. Danach fühlte sich Julianna immer schmutzig und benutzt, stand unverzüglich auf, um Johns Spuren von ihrem Körper zu waschen, zog sich um und bezog das Bett mit sauberen Laken. Anschließend war sie wieder unter die Decke geschlüpft und hatte sich in den Schlaf geweint.

Als Marcus sah, wie Julianna blass wurde, bereute er sofort die Heftigkeit, mit der er seiner Wut Luft gemacht hatte. Ihre Reaktion bewies, dass er mit seiner spöttischen Bemerkung über die Zustände in ihrer Ehe goldrichtig gelegen hatte. Vor diesem Hintergrund war es kein Wunder, dass Julianna erfahren wollte, ob die körperliche Liebe auch andere, zärtliche Seiten habe.

Doch Marcus wusste, dass er heute gewiss nicht in der Stimmung dafür sein würde, ihr jene Zärtlichkeit zukommen zu lassen.

„Warum haben Sie Ihrem Bruder nie von der Brutalität Ihres Mannes erzählt?“ Zweifellos hätte Christian etwas unternommen, wenn er gewusst hätte, wie grausam Armitage seine geliebte Schwester behandelt hatte.

Sie lächelte freudlos. „Was hätte ich ihm denn erzählen sollen? Dass John bis zu unserer Hochzeit nur vorgab, mich zu lieben? Dass er mich nur wegen meines Namens, meines Vermögens und meines Standes als Schwester eines Dukes wollte? Und weil ich ihm einen Erben schenken sollte?“ Sie schüttelte traurig den Kopf. „In London gibt es Dutzende, Hunderte solcher Ehen. Woher hätte ich das Recht nehmen sollen, mich zu beschweren? Meine Ehe war genauso wie etliche andere.“

Sie hatte natürlich recht. In der feinen Gesellschaft heiratete man nicht aus Liebe, sondern um zu Ansehen und Vermögen zu gelangen. So war es schon immer gewesen, und so würde es immer sein – abgesehen von den wenigen Liebeshochzeiten. Marcus’ Eltern hatten für Titel und Vermögen geheiratet und schließlich das Glück gehabt, sich nach ihrer Hochzeit jeden Tag ein bisschen mehr ineinander zu verlieben. In ihrer Ehe mit Armitage war Julianna hingegen weniger Glück beschieden gewesen.

„Er hat mich nicht geschlagen und mich in der Öffentlichkeit nie bloßgestellt“, fuhr Julianna ausdruckslos fort. „Er hat es mir nicht versagt, Freunde zu haben, und hat mich mit einem großzügigen Taschengeld ausgestattet …“

„Von Ihrem eigenen Geld!“

„Das Gesetz schreibt vor, dass alles Geld bei der Hochzeit an den Bräutigam geht“, erinnerte sie Marcus seufzend.

„Dann muss dieses Gesetz geändert werden!“

„Vielleicht könnten Sie und mein Bruder sich dessen annehmen, wenn Sie nicht gerade mit anderen Angelegenheiten beschäftigt sind?“, erwiderte sie spitzzüngig. „Nach geltendem Recht geht das Geld einer Frau durch eine Heirat in den Besitz des Mannes über – genauso wie die Frau.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Ich hatte einen Mann, schöne Wohnsitze hier und auf dem Land sowie Diener, die mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen haben – was kann sich eine Frau mehr von einer Ehe wünschen als das?“

Marcus fand, dass eine Frau auch Zärtlichkeit, Vergnügen, Heiterkeit und Liebe von ihrem Mann erwarten durfte, sollte. Verdammt, wäre doch nur er es gewesen, den Julianna vor vier Jahren geheiratet hätte.

Ob sie eingewilligt hätte, wenn er um ihre Hand angehalten hätte, bevor er in die Schlacht gegen Napoleon gezogen war? Ob sie an seiner Seite aufgeblüht wäre und sich zu ihrer vollen Weiblichkeit entwickelt hätte? Wie hatte er sich danach gesehnt, ihr all das zu geben, nachdem er mit ihr an ihrem achtzehnten Geburtstag bei Almack’s getanzt und erkannt hatte, dass aus dem kleinen Wildfang eine schöne, begehrenswerte Frau geworden war. Eine Frau, die er nur für sich wollte.

Die Antwort auf seine Fragen würde Marcus nie erfahren. Damals hatte er geglaubt, dass es ehrenwert wäre, Abstand zu halten und sich Julianna gegenüber nicht zu offenbaren. Er war davon ausgegangen, dass ihm noch genügend Zeit bleiben würde, wenn der Krieg mit Napoleon erst vorbei wäre und er sicher sein könnte, Julianna nicht im Handumdrehen zur Witwe zu machen. Erst dann hatte er ihr sagen wollen, was er für sie empfand. Stattdessen war Julianna mit einem anderen verheiratet gewesen, als er nur wenige Monate später nach London zurückgekehrt war.

Die Julianna, die heute zu ihm gekommen war, war nicht dieselbe, in die er sich vor vier Jahren verliebt hatte. Die Julianna von damals hatte noch an die Liebe geglaubt. Jetzt lag es an Marcus, ihr zu zeigen, dass es so etwas wie Zärtlichkeit und Vergnügen sehr wohl gab. Er konnte nur hoffen, dass sie danach Gefühle für ihn entwickeln würde.

Es war eine zweifellos törichte Hoffnung, aber das war immer noch besser als die vergangenen vier Jahre, in denen er an seiner hoffnungslosen Lage in Bezug auf Julianna fast verzweifelt wäre.

Abrupt richtete sich Marcus auf. „Also gut, Julianna. Ich erkläre mich damit einverstanden, dich zu unterrichten.“ Beinahe musste er grinsen, als er einen flüchtigen Ausdruck des Triumphes auf ihrem Gesicht sah – gefolgt von einem Ausdruck der Unsicherheit, als würde sie sich fragen, was sie sich da bloß eingebrockt hatte.

„Die erste Lektion beginnt morgen früh um sechs Uhr hier. Niemand darf dich zu einem späteren Zeitpunkt ankommen oder abfahren sehen“, sagte er, während sich ihre schönen grauen Augen weiteten. „Im Grunde darf niemand sehen, wie du hier ohne Begleitung erscheinst – egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Das würde nur zu einem Skandal führen. Und den möchtest du doch sicherlich lieber vermeiden, oder?“ Er zog die Brauen hoch.

Natürlich wollte Julianna in keinen Skandal verwickelt sein – am wenigsten mit dem durchtriebenen Duke of Worthing. Eigentlich war sie sich gar nicht mehr sicher, ob sie überhaupt noch einmal hierhin zurückkehren wollte.

Zuvor war ihr der Plan so einfach und einleuchtend erschienen. Sie hatte geglaubt, dass ihr im Grunde nichts anderes übrig bleibe, da gewisse Gentlemen nur auf das Ende ihres Trauerjahres warteten, um ihr Avancen machen zu können. Doch hier und jetzt – in der Gegenwart des verwirrenden und vielleicht auch durchtriebenen Marcus Wilding – war sie nicht mehr so überzeugt. War es die richtige Entscheidung gewesen, unter allen Männern ausgerechnet ihn ausgewählt zu haben

Oh, sie hatte keine Bedenken, dass er seinem Ruf als vollkommener Liebhaber gerecht werden würde, doch sie zweifelte jetzt an ihrer eigenen Fähigkeit, Marcus’ faszinierender Ausstrahlung widerstehen zu können.

Ihr verstorbener Gatte hatte sich zwar nicht um ihr Vergnügen im Ehebett gekümmert, aber das bedeutete nicht, dass Julianna noch nie Lust oder Verlangen gespürt hätte. All diese Gefühle hatte einst der Mann, der jetzt am anderen Ende des Saals stand, in ihr ausgelöst.

Als Kind hatte sie Marcus Wilding wie einen Helden verehrt und sich als junge, heranwachsende Dame Hals über Kopf in den besten Freund ihres Bruders verliebt.

Diese Verliebtheit wandelte sich in leidenschaftliche Gefühle, nachdem Julianna in die Gesellschaft eingeführt wurde und den unglaublich gutaussehenden Marcus mehrmals pro Woche auf irgendeiner gesellschaftlichen Veranstaltung aus der Ferne betrachten konnte.

An ihrem achtzehnten Geburtstag bei Almack’s bat Marcus sie sogar um den ersten Walzer des Abends. Auch wenn er es zweifellos nur auf Bitten ihres Bruders tat, um ihr gesellschaftliches Ansehen zu fördern, flammte in ihrem Herzen an jenem Abend eine zarte Liebe für ihn auf. Julianna ergriff ein sengendes Verlangen, als der gutaussehende Duke seine Arme um sie legte. Jene Hitze hatte sie immer tiefer – immer intensiver – in ihrem Inneren gespürt, während er sie in den Armen gehalten und sie beim Tanzen leicht mit der Brust und seinen langen Beinen gestreift hatte.

Heute hatte Julianna innerhalb von nur wenigen Minuten in Marcus Wildings Gesellschaft erkannt, dass sie immer noch jene unerwiderte Sehnsucht nach ihm empfand. Ihre Brüste fühlten sich unter dem Oberteil ihres Kleides so schwer an.

Sehen.

Laut Marcus wurde beim Verlangen zuerst dieser Sinn angeregt. Wie sehr diese Behauptung stimmte, war ihr in den letzten Minuten, in denen sie seine makellose äußere Erscheinung betrachtet hatte, bewusst geworden!

Allein beim Anblick seines Gesichts wäre sie ihm am liebsten mit den Fingern durch die ungebändigten dunklen Locken, die ihm in die Stirn fielen und sich an den Ohren so verführerisch kräuselten, gefahren. Als er sie jetzt ansah, reichte das wissende Leuchten in seinen blassen Augen aus, um ein Zittern tief in ihrem Inneren hervorzurufen.

Was Marcus’ Mund anging: Solch einen sündhaft sinnlichen Mund durfte ein Mann einfach nicht haben. Sie konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie er mit diesen Lippen ihren Körper liebkoste, wie er mit seinen großen, geschmeidigen Händen über ihre Haut streichelte.

„Es wird langsam Zeit, Julianna. Ich warte immer noch auf eine Antwort. Wirst du morgen wiederkommen, um mit dem Unterricht zu beginnen. Ja oder nein?“, drängte er.

Ja oder nein …

4. KAPITEL

Ah, es freut mich, dass du meinen Anweisungen von gestern gefolgt bist und zu unserem heutigen Treffen keine Trauerkleidung mehr trägst“, murmelte Marcus zufrieden am nächsten Morgen um sechs Uhr. Sein Butler hatte Julianna zu ihm gebracht, sich zurückgezogen und die Tür hinter sich geschlossen.

Julianna war sich nicht sicher gewesen, ob sie heute zum Haus von Worthing gehen sollte. Am Ende hatte sie sich nur deshalb dazu durchgerungen, weil sie wusste, dass er ihr sonst bei der nächsten Begegnung mit großem Spott begegnen würde.

Jetzt war sie über die Maßen nervös, da sie sich alleine mit Marcus in einem Raum befand, bei dem es sich allem Anschein nach um sein privates Arbeitszimmer handelte. Hinzu kam, dass Marcus’ Haar noch feucht war – wahrscheinlich hatte er kurz zuvor gebadet – und dass er zu seiner Weste weder einen Gehrock noch eine Krawatte trug. Außerdem war sein weißes Hemd am Hals aufgeknöpft, wie Julianna bemerkte, als er sich hinter den schweren Schreibtisch mit Lederauflage setzte.

Nach Marcus’ gestrigen Angaben war Sehen für gewöhnlich der erste Sinn, den ein Liebhaber anregte. Julianna zweifelte nicht daran, denn es fiel ihr schwer, zu atmen, geschweige denn von jenem verführerischen V-Ausschnitt wegzuschauen, unter dem dunkles, gekräuseltes Haar zum Vorschein kam. Wahrscheinlich bedeckte es Marcus’ ganze Brust und auch seinen Körper weiter unten.

„Gefällt dir, was du siehst?“

Julianna musste all ihre Willenskraft zusammennehmen, um den Blick langsam abzuwenden und Marcus in die Augen zu schauen. Mit der Zunge fuhr sie sich über die trockenen Lippen, bevor sie ihm antwortete: „Dein Butler hätte es mir sagen können, wenn es dir im Moment nicht passt, Besuch zu empfangen.“

Er hob die dunklen Brauen. „Es passt mir ausgezeichnet.“

„Ich … Aber … Du bist noch nicht komplett angezogen.“ Vor Nervosität sprach Julianna das Offensichtliche aus.

„Das habe ich absichtlich nicht getan, damit du dich daran erfreuen kannst“, versicherte er ihr mit tiefer Stimme. „Hast du gestern nicht gesagt, dass deine Sinne genauso angeregt werden sollen wie die des Mannes? Erregt es dich, dass ich so formlos gekleidet bin, Julianna? Antworte mir, Kleines“, wies er sie an, als sie still blieb.

„Ich … Ja!“ In den drei langen Ehejahren mit John hatte sie ihren Gatten tagsüber kein einziges Mal ohne Gehrock gesehen. Nachts war er immer in seinem bis zum Hals zugeknöpften Herrennachthemd in ihrem Schlafgemach erschienen.

Wie sie jetzt dastand und den Blick nicht von Marcus muskulösen Schultern und seiner männlichen Brust nehmen konnte! Das dünne Hemd und die seidene Weste gaben viel von seiner olivfarbenen Haut am Hals frei.

Julianna trat einen Schritt zurück, als Marcus sich hinter dem Schreitisch zu seiner ganzen, plötzlich gefährlich wirkenden Größe aufstellte. Er ging um den Tisch herum und kam direkt vor ihr zum Stehen, sodass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um in sein schönes Gesicht, das nun ganz nahe an ihrem war, zu sehen.

Es war nicht unbemerkt an Marcus vorbeigegangen, wie Julianna beim Eintreten in das Arbeitszimmer am ganzen Körper gezittert und die Hände fest ineinander verschränkt hatte. Sie trug ein rostbraunes Kleid, das hervorragend zu ihren dichten rotgoldenen Locken passte. Auf eine Haube hatte sie verzichtet, ihr Haar war locker nach oben gesteckt. Das Zittern zeugte davon, dass sie nervös war, auch wenn sie ihn aus jenen dunkelgrauen Augen herausfordernd ansah. Offensichtlich war sie fest entschlossen, nicht auf der Stelle kehrtzumachen und die Flucht zu ergreifen.

Er freute sich sehr über ihre eigensinnige Entschlossenheit, denn er wusste, dass sie höchstwahrscheinlich nur deshalb zu ihm gekommen war. Gestern Morgen hatte sie alles andere als überzeugt davon gewirkt, noch einmal zurückzukommen, nachdem er sie mit Verhaltensregeln für ihr heutiges Treffen überschüttet hatte. Zieh in meiner Gegenwart nie wieder diese Trauerkleidung an, lege keines dieser unnötigen und verdammt lästigen Korsette unter deinem Kleid an, trag dein Haar nicht so streng … und so weiter und so fort, bis Marcus das Gefühl beschlich, Julianna würde ihn samt seinen Anweisungen in die Wüste schicken.

Stattdessen hatte sie nichts erwidert und nur die Lippen zusammengepresst, bevor sie genauso anonym wie bei ihrer Anreise wieder abgefahren war. Der schwarze Umhang hatte sie von Kopf bis Fuß verhüllt, als sie in die Kutsche gestiegen war.

Doch nun war sie gekommen. Marcus spürte, wie erregt er wurde, als er jenes locker hochgesteckte rotgoldene Haar betrachtete. Wenn er sich nicht irrte – und er war sich sicher, dass er es nicht tat –, dann trug sie kein Korsett unter dem vorteilhaften rostroten Kleid, das den Blick auf die oberen Rundungen ihrer elfenbeinfarbenen Brüste freigab. Da sie sich so nahe waren, konnte Marcus den leichten und betörenden Duft nach Rosen auf ihrer schimmernden Haut wahrnehmen.

„Ich … Ist dein Arbeitszimmer nicht ein seltsamer Ort, für … für unser zweites Treffen?“, fragte Julianna angespannt.

Marcus lächelte leicht. „Der Ort des Liebesspiels und auch die Gefahr, entdeckt zu werden, haben oft eine aphrodisierende Wirkung auf den Akt selbst. Findest du es nicht aufregend, hier in meinem Arbeitszimmer zu sein – einem Herrenzimmer, das du normalerweise nicht betreten würdest?“

Das stimmt, gestand sich Julianna verwundert ein. Es hatte etwas Verbotenes, sich mit Marcus in seinem Arbeitszimmer aufzuhalten. Es war lediglich mit jenem großen Mahagonischreibtisch, dem Stuhl dahinter und einem verzierten japanischen Wandschirm neben dem Erkerfenster eingerichtet. Wie reizvoll die Vorstellung war, auf dem Stuhl auf Marcus’ Schoß zu sitzen oder wie er sie auf den breiten Schreibtisch legen würde …

„Also, ja.“ Marcus nickte zufrieden, da die Farbe auf Juliannas Wangen und das Glitzern in ihren Augen für sich sprachen.

„Ja“, flüsterte sie atemlos und zwang sich dazu, still zu stehen, während Marcus seine lange, geschmeidige Hand hob, um ihr eine Nadel nach der anderen aus dem Haar zu ziehen. Mit geweiteten Augen schaute sie auf seinen entblößten Hals. Sie konnte sehen, wie sein Puls anfing zu rasen, als er die letzte Nadel herauszog und ihr das Haar lose um die Schultern und auf den Rücken fiel.

Marcus war offenkundig sehr davon angetan, eine Frau mit offenem Haar vor sich zu sehen. Anerkennend ließ er den Blick über ihre langen, seidigen Locken schweifen. „Ich hatte soeben eine Vorahnung, die mir die süßesten Schmerzen bereitet: wie dein feuerrotes Haar an einem nicht allzu entfernten Tag über meine nackten Schenkel fällt.“

Julianna nahm es den Atem, als sie versuchte sich vorzustellen, unter welchen Umständen ihr Haar in Berührung mit Marcus’ nackten Schenkeln kommen sollte. Wollte Marcus damit etwa sagen …? Es gab mit Sicherheit keinen Grund, warum ihr Haar jemals in die Nähe seiner … Männlichkeit kommen sollte.

„Habe ich dich etwa schockiert, Julianna?“, fragte er, als er hörte, wie sie leise die Luft einsog.

Sie schaute ihm in die Augen. „Ich habe mir nur überlegt … mir versucht vorzustellen …“ Verlegen brach sie ab.

„Wenn man das Liebesspiel voll und ganz auskosten möchte, sollte man den anderen an jeder Stelle seines Körpers berühren und liebkosen“, erklärte Marcus mit rauer Stimme. „An jeder einzelnen Stelle, Julianna.“

Sie war aufgewühlt bei der Vorstellung, die intimsten Stellen von Marcus’ Körper zu streicheln und zu küssen. Sie dachte daran, wo genau ihr Mund liegen müsste, damit ihr Haar seine Schenkel bedecken könnte.

„Du hast gesagt, dass deine Vorahnung mit einem süßen Schmerz verbunden sei“, sagte sie abrupt. „Warum solltest du bei solchen Gedanken Schmerzen empfinden?“

„Das war auf einen bestimmten Körperteil bezogen“, korrigierte er sie sanft. „Einen Körperteil, der sich aufgerichtet hat, seitdem du heute in meinem Arbeitszimmer erschienen bist“, fügte er hinzu, als sie ihn weiterhin verblüfft ansah.

Julianna wandte den Blick unvermittelt auf seine Pantalons. Ihre Wangen glühten vor Hitze, als sie seine große Erektion unter dem Stoff der Hose entdeckte. Marcus umfasste ihr Kinn und hob ihr Gesicht an, sodass ihr keine andere Wahl blieb, als in jene hellgrünen Augen zu schauen, aus denen er sie voller Unmut ansah. Sein Kiefer war angespannt, sein Mund zu einer dünnen Linie verzogen. „Was auch immer du mit diesem Mann, der niemals eine Frau hätte heiraten dürfen, erlebt hast – zwischen uns beiden wird es keine Rolle spielen. Hast du mich verstanden, Julianna?“, sagte er in schroffem, drängendem Ton.

Das tat sie! Als sie in diesem Moment in jene schönen Augen sah, verstand Julianna ganz genau, was Marcus ihr bieten – ihr geben – wollte. Er wollte ihr Anerkennung schenken – für ihre Weiblichkeit, ihre Schönheit. Vielleicht sogar Zärtlichkeit für ihre Unerfahrenheit. Solch ein Geschenk hatte John ihr nie zuteilwerden lassen.

Julianna straffte die Schultern und richtete sich auf, während sie Marcus unverwandt in die Augen sah. „Ich verstehe es, Marcus.“

Er sah sie für ein paar Sekunden prüfend an, bevor er zufrieden nickte. „Gut.“

„Ich … Hast du vor, mich zu küssen?“, platzte es aus ihr heraus, da er keine Anstalten machte, sie loszulassen.

Marcus sog scharf die Luft ein und spürte einen Nerv in seinem angespannten Kiefer pulsieren. „Das Berühren werden wir erst in ein paar Tagen im Unterricht behandeln.“

„Aber hast du nicht gesagt, dass sich das Liebesspiel immer spontan ereignen soll?“

Er unterdrückte ein Grinsen, da sie nicht nur in herausforderndem, sondern auch neckendem Ton gesprochen hatte. „Man sagt auch, die Vorfreude sei die schönste Freude“, erwiderte er spöttisch.

„Aber mit Schmerzen verbunden“, erinnerte ihn Julianna, aus deren dunklen Augen jetzt der Schalk blitzte.

Marcus war sehr erfreut über ihren Scherz und den neckenden Ton, denn so gelöst hatte er sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr erlebt. Auf einmal wurde ihm bewusst, wie sehr er Julianna, den kleinen Wildfang, vermisst hatte!

Er wünschte sich nichts sehnlicher, als ihre Herausforderung anzunehmen und sie zu küssen. Das würde jedoch einer Kapitulation gleichkommen, die ihr zeigen würde, dass in Wahrheit die Schülerin alle Macht über den Lehrer besaß.

Diesen Umstand konnte er ihr noch nicht offenbaren.

Abrupt ließ Marcus sie los, bevor er zurücktrat und wieder hinter dem Mahagonischreibtisch Platz nahm. „Ich denke, der Unterricht ist für heute beendet.“ Einen Moment länger und er würde ernsthaft Gefahr laufen, ihr zu enthüllen, wie sehr er von seiner Liebe für sie beherrscht wurde.

„Aber ich bin erst seit ein paar Minuten hier …“

„Ich habe gesagt, der Unterricht ist für heute vorbei.“

Gerade in dem Moment, als Julianna das Gefühl bekam, kurz vor einer Entdeckung zu stehen, schickte er sie fort. Wie genau diese Entdeckung ausgesehen hätte, wusste sie nicht, aber Marcus’ Griff um ihr Kinn war sehr sanft geworden. Auch in seinen Augen hatte sie etwas gesehen: eine flüchtige, nicht deutbare Gefühlsregung, bevor sein Blick nichtssagend geworden war und Marcus sich unvermittelt von ihr zurückgezogen hatte.

Jene flüchtige Gefühlsregung noch einmal sehen und spüren zu können – danach sehnte sich Julianna, die sich mit jeder Faser ihres Körpers der Anwesenheit dieses Mannes bewusst war.

5. KAPITEL

Sie zögerte. „Soll ich morgen zur gleichen Zeit wiederkommen?“

Erhobenen Hauptes sah Marcus sie an. „So lautet unsere Vereinbarung, nicht wahr?“

„Ist morgen der Geruchssinn an der Reihe?“ Bei dem Gedanken, wie genau der Unterricht aussehen könnte, zog Julianna leicht die Nase kraus.

Marcus gab seine angespannte Haltung auf und grinste, während er sich auf dem Stuhl zurücklehnte und Julianna dabei beobachtete, wie sie sich das Haar hochsteckte. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir nicht von derselben Sache reden.“

„Was gibt es beim Thema ‚Geruch‘ schon zu deuteln?“, erwiderte sie verwundert und stellte sich aufrecht hin.

„Das könnte man meinen.“ Marcus nickte langsam und beobachtete sie unter halb geschlossenen Lidern. „Hast du schon einmal deinen eigenen Duft gerochen, Julianna?“

Vor Empörung weiteten sich ihre Augen. „Wie bitte? Ich bade mindestens einmal, manchmal auch zweimal pro Tag.“

„Das freut mich zu hören“, antwortete er gedehnt. Schließich wusste er genau, wie viele Leute des ton versuchten, ihre mangelhafte Körperpflege mit starken Parfüms wettzumachen – mit Betonung auf versuchten, denn gänzlich gelingen wollte es ihnen nie. „Von dieser Art von Geruch habe ich nicht gesprochen, Julianna. Jeder verfügt über einen eigenen natürlichen Duft, von dem Liebhaber wie magisch angezogen werden.“

So wie Marcus nach Zitrone und Sandelholz mit einem Hauch Moschus roch. Das hatte sie in seinen Bann gezogen, als sie vor wenigen Minuten so nahe vor ihm stand.

„Dein Duft ist der von Rosen und der einer begehrenswerten Frau …“ Er unterbrach sich, als Julianna rot anlief. „Du hast doch sicherlich von der Flüssigkeit, die ein Mann beim Liebesspiel ausstößt, gehört? Natürlich hast du das“, beantwortete sich Marcus die Frage in mürrischem Ton selbst. „Aber hast du noch nie den Geruch deiner eigenen, einzigartigen Erregtheit wahrgenommen? Dich nie selbst berührt und den Geruch deiner Feuchtigkeit eingeatmet?“

Julianna war jetzt zu schockiert, um überhaupt Luft holen zu können. „Ganz bestimmt nicht!“ Doch ich habe es getan, gestand sich Julianna verwundert ein. Nachdem sie gestern nach ihrem Treffen mit Marcus nach Hause gekommen war, hatte sie jene Feuchtigkeit bemerkt. In Johns Gegenwart nie – weder im Bett noch sonst irgendwann.

Lag es daran, dass sie erregt war? Dass allein Marcus’ Anblick, sein Geruch nach Zitrone und Sandelholz und ihre intimen Gespräche ein Verlangen in ihr schürten, wie sie es noch nie gespürt hatte? Wenn das der Fall war, was würde dann erst passieren, wenn er sie derart intim berühren würde?

„Hören“, murmelte Marcus genussvoll.

Oh Gott! Hatte sie bei dem Gedanken an Marcus’ Berührung soeben tatsächlich laut aufgestöhnt? Das habe ich, erkannte Julianna voller Unruhe. Ein tiefes, heiseres und sehnsuchtsvolles Stöhnen war ihr entwichen.

Aufgewühlt schüttelte sie den Kopf. „Du hast recht. Es ist schon spät geworden, und ich sollte gehen.“

Auch wenn Marcus es sich anders wünschte, wusste er doch, dass er sie zumindest jetzt gehen lassen müsste.

Doch seine Stimmung wurde düster, als er sich in Erinnerung rief, wie angewidert Julianna bei seiner Bemerkung über das Resultat männlicher Erregung ausgesehen hatte. Noch schlimmer waren ihr gequälter Ausdruck und ihre Überraschung bei seinen Ausführungen über die körperliche Reaktion einer Frau beim Liebesakt gewesen. Offenbar hatte sie bei John Armitage nie solch einen Zustand erlebt.

Verdammt, hatte der Schurke denn überhaupt keine Rücksicht auf Julianna genommen? War es möglich, dass er ihr in der Hochzeitsnacht die Unschuld raubte, ohne sie zu streicheln oder ihr das Gefühl zu geben, sicher bei ihm zu sein? Hatte er sie geliebt, ohne sie auf irgendeine Art und Weise darauf vorzubereiten? Hatte Armitage – zur Hölle mit ihm! – sich einfach auf sie gelegt und nur an das eigene Vergnügen gedacht, um sie anschließend ausgelaugt und ernüchtert zurückzulassen? War es möglich, dass er jedes Mal so rücksichtslos und brutal vorgegangen war?

Dass diese Überlegungen durchaus im Bereich des Möglichen lagen, erfüllte Marcus mit einer ungezügelten Wut. In seinen Augen blitzte es vor dunklen Rachegelüsten, obwohl dieser Mann schon gar nicht mehr lebte.

„Ja, du solltest jetzt gehen, Julianna“, sagte Marcus und läutete nach dem Butler. Sie muss schnellstens das Zimmer verlassen, denn sie soll nicht miterleben, wie ich auf die Wand meines Arbeitszimmers einschlage, dachte er.

Auf keinen Fall wollte er Julianna durch den Aufruhr an Gefühlen in seinem Inneren Angst einjagen. Um Kontrolle über diese Gefühle zu erlangen, würde er Zeit und Abstand brauchen. Ein oder zwei Stunden im Boxring wären mindestens nötig, um seine blanke Wut gegen den verstorbenen Armitage zu zügeln. Christian würde bestimmt gerne mit ihm in den Ring treten. Dann hätte Marcus auch Gelegenheit, seinen Freund zu fragen, inwieweit er über die Ehe seiner Schwester im Bilde gewesen war und warum er nichts unternommen hatte, um ihr Leiden zu lindern.

Julianna zögerte. „Also ist morgen der Geruchssinn und übermorgen der Tastsinn an der Reihe?“

„Du scheinst es etwas eilig zu haben, unseren Unterricht zu Ende zu führen“, sagte er spöttisch.

„Ich bin einfach nur … neugierig.“

„In dem Fall, ja. Übermorgen werden wir auf dem Sehen und Riechen, die wir morgen genauer betrachten werden, aufbauen. Geschmack, aber auch Hören … Ich glaube nicht, dass wir die beiden getrennt voneinander behandeln können, Julianna“, fuhr Marcus fort. „Ich bezweifle stark, dass ich mit der Zunge über deine Haut fahren kann, ohne dabei Geräusche der Anerkennung von mir zu geben.“

Julianna weitete die Augen. Bei dem Gedanken daran, wie Marcus mit der Zunge über ihre Haut fahren würde, pochte der Puls ihr in den Ohren und ihre Hände wurden feucht. Ob sie dasselbe bei ihm tun würde?

Unvermittelt wurde ihr Blick wieder von der entblößten Haut an seinem Hals und dem verführerischen schwarzen Haaransatz angezogen. Wie würde es sich anfühlen, seine harte, nackte Brust anzufassen, mit den Fingerspitzen die dunklen Konturen seines Körpers nachzuzeichnen – und zwar nicht nur die seiner herrlichen Brust, sondern auch weiter unten?

„Genau“, murmelte Marcus zufrieden, als Julianna erneut atemlos aufstöhnte, worauf seine Männlichkeit unmittelbar reagierte. Solch einen Kontrollverlust hatte er bisher noch nicht erlebt. „Stell dich darauf ein, dass wir mit jedem neuen Sinn immer intimer miteinander sein werden, Julianna“, warnte er mit tiefer Stimme – immer noch vollkommen im Unklaren darüber, ob er die Kontrolle bewahren könnte, wenn er sie erst mit der Zunge und den Lippen erkunden würde.

Würde er es aushalten, wenn sie dasselbe bei ihm täte? Wäre es nicht unerträglich, sich zurückhalten zu müssen und sie in jenem Moment nicht voll und ganz besitzen zu können? Marcus hatte sich jedoch geschworen, genau das nicht zu tun. Es ging einfach nicht, solange Julianna es nicht offenkundig selbst wollte.

Sie hatte zwar gefragt – verlangt, dass er sie in den Sinnesfreuden unterrichte, jedoch nicht näher beschrieben, ob sie jenes Liebesspiel tatsächlich zu Ende führen wollte.

„Gibt es Regeln für morgen, Marcus?“

Seine Augen glänzten vor Verlangen, als er wieder in Juliannas Gesicht schaute. Sie stand am anderen Ende des Raumes und sah so verletzlich und zugleich so stolz und mutig aus. In diesem Moment wäre er am liebsten zu ihr gegangen und hätte sie gebeten, zu bleiben.

Doch er wusste, dass er sich in Geduld üben musste: Er würde Julianna jeden Tag etwas mehr umschmeicheln, damit sie ihn vielleicht eines Tages lieben könnte. Daher blieb er hinter dem Schreibtisch sitzen und sah sie absichtlich mit ausdrucksloser Miene an. „Zieh morgen keine Pantalettes an, Julianna“, wies er sie kühl an. „Es wird mir Vergnügen bereiten, wenn deine Oberschenkel entblößt sind“, fügte er hinzu, als sie leicht blass wurde, wodurch jene dunkelgrauen Augen noch größer als sonst erschienen.

Sie schluckte merklich, bevor sie antwortete: „Ich … Ich dachte, Berühren käme erst übermorgen dran.“

„Ich habe die Absicht, dass du dich selbst berührst“, erwiderte er mit monotoner Stimme. „Wie sollst du sonst den einmaligen Duft deiner Erregtheit wahrnehmen, wenn du nicht deine Finger darin eintauchst?“

„Ist … ist das wirklich nötig?“

„Es sei denn, du möchtest, dass ich dich berühre“, erwiderte Marcus in verwegenem Ton.

Der Vorschlag allein versetzte Julianna in höchste Alarmbereitschaft. Einmal mehr musste sie sich eingestehen, dass sie in ein Wespennest gestochen hatte, als sie Marcus dazu gezwungen hatte, sie zu unterrichten. Seitdem waren alle möglichen Emotionen und beschämenden Gefühle in ihr emporgestiegen.

Wollte er sie vielleicht absichtlich dafür bestrafen, dass sie ihn erpresst hatte?

„Wirst du ebenfalls auf Unterwäsche verzichten und dich selbst berühren, Marcus?“, fragte sie herausfordernd.

Ein Nerv pulsierte in seinem angespannten Kiefer. „Ja.“

So viel zu ihrem kindischen Versuch, diesen Mann mit den eigenen Mitteln zu schlagen! Sie hätte es besser wissen müssen. „Also gut.“ Sie nickte und machte einen Knicks, als Marcus’ Butler die Tür neben ihr öffnete. „Bis morgen, Euer Gnaden“, sagte sie gedehnt, bevor sie dem Butler in den großen Flur des Worthing House folgte.

Marcus wartete gerade so lange, bis Wilkins die Tür hinter sich und Julianna geschlossen hatte, bevor er aufstand und mit der Faust durch den japanischen Wandschirm neben dem Fenster schlug.

6. KAPITEL

Was ist mit deiner Hand passiert, Marcus?“

Genau das hatte Christian ihn bei ihrem gestrigen Treffen in Jackson’s Boxing Salon auch gefragt. Den Ratschlag seines Freundes, mit der verbundenen Hand lieber keinen Sport zu treiben, schlug Marcus in den Wind. In seinem Inneren tobte immer noch ein Sturm der Entrüstung. Daher bereitete ihm die verletzte Hand überhaupt keine Schmerzen, während er in den vereinbarten drei Runden gegen Christian kämpfte und siegte.

Den Verband hatte Marcus vor dem morgendlichen Treffen mit Julianna abgenommen, aber an seinen Knöcheln waren immer noch blaue Flecken zu sehen. „Ich versichere dir, dass mein Gegner weitaus übler aussieht als ich“, entgegnete er unbekümmert. Den kaputten Wandschirm hatte er durch ein prachtvolles rotes Samtsofa aus seinem privaten Salon ersetzen lassen.

„Ich habe gestern mit meinem Bruder zu Abend gegessen“, antwortete Julianna vorwurfsvoll. „Da war das Veilchen an seinem Auge schon dunkellila.“

„Ach ja?“ Auf Marcus’ diskrete Nachfragen hinsichtlich Juliannas Ehe war Christian nicht eingegangen, aber vielleicht hatte er nur aus Rücksicht auf Marcus geschwiegen? Ob Christian anschließend zu seiner Schwester geeilt war, um ihr dieselben Fragen zu stellen?

„Wir essen jeden Dienstag zusammen zu Abend“, beantwortete Julianna die unausgesprochene Frage, während sie durch das Arbeitszimmer lief. Ihr Kleid war heute von einem Smaragdgrün, das ihre cremefarbene Haut und ihre rotgoldenen Locken betonte.

„Hast du meine Anweisungen befolgt und deine Pantalettes zu Hause gelassen?“, fragte er barsch.

Wieder spürte Marcus jenen süßen Schmerz seiner harten Erregtheit, die ihn in den letzten beiden Tagen und Nächten fast ohne Unterlass zu begleiten schien. Jetzt stand sie groß und offenkundig unter seinen Pantalons hervor – umso mehr, da er nichts darunter trug. Wie aufreizend allein die Vorstellung war, Julianna könnte unter ihrem Kleid fast nackt sein.

„Ja. Und du?“

„Ebenso.“

Bei dem Gedanken daran, was sich unter dem edlen Stoff seiner Beinkleider verbarg, wurde Juliannas Körper von jener mittlerweile vertrauten Hitze erfasst. Marcus sah sie so eindringlich an, als wolle er durch ihr Gewand hindurch ihren nackten Körper betrachten.

Ihrer Nacktheit war sich Julianna bewusst, seitdem sie sich zuvor angekleidet hatte. Da sie keine Unterwäsche trug, fühlte sich die Stelle zwischen ihren Beinen überaus empfindlich an. Auch spürte sie unaufhörlich, wie ihr seidenes Unterkleid über die nackte Haut strich.

Diese Empfindungen waren noch stärker geworden, als sie in das Arbeitszimmer eingetreten war und Marcus erblickt hatte. Heute trug er auch keine Weste mehr, sodass sie seine breiten, muskulösen Schultern in dem locker sitzenden, weißen Hemd betrachten konnte. Am Hals war das Hemd weit aufgeknöpft, sodass noch mehr seiner olivfarbenen Haut als gestern zu sehen war.

Würde er morgen, wenn sie sich dem Geschmack und dem Hören widmen wollten, vielleicht ganz aufs Hemd verzichten? Sicherlich würden sie dieses Vorhaben nicht umsetzen können, wenn sie beide komplett angezogen blieben.

Aber wieder einmal war sie zu voreilig. Schließlich standen ihr noch die Unannehmlichkeiten der heutigen Stunde bevor, denn unangenehm würde es sicherlich werden, wenn Marcus es ernst gemeint hatte, dass sie sich berühren sollte. Dabei hatte sie das schon gestern Abend nach dem Baden getan.

Vor der Ehe mit John Armitage hatte Julianna sich häufig im Spiegel angesehen und sich – jung, wie sie war – über ihr Spiegelbild gefreut. Sie war von der Hoffnung erfüllt gewesen, dass sich ihr Zukünftiger ebenfalls daran erfreuen würde. Im Laufe der Jahre hatte sie sich jedoch immer weniger nackt im Spiegel betrachtet.

Bis gestern Abend.

Da ihr Körper und ihr Aussehen solch eine erregende Wirkung auf Marcus ausübten, war Julianna neugierig geworden. Sie wollte selbst sehen, was er an ihr fand.

Ihr Spiegelbild offenbarte, dass sie viel schlanker war als mit achtzehn Jahren. Allerdings brachte ihre schlanke Figur ihre vollen Brüste mit den rosigen Knospen zur Geltung. Ihre Taille war schmal und zwischen den kurvenreichen Schenkeln waren rotgoldene Locken zu sehen.

Julianna fuhr mit den Händen über jene Locken und ihre Taille, bevor sie ihre empfindlichen Brüste umfasste. Mit geweiteten Augen bemerkte sie, wie empfindsam die rosafarbenen Knospen waren. Beinahe gaben ihre Beine unter ihr nach, als sie neugierig darüberstrich. Ein Kribbeln erfasste ihren ganzen Körper und verdichtete sich schließlich zwischen ihren Beinen. Verwundert hatte Julianna sich dort mit den Fingerspitzen berührt, war angesichts ihrer Empfindsamkeit erzittert und hatte den eigenen moschusartigen Duft eingeatmet.

Bei dem Gedanken, das heute vor Marcus tun zu müssen, fühlten sich ihre Beine wieder ganz schwach an.

„Fangen wir an?“, fragte sie unverzüglich. „Ich habe heute Vormittag einen Termin beim Schneider. Es ist die letzte Anprobe für die neuen Kleider, die ich nächsten Monat nach meiner Rückkehr in die Gesellschaft tragen möchte.“

Marcus runzelte die Stirn, als er sich vorstellte, wie schon bald andere Herren Juliannas atemberaubende Schönheit bewundern würden. Zweifellos würde sie eine herrliche Auswahl an farbenfrohen Kleidern zur Schau tragen. Jene Männer würden alles daransetzen, Julianna für sich zu gewinnen.

Abrupt stand er auf. „Mach dein Haar auf und nimm auf dem Sofa Platz.“

Überrascht drehte sich Julianna um und erblickte das rote Samtsofa unter dem Fenster. „Stand dort gestern nicht ein schöner japanischer Wandschirm?“, fragte sie unsicher, während sie sich die Nadeln aus dem Haar zog. Es fiel ihr in seidigen Wellen über die Schultern.

„Der ist kaputt“, erwiderte Marcus in nachlässigem Ton.

„Wie schade.“

„Ja“, bestätigte er und nahm ihre Hand in seine verletzte, um Julianna zum Sofa zu führen. Nachdem sie sich – den Rücken kerzengerade – in eine Ecke gesetzt hatte, nahm er neben ihr Platz – so nahe, dass sich beinahe ihre Oberschenkel berührt hätten.

Beinahe.

Denn so unangenehm es für Marcus auch war, sich ständig in jenem Zustand der Erregung zu befinden, genoss er diese privaten Sitzungen mit Julianna zu sehr, als dass er ein schnelles Ende herbeigesehnt hätte. Er wollte die kurze Zeit, die sie ihm eingeräumt hatte, zu seinem Vorteil nutzen: Einerseits würde er sie in den Sinnesfreuden unterrichten, andererseits würde er versuchen, Julianna für sich zu gewinnen.

Er senkte den Kopf zu ihrem Hals und atmete tief ein. „Du riechst heute wieder nach Rosen“, murmelte er heiser. „Und nach etwas anderem“, fügte er neugierig hinzu.

Julianna zitterte leicht und spürte, wie ihre Wangen anfingen zu glühen. Wahrscheinlich war es ihre Erregung, die er wahrnahm. Sie fand nicht nur Marcus’ Nähe anregend, sondern auch die Vorstellung, sich vor seinen Augen zu berühren.

„Julianna?“, fragte Marcus mit tiefer Stimme, als er ein flüchtiges Leuchten in ihren dunklen blaugrauen Augen sah.

Sie vermied es, ihn anzusehen. „Ich … Könnten wir uns bitte beeilen? Wie ich bereits sagte, habe ich noch einen anderen Termin. Marcus?“, sagte sie in schneidendem Ton, bevor er ihr eine Hand unter das Kinn legte und ihr erhitztes Gesicht zu seinem drehte.

„Etwas ist passiert.“ Marcus schaute sie musternd an, bemerkte ein Glänzen in ihren Augen, die Farbe auf ihren Wangen, die Röte ihrer vollen Lippen. „Sag es mir, Julianna.“ Sanft umfasste er ihre Oberarme, als sie sich von ihm abwenden wollte. „Sag es mir, verdammt noch mal!“ Er schüttelte sie leicht.

„Ich … Ich kann nicht!“, erwiderte sie seufzend, den Kopf geneigt. „Ich … Es ist mir zu unangenehm. Zu beschämend! Das hätte ich nicht … Ich kann es nicht sagen!“, sagte sie atemlos.

Was zur Hölle?

Marcus hielt inne und betrachtete mehrere Sekunden jene glänzenden Augen, ihre rosigen Wangen und die geschwollenen Lippen. Über dem Ausschnitt hoben und senkten sich ihre Brüste, so als wollten sie der Enge des Kleides entfliehen. „Ah“, murmelte er schließlich zufrieden. „Hat sich etwa ein Teil unserer heutigen Stunde bereits erübrigt?“

Verwirrt hob sie den Kopf. „Was?“

Marcus grinste leicht. „Sag mir, Julianna. Hast du dich gestern Abend zwischen den Beinen berührt und deinen Duft eingeatmet, so wie du es heute vor mir tun solltest?“

„Nein!“ Sie wurde blass und stemmte sich gegen seine Brust, um sich seinem Griff zu entziehen. Ihr Atem ging schwer, als ihr der Versuch, sich von ihm zu lösen, misslang. „Ich … ja! Ja, ich … ich habe mich berührt!“, gab sie zu, als sie ihn mit loderndem, herausforderndem Blick ansah. „Du bist daran schuld!“, fuhr sie fort. „Dein ganzes Gerede über Erregtheit und … Gestern Abend habe ich mich – meinen nackten Körper – nach dem Baden im Spiegel angesehen und dann … habe ich meine Brüste berührt und bin zwischen den Beinen feucht geworden, so wie du es gesagt hast … Und … Und …“

„Und?“, sagte Marcus aufmunternd.

„Und es beschämt mich so sehr!“ Sie sackte in sich zusammen und schmiss sich an seine Brust, bevor sie anfing, bitterlich zu weinen.

Marcus nahm sie in die Arme, wo sie ihren Tränen freien Lauf ließ. Während er ihr über den Rücken strich, genoss er das Gefühl, wie Julianna sich an ihn klammerte. Zudem freute er sich ungemein darüber, der Grund für ihre Erregung gewesen zu sein. „Hat es dir gefallen, Liebes?“

„Zu sehr!“ Sie erzitterte bei dem Eingeständnis.

„Körperliches Vergnügen kann man gar nicht zu sehr mögen, Julianna.“ In heiserem Ton lachte Marcus in sich hinein.

„Nicht?“ Sie klang unsicher.

„Nein“, versicherte er ihr sanft. „Hast du deinen Duft eingeatmet?“

„Ja!“

„Hat dich das noch mehr erregt? So sehr, dass du dich dort gerieben hast?“

„Ge…gerieben?“ Ihr Mund war an seine Brust gepresst, als sie sprach, doch er konnte ihre Entrüstung dennoch hören.

„Ist deine Lust noch größer geworden, als du dich berührt hast? Bist du zum Höhepunkt gekommen?“

„Ja. Ja. Ich weiß nicht …“ Sie drückte das glühende Gesicht noch mehr an seine Brust. „Nein, ich glaube nicht.“

Marcus lachte wieder in sich hinein. „Du würdest dich daran erinnern, wenn es passiert wäre. Bist du jetzt feucht, Julianna? Sei ehrlich“, warnte er sie, als er ihr Zögern bemerkte.