In eigener Sache - Helge-Wolfgang Michel - E-Book

In eigener Sache E-Book

Helge-Wolfgang Michel

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Beschreibung

Das Leben als Entwicklung, kurvenreich und weit davon entfernt gradlinig zu verlaufen, bleibt ein Fest, das Anlass gibt, es zu feiern. So auch im vorliegenden Fall einer Romanbiografie und rechtzeitig genug geschrieben, dass alles in der Erinnerung noch vorliegt. Ob fiktional oder faktisch, spielt das eine Rolle? Egal, jetzt gilt's!

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Seitenzahl: 86

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Das Leben ist eine Komödie für den Denkenden und eine Tragödie für die, welche fühlen.

Hippokrates (460 - 377 v. Chr. G.)

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Da klopft einer an

es geht los

Ab ins Internat – der Ernst des Lebens beginnt

Aus dem Mikrokosmos in die Erwachsenenwelt

Ende des Studiums – das Erwachsenenwerden

Arbeiten und große Ziele

Es ist geschafft – der Ruhestand mit dem erneuten Beginn eines selbstbestimmten Lebens

Bilder und Artikel zum Geschriebenen

Verwendete Literatur

Abbildungsdaten / Bildquellennachweis

Hinweis

Einleitung

Irgendwann geht es los und wir sind plötzlich da, ob wir wollen oder nicht.

Wir müssen uns nach dem angenehmen Müßiggang, der leider nur 9 Monate andauerte, mit Herausforderungen auseinandersetzen, die nach dem Kappen der Versorgungspipeline existentiell werden. Aber es hilft kein Jammern und Zurücksehnen des paradiesischen Schwebens im mütterlichen Fluidum, sondern es beginnt der Start ins extrauterine Leben – packen wir es an, bevor es uns packt. Los geht’s!

Ihnen, werte Leserin und werter Leser, wünsche ich viel Vergnügen beim Schmökern der folgenden Seiten.

Ob es wahr (faktisch) ist oder fiktional, spielt das eine Rolle?

Egal – jetzt gilt’s!

Helge-Wolfgang Michel mit einem schmunzelnden Auge

Da klopft einer an – es geht los

Da hätte ich mir wirklich einen etwas kühleren Tag aussuchen können als diesen 16. Juli im Jahre 1956. Aber das kommt davon, wenn man 9 Monate ohne Versorgungsnot im wohl temperierten Mutterleib vor sich hindümpelt und nur dafür zu sorgen hat, dass man sich entwickelt, also wächst sowie Organe ausbildet und natürlich sich Gedanken zu machen, ob ich mir die richtige Familie ausgesucht hatte und dann das weitere Leben zumindest in groben Zügen zu planen. Also, was die Wahl der Eltern betrifft, klang das im Vorfeld sehr verlockend: Lebenserfahrener Akademiker, sogar promoviert, und eine junge Mutter, die als Krankenschwester unterwegs war. Aber sei, wie es sei, das lange Gleiten im mütterlichen Brutkasten ohne größere Anstrengung verwöhnt und macht einen leicht übermütig. Na und, dann entscheidet man sich, es reicht und ich will etwas erleben: Hinaus und fürcht nicht die Welt, greif tapfer an!

Als Zeit des Aus- bzw. Eintritts entschied ich mich für 2.45 Uhr nachts, da ich doch eher ein Homo noctis bin, also eine Nachteule. Aber ganz so einfach, wie ich mir das vorgestellt hatte, schien es dann doch nicht zu gehen. Irgendwie hatte ich mich in dem engen Kanal verkantet und war schwer am Pusten, aber ich wurschtelte mich weiter so durch, sah ein Licht am Ende des Tunnels und erreichte den Ausgang. Unterstützende Hände zogen mich den letzten Abschnitt – waren das Meter? – und hatten danach nichts Besseres zu tun, als mich kopfüber herunterzuhalten und mir noch einen Klaps auf das Hinterteil zu geben. Natürlich gefiel mir das überhaupt nicht und ich erhob meine Stimme mit einem durchdringenden Schrei. Die Anwesenden freuten sich über mich oder meinen Willkommensgruß, so genau konnte ich das nicht zuordnen, und verbrachten mich wieder in eine komfortable Rückenlage.

Da war ich nun und musste erst einmal nachdenken, ob das wirklich eine angenehmere Situation als vorher sein sollte. Es half nichts, das Ganze ließ sich nicht mehr zurückdrehen, nun war ich da und musste mich dem Ganzen stellen. Nach kurzer Zeit in der nahe des Nordendplatzes gelegenen Klinik ging es nach Hause. Meine Mutter sowie mein Vater freuten sich über den neuen Erdenbürger und ich nahm umgehend die Beschäftigung mit der Erforschung meiner noch unbekannten Welt auf.

Da ich mich gut selbst mit der Wahrnehmung des vielen Neuen beschäftigte, meldete ich mich nur zu Wort, was noch sehr unartikuliert gelang, wenn es galt, eines meiner Bedürfnisse nach Essen, Trinken, trockenem sowie sauberem Lendenbereich und natürlich Nähe befriedigt zu bekommen. Das klappte auch alles manierlich gut, so dass ich wenig Grund zur Beschwerde hatte und auch lieferte. Mein Forscherdrang umfasste immer größere Areale der Wohnung in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofes und auch die Spazierfahrten in dem kleinen Kinderwagen an den nicht weit entfernten Main erfreuten mich, so dass ich bald vergaß, den Vergleich zwischen dem ‚Vorher‘ und dem ‚Jetzt‘ weiter anzustellen. Hier begegnete mir zum ersten Mal die mir stets angenehme Fähigkeit, mich mit meiner Situation zu arrangieren und stets das Beste daraus machen zu wollen. Das Jammern nach längst vergangenen Zeiten, die in der Erinnerung verblasst nur Gutes hervorschimmern lassen, gehörte nicht zu meinem Repertoire. Nur eines mochte ich damals schon nicht, das Bevormunden. Wenn mir jemand etwas zeigen und vormachen konnte, was ich interessant fand, nahm ich Unterstützung gerne an, aber die Voraussetzung war und blieb, dass ich es wollte.

Als nächstes erinnere ich mich an meine Taufe und daran, dass ich dachte, in dem viel zu kleinen Bassin schwimmen zu müssen, aber gottlob wurde nur mein Haupt benetzt und ich mit dem Taufspruch: „Ich will Dich segnen, und Du sollst ein Segen sein“ weiter gerüstet. Damit erhielt ich aber einen mächtigen Auftrag, den ich prustend zur Kenntnis nahm.

Knapp zwei Jahre später, stellte sich ein neuer Kombattant ein, mein Bruder. Es sollte sich herausstellen, dass ihm jetzt schneller Zugriffsmöglichkeiten auf die mütterlichen Ressourcen eingeräumt wurden und auch die elterlichen Reaktionszeiten auf meine Bedürfnisse verlangsamten sich deutlich. Auch konnte man mit dem hilflosen kleinen Geschöpf spielerisch nicht viel anfangen, da er bei kleinsten Proben der Beweglichkeit sofort ein Klagegeschrei anstimmte, welches die elterliche Gewalt im Nu vor Ort brachte und meist weniger schöne Ermahnungen an mich zur Folge hatte. Also versuchte ich den kleinen Mops namens Joachim zu ignorieren. Wenn es mir mit ihm allerdings zu strapaziös wurde, konnte es auch passieren, dass ich ihn mit seinem Kinderwagen kurzerhand in den knietiefen Goldfischteich bugsierte. Die herbeieilenden Eltern verhindertes Schlimmeres und brachten mir auch physisch nahe, dass dies keine Form der Konfliktbewältigung wäre.

Eine besondere Freude empfand ich, wenn ich meine Großeltern mütterlicherseits mit meinem Besuch oder sie mit ihrem uns beehrten. Meiner Großmutter verpasste ich kurzerhand einen Spitznamen: „Emi“, den sie mit Stolz trug und den die ganze Verwandtschaft fortan nur noch benutzte. Emi erfand ich nur, da ich Omi mit dem gerundeten Vokal anfangs noch nicht beherrschte und daher lieber einen ungerundeten ähnlich klingenden verwendete. Der Großvater Leopold ging mit uns spazieren, hörte uns zu, erklärte uns viel und blieb immer ein ruhiger, besonnener Zeitgenosse. Die Großmutter, meine Emi, versorgte uns mit kulinarischen Köstlichkeiten wie Kartoffelreibekuchen mit Apfelmus, Bratkartoffeln mit Bratwurst, Handkäs mit Musik, dieser kleine aus Quark hergestellte runde Käse mit Kümmel in einer Essig-Öl-Zwiebel-Marinade zieht mich bis heute in seinen Bann. Gut erinnern kann ich mich, wie die ganze Familienrunde auf dem Sofa saß – unter dem Blick des aus dem darüber hängenden Gemälde schauenden Leopold Heinrich „Henri“ Pfeil, aber das ist eine eigene Geschichte1 – Kaffee oder Bier trank und rauchte, was das Zeug hielt. Mein Vater blieb solchen Exzessen fern bzw. wenn er mitbesuchte, lief alles gemäßigter ab, weil sich vor allem die Tanten, später auch gerne meine Mutter immer eifriger beim Trinken und Paffen hervortuend, mit ihren suchtvollen Begierden in Tateinheit mit meiner Großmutter stark zurücknahmen. Aber dies war für mich natürlich auch die Gelegenheit, mit den Cousinen sowie Cousins in Kontakt zu treten und nicht nur brav auszutauschen, sondern auch den einen oder anderen Streich auszuhecken.

Es begann für mich das erste Erleben des Rausgerissenwerdens durch den Umzug aus dem Bahnhofsviertel ins Westend. Aber für mich galt damals und gilt heute: „Nicht verzagen, sondern annehmen, nach vorne schauen und nach neuen Möglichkeiten suchen!“ Die neue Umgebung mit dem nahe liegenden Rothschildpark und den etwas weiter entfernten Grüneburgpark boten gute Gelegenheiten, viele kleine Menschenkinder als Freundinnen und Freunde zu gewinnen. Gegenseitig besuchte Kindergeburtstage und Sandkastenaktivitäten unterstützen dies nachhaltig. Natürlich ging ich äußerst gerne in den Kindergarten und alles schien sich prächtig zu entwickeln, bis … der nächste Umzug anstand. Es ging nach Bad Homburg vor den Toren der Großstadt gelegen. Die Wohnung in einem Altbau am Kurpark unweit der Russischen Kapelle gelegen lud zu Erkundigungstouren bis hin zum Siamesischen Tempel ein. Denkmäler des Kurparks wie der 1915 errichtete Samariterbrunnen,2 am Lindenweg gelegen, mit der figuralen Szene, dem Wassergeben des Alten von Samaria an einen wohl verletzten römischen Soldaten, werden mir immer wie eingebrannt in der Erinnerung bleiben. Weitere Brunnen, die aber im Gegensatz zum vorherigen auch Quellwasser führten, wurden im Kurpark entdeckt und bewundert. Kleinere Bächlein wurden untersucht und ich fing dabei einen kleinen Stichling. In einem Glas gefüllt mit Wasser trug ich stolz meinen Fang nach Hause. Mit dem Versprechen, ein Aquarium zu erhalten, brachte ich das arme Fischlein in sein angestammtes Gewässerbiotop zurück. Die Zusage wurde im November umgesetzt und ich bekam ein kleines Aquarium mit einer Guppy-Familie als aquatische Bewohner. Sofort begann ich meine Beobachtungen, aber leider währte die Freude über die kleinen Tierchen nur kurz, da nach einem Ausfall der Heizungen im ganzen Haus meine kleinen Flossenträger mit dem Bauch nach oben gewandt das Zeitliche segneten und mich sehr traurig zurückließen.

So beschäftigte ich mich dann nach dem Wasser mit anderen Elementen, die mir aber äußerst schmerzhaft im Gedächtnis bleiben sollten: Es gab in der Wohnung ein Kabel mit einem Stecker, den ich in die Anschlussdose steckte und die beiden losen Enden der Strippe zusammenführte. Wie von Geisterhand wurde ich durch das Zimmer geschleudert und blieb zitternd erstaunt in der Ecke liegen. Es dauerte nicht lange, da ich einen Kurzschluss ausgelöst hatte, dass mich die elterliche Autorität in persona meiner Mutter fand und mir zur Strafe noch eine körperliche Züchtigung verabreichte. Auch ohne diesen Abschluss hätte sich das Erlebnis mit dem elektrischen Strom dauerhaft bei mir eingebrannt.

Neue Freundschaften wurden geschlossen. Ein älterer Junge, Sohn eines bekannten Juweliers, verleitete mich zu einem respektlosen Einsatz gegenüber unserer schon betagten Nachbarin: Es war ein sehr heißer Sommertag und ich sollte an ihrer Wohnungstür klingeln, ihr stöhnend mitteilen, dass es mir zu warm wäre. Zum Glück reagierte die altehrwürdige Dame sehr gelassen und empfahl mir, die Beine im Bächlein des Parks abzukühlen. Der böse