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Kommissar Bastian hat Grund zur Sorge. Immer wieder verschwinden 15-jährige Mädchen aus Kinderheimen. Er und seine Kollegen wittern in einem finsteren Haus in Hamburg einen 'Verschiebebahnhof für Lolitas'. Die Spuren weisen nach Südspanien. Doch Bastian hat keinen Auftrag, denn die Heime, aus denen die Mädchen verschwinden, liegen weitab von der Hansestadt. Erst als eine 14-Jährige tot aus der Elbe geborgen wird, ändert sich die Lage. 'Jetzt sind wir zuständig', sagt Bastian. 'Wir haben eine Spur; leider ist es eine Blutspur.' Einige Tage darauf ist wieder ein Mädchen verschwunden, jedoch nicht aus einem Heim, sondern aus einem Einfamilienhaus in Hamburg. Es ist auch keine 14-Jährige, sondern eine 18-Jährige. Es ist Bastians Tochter Jenny. Von diesem Augenblick an ist Eckart Bastian ein zweifach Betroffener, und mehr und mehr werden seine Ermittlungen zu einem Balanceakt, denn durch seine Doppelrolle als Vater und Polizeibeamter hat sich seine Lage kritisch zugespitzt. Hinrich Matthiesen, der in vielen erfolgreichen Romanen seinen Hang zur Gestaltung psychischer Grenzfälle, seine Fähigkeit, spannend zu erzählen, und nicht zuletzt seine sprachliche Könnerschaft unter Beweis stellt, hatte monatelange recherchiert und schließlich einen erregenden, die Realität spiegelnden Roman geschaffen. Und mehr: Er nimmt den Leser mit auf einen Feldzug gegen die innere Verwahrlosung des Menschen und ist damit bis heute aktuell.
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Seitenzahl: 491
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Jahrgang 1928, auf Sylt geboren, wuchs in Lübeck auf. Die Wehrmacht holte ihn von der Schulbank. Zurück aus der Kriegsgefangenschaft, studierte er und wurde Lehrer, viele Jahre davon an deutschen Auslandsschulen in Chile und Mexico. Hier entdeckte er das Schreiben für sich.
1969 erschien sein erster Roman:MINOU. Dreißig Romane und einige Erzählungen folgten. Die Kritik bescheinigte seinem Werk die glückliche Mischung aus Engagement, Glaubwürdigkeit, Spannung und virtuosem Umgang mit der Sprache. Die Leser belohnten ihn mit hohen Auflagen.
Immer stehen im Mittelpunkt seiner Romane menschliche Schicksale, Menschen in außergewöhnlichen Situationen. Hinrich Matthiesen starb im Juli 2009 auf Sylt, wo er sich Mitte der 1970er Jahre als freier Schriftsteller niedergelassen hatte.
»Zum literarischen Markenzeichen wurde der Name Matthiesen nicht zuletzt durch die Kunst, in eine pralle Handlung Aussagen zu verweben, die außer dem aktuellen stets auch einen davon unabhängigen Bezug haben. Gedankliche Strenge, sprachliche Disziplin und ein offensichtlich unauslotbarer verbaler Fundus lassen Matthiesen zu einem Kompositeur in Prosa werden.«
Deutsche Tagespost
»Matthiesen ist zu beneiden um seine Fähigkeiten: Kompositionstalent, menschliche Einfühlung, scharfe Beobachtungsgabe – und vor allem um seinen Stil«
Deutsche Welle
»Matthiesen ist für seine genauen Recherchen bekannt. Seine Bücher weichen nicht einfach in exotische Abenteuer aus, sondern befassen sich immer wieder mit deutscher Vergangenheit und Gegenwart. Unterhaltsam sind sie allemal. «
FAZ-Magazin
Kommissar Bastian hat Grund zur Sorge. Immer wieder verschwinden 15-jährige Mädchen aus Kinderheimen. Er und seine Kollegen wittern in einem finsteren Haus in Hamburg einen »Verschiebebahnhof für Lolitas«. Die Spuren weisen nach Südspanien. Doch Bastian hat keinen Auftrag, denn die Heime, aus denen die Mädchen verschwinden, liegen weitab von der Hansestadt. Erst als eine 14-Jährige tot aus der Elbe geborgen wird, ändert sich die Lage. »Jetzt sind wir zuständig«, sagt Bastian. »Wir haben eine Spur; leider ist es eine Blutspur.« Einige Tage darauf ist wieder ein Mädchen verschwunden, jedoch nicht aus einem Heim, sondern aus einem Einfamilienhaus in Hamburg. Es ist auch keine 14-Jährige, sondern eine 18-Jährige. Es ist Bastians Tochter Jenny.
Von diesem Augenblick an ist Eckart Bastian ein zweifach Betroffener, und mehr und mehr werden seine Ermittlungen zu einem Balanceakt, denn durch seine Doppelrolle als Vater und Polizeibeamter hat sich seine Lage kritisch zugespitzt.
Hinrich Matthiesen, der in vielen erfolgreichen Romanen seinen Hang zur Gestaltung psychischer Grenzfälle, seine Fähigkeit, spannend zu erzählen, und nicht zuletzt seine sprachliche Könnerschaft unter Beweis stellt, hatte monatelange recherchiert und schließlich eine erregenden, die Realität spiegelnden Roman geschaffen. Und mehr: Er nimmt den Leser mit auf einen Feldzug gegen die innere Verwahrlosung des Menschen und ist damit bis heute aktuell.
Titelverzeichnis der Werkausgabe in 31 Bänden am Ende des Buches.
Hinrich Matthiesen
In den Fängen der Nacht
Roman
:::
Bs
Werkausgabe Romane
Herausgegeben von Svendine von Loessl
Band 13
© 2015
Sie tat mir leid, die kleine Vierzehnjährige, die da nachts um drei in einer Seitenstraße der Reeperbahn stand und auf Männer wartete. Sie sah uns, setzte an, hatte wohl schon ihren Koberspruch auf der Zunge, doch plötzlich – wie ein Stück Wild, das den Gegner wittert – machte sie kehrt und verschwand in der Dunkelheit. Und der Kripomann an meiner Seite sagte: »Schreib doch mal ein Buch über diese Kinder! Vielleicht schreckst du ein paar von ihnen auf und bewahrst sie davor, dass die Nacht sie verschlingt. Das wär’ doch was!«
Ich schrieb das Buch – dieses Buch. Die Handlung ist erfunden, aber der Hintergrund ist Wirklichkeit. Für das Erleben dieser Wirklichkeit, für den Blick hinter die Kulissen danke ich »meinem« Kriminalbeamten, der mich mitnahm auf seine Streifzüge durchs Revier.
Und noch vielen anderen danke ich: Staatsanwälten und Justizangestellten, Zuhältern und Huren, Redakteuren und Archivaren, Erziehern und Gefangenenbetreuern, Kneipiers und Türstehern, Beamten der Jugend-, der Sozial- und der Baubehörde. Sie alle haben mir von ihrer Arbeit erzählt, damit ich meine machen konnte.
Morsum/Sylt, im Sommer 1984
Hinrich Matthiesen
Sie war klein, und der Spiegel hing sehr hoch, so dass sie nur ihr Gesicht darin sehen konnte. Es reichte gerade zum Kämmen und fürs Make-up, aber das war schon erledigt. Sie wollte den blauen Fleck sehen, der links auf den Rippen saß und den sie Pablo verdankte.
Sie war bei der Arbeit ein bisschen zu langsam gewesen, und da hatte der Spanier ihr einen Tritt versetzt. Sie war nach vorn gefallen und gegen einen Barrenholm gestoßen. Es hatte sehr wehgetan, tat jetzt noch weh. Gebrochen war nichts, aber der Bluterguss hatte sich auf der hellen Haut ausgebreitet, ein blaurotes Mal, so groß wie ihr Handteller.
Sie holte sich den einzigen Stuhl, den es im Zimmer gab, stieg darauf und konnte nun den Fleck im Spiegel sehen.
Mistkerl!
Sie strich mit den Händen über ihre Brüste, fand sie nur noch halb so schön, ja, fand sie entstellt durch die Nachbarschaft des hässlichen Flecks.
Dreckstück! Erst verpasst du mir das Ding, und dann soll ich auch noch dafür sorgen, dass es verschwindet, damit die nächsten Szenen nicht darunter leiden!
Sie nahm die Puderdose von der gläsernen Ablage, die unter dem Spiegel hing, betupfte die blaue Stelle. Immer noch einmal. Sie musste ziemlich dick auftragen, damit der Fleck verblasste und schließlich verschwand.
Was denkt er sich bloß! Beim ersten Griff in diese Gegend kommt das Blau doch wieder zum Vorschein, und dann krieg’ ich womöglich noch mal eins drauf. Und was haben er und Luis und Sylvia uns am Anfang für Vorträge gehalten! Eure Haut ist euer Kleid! Ja, das sagten sie. Und auch, dass schon ein Leberfleck stört, ein Pickel anwidert und ’ne Laufmasche, falls wir mal mit Strapsen arbeiten, die Zuschauer aus dem Saal treibt. Und nun hab’ ich da so’n blödes Veilchen sitzen!
Sie wischte den Puder wieder weg, wollte es mit einem flüssigen Make-up versuchen, betrachtete sich aber vorher noch einmal im Spiegel.
Sieht ja aus wie ’ne Tätowierung! Und auch das hat Luis gesagt: »Ich nehm’ keine mit ’ner Gravur. Die kann sich ja genauso gut gleich ’ne Schärpe umhängen mit der Aufschrift ›Ich bin eine Nutte‹.Ihr sollt Profis sein, aber nicht wie Profis aussehen!«
Sie verstrich die fleischfarbene Emulsion auf der Haut, stellte fest, dass sie zu dunkel war, wusch sie wieder ab, trocknete die Stelle und legte zum zweiten Mal eine Schicht Puder auf. Dann stieg sie vom Stuhl, stellte ihn an seinen Platz zurück und legte sich aufs Bett.
Warum kotzt mich der Laden erst seit heute so an? Warum nicht schon seit gestern oder vorgestern? Auf dem Flug von Spanien hierher wär’ bestimmt ’ne Gelegenheit gewesen, abzuhauen. Ich hätte ganz leise zur Stewardess sagen können: Der Mann auf dem Platz neben mir hat mich vor ein paar Monaten aus ’m Kinderheim geholt, und seitdem muss ich für ihn und seine Kumpane anschaffen. Dabei bin ich doch erst vierzehn. Ja, das hätte ich sagen können. Sie hätte mich in Sicherheit gebracht, hätte dem Kapitän Bescheid gesagt, und der hätte dafür gesorgt, dass man Pablo gleich nach der Landung in Hamburg festnimmt oder zumindest mich von ihm wegbringt. Nun ist es zu spät.
Sogar noch während der Taxifahrt hätte ich Terror machen können. Dann wäre der Fahrer vielleicht abgeschwenkt und zur Polizei gefahren. Allerdings, so ’n einzelner Mann? Dem hätte Pablo – gerissen, wie er nun mal ist – bestimmt ’ne Geschichte erzählt von ’ner geisteskranken Tochter, die unter Verfolgungswahn leidet und grad wieder ’n Anfall kriegt. Und dann hätte der Fahrer wahrscheinlich gesagt: ›Ich misch’ mich da nicht ein; ich fahr’ Sie ja bloß!‹
Nein, es hätte im Flugzeug sein müssen. Vor hundert Passagieren. Und vor der Besatzung, die doch so was Amtliches hat, schon wegen der Uniform.
Aber die Chance hab’ ich verpasst, und nun sitz’ ich wieder im Keller, imNymphengarten,muss mit denen dreckige Filme drehen, für ihre Magazine in Stellung gehen und abends an den Männern rummachen. Mensch, wenn der Laden mal hochgeht und die Bullen die Kartei finden, dann sind aber einige Leute dran! Und Luis, Pablo und Sylvia landen hinter Gittern! Ich wünsch’ mir, dass es so kommt. Bald. Lang halte ich das nicht mehr aus!
Sie sah auf die Uhr.
Eine Dreiviertelstunde noch, dann ist die Pause zu Ende. Hoffentlich muss ich nicht wieder mit diesem dänischen Dockarbeiter! Der hat Hände wie Sandpapier. Da ist mir Beate schon lieber, auch wenn ich so was natürlich schon bescheuert finde.
Zu blöd, dass ich die Chance im Flugzeug verpasst hab’! Ich möcht’ mal wieder mit jemandem reden, aber über andere Sachen. Mal wieder ins Kino gehen und anschließend in die Disco. Sogar im Heim war es leichter auszuhalten. Da musste man zwar auch immer tun, was andere sagten; trotzdem war es da schöner.
Wenn ich wenigstens einen Brief rausschmuggeln könnte! Aber dieser blöde Keller! Kein Fenster! Höchstens, dass sie mich mal wieder auf ’ne Fete schicken; dann könnte ich vielleicht heimlich, während der Fahrt, einen Zettel aus dem Auto werfen. Ich rauche, und dann tu ich so, als wollte ich die Kippe loswerden, kurbel mal kurz das Fenster runter, dann raus mit dem Wisch und beten, dass einer ihn findet. Mensch, ich melde mich nächstes Mal freiwillig, wenn sie wieder ’nleasingmachen, wie Luis das immer nennt. Hoffentlich passiert das noch hier in Hamburg und nicht erst wieder auf derFinca, denn was sollte ein Spanier mit meinem deutschen Zettel anfangen? Die Chance, dass es Hamburg wird, ist groß. Luis hat gesagt, er braucht mindestens noch acht Tage für den neuen Film, und in der Zeit macht bestimmt einer von seinen Kunden bei sich zu Haus ’ne Party, so dass wieder vier oder fünf von uns gebraucht werden. Ich versuch’, dass ich dann dabei bin. Bescheuert, dass sie uns immer die Augen verbinden, wenn es von hier losgeht. Aber dann, in der Stadt, wenn wir wieder gucken dürfen, schmeiß’ ich meinen Zettel raus.
Meinen Zettel? Den muss ich natürlich fertig haben! Kann ihn ja wohl nicht erst im Auto schreiben! Ich müsste ihn jetzt schreiben oder wenigstens anfangen damit und ihn verstecken und in den Pausen und morgens, wenn alles schläft, weiter dran schreiben.
Mist! Wo krieg’ ich denn jetzt ’n Stück Papier her?
Sie stand auf und fing an zu suchen, fand aber nichts außer Kleenextüchern und Toilettenpapier. Sie zog ihren Bademantel an, verließ das Zimmer, ging zur Bar, in der ein paar der Mädchen die Drehpause verbrachten. Sie setzte sich auf einen Hocker. Das Mädchen neben ihr fragte: »Heike, was macht deine Rippenquetschung?«
»Hab’ da jetzt ’n großen blauen Fleck«, antwortete sie, stand auf und ging hinter die Theke. Sie nahm sich eine Coca-Cola, beugte sich über den Schanktisch, um ihren Verzehr einzutragen, schrieb, und als sie den Stift wieder hingelegt hatte, fegte sie, wie aus Versehen, den Block herunter, so dass er auf den Fußboden fiel. Sie bückte sich, riss ganz schnell ein paar Blätter von der Rückseite ab und steckte sie in ihre Bademanteltasche. Dann richtete sie sich wieder auf, legte den Block auf seinen Platz zurück. »Entschuldigt«, sagte sie, »aber ich nehm’ meine Cola mit ins Zimmer, will mich noch ein bisschen zurechtmachen, ehe es weitergeht.«
Sie verschwand. Als sie auf ihrem Bett saß, dachte sie: Ich könnte den Brief schreiben, ihn in meine Puderdose klemmen und die dann aus dem Auto schmeißen; sonst passiert es vielleicht, dass die Nachricht in den Hafen weht oder mit dem Regen im Gully landet. Aber eine Dose aus spanischem Silber, die sammelt bestimmt einer auf, und dann findet er auch meinen Brief.
Sie kramte aus ihrer Handtasche den Kugelschreiber mit derIberia-Werbung hervor, den die Stewardess ihr geschenkt hatte, setzte sich an den Tisch, legte die Blätter darauf und begann zu schreiben:
»Ich bin in Not. Helft mir...«
Aber schon nach diesen ersten Worten wurde sie mutlos. Ich weiß ja nicht mal, wo ich bin! Sie legte den Stift hin und versuchte, ein paar Angaben über ihren Standort zusammenzubringen. Das Ergebnis war mager: das Tuten der Schiffe auf der Elbe; die Niethämmer einer Fabrik, wahrscheinlich einer Werft; jeden Abend Musik und stampfende Schritte von oben, also wohl Tanzen; ’ne Bar vielleicht, so ähnlich wie hier unten. Ausgeladen wurden wir in einer Garage, und Kerstin hat mir gesagt, die runde Luke in der Wand vom Atelier ist ein alter Notausgang.
Sie schrieb weiter:
»Ich heiße Heike Gumbach und werde hier von zwei Männern und einer Frau festgehalten, zusammen mit noch anderen Mädchen. Wir sind in einem Keller. Das Haus steht wahrscheinlich am Hamburger Hafen, aber ich weiß nicht genau, wo...« Und dann zählte sie die Geräusche auf.
Plötzlich öffnete sich die Tür. Kerstin kam herein. Schnell verschwand das Papier in der Tasche des Bademantels. »Es geht weiter, und du bist gleich dran!«
»Aber Pablo hat doch gesagt, eine Stunde!«
»Er hat es sich anders überlegt. Komm!«
»Geh schon vor! Ich bin gleich da, muss nur meinen blauen Fleck noch mal pudern.«
»Aber beeil dich!«
Die Tür schloss sich wieder.
Ich schreib’ morgen früh weiter und dann jeden Morgen ein Stück, bis ich alles erzählt hab’ oder wenigstens das Wichtigste. Und wenn wiederleasingist, geht die Post ab! Vielleicht kann ich sogar versuchen, selbst wegzukommen von der Fete, aber meistens sind Luis und Pablo ja dabei und passen auf.
Wohin jetzt mit dem Papier?
Sie sah sich im Zimmer um, entdeckte keinen Platz, der ihr geeignet erschien, machte die Schranktür auf, sah ihre Gummistiefel.
Wozu ich die wohl hab’, wo wir doch nie draußen rumlaufen dürfen!
Und dann hatte sie eine Idee, bückte sich, zog aus einem der Stiefel die Einlegesohle heraus, steckte den angefangenen Brief, die leeren Blätter und sogar den Kugelschreiber in den Schuh, legte die Sohle darüber, stellte den Stiefel wieder an seinen Platz, schloss die Schranktür.
Sie schüttete sich noch einmal reichlich Puder in die Hand und verrieb ihn über den linken Rippen. Dann ging sie ins Atelier. Die fünf anderen Mädchen, Luis, Manolo und Pablo warteten schon auf sie.
Es war das letzte Spiel des Abends. Eckart Bastian nahm die Karten auf, ordnete sie. Er hatte zwei Buben auf der Hand, doch das Beiblatt war so schlecht, dass er höchstens bis dreiundzwanzig reizen konnte. Mit As, Dame und Acht in Herz war es ein ziemlich riskanter Null, aber vielleicht würden ihm ja die beiden blinden Karten helfen.
Thomas Marquard, als Neunundzwanzigjähriger der Jüngste unter den drei Männern, hörte sich die sehr forsch gebotenen »Dreiundzwanzig!« seines Kollegen an, zögerte eine Weile und passte dann, und auch Ewald Lühr sagte: »Ich passe.« Bastian nahm die zwei Karten auf. Die Herzsieben war dabei, und sie verbesserte sein Blatt erheblich. Er drückte das Herz-As weg, dazu den Pik-König, der ihm bedenklicher erschien als die Herz-Dame. Es ging los.
Marquard hatte das Ausspiel. Er tat einen guten Griff, legte die Herz-Zehn auf den Tisch, und als gleich darauf Lühr das Pik-As abwarf, weil er in Herz nicht bedienen konnte, war Bastians Spiel schon so gut wie verloren. Dennoch nickte er, so als sei der Spielverlauf ihm nur recht, zeigte sogar ein Lächeln. Es nützte nichts. Die drei kannten sich zu gut, als dass es einem von ihnen noch gelingen konnte, sich mit Pokertricks aus der Affäre zu ziehen. Marquard gab das Lächeln zurück, sagte: »Damen legt man ja wohl nicht im Keller ab und die Herzdame schon gar nicht!« Er spielte die Herz-Neun, und von Lühr kam wieder etwas Schwarzes; Bastian achtete schon nicht mehr darauf, was es war, blieb mit seiner Herz-Acht drunter. Und dann kam der Herzbube; Marquard schob die tödliche Karte provozierend weit zu Bastian hinüber. Der seufzte, ging mit der Herzdame über. Das Spiel war aus.
»Wollen wir noch ein paar Runden dranhängen?«, fragte Lühr. »Ich finde, ein gekippter Null ist kein guter Abschluss.«
Aber Marquard sagte: »Lieber nicht. Es ist schon nach vier, und ich hatte Helga versprochen, spätestens um zwei zu Haus zu sein.«
Lühr schüttelte den Kopf. »Wie kannst du auch so leichtsinnige Versprechungen machen! Okay, draußen lauert schon der Tag, und vielleicht guckt er uns um vier etwas weniger grimmig an als um fünf.«
Bastian stand auf, schenkte noch einmal ein. So machten sie es immer, tranken nach dem Skat noch ein Glas. Als er sich wieder gesetzt hatte, warf er einen Blick durchs Zimmer. Sie hatten seit neun Uhr gespielt, dabei viel geraucht, viel getrunken, zwischendurch gegessen, und nun stand das unansehnlich gewordene Zubehör überall herum: Gläser und Flaschen, randvolle Aschenbecher, leer gegessene Teller, Bestecke, Kaffeetassen. Sogar auf dem Hifi-Turm, der seiner Tochter Jenny gehörte, hatte er eine Schüssel abgestellt. Er schämte sich ein bisschen, weil es so spät geworden war und er und seine Freunde diese Unordnung geschaffen hatten. Aber vielleicht schlief er ja wieder mal schlecht und wachte zeitig auf; dann könnte er das Zimmer vor dem gemeinsamen Sonntagsfrühstück aufräumen.
Thomas Marquard machte die Abrechnung. Dann hielt er noch einmal seine Zigaretten über den Tisch, und alle drei zündeten sich eine an. »Es ist mir fast peinlich«, sagte er, »ich habe zweiunddreißig Mark gewonnen.« Er legte den Block beiseite. Die beiden anderen holten ihre Portemonnaies hervor, schoben ihm das Geld hin. Ewald Lühr nahm seinen Pullover von der Stuhllehne, zog ihn an. Dann klopfte er dem Gewinner des Abends auf die Schulter. »Eckart und ich werden es überleben«, sagte er, »wir sind ein gutes Dutzend Jahre älter als du und dir also um einige Gehaltsstufen voraus.«
Auch Bastian gab einen beschwichtigenden Kommentar: »Wenn ich an die Burschen vomKiezdenke, kommen mir unsere Skatabende wie Kindergeburtstage vor. Neulich hab’ ich Stempel-Rudi und Leo in Monas Bar zocken sehen. Die beiden wollten partout, dass ich mitmachte, boten mir sogar fünfzig Prozent Rabatt an bei unverminderter Gewinnchance, aber ich lehnte natürlich ab. Sie deponierten jeder drei Blaue auf der Theke, und Mona musste die Scheine mischen. Dann ging’s darum, zu raten, ob die Seriennummer des obersten Hunderters eine gerade oder eine ungerade Endziffer hatte. Wer richtig riet, kassierte die sechshundert Mäuse. Das spielten sie mindestens zwanzigmal. Totaler Stumpfsinn natürlich, aber für mich war’s trotzdem eine spannende Sache, weil es jedes Mal um einen irren Haufen Geld ging. Es blieb nämlich nicht beim Einsatz von drei Scheinen pro Nase. Einmal war der Packen auf der Theke so hoch wie zwei Bierdeckel. Da lagen gut und gern drei Wochen Gran Canaria für zwei Personen auf dem Tisch, inklusive Flug. Wirklich, die Kerle haben ein Geld, von dem wir nicht mal zu träumen wagen, und fahren ihrePorschesundLamborghinisdurch die Gegend wie die ganz großen Bosse. Stempel-Rudi hat zwei Pachteinheiten á zehn Zimmer, jedes in drei Schichten belegt. Die Mädchen zahlen ihm zwischen siebzig und hundertzwanzig pro Tag. Davon gehen natürlich Pacht und Unkosten ab; bestimmt bleiben ihm aber runde hunderttausend Mark im Monat.« Er machte eine Pause, nahm einen Schluck, wiegte, das Glas noch in der Hand, den Kopf, und dann schloss er: »Manchmal denke ich, wir arbeiten auf der falschen Seite.«
Er stand auf, nahm die Schüssel vom Hifi-Turm, stellte sie auf dem Fußboden ab, wischte mit seinem Taschentuch einen Fleck von dem teuren Gerät, setzte sich wieder. Die extrem hohen Einkünfte der Zuhälter, jedenfalls die der bekannten, der erfolgreichen, ärgerten ihn seit jeher, aber er war jetzt zu müde, um sich zu ereifern, und so wechselte er das Thema, wandte sich aber noch einmal an den Benjamin ihrer kleinen Runde: »Was macht eigentlich Minkys Pfote?«
Thomas Marquard, der vor zwei Jahren ins Rauschgiftdezernat übergewechselt war, erzählte oft von seinem Spürhund. Er liebte ihn, wie man einen Freund liebt. »Die Wunde«, antwortete er, »ist einigermaßen verheilt. Er hat neulich schon wieder eine Glanzleistung geboten.«
»Was war’s denn?«, fragte Ewald Lühr.
»Als am Donnerstagabend dieHerkulesin unserem Hafen festmachte, war unter den Passagieren auch eine flotte Mutter aus Amsterdam. Mit Säugling. Und Kinderwagen. Ein Wagen, sag’ ich euch, so raffiniert abgesichert wie ein Tresor in der Bank von England, aber nicht mit Stahlplatten und Sicherheitsschlössern, sondern mit etlichen Haufen infernalisch stinkender Scheiße. Also, dieser Wagen: ganz unten auf dem Kastenboden ein Dutzend vollgeschissener Windeln, dann ein Gummilaken, darauf ein Betttuch, auf dem Tuch eine Kilotafel Schwarzer Afghan, umrahmt von uringetränkten Lappen, dann wieder ein Gummilaken und wieder ein Betttuch und darauf schließlich das Prachtstück, das Baby, so mörderisch stinkend wie ’ne ganze Klärgrube. Und was tut Minky? Er rast los, als läge da eine läufige Hündin im Kasten, stößt fast den Wagen um. Die flotte Mutter stimmte ein Mordsgezeter an, aber das flaute ab, sobald das Päckchen, sauber in weißes Leinen verpackt und mit Klarsichtfolie umwickelt, zum Vorschein kam.«
»Donnerwetter!« Ewald Lühr sprach das bündige Lob, aber er hielt sich dabei die Nase zu, so als lägen die Windeln samt Baby vor ihm auf dem Tisch. »Und ich dachte immer, Hunde seien dumm.«
»Kommt drauf an«, sagte Marquard, »Promenadenmischungen sind für uns jedenfalls brauchbarer als Rassehunde. Noch klüger sind übrigens Schweine, aber mit denen können wir ja nicht gut losziehen. Es ist alles Dressur. Wenn du einen Hund darauf abrichtest, Tag für Tag auf einem ganz bestimmten Weg einen Radfahrer zu verfolgen, dann macht er das auch. Aber wenn dann plötzlich zwei Radfahrer da sind, bleibt er stehen und hält verzweifelt Ausschau nach seinem Lehrer. Zwei Radfahrer, das hat er nämlich nicht gelernt.«
»Und die flotte Mutter?«, fragte Bastian. »Habt ihr die hochgenommen?«
»Na klar, aber sie war natürlich wieder mal nur der kleine Fisch. Noch dazu ein ziemlich stummer. Das Übliche: Der Unbekannte hatte sie kurz vorm An-Land-Gehen angesprochen, ihr zwei halbe Riesen geboten, wenn sie dafür ihren Balg eine Weile auf dem Heu schlafen ließe. Einen Schein gab’s vorweg, den anderen sollte sie gleich hinter der Zollschranke kriegen. Mehr war aus der Dame nicht rauszuholen. Und beschreiben konnte sie den Big Spender natürlich auch nicht, weil er zugewachsen war; zu viel Bart und zu wenig Gesicht.«
»Aber«, warf Bastian ein, »mit der vielen Scheiße dabei habt ihr sie ja überführt. Die hat der große Spender doch nicht zusammen mit seinem Kraut und dem Geld aus der Tasche gezogen und ihr übergeben. Die hat sie doch für diesen Coup aufgespart, und also war’s erwiesen, dass die beiden ein Team waren.«
»Genau das hielten wir ihr vor, aber die war ganz schön abgebrüht. Erklärte uns, der Stuhlgang ihres Kindes, wann und wie oft und wie viel, ginge uns nichts an, und uns schickte ja wohl auch nicht die Gesundheitsbehörde, um die Darmgewohnheiten der Passagiere überprüfen zu lassen.«
»Immerhin habt ihr sie in flagranti ertappt!«
»Das schon, und natürlich wird sie verdonnert, aber uns war viel mehr an den Hintermännern gelegen, und an die kamen wir mal wieder nicht ran.«
»Es ist wie bei uns«, sagte Bastian. »Auch wir erwischen meistens nur die Leute, die an der Oberfläche agieren, und die sind für die Macher so leicht auszuwechseln wie’n Paar alte Socken. Wir müssten tiefer graben, aber dafür fehlen uns die Leute.«
Ewald Lühr nickte. »Die Presse nimmt euch ja zurzeit mal wieder ganz schön aufs Korn. Hast du gestern den Artikel über die verschwundenen Mädchen gelesen?«
Bastian winkte ab. »Den kenne ich. Die Schreiberlinge wissen immer alles besser. Natürlich ist es alarmierend, wenn innerhalb weniger Monate elf Heimkinder verschwinden, jedes Mal Mädchen und alle so um fünfzehn Jahre alt. Und...«
»Das«, fiel Lühr ihm ins Wort, »wäre noch gar nicht mal so ungewöhnlich. Seit es Heime gibt, gibt’s Kinder, die auskneifen. Aber in der Regel werden sie wieder aufgegriffen, meistens sogar ziemlich schnell. Diese Mädchen aber...«, er hob die Schultern, und die kleine Verzögerung nutzte Bastian, um sich das Wort zurückzuholen, »sind wie vom Erdboden verschluckt. Und was auch noch auffällt, alle elf sind ausgesprochen hübsch. Ich hab’ neulich mal auf meinem Schreibtisch die Fotos nebeneinandergelegt. Alles Kindfrauen! Ich kam mir vor wie ein Filmregisseur, der für die Lolita-Rolle eine erste Auswahl getroffen hat.«
»Jetzt«, sagte Lühr, »merke ich erst, wie langweilig mein Dienst im Justizgebäude ist. Ich hab’ nie solche Fotos.«
»Na hör mal!« Bastian lachte kurz auf. »Du kriegst doch nun wirklich immer den letzten, den spannendsten Akt unserer Krimis serviert, hast sogar die Akteure leibhaftig vor dir. Zum Anfassen. Was willst du mehr?«
»Dann sind sie ja schon ausgetrickst und so gut wie gezähmt. Uns bleibt immer nur der Zoo, aber ihr von der Kripo habt die freie Wildbahn. Was deine elf Küken betrifft: Hat man denn nicht bei den Heimen was feststellen können? Ich meine, irgendwas Übereinstimmendes? Es sind doch, wie in der Zeitung stand, mehrere Heime.«
Bastian schüttelte den Kopf. »Bis jetzt sind es vier Häuser, die aber nichts miteinander zu tun haben. Ganz unterschiedlich in Programm, Belegschaft und Personal. Es sind jedes Mal andere Trägerschaften, und die Häuser liegen auch geografisch weit auseinander. Trotzdem...«, er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, »es muss ein verbindendes Element geben! Diese entwischten Gören starten doch nicht per Instinkt wie die Zugvögel, sammeln sich irgendwo und hauen dann gemeinsam ab in den Süden oder sonst wohin!«
»Hast du dir die Heime mal angesehen?«, fragte Marquard.
»Bislang bestand keine Veranlassung dazu. Warum ausgerechnet wir von der Hamburger Kripo? Die Heime liegen weit weg, sind über ganz Deutschland verstreut. Da ist zunächst jede örtliche Polizeidienststelle für sich allein zuständig. Mein Kollege Henke und ich waren die einzigen, die einen Zusammenhang vermuteten und ein bisschen nachgegraben haben, aber bis heute gibt es noch keinen übergreifenden Vorgang. Ich selbst bin auch nur deshalb hellhörig geworden, weil mir die Zuhälter aus allen Ecken vomKiezziemlich unverblümt angedeutet haben, ich solle mich doch weniger um ihre sauberen Etablissements als vielmehr darum kümmern, dass nicht irgendwelche zugereisten Heiermann-Luden mit importierten Junghühnern den Markt versauen. Als diese Sprüche ein paarmal gekommen waren, hab’ ich natürlich nachgehakt, und da wurde mir dann mitgeteilt, dass es irgendwo in Hamburg einen Kinderpuff geben soll. Aber nicht mal die Jungs vomKiezhaben einen Schimmer, wo das Ding steht.«
»Und wenn sie es wüssten«, warf Lühr ein, »wärest du wohl der letzte, dem sie’s sagen würden. Die verpfeifen sich doch nicht gegenseitig bei der Schmiere!«
»Da bist du auf dem Holzweg!«, entgegnete Bastian. »Ich wäre einer der ersten, die was erfahren. Ist doch der sauberste Weg für die Herren! Die würden die Sache generalstabsmäßig aufziehen, würden mobilmachen, ’ne Observation aufbauen, von der die Polizei nur träumen kann, und mir einen fertigen Einsatzplan auf den Tisch knallen. Wenn die sagen, zu der und der Zeit kannst du da und da die ganze Mischpoke samt Hühnerstall einsammeln, dann ist die Falle auch zu. Und ihr könnt euch drauf verlassen, wenn unser Einsatz erfolgt, sind – in angemessener Entfernung vom Objekt – mit Sicherheit ein paar bekannte Gesichter vomKiezzu entdecken. Das ist wie bei ’ner Theatervorstellung. Loge eins für die Oberluden. Die haben dann zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Bei mir machen sie ’n guten Eindruck, und sie selbst sind eine gefährliche Konkurrenz los, ohne sich die Finger schmutzig gemacht zu haben.«
»Sind die paar Pommes-frites-Teenies denn wirklich eine Gefahr für die vomKiez?«, wollte Marquard wissen.
»Letztlich schon«, meinte Bastian. »Viele Freier fahren ab auf Kükenfleisch; das wissen die Zuhälter, und sie haben Angst, dass ihre volljährigen Pferdchen Spinnweben zwischen den Beinen ansetzen. Das kann schon mal ’ne Rolex weniger im Monat bedeuten, und da sind die Luden empfindlich. Deshalb verpfeifen sie so was. Es ist ihre Art von gesundem Rechtsempfinden.«
Lühr nickte, und dann fragte er: »Wenn da noch nichts Offizielles ist, wieso hast du schon die Fotos der Mädchen auf dem Tisch?«
»Auf demKiez«,sagte Bastian, »ist es oft entscheidend, dass man agiert und nicht bloß reagiert. Du musst die Flöhe husten hören, und wenn du einen zwischen den Fingern hast, nützt es wenig, ihn einfach zu zerquetschen. Dann musst du los und den Hund suchen, der die Viecher im Pelz hat. Um auf die Mädchen zurückzukommen: Ich wollte wissen, was an den Gerüchten dran ist. Hab’ also ein Fernschreiben an alle Landeskriminalämter losgelassen mit der Bitte, mir mitzuteilen, wo im letzten halben Jahr vierzehn- bis siebzehnjährige Mädchen verschwunden sind, Schwerpunkt Kinder- und Jugendheime. Als dann die ersten Antworten kamen, fing es bei mir an zu kribbeln, und ich hab’ mir Ablichtungen von den Vermisstenvorgängen und Fotos von den Mädchen schicken lassen. Und immer wieder nachgefragt. Inzwischen kriege ich von einigen Landeskriminalämtern die Unterlagen über neue Vorgänge schon automatisch. Aber«, er hob die Schultern leicht an, »mit dem Anlegen der Lolita-Kartei erschöpfen sich zur Zeit meine Möglichkeiten.«
»Wenn gemunkelt wird«, sagte Lühr, »dass hier in Hamburg irgendwelche Fäden zusammenlaufen, warum lässt man dich nicht einfach die Sache mal im Ganzen untersuchen?«
»Ewald, du weißt, Munkeln reicht nicht aus, um den großen Apparat in Gang zu setzen. Da muss was Konkretes her. Sobald eins dieser Mädchen hier auftaucht und wir davon erfahren, geht’s natürlich los. Dann interessieren wir uns sofort für die Heime, für alle vier.«
»Und wieso«, fragte Marquard, »haben die Pressefritzen schon wieder Wind von der Sache bekommen?«
»Ist doch immer dasselbe bei verdeckten Ermittlungen. Ich hab’ meine Bildergalerie allen Kollegen in meiner Dienststelle gezeigt, auch denen von der Schutzpolizei, denn vielleicht laufen ihnen die Mädchen mal über den Weg. Na, und irgendeiner hat dann wohl der Presse gegenüber nicht dichtgehalten.«
»Ich tippe, die Mädchen sind längst im Ausland«, sagte Lühr.
»Kann auch sein.« Bastian gähnte. »Leute, ich bin hundemüde.«
Die drei standen auf.
»Nächstes Mal also bei mir«, sagte Marquard, der erst jetzt seinen Gewinn einsteckte. »Dann könnt ihr euch euer Geld zurückholen. Schönen Sonntag allerseits!«
»Daraus wird bei mir wohl nichts«, antwortete Bastian. »Ich hab’ heute Abend Bereitschaftsdienst.«
Marquard wollte ihn trösten: »Aber da sitzt du doch bloß zu Haus neben deinem Telefon. Wird schon nichts kommen.«
»Ich fahr’ zur Dienststelle«, sagte Bastian. »Will noch ein paar Akten aufarbeiten. Auf meinem Schreibtisch ist immer ’ne Menge los.«
Als die Freunde gegangen waren, riss er das Fenster auf. Was von der Sommernacht hereinkam, war zwar erfrischend, aber ziemlich ungestüm. Die im Wind flatternden Vorhänge fegten zwei Bierflaschen von der Fensterbank, und auf dem Tisch wirbelte Asche auf. Schnell schloss er das Fenster wieder.
Diesen Saustall kann ich ihr nicht zumuten, dachte er, und so raffte er sich doch noch auf, trug das schmutzige Geschirr in die Küche.
Zwanzig Minuten später war das Wohnzimmer wieder sauber und ordentlich.
Er setzte sich in seinen Fernsehsessel, lehnte sich zurück, zündete sich eine letzte Zigarette an, von der er genau wusste, dass sie ihm nicht mehr schmecken würde. Zwanzig bis dreißig waren sein tägliches Quantum, aber wenn ein Skatabend dazukam, wurden es leicht doppelt soviel.
Er streifte die Schuhe ab, zog sich einen Stuhl heran und legte die Füße darauf. Dachte: Wenn ich diese Rita noch einmal vor derOrinoco-Bar treffe, schleppe ich sie mit aufs Revier und sperre sie ein! Mein Gott, vierzehn ist sie, vier Jahre jünger als meine Jenny, und macht schon die Beine breit fürs Geld! Kokst und säuft und klaut und hurt sich durch den Rest ihrer Kindheit. Und wenn sie dann erwachsen ist, geht’s wahrscheinlich erst richtig los!
Heftig drückte er seine eben erst angerauchte Zigarette aus, stand aber nicht auf. Noch einmal kam ihm in den Sinn, was er vorhin zu den Freunden gesagt hatte: dass sie auf der falschen Seite arbeiteten. Es war nicht ernst gemeint, natürlich nicht, und das hatten die beiden auch gewusst, aber dann und wann kam tatsächlich das Gefühl in ihm auf, nur eine Zufälligkeit in seiner Biografie habe dafür gesorgt, dass er auf die saubere Seite geraten war. Er stand mit einigen Zuhältern und auch mit vielen Huren auf du und du, und der Stempel-Rudi, dem ein vor Jahren gestellter Antrag auf Arbeitslosenunterstützung den Spottnamen eingebracht hatte, war sogar auf seiner letzten Geburtstagsparty erschienen, mit einem Holsteiner Schinken unter dem Arm und einem riesigen Strauß Nelken in der Hand, und der Mann nahm es nicht einmal übel, dass er ihn sofort wieder hinauskomplimentiert hatte, samt Schinken und Blumen.
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