In Schönheit sterben - Jean G. Goodhind - E-Book
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Jean G. Goodhind

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Beschreibung

Drei Tage darf Honey in einer Schönheitsklinik verbringen. Aber nicht nur, um es sich gutgehen zu lassen, sondern weil sie herausfinden soll, warum Lady Macrottie sterben musste. Die Leiterin des Spas und ihr beratender Arzt zeigen sich wenig kooperativ - sie haben offenbar etwas zu verbergen. Fast ohne Ergebnisse muss Honey die Klinik wieder verlassen. Da stirbt eine Mitarbeiterin des Hauses bei einem mysteriösen Unfall, und schon bald entdeckt Honey, dass die gesamte Klinik in höchster Gefahr ist.

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Seitenzahl: 384

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Jean G. Goodhind

In Schönheit sterben

Honey Driver ermittelt

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Ulrike Seeberger

Impressum

Die Originalausgabe unter dem Titel

Murder by Mudpack

erschien 2010 bei Severn House Publishing Ltd., Sutton, Surrey.

ISBN 978-3-8412-0326-7

Aufbau Digital,

veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, April 2012

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Die deutsche Erstausgabe erschien erstmals 2012 bei Aufbau Taschenbuch, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

Copyright © 2010 by Jean Goodhind

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.

Umschlaggestaltung Mediabureau Di Stefano, Berlin

unter Verwendung mehrerer Motive von iStockphoto:

© desuza.communications, © Kristina Smirnova, © Brandi Powell

Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,

KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

www.aufbau-verlag.de

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Innentitel

Inhaltsübersicht

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Informationen zur Autorin

Impressum

Inhaltsübersicht

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 1

Honey Driver warf Steve Doherty einen misstrauischen Blick zu. »Ich habe gar kein gutes Gefühl bei der Sache.«

»Vertraue mir. Ich bin Polizist. Lehn dich einfach zurück und denke an England. Vielleicht gefällt es dir ja sogar.«

»Ich mag es gar nicht, wenn andere Leute an meinem Körper herumwerkeln – selbst wenn es angenehm ist.«

»Vielleicht gewöhnst du dich richtig dran.«

»Ich werd nicht gern schmutzig – na ja, jedenfalls nicht so schmutzig.«

Steve Doherty lag auf dem Fußboden und machte Übungen für seine Bauchmuskeln, als hinge sein Leben davon ab. Mitten in einem Sit-up hielt er inne, grinste und zwinkerte ihr zu. »Das habe ich aber ganz anders in Erinnerung.«

Sie tat, als hätte sie nichts gehört, und las weiter in der Broschüre für die Wellness- und Schönheitsfarm, in die er sie schicken wollte. Sie sollte dort ein wenig herumschnüffeln, während sie sämtliche Anwendungen in diesem sehr noblen Etablissement über sich ergehen ließ. Eigentlich hatte sie mit strengen Wellness- und Schönheitsritualen nicht viel am Hut, hauptsächlich, weil sie keine Zeit dafür hatte. Steve bekräftigte erneut, das gehöre doch alles zu ihren dienstlichen Pflichten.

»Du bist dir also hundert Prozent sicher, dass es kein Unfall war?«

Steve grunzte zwischen zwei Übungen eine Antwort. »Man kann in Schlamm genauso gut ertrinken wie in Wasser. Ihr Gesicht war mit Schlamm zugeschmiert, und darüber hatte man ein Stück Plastik gebreitet, das Löcher zum Atmen hatte.«

»Damit die Wärme drin bleibt«, erklärte Honey.

»Tatsächlich?«, antworte Steve mit stoischer Miene. In seinem Alter konnte ihn nichts mehr überraschen, was Frauen taten, um jung und schön – und wer weiß, was noch – zu bleiben.

Honey versicherte ihm, das wäre bestimmt so.

Er nickte. »Gut. Also, wie ich schon sagte, jemand hat diese Plastikmaske so verschoben, dass die Nase und der Mund der Frau völlig abgedeckt waren, und dann wurde sie heruntergedrückt und in diesem Schlammbad unten gehalten.«

»Was für ein Tod!«, meinte Honey.

Doherty runzelte die Stirn. »Was finden Frauen bloß an Schlamm?«

»Wir mögen alles, was uns eine Chance verspricht, unsere Jugend zu erhalten. Wir Frauen streben ständig nach Vollkommenheit. Das könnt ihr Männer nicht verstehen. Ihr seid mit dem zufrieden, was ihr habt.«

»Oh, verbindlichsten Dank!«

»Das sollte keine Beleidigung sein.«

»Hab ich auch nicht so aufgefasst.«

»Schon irgendwelche Verdächtige?«

»Nein, obwohl jemand gesehen haben will, dass ein abgerissener Typ dort herumlungerte. Aber das nehme ich denen nicht ab. Wieso sollte denn ein Penner um eine Schönheitsfarm herumstreichen?«

Es gab natürlich noch andere Möglichkeiten. Honey nannte eine. »Vielleicht ist die Frau auch eingeschlafen und reingerutscht?«

»Würde man das nicht merken, wenn man plötzlich auf Schlamm rumkaut? Den könnte doch wirklich niemand, absolut niemand für Schokopudding halten?«

Honey gab ihm recht. Die Broschüre, die sie durchblätterte, war auf edelstem Hochglanzpapier gedruckt. The Beauty Spot (Zentrum für Gesundheit und Schönheit) versprach natürliche Therapien, die an so gut wie jedem Körperteil wahre Wunder wirkten. Auch das Gebäude, in dem diese Schönheitsfarm untergebracht war, war sehr schön. Aber andererseits, überlegte sie, welche Frau, die dringend eine Generalüberholung brauchte, würde einen Aufenthalt in einer alten Bruchbude buchen?

»Sieht ganz so aus, als wäre das Mordopfer einfach zu lange geblieben und schlicht nicht mehr erwünscht gewesen«, murmelte Honey.

Man hatte Lady Carlotta Macrottie, eine Frau, die es zu ihrem Lebenszweck gemacht hatte, schön zu bleiben und das Geld ihres Mannes aus dem Fenster zu werfen – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge –, in diesem Luxus-Spa tot in einer Badewanne voller lauwarmem Schlamm aufgefunden. Die Hochglanzbroschüre behauptete von dem Schlamm, der für Gesichtspackungen und Ganzkörperbäder verwendet wurde, er sei voller Natrium, Eisenverbindungen und verschiedener anderer Mineralien, die angeblich sämtlich wunderbar für die Haut waren.

Der Text war völlig überzogen.

Honey las ihn laut vor. »Auch Sie könnten zum Sterben schön sein! Unser Schlamm ist etwas ganz Besonderes. Er stammt aus den vulkanischen Ablagerungen auf Pazifikinseln, deren Einwohner schon lange behaupten, er verleihe ihnen ewige Jugend.«

Steve lag völlig fertig auf dem Boden. »Lady Macrottie hat er aber nichts genutzt.«

Nachdem Honey sich überzeugt hatte, dass Steves Bauchmuskeln nicht sonderlich anders aussahen als vor der Tortur – und genauso attraktiv –, wurde sie nachdenklich. »Hat es da nicht schon einmal einen Fall gegeben, dass jemand in dieser Schönheitsfarm nach einer Behandlung gestorben ist?«

Steve zuckte die Achseln. »Nicht, dass ich wüsste.«

Honey war sich nicht so sicher. Sie schloss ein Auge, denn aus irgendeinem obskuren Grund half ihr das beim Nachdenken. Eine Schlagzeile ging ihr durch den Kopf. Vor einiger Zeit hatte sie etwas in der Western Daily Press gelesen und im Lokalfernsehen gesehen, irgendetwas über eine Frau, die nach einem Schlammbad schreckliche Hautverletzungen erlitten hatte. Es verstand sich von selbst, dass besagte Kundin, die nach der Behandlung nicht zum Sterben schön, sondern grottenhässlich geworden war, das Beauty Spot auf ein kleines Vermögen als Entschädigung verklagte.

Steve schaute nur vage interessiert, als sie ihm das erläuterte.

»Hat sie den Prozess gewonnen?«

Honey schüttelte den Kopf. »Nein. Sie ist gestorben. In der Bäckerei unter ihrer Wohnung ist ein Feuer ausgebrochen. Verkohlte Überreste. Keine Leiche. Keine stichhaltigen Beweise gegen die Schönheitsfarm, dass sie nach all der schlechten Werbung mit einem Feuerzeug dort Amok gelaufen sind. Sie waren ja nur Schuld an ihren Hautverletzungen. Tja, es scheint, dass zum Sterben schön in ihrem Fall genau das bedeutet hat.«

»Und?«

Mit diesem einzigen kleinen Wort und einer hochgezogenen Augenbraue vermittelte er ungeheuer viel. Honey wusste, was er von ihr wollte. Sie musste sich schleunigst da rauswinden, ehe er die Zauberworte sagte und sie weich wurde.

»Eine Zeitlang von Kopf bis Fuß verwöhnt werden, fern von allem; keine Gäste, die dir wegen ihrer quietschenden Bettfedern die Ohren vollheulen; kein Chefkoch, der droht, den Sous-Chef in Stücke zu hacken; und dann wäre da noch deine Mutter …« Der Vorschlag klang von Sekunde zu Sekunde verlockender. Honey wurde schwach.

»Na ja.« Sie versuchte mit aller Macht, noch nicht völlig überzeugt zu wirken.

»Sämtliche Kosten werden übernommen«, fügte er noch hinzu, da er sofort erkannt hatte, dass dies einer ihrer schwachen Augenblicke war. »Von der Stadtverwaltung und der Tourismusbehörde. Ich glaube, Casper hat sich bereits alle beide vorgeknöpft. Wunderschöne Stadt, wunderschöne Menschen – du ahnst, was ich meine?«

Honey zog die Augenbrauen himmelwärts. Casper St. John Gervais war der Vorsitzende des Hotelfachverbands von Bath und einer ihrer Freunde. Er war völlig von dem Gedanken besessen, »Gottes kleinen Garten« vor schweren Verbrechen zu beschützen, und hatte daher beschlossen, dass der Hotelfachverband eine Verbindungsperson zur Kripo brauchte. Und das war Honey. Dabei hatte sie Steve Doherty kennengelernt. Es hatte in ihrer Teilzeitlaufbahn als Kriminalistin einige haarige Augenblicke gegeben. Doherty hatte sie gebeten, diese oder jene interessante Sache zu machen, von denen einige nicht unbedingt etwas mit dem Lösen von Kriminalfällen zu tun hatten. Bisher hatte er allerdings nie von ihr verlangt, sich als verdeckte Ermittlerin zu betätigen.

»Diese Schönheitsfarm liegt außerhalb der Stadt«, meinte sie, nachdem sie die Adresse genau studiert hatte.

»Na, so weit ist das nun auch wieder nicht. Gleich hinter Castle Combe, höchstens vierzig Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Du kannst dich bestimmt ab und zu wegschleichen. Dir den einen oder anderen Schokoriegel im Dorfladen greifen.«

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie geglaubt, dass sie ein, zwei Mal in der Woche in dieses Zentrum gehen sollte. Jetzt sah die Sache ganz anders aus.

»Du musst mindestens einen viertägigen Aufenthalt buchen.«

»Steve, es ist dir vielleicht entgangen, aber das Green River Hotel läuft nicht von allein.«

»Es hat hervorragendes Personal. Hör endlich auf zu glauben, dass alles stillsteht, wenn du einmal nicht da bist. Ein guter Chef macht sich selbst überflüssig, das ist das Geheimnis – habe ich mir sagen lassen.«

Er schaute sie an, als wüsste er, wovon er sprach. Sie hatte das bestimmte Gefühl, dass er diese Weisheit von einer Person aus ihrer näheren Umgebung gehört hatte.

»Hast du dir sagen lassen!« Sie nickte bedächtig, während sie ihn durchdringend anstarrte. Um ihren Worten noch ein wenig mehr Gewicht zu verleihen, stemmte sie eine Hand in ihre wohlgerundete, sogar ziemlich wohlgerundete Hüfte.

»Das Hotel ist doch kein Ein-Frau-Betrieb«, fuhr Doherty fort. »Du bist die Chefin. Du gibst die Anweisungen. Daran solltest du dich wirklich immer wieder erinnern.«

Er rollte sich auf den Bauch und machte nun Liegestütze.

Einen Augenblick lang war Honey ziemlich abgelenkt. Seine Muskeln am Rücken und Hintern waren mindestens genauso attraktiv wie die am Bauch.

»Laut Smudger läuft der Laden praktisch von allein. Die brauchen dich nicht wirklich. Außerdem ist doch immer noch Lindsey da.«

Die Liegestütze brachten ihn kaum außer Atem.

»Ach, wirklich?«

Die Versuchung war einfach zu groß. Sie stellte einen Fuß auf seinen Rücken, und er sackte auf dem Boden zusammen. Mit einem großen »uff!« schnaufte er die Luft aus.

»Du hast also mit meinem Chefkoch gesprochen, was? Dann lass dir mal eines sagen, Steve Doherty, mein Chefkoch hält den Laden nicht am Laufen. Er kümmert sich nicht um die Gäste und hat auch nicht mit meinem Bankmenschen zu tun. Nur weil er in der Küche das Sagen hat, heißt das noch lange nicht, dass der Rest des Hotels von alleine läuft.«

»Lindsey! Nicht vergessen? Ich habe ausdrücklich Lindsey erwähnt.«

Da sprach Doherty wirklich ein wahres Wort gelassen aus. Lindsey Driver konnte alles am Laufen halten. Sie hatte eine Begabung fürs Kommandieren, einen wendigen Geist und jede Menge Chuzpe.

Honey überlegte, dass Doherty ein bisschen gepiesackt werden musste, und man konnte ihn kaum besser piesacken als durch die Erwähnung ihrer Mutter, Mrs. Gloria Cross – viermal verheiratet und auf der Suche nach Ehemann Numero fünf.

»Meine Mutter geht wesentlich öfter in Schönheitssalons als ich. Sie wäre vielleicht viel besser geeignet, deine Spionin in der Schönheitsfarm zu sein.«

Bildete sie es sich ein, oder erschauerte Steve Doherty tatsächlich?

»Aber deine Mutter ist nicht die Verbindungsperson des Hotelfachverbands zur Kripo. Außerdem würde ich unter Umständen selbst Mordgedanken hegen, wenn deine Mutter in diese Sache hineingezogen würde.«

»War nur ein Scherz.«

Eine gute Strategie, dachte sie, weil sie genau wusste, dass ihre Mutter Gloria Cross, die mit den makellosen Fingernägeln und dem perfekt geschminkten Gesicht und der Designer-Kleidung, ihren geliebten Kriminalpolizisten zum Wahnsinn trieb. Wenn sie es recht überlegte, ging es nicht nur ihm so. Ihre Mutter machte auch sie ziemlich nervös.

Sobald sie ihren Fuß von seinem Rücken genommen hatte, rollte Doherty sich herum und fing wieder mit seinen Bauchübungen an.

Wie magisch vom Anblick seiner muskulösen nackten Bauchpartie angezogen, ging sie neben ihm auf alle viere und schaute ihm ins Gesicht. Ihr loses Haar umrahmte ihre beiden Gesichter, als sie sich ihm näherte.

»Was kriege ich, wenn ich es mache?«

Das nervöse Zucken unter seinem rechten Auge, das die Erwähnung ihrer Mutter ausgelöst hatte, hörte sofort auf. Er lächelte erleichtert.

»Vor oder nach der Lösung des Falls?«

»Beides.«

Er grinste. »Mir schweben da ein paar Bonus-Angebote vor. Ein paar als Anzahlung vorab. Ein paar hinterher.«

Was das sein würde, brauchte sie gar nicht zu fragen. Ein Finger machte schon eine Erkundungsreise durch ihr Dekolleté, und irgendwie schien seine Hose zu eng zu werden.

Kapitel 2

Serena Sarabande hatte einen schneeweißen Porzellanteint und kalte blaue Augen. Ihre Wangenknochen waren scharf gemeißelt und ihre hellen Augenbrauen zu einem perfekten Bogen gezupft.

Sie war groß und hatte kantige Schultern, lange Arme und Beine und das Auftreten eines Supermodels. Ihr straff nach hinten gegeltes Haar war kurz und blond, und keiner einzigen Strähne war erlaubt, sich auf ihre marmorharten Gesichtszüge zu verirren.

Die Managerin des Beauty Spot trug einen weißen Arztkittel und strahlte aus jeder Pore die Abgeklärtheit der erfahrenen Expertin aus. Steve Doherty vermutete, dass sie mit diesem Auftritt die Patientinnen beruhigen wollte. Na gut, es umgab sie auch ein Hauch von glamouröser TV-Krankenhaus-Soap, aber wahrscheinlich sprach das viele Leute an und war genau das, was sie hier erwarteten. Steve hätte nicht übel Lust gehabt, sie zu fragen, ob sie als Kind je Doktorspielchen gemacht hatte, aber es war wohl weder der richtige Ort noch die richtige Zeit für solche anzüglichen Erkundigungen. Außerdem würde Honey ihm, wenn sie das je herausfand, wahrscheinlich seine edelsten Teile amputieren – oder zumindest auf die Sperrliste stellen.

Jawohl, Serena Sarabande machte wirklich gewaltig Eindruck. Sie sah aus, als könnte sie mit einem Skalpell umgehen, da würde sie doch mit Augenbrauenpinzette und einem Töpfchen warmem Wachs der Hit sein, oder nicht?

»Sie haben mich bereits befragt«, sagte die Dame, ohne dass ihre Augen in dem Gesicht mit der klassischen Nase, den wie aus Stein gemeißelten Lippen und dem makellosen Teint auch nur einmal blinzelten.

»Stimmt, habe ich.« Er rieb sich über die Stirn und runzelte sie im besten Stil von Columbo, diesem leicht trotteligen Detektiv aus den siebziger Jahren – oder waren es die achtziger Jahre gewesen? Er merkte, dass er sich immer mehr in diese Rolle hineindachte, bis hin zu einer Fingerhaltung, als hätte er eine glimmende Zigarre in der Hand.

»Aber da wären ein paar weitere Dinge, die ich bisher nicht ganz kapiert habe. Es tut mir leid, Sie damit zu belästigen, aber würde es Ihnen etwas ausmachen, einige Punkte noch einmal mit mir durchzugehen?«

Sie nahm hinter einem Schreibtisch aus Chrom und schwarzem Rauchglas Platz. »Ich denke nicht, nein. Also, was kann ich für Sie tun?«

Nicht viel, überlegte er, jedenfalls nicht an der sexuellen Front. Obwohl sie auf den ersten Blick recht aufregend wirkte, war er nach ein paar Minuten in ihrer Gegenwart nicht mehr ganz so begeistert. Zu kühl und professionell für seinen Geschmack.

Er zog sich einen Stuhl heran, auch wenn sie ihn nicht aufgefordert hatte, sich zu setzen. Als er Platz genommen hatte, merkte er, dass sie immer noch höher saß als er, dass sie ihn immer noch hochnäsig von oben herab musterte. Diese Dame ließ bei ihren Kunden keinerlei Zweifel aufkommen, wer hier das Sagen hatte.

»Es tut mir wirklich sehr leid, Sie noch einmal damit zu belästigen, Ms Sarabande«, sagte er mit vorgetäuschter Bescheidenheit – genau wie Peter Falk das seinerzeit gemacht hatte. »Ich muss mir nur in ein paar Punkten etwas mehr Klarheit verschaffen – wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

Serenas Züge blieben tiefgefroren, wenn auch eine Augenbraue fragend in die Höhe gezogen wurde.

Doherty bemerkte das. »Entschuldigung. Das war meine Columbo-Nummer. Wissen Sie, dieser einäugige Typ aus der amerikanischen Krimiserie?«

»Nein.«

Ihre Stimme war so schneidend und eiskalt wie ihr Aussehen. Serena Sarabande erwartete, dass alle Profis so klinisch kühl wie sie selbst waren. Großer Gott, dachte Doherty, ich würde verrückt werden, wenn ich nicht ab und zu ein bisschen rumalbern würde – hier eine kleine Anspielung, da ein bisschen Foppen –, am liebsten mit Honey, überlegte er. Die konnte damit bestens umgehen.

Doherty fühlte sich wie ein Volltrottel und räusperte sich. »Okay. Dann wollen wir mal ein paar Dinge durchgehen.« Er zog Notizbuch und Stift heraus und blätterte die Seiten mit den Strichmännchen und gekritzelten Telefonnummern um, bis er eine leere, saubere Seite erreicht hatte.

Er stellte ein paar allgemeine Fragen, die er schon zuvor abgehakt hatte. Erstens, wer die tote Lady Macrottie gefunden hatte, wann und wie lange Ihre Ladyschaft da im Schlamm untergetaucht gelegen hatte, ehe jemand nach ihr schaute.

Er erinnerte sich, dass eine Angestellte namens Magda Church sich um die Lady gekümmert hatte. Jede Kundin hatte ihre persönliche Betreuerin, die ihr alle Wünsche erfüllte. Die Bedienstete hatte die Lady im Schlammbad liegen lassen und hätte eigentlich alle fünfzehn oder zwanzig Minuten nach ihr sehen müssen. Soweit er feststellen konnte, hatte Magda Church genau das getan.

»Diese Madga Church, die die Leiche gefunden hat, arbeitet sie schon sehr lange für Sie?«

»Zwei Jahre und drei Monate.«

Er machte sich eine Notiz, dass er Ms Church noch einmal befragen müsste. »Das ist aber sehr präzise.«

»Ich bin immer sehr präzise. Bei Fakten bin ich das immer.«

»Umso besser für mich.«

»Schön, dass Sie das so sehen.«

Diese Unterhaltung war so, als sei man in eine Schießerei mit einem erfahrenen Scharfschützen geraten. Ein Schuss auf Serena Sarabande, und sie erwiderte das Feuer; sie war ganz bestimmte eine, die immer das letzte Wort haben musste.

»Eine Einrichtung wie diese hier ist ja sicherlich nicht ganz leicht zu führen«, sagte er und schaltete wieder auf den benutzerfreundlichen Polizisten um. Columbo! Was für ein Trottel!

»Sie brauchen dafür wahrscheinlich auch einige Qualifikationen. Das stimmt doch?«

»Ja.«

»Dann erzählen Sie mal«, sagte er und schlug lässig die Beine übereinander. »Wo lernt man so Zeug wie das hier?«

»Zeug?«

Ihre Augen blitzten, und ihre aufgepolsterten Lippen verzogen sich verächtlich. Zeug war wirklich das verkehrte Wort gewesen. Was hatte er sich dabei bloß gedacht?

Sie holte tief Luft und presste ihre Brüste gegen den bis oben zugeknöpften Arztkittel.

Doherty versuchte sein Möglichstes, um sich zu rehabilitieren. »Die vielen verschiedenen Schönheitsbehandlungen, die kommen ja anscheinend von überall in der Welt. Wie schaffen Sie es, sich für all diese Anwendungen zu qualifizieren? Da muss man sicherlich viel lernen. Und viel Zeit aufbringen.«

Das glaubte er eigentlich nicht; denn wie schwierig konnte es schon sein, einer Frau Schlamm ins Gesicht zu schmieren und sie dann in ein Schlammbad zu stecken? Die Badewanne hatte eine Abdeckung. Man hatte sie ihm gezeigt. Es war gerade so viel Platz darunter, dass die Schultern aus dem Schlamm ragten. Ach, egal. Er hatte sie auf die Palme gebracht, da war eine versöhnliche Bemerkung angesagt.

Irgendetwas an seiner Frage musste ihr wirklich geschmeichelt haben. Sie wurde ein bisschen lockerer und erzählte ihm, sie hätte ihr Handwerk in Venezuela erlernt.

»Ganz schön weit weg.«

»Und in Polen«, fügte sie hinzu. »Ich habe in Polen angefangen. Ich habe dann noch in Italien und Spanien gearbeitet, ehe ich nach Venezuela ging.«

»Es klingt ganz so, als würden Sie Venezuela den Vorzug geben.«

»Das Land sprüht nur so vor Leben«, antwortete sie, allerdings sprühte ihre Stimme etwa so vor Leben wie ein Hintern mit Frostbeulen.

Serena Sarabande war ein Eisberg in Menschengestalt, kalt und am besten weiträumig zu umschiffen, wenn man nicht sinken wollte, ehe man das Reiseziel erreicht hatte.

Nachdem er gegangen war, rief Serena Sarabande bei Dr. Roger Dexter, dem Chefarzt des Etablissements, an.

»Die Polizei ist wieder dagewesen.«

»Du hast ihnen natürlich nichts gesagt.«

»Natürlich nicht.« Ihr stockte der Atem. »Natürlich nicht«, wiederholte sie, und ihre Stimme klang weitaus weicher, weitaus liebevoller als beim Gespräch mit Doherty.

Kapitel 3

Steve war nicht bei Honey eingezogen. Sie hatte ihr Zuhause, er seines. Ab und zu kamen sie zusammen, je nach Dienstzeiten und abhängig davon, ob die Spülmaschine im Green River Hotel nicht gerade wieder streikte. Wenn das passierte und Clint (Rodney) Eastwood nicht zur Hand war, hatte Honey den Schwarzen Peter gezogen; dann gab es einen Abend mit rosa – oder gelben – Gummihandschuhen und mit hingebungsvollem Schrubben von Töpfen und Pfannen. Gelegentlich kam auch eine Schicht als Kellnerin dazwischen. Oder bei Doherty die Polizeiarbeit, obwohl er in letzter Zeit mit dem Dienstplan Glück gehabt hatte.

Sie lagen zusammen im Bett in seiner Wohnung am Camden Crescent. Sie hatten gerade ihre zweite Flasche Wein aufgemacht, als er ihr von seiner Unterredung mit Serena Sarabande berichtete.

»Ein kalter Fisch«, sagt er.

Honey hatte sich in seine Armbeuge geschmiegt und schaute ihn von unten an.

»Ich wette, das sagst du nur so. Ich wette, sie sieht absolut phantastisch aus. Leute, die in solchen Spas arbeiten, tun das gewöhnlich.«

»Kommt drauf an, was du unter phantastisch verstehst. Ich meine, ein Eisberg ist phantastisch, ein schneebedeckter Berggipfel ist phantastisch, eine Eisbombe ist phantastisch …«

»Stopp! Das reicht!« Honey klatschte ihm die Hand auf den Brustkorb. »Jedes Wort, mit dem du sie beschrieben hast, hatte mit Kälte zu tun, ich denke, ich hab’s kapiert. Sie sieht phantastisch aus, aber nicht niedlich.«

Steve seufzte. »Ich glaube, du brauchst dir da gar keine Gedanken zu machen.«

»Warum sollte ich? Ich gehe ja nur für die Anwendungen hin, nicht um Fragen zu stellen.«

»Aber du wirst doch ein bisschen herumschnüffeln? Nicht einfach nur rumliegen und es dir gut gehen lassen?«

Honey warf ihm aus zusammengekniffenen Augen einen vernichtenden Blick zu. »Willst du mich auf den Arm nehmen?«

»Was meinst du?«

»Du erwartest doch nicht, dass ich, mit Schlamm bedeckt und nur von Möhrensaft und Vitaminpillen ernährt, da herumwandere, in der vagen Hoffnung, etwas Nützliches herauszufinden, alles ohne was Richtiges im Magen?«

»Ich hab nicht gesagt, dass sie dir da nur Möhrensaft vorsetzen.«

»Durchsuchen die mein Gepäck, wenn ich ankomme?«

Er beäugte sie misstrauisch. »Du willst doch nicht andeuten, dass du vorhast, da verbotene Vorräte reinzuschmuggeln?«

»Räucherlachs und Fetakäse wären nicht schlecht, und noch eine Schachtel Battenberg-Törtchen von dieser deutschen Discounterkette.«

»Ich weiß, wie man dein Herz erreicht, Hannah Driver.«

»Marzipan geht immer, am besten mit Schokoüberzug. Wenn ich nur an diese Battenberg-Törtchen denke, ist das der reine Orgasmus.«

»Wirklich? Mehr als bei mir?«

Er sah ein wenig geknickt aus, als sie kurz zu überlegen schien.

»Da kann ich mich noch nicht recht entscheiden«, sagte sie schließlich.

»Dir wird’s da gut gehen«, meinte er. »Es ist doch nur für kurze Zeit. Du wirst schon nicht verhungern.«

Sie seufzte. »Was man nicht alles aus Liebe tut.«

»Süße! Wie kann ich dir das je heimzahlen?«

»Meinst du nicht vergelten?«

»Nein, heimzahlen. Und jetzt kannst du mir noch ein bisschen was heimzahlen.«

Honey strich ihm über das stoppelige Kinn. »Da. Mehr ist nicht drin. Ich muss meine Energiespeicher auffüllen. Du willst doch nicht, dass ich mich plötzlich nicht mehr konzentrieren kann, weil es mir an angemessener Ernährung fehlt, oder? Das würde dich sicherlich schrecklich enttäuschen.«

»Höchstwahrscheinlich«, murmelte er zwischen ihren Brüsten hervor.

Honey seufzte, schloss die Augen und genoss es einfach. »In so kurzer Zeit kann mir ja nichts Furchtbares zustoßen, oder? Und die werden mich nicht gleich umbringen, weil ich ihren mageren Speiseplan ein bisschen ergänze?«

»Nur wenn du nicht mit den anderen Insassen – äh, Kundinnen – schwesterlich teilst.« Er schaute zu ihr hoch. Jetzt war sein Blick sehr ernst. »Sei vorsichtig und halte die Augen auf.«

»Geht in Ordnung.«

»Also«, meinte er und machte da weiter, wo er aufgehört hatte, »wann willst du deiner Mutter und deiner Tochter gestehen, dass wir miteinander schlafen?«

»Lindsey ist nicht auf den Kopf gefallen.«

»Und deine Mutter?«

»Daran arbeite ich noch.«

Kapitel 4

»Ich glaube, ein bisschen Ruhe wird mir gut tun«, erklärte Honey, während sie ihre Kommodenschublade durchwühlte, um zu entscheiden, welche Unterwäsche für diesen Anlass angemessen wäre. »Außerdem ist es nur für ein paar Tage. Meinst du, du kommst hier klar?«

Honey und ihre Tochter Lindsey wohnten gemeinsam in dem umgebauten Kutscherhäuschen hinten im Garten. Die Front des Kutscherhäuschens war auf die Rückseite des Hotels gerichtet – eine bequeme Entfernung zwischen zu Hause und dem Arbeitsplatz.

Lindsey schien nach ihrem Badmintonschläger zu suchen. Lindsey war ganz scharf auf Bewegung und Fitness; Honey konnte sich nicht erklären, wo das Mädchen das wohl herhatte.

»Ich komm dich holen, wenn hier was Schreckliches passiert – zum Beispiel, wenn Oma ihren Kopf zur Küchentür reinstreckt«, sagte Lindsey.

Honey fuhr herum. »Was auch immer geschieht, du darfst niemals – wirklich niemals – meine Mutter in die Küche lassen. Unter gar keinen Umständen. Ist das klar?«

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