Innere Sicherheit - von A bis Z - Stefan Goertz - E-Book

Innere Sicherheit - von A bis Z E-Book

Stefan Goertz

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Beschreibung

Das A und O der Inneren Sicherheit Das Lexikon behandelt u.a. Begriffe wie Al-Qaida, Cybercrime, Gewalt gegen Polizeibeamte, Gefährder, Dschihad-Rückkehrer, Hasskriminalität, links- und rechtsextremistische Parteien bis hin zu Querdenker, Organisierte Kriminalität, Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden und verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates. Vielfältige Gefahren Die Innere Sicherheit Deutschlands und die freiheitliche demokratische Grundordnung sind aktuell – wie selten zuvor – durch alle Phänomenbereiche des Extremismus und durch die Organisierte Kriminalität bedroht. Dies beweisen die Anschläge, Attentate und Morde, die in den letzten Jahren von Extremisten sowie Kriminellen in Deutschland verübt wurden. Alle diese Bedrohungen und deren Akteure werden vom Autor in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt und systematisch analysiert. Zuständigkeiten für die Gefahrenabwehr Im Gegensatz dazu stehen die Akteure der Inneren Sicherheit. Diese sind u.a.: Bundesamt und Landesämter für Verfassungsschutz Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik Nachrichtendienste Bundeskriminalamt und Landeskriminalämter Bundespolizei Landespolizeien Ebenfalls in alphabetischer Reihenfolge erläutert der Verfasser deren Aufgaben und Befugnisse, Sicherheitsarchitektur, Strategien und Mittel sowie ihre Vernetzungen. Mit weiterführenden Hinweisen Am Ende jedes Lexikoneintrags folgen Verweise auf thematisch verbundene Begriffe. Weiterführende Quellenangaben dienen der Vertiefung der Materie. Einträge zu den Gefahren: Altermedia, Al-Qaida, auslandsbezogener Extremismus, Anarchisten, Antifa, Antikapitalistische Linke, Antisemitismus, Antiziganismus, Anti-Asyl, Artgemeinschaft, Autonome, Clankriminalität, »Combat 18«, »COMPACT«-Magazin, Cybercrime, de.indymedia.org, DHKP-C, »Der III. Weg«, »Der große Austausch«, »großer Austausch«, »Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU)«, »Ein Prozent e.V.«, Einzeltäter, Fake News, Furkan Gemeinschaft, Gewalt gegen Polizeibeamte, »Geeinte deutsche Völker und Stämme«, Gefährder, Gruppe Freital, Gruppe S, Hamas, Hasskriminalität (hate crime), Hizb Allah (Hizbullah), Hooligans, »Identitäre Bewegung«, »Institut für Staatspolitik», Interventionistische Linke, Islam-/Muslimfeindlichkeit, Islamismus, »Islamischer Staat« (IS), islamistische und jihadistische Internetinhalte, Jihad-Rückkehrer, Kameradschaften, »Kampf der Nibelungen«, linksextremistische Parteien, Menschenhandel, Milli Görüs, Muslimbruderschaft, Neonazis, »Nordadler«, Neue Rechte, »Oldschool Society« (OSS), Organisierte Kriminalität, PKK, »QAnon«, »Querdenker«, Radikalisierungsverläufe, Rassismus, Rauschgiftkriminalität, rechtsextremistische Parteien, rechtsextremistische Musik, Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden, Rechtspopulismus, Rockerkriminalität, Rote Hilfe e.V., Salafismus, Schleusungskriminalität, Spionage, Spionageabwehr, Terrorismusfinanzierung, »Ülkücü«-Bewegung (Graue Wölfe), verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates, Verschwörungserzählungen Einträge zu den Behörden: Antiterrordatei, Bundesministerium des Innern, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bundesamt f. Verfassungsschutz, Bundesamt f. d. Militärischen Abschirmdienst, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und seine Aufgaben/Befugnisse, Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Cybersicherheit, Drohnenabwehr, Dunkelfeldforschung, Viktimisierungssurveys, Eurojust, Europol, Geheim- und Sabotageschutz, Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum, Gemeinsames Internetzentrum, GSG 9, Gemeinsames Terrorismuabwehrzentrum, Innenministerkonferenz, Landesämter für Verfassungsschutz, Landespolizeien, Landeskriminalamt/Landeskriminalämter, Nationales Cyber-Abwehrzentrum, Polizei beim deutschen Bundestag, Polizeilicher Staatsschutz, Polizeiliche Schutzaufgaben Ausland, Prävention, ...

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

1. Auflage, 2022

ISBN 978-3-415-07283-1

© 2022 Richard Boorberg Verlag

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © RocknRoller Studios – stock.adobe.com

E-Book-Umsetzung: abavo GmbH, Nebelhornstraße 8, 86807 Buchloe

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart

Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresden

www.boorberg.de

Gewidmet den Toten und Verletzten extremistischer Gewalt und terroristischer Anschläge sowie ihren Angehörigen.

Vorwort

Die Innere Sicherheit Deutschlands und die freiheitliche demokratische Grundordnung sind aktuell – wie selten zuvor – durch alle Phänomenbereiche von Extremismus sowie durch zahlreiche Akteure besonders bedroht.

Zahlreiche Anschläge wurden in den letzten Jahren von Extremisten in Deutschland verübt. Im Phänomenbereich Rechtsextremismus sind hier der sog. Nationalsozialistische Untergrund (NSU) und seine rechtsterroristischen Morde zu nennen, der Anschlag auf die damalige Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker, der Anschlag im Olympia-Einkaufszentrum in München, der Anschlag auf Walter Lübcke, der rechtsterroristische Mordversuch am eritreischen Flüchtling Bilal M., der geplante Anschlag auf die Synagoge in Halle und zwei im Zusammenhang damit verübte ­Morde, sowie der rechtsterroristische Anschlag in Hanau mit zahlreichen Ermordeten.

Neben diesen rechtsterroristisch motivierten Anschlägen, Attentaten und Morden müssen auch die zahlreichen rechtsextremistisch-rechtsterroristischen Organisationen bzw. Gruppen der jüngeren Vergangenheit, wie „Weisse Wölfe Terrorcrew“ (WWT), „Oldschool Society“ (OSS), „Nordadler“, „Kameradschaft Aryans“, „Gruppe Freital“, „Revolution Chemnitz“, „Combat 18“, Gruppe „Nordkreuz“ sowie „Gruppe S“, erwähnt werden.

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ bewerten staatliche Maßnahmen – damit auch diejenigen zur Eindämmung der Corona-Pandemie – als unrechtmäßig und lehnen sie vehement ab. Die deutschen Sicherheitsbehörden konstatieren, dass sich „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ im Jahr 2020 teilweise nicht mehr darauf beschränkt haben, im Zusammenhang mit „Hygiene-Demonstrationen“ ihren Protest zu äußern, sondern auch körperliche Gewalt angewendet haben, zum Beispiel gegen eingesetzte Polizeikräfte.

In Bezug auf Corona-Demonstrationen stellte das Bundesamt für Verfassungsschutz im August 2020 fest, dass das Teilnehmerfeld bis dahin „äußerst heterogen, in seinem Kern jedoch demokratisch“ war. Doch seither nehmen „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, Rechtsextremisten und Ver­schwörungsgläubige zunehmend Einfluss auf Corona-Demonstrationen. Seit Sommer 2020 beobachteten die deutschen Verfassungsschutzbehörden, dass mehrere rechtsextremistische Protagonisten dazu aufgerufen hatten, sich an den Demonstrationen gegen die Beschränkungsmaßnahmen organisationsübergreifend zu beteiligen und bei Kundgebungen außerhalb des rechtsextremistischen Spektrums Präsenz in der Öffentlichkeit zu zeigen. Die Initiative „Querdenken 711“ ist Träger und Sprachrohr der Proteste und nimmt deutschlandweit eine führende Rolle ein. „Querdenken 711“ wurde im Dezember 2020 vom baden-württembergischen Verfassungsschutz zum Beobachtungsobjekt Extremismus erhoben. Im April 2021 richtete das Bundesamt für Verfassungsschutz einen neuen Phänomenbereich von Extremismus ein, die „verfassungsschutzrelevante“ Delegitimierung des Staates.

Im Phänomenbereich islamistischer Terrorismus wurden in Deutschland seit 2011 zehn islamistische Anschläge mit zahlreichen Toten und Verletzten verübt, darunter die Anschläge am Frankfurter Flughafen 2011, der Anschlag auf einen Bundespolizisten am Hauptbahnhof Hannover 2016, der Anschlag von drei jugendlichen Salafisten auf einen Sikh-Tempel in Essen 2016, der Anschlag in einer Regionalbahn bei Würzburg 2016, der Anschlag in Ansbach 2016 eine Woche später, der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin am 19. Dezember 2016, der Anschlag in einem Supermarkt in Hamburg 2017 und drei Anschläge im Jahr 2020, darunter der Anschlag eines syrischen Gefährders mit homophober Motivation am 4.10.2020 in Dresden.

Das linksextremistische Personenpotenzial liegt aktuell bei über 34.000 Personen, die Zahl der gewaltorientierten Linksextremisten liegt bei etwa 9.600 Personen, damit ist mehr als jeder vierte Linksextremist als gewaltorientiert einzuschätzen. In den letzten Jahren ist ein deutlicher Anstieg linksextremistischer Straf- und Gewalttaten zu verzeichnen. Nach Angaben der deutschen Verfassungsschutzbehörden begehen verschiedene gewaltbereite linksextremistische Gruppen immer mehr und immer erheblichere Straf- und Gewalttaten.

Die Bedrohungen der Inneren Sicherheit Deutschlands und die Akteure, von denen diese ausgehen, sind zahlreich. Sie umfassen u.a.: Altermedia, Al Qaida, auslandsbezogener Extremismus, Anarchisten, Antifa, Antikapitalistische Linke, Antisemitismus, Antiziganismus, Anti-Asyl, Artgemeinschaft, Autonome, Clankriminalität, „Combat 18“, „COMPACT“-Magazin, Cybercrime, de.indymedia.org, DHKP-C, „Der III. Weg“, „Der große Austausch“, „großer Austausch“, Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU), „Ein ­Prozent e.V.“, Einzeltäter, Fake News, Furkan Gemeinschaft, Gewalt gegen Polizeibeamte, „Geeinte deutsche Völker und Stämme“, Gefährder, Gruppe Freital, Gruppe S, Hamas, Hasskriminalität (hate crime), Hizb Allah (Hizbullah), Hooligans, „Identitäre Bewegung“, „Institut für Staatspolitik“, Interventionistische Linke, Islam-/Muslimfeindlichkeit, Islamismus, „Islamischer Staat“ (IS), islamistische und jihadistische Internetinhalte, Jihad-Rückkehrer, Kameradschaften, „Kampf der Nibelungen“, linksextremistische Parteien, Menschenhandel, Milli Görüs, Muslimbruderschaft, Neonazis, „Nordadler“, Neue Rechte, „Oldschool Society“ (OSS), Organisierte Kriminalität, die PKK, „QAnon“, „Querdenker“, Radikalisierungsverläufe, Rassismus, Rauschgiftkriminalität, rechtsextremistische Parteien, rechtsextremistische Musik, Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden, Rechtspopulismus, Rockerkriminalität, Rote Hilfe e.V., Salafismus, Schleusungskriminalität, Spionage, Spionageabwehr, Terrorismusfinanzierung, „Ülkücü“-Bewegung (Graue Wölfe), Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates sowie Verschwörungserzählungen. Diese Bedrohungen und ihre Akteure werden hier vorgestellt und systematisch analysiert.

Zu den Akteuren der Inneren Sicherheit, ihrer Sicherheitsarchitektur, ihren Strategien und Mitteln gehören u.a.:

Antiterrordatei, Bundesministerium des Innern und für Heimat, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und seine Aufgaben/Befugnisse, Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Cybersicherheit, Drohnenabwehr, Dunkelfeldforschung, Viktimisierungssurveys, Eurojust, Europol, Geheim- und Sabotageschutz, Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehzentrum, Gemeinsames Internetzentrum, GSG 9 der Bundespolizei, Gemeinsames Terrorismuabwehrzentrum, Innenministerkonferenz, Landesämter für Verfassungsschutz Landespolizei / Landespolizeien, Landeskriminalamt / Landeskriminalämter, Nationales Cyber-Abwehrzentrum, Polizei beim deutschen Bundestag, Polizeilicher Staatsschutz, Polizeiliche Schutzaufgaben Ausland, Prävention, Predictive Policing, R – RADAR-iTE, RADAR-rechts, Rechtsextremismusdatei, Spezialeinsatzkommando, Videoüberwachung des öffentlichen Raumes sowie das Zollkriminalamt. Diese Akteure der Inneren Sicherheit, ihre Sicherheitsarchitektur, ihre Strategien und Mittel werden hier komprimiert dargestellt und ihre Vernetzung aufgezeigt.

Die Zielgruppen dieses Lexikons sind u.a.:

•Polizei (Bundespolizei, Landespolizeien, Bundeskriminalamt, Landeskriminalämter, Staatsschutzabteilungen, Spezialeinsatzkommandos, Mobile Einsatzkommandos)•Hochschulen und Akademien der Polizeien•Verfassungsschutzbehörden (Verfassungsschutz auf der Ebene Bund und Länder sowie das Bundesamt Militärischer Abschirmdienst – BMAD)•Hochschulen und Akademien der Verfassungsschutzbehörden•Justiz•Politische Bildung, Bundeszentrale und Landeszentralen•Bildung und Kultus (auf den Ebenen Bund und Länder, vor allem die Kultusministerien der Bundesländer)•Schulen•Justizvollzugsanstalten•Regierungspräsidien•Bezirksregierungen•Akteure im Bereich von Prävention•u.a.

Die Inhalte dieses Lexikons sind wissenschaftlich-analytisch mit folgenden Fächern und Fakultäten verbunden:

•Politikwissenschaft•Sozialwissenschaften•Rechtswissenschaft•Psychologie•Soziologie•Sozialpädagogik•Soziale Arbeit•Geschichtswissenschaft•Informatik•u.a.

Innere Sicherheit ist der Schutz des Staates und der Gesellschaft vor Kriminalität, Extremismus, Terrorismus und damit verbundenen Bedrohungen. Der Staat hat die Aufgabe, die Innere Sicherheit zu gewährleisten. Dafür sind die Regierungen, ihre Minister und die Sicherheitsbehörden verantwortlich. Sicherheit für die Bürger zu gewährleisten ist eine Kernfunktion des Staates. Spätestens seit dem 11. September 2001 wird eine Überschneidung der Bereiche Innere und Äußere Sicherheit konstatiert.

Die Akteure der Inneren Sicherheit sind durch die Verfassung und durch Gesetze auf der Grundlage der Volkssouveränität im Rahmen des staatlichen Gewaltmonopols legitimiert. Im Rahmen dieser Legitimation dürfen sie auch Gewalt anwenden und in Grundrechte eingreifen.

Alle Akteure der Inneren Sicherheit werden in diesem Lexikon Innere Sicherheit dargestellt und ihre Aufgaben und Befugnisse erläutert.

Danken möchte ich meinen Kollegen der Bundespolizei und anderer Sicherheitsbehörden für ihre Anregungen und Fragen zum Bereich Innere Sicherheit.

Dieses Lexikon beschreibt u.a. die Akteure, die jeden Tag für unsere Sicherheit einstehen, sich mit ihrem Leben für unsere Sicherheit einsetzen. Für diese Akteure der Inneren Sicherheit ist dieses Lexikon zusammengestellt worden.

Lübeck, im August 2022

Prof. Dr. Stefan Goertz

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Inhalt

A

Altermedia

Alternative für Deutschland (AfD)

Al Qaida

Anarchisten

„Anti-Asyl“

„Antifaschistische Aktion“ („Antifa“)

Antikapitalistische Linke

Antisemitismus

Antiterrordatei (ATD)

Antiziganismus

„Artgemeinschaft“

Asyl / Asylbewerber / Asylberechtigte / Asylverfahren

Auslandsbezogener Extremismus

Autonome

B

„Blood&Honour“

Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBR)

Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD)

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)

Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)

Bundeskriminalamt (BRA)

Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI)

Bundespolizei

C

Clankriminalität

„Combat 18 Deutschland“

„COMPACT-Magazin“, „COMPACT-Magazin GmbH“, „COMPACT TV“

Cybercrime

Cybersicherheit

Cyberterrorismus

D

Das Nationale Cyber-Abwehrzentrum

HYPERLINK "http://de.indymedia.org" \h

„Der III. Weg“

DHKP-C

„DIE RECHTE“

Drohnen / Drohnenabwehr

Dschihad-Rückkehrer (internationale Foreign Fighters)

Dunkelfeld / Dunkelfeldforschung

E

„Ein Prozent e. V.“

Einzeltäter

Eurojust

Europol

Extremismus

F

Fake News

„Freie Sachsen“

Freiheitlich-demokratische Grundordnung (fdGO)

„Furkan Gemeinschaft“

G

„Geeinte deutsche Völker und Stämme“

„Gefährder“

Geheim- und Sabotageschutz

Geldwäsche

Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum ­illegale Migration (GASIM)

Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ)

Gemeinsames Internetzentrum (GIZ)

Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ)

Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA)

Gewalt gegen Polizeibeamte

„Großer Austausch“/„Der große Austausch“

„Gruppe Freital“

„Gruppe S“

GSG 9

H

Hamas

Hammerskins

Hizb Allah

Hooligans

I

„Identitäre Bewegung“

Ideologie

Innenministerkonferenz (IMK)

Innere Sicherheit

Institut für Staatspolitik

Interventionistische Linke

Islam/-Muslimfeindlichkeit

„Islamischer Staat“, der „Islamische Staat“, IS

Islamismus

Islamistische und dschihadistische Internetinhalte

Islamistischer Terrorismus / Dschihadismus

J

Junge Nationalisten

K

Kameradschaften

„Kampf der Nibelungen“

Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge

Kritische Infrastrukturen (KRITIS)

L

Landesamt für Verfassungsschutz / Landesämter für Verfassungsschutz / Abteilungen für Verfassungsschutz

Landeskriminalamt / Landeskriminalämter

Legalistischer Islamismus / legalistische Islamisten

Linksextremismus

M

„marx21“

Marxismus-Leninismus

Menschenhandel

„Millî Görüş“ / „Millî Görüş“-Bewegung

Muslimbruderschaft

N

Nachrichtendienstliches Informationssystem (NADIS)

„Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU)

Neonazis / Neonationalsozialisten

Neue Rechte

„Nordadler“

NPD, „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“

O

„Oldschool Society“

Organisierte Kriminalität

P

Pegida

Periodischer Sicherheitsbericht

PKK – Partiya Karkerên Kurdistan

Politisch motivierte Kriminalität

Polizei beim deutschen Bundestag

Polizei / Polizeien der Länder / Landespolizei / Landespolizeien

Polizeiliche Kriminalprävention

Polizeiliche Kriminalstatistik

Polizeiliche Schutzaufgaben Ausland der Bundespolizei (PSA BPol)

Polizeiliches Informationssystem (INPOL)

Populismus

Predictive Policing

Q

„QAnon“

„Querdenker“

R

RADAR-iTE

RADAR-rechts

Radikalisierung / Radikalisierungsverlauf / Radikalisierungsprozess

Radikalismus

Rassismus

Rauschgiftkriminalität

„REBELL“

Rechtsextremismus

Rechtsextremismusdatei

Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und in der Bundeswehr

Rechtsextremistische Musik

Rechtspopulismus

Rechtsstaatsprinzip

Rechtsterrorismus

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“

Rockerkriminalität

„Rote Hilfe“

S

Salafismus

Schleusungskriminalität

Skinheads

„Sozialistische Linke“ (SL)

Spezialeinsatzkommando (SER)

Spionage / Spionageabwehr

Staatsschutz / Staatsschutzdelikte

T

Terrorismus

Terrorismusfinanzierung / Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung

Trennungsgebot

U

„Ülkücü“-Bewegung / „Graue Wölfe“

V

Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates

Versammlungen / Versammlungsrecht

Verschwörungserzählungen / Verschwörungstheorien

Videoüberwachung im öffentlichen Raum zur Gefahrenabwehr

Z

Zollkriminalamt

A

Altermedia

Die Internetseite Altermedia war viele Jahre das wichtigste rechtsextremistische Online-Nachrichtenportal im deutschsprachigen Raum. Sie war Teil eines weltweiten Netzwerkes von rechtsextremistischen Nachrichtenseiten. Im Jahr 2003 ging die deutsche Version als Nachfolgeprojekt des 1998 gegründeten Störtebeker-Netzes online. Altermedia diente der rechtsextremistischen Szene als Vernetzungsplattform, Mobilisierungsseite und als Ort für Strategiedebatten. Im Januar 2016 sprach der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière ein Verbot gegen das Portal aus und ließ den Server in Russland abschalten (BpB 2022). Die Bundesanwaltschaft wurde wegen der „besonderen Bedeutung des Falles“ eingeschaltet und ließ zeitgleich zum Verbot zwei mutmaßliche Betreiber der Plattform festnehmen. In der Verbotsverfügung heißt es, die Internetseite diene „der massenhaften und systematischen Verbreitung rechtsextremistischen und nationalsozialistischen Gedankenguts.“ Die strafbaren Inhalte des Internetportals würden „andere Rechtsextremisten zu weiteren Straftaten ermuntern und schaffen dadurch ein Klima der Angst bei den betroffenen Personengruppen“ (BpB 2022). 

Illegale Rechtsrock-Konzerte wurden auf Altermedia ebenso beworben wie Aufmärsche und andere Veranstaltungen. Häufig wurden auch Fotos, Namen und Adressen von missliebigen Politikern, Gewerkschaftern und Journalisten auf die Seite gestellt und zur Gewalt gegen sie aufgerufen. Bereits 2012 wurde Altermedia deshalb von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert.

Im Jahr 2011 wurden die damaligen Betreiber der Seite, Robert R. und das frühere NPD-Mitglied Axel Möller, unter anderem wegen Volksverhetzung, Aufforderung zu Straftaten und Holocaustleugnung vom Landgericht ­Rostock zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Im Februar 2018 hat das Oberlandesgericht Stuttgart den neuen Betreiber der Seite wegen Volksverhetzung und der Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Haftstrafe und drei weitere Macherinnen der Seite zu Bewährungsstrafen verurteilt (BpB 2022). In Ländern wie Frankreich, Belgien und den USA gibt es weiterhin Altermedia-Seiten mit Nachrichten für die lokale rechtsextremistische Szene.

→Rechtsextremismus

🕮 Quellen

▶Bundeszentrale für politische Bildung (2022): Themen. Politik. Extremismus & Radikalisierung. Rechtsextremismus. Glossar. Altermedia. https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/500757/altermedia/ (8.3.2022) (BpB 2022).

Alternative für Deutschland (AfD)

Decker analysiert für die Bundeszentrale für politische Bildung, dass sich mit der 2013 gegründeten Alternative für Deutschland (AfD) zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik eine Partei am rechten Rand des Parteiensystems deutschlandweit langfristig über mehrere Bundestags- und Landtagswahlen etabliert hat. Als den unmittelbaren Entstehungsanlass wird die 2010 einsetzende Krise der europäischen Währungsunion beschrieben. Inzwischen prägen nach Angaben von Decker vor allem die Anti-Positionen in der Asyl- und Zuwanderungspolitik sowie die populistische Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Eliten ihr öffentliches Bild (Decker 2020).

Die AfD knüpfte bei ihrer Gründung an diverse Vorgängerorganisationen an, stellte ansonsten aber eine Neuschöpfung dar. Den unmittelbaren Entstehungsanlass lieferte die 2010 einsetzende Krise der europäischen Währungsunion, gegen die Maßnahmen zu deren Bekämpfung durch die EU-Institutionen und -Mitgliedsstaaten sich 2012 zunächst das Bündnis Bürgerwille und anschließend die Wahlalternative 2013 formierte. Aus dieser ging die im Februar 2013 offiziell gegründete AfD hervor. Treibende Kraft im Gründungsprozess und als einer ihrer drei Sprecher zugleich das wichtigste Aushängeschild der neuen Partei war der Hamburger Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke, der ebenso wie der spätere Vorsitzende ­Alexander Gauland vorher CDU-Mitglied gewesen war. Unter Lucke bildete die Partei ein gemäßigtes ideologisches Profil heraus, das marktwirtschaftlich liberale mit gesellschaftspolitisch konservativen Positionen verband und sich im Übrigen weitgehend auf das Euro-Thema konzentrierte. Der Keim des Rechtspopulismus war in der AfD zu dieser Zeit nach Angaben von Decker aber längst angelegt (Decker 2020b).

Luckes Niederlage gegen Frauke Petry bei der Wahl zum Vorsitzenden auf dem Essener Parteitag im Juli 2015 führte zur Spaltung der AfD. Dazu trug nicht zuletzt die im September 2015 einsetzende Flüchtlingskrise bei, die die Partei in den Umfragen massiv nach oben trieb und ihr bei den Landtagswahlen im Frühjahr und Herbst 2016 Rekordergebnisse einbrachte. Bei der Bundestagswahl 2017 konnte sie die Zahl ihrer Wähler gegenüber 2013 fast verdreifachen und mit einem zweistelligen Resultat als drittstärkste Kraft in den Bundestag einziehen (Decker 2020b).

Frauke Petry erklärte nach der Bundestagswahl 2017 ihren Austritt aus der Bundestagsfraktion und der Partei. Letztere wurde danach von Jörg Meuthen und Alexander Gauland als gleichberechtigten Vorsitzenden geführt.

Die AfD verfügt in den ostdeutschen Bundesländern nach Angaben von Decker über ein doppelt so hohes Wählerpotenzial wie im Westen. In Westdeutschland schneidet sie bei den Wahlen wiederum im Süden besser ab als im Norden. Fast zwei Drittel der AfD-Wähler sind männlich, bei den Altersgruppen dominieren die mittleren Jahrgänge. Bei den Berufsgruppen lässt sich kein klares Muster herauslesen, hier scheint die AfD vor allem bei den abstiegsgefährdeten Wählern erfolgreich zu sein. Deutliche Unterschiede zu den anderen Parteien zeigen sich hingegen mit Blick auf die Einstellungsmerkmale. Die AfD-Wähler weisen hier sehr viel höhere Unzufriedenheitswerte und eine größere Nähe zu rechtsextremistischen Überzeugungen auf (Decker 2020b).

Ideologisch und programmatisch reiht sich die AfD in die Parteienfamilie des europäischen Rechtspopulismus ein. Dessen Hauptmerkmal sind die Anti-Establishment-Orientierung und der Anspruch, den „wahren“ Volkswillen zu vertreten, was unter anderem in der Forderung nach „mehr direkter Demokratie“ zum Ausdruck kommt. Das anfänglich dominierende Eurothema und die marktliberale Ausrichtung haben in der Programmatik der AfD an Bedeutung eingebüßt. Seit der Flüchtlingskrise prägen vor allem die Anti-Positionen in der Asyl- und Zuwanderungspolitik ihr öffentliches Bild, was sich zugleich in der parlamentarischen Arbeit widerspiegelt (Decker 2020b).

Das Bundesamt für Verfassungsschutz bearbeitete den Personenzusammenschluss „Der Flügel“ innerhalb der AfD seit Januar 2019 als Verdachtsfall Rechtsextremismus und stufte diesen am 12. März 2020 als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung ein. Laut Bundesamt für Verfassungsschutz lagen dieser Einschätzung vor allem die fortgesetzte Verbreitung völkischer und fremdenfeindlicher Positionen durch „Flügel“-Anhänger zugrunde (BMI 2021, S. 92–93). Nach der Einstufung des „Flügels“ als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung im März 2020 fasste der AfD-Bundesvorstand einen Beschluss, in dem er die Selbstauflösung des „Flügels“ forderte. Diese erfolgte zum 30. April 2020. In der Umsetzung bedeutete die Auflösung vor allem den Verzicht auf die Verwendung des „Flügel“-Logos, das Abschalten der offiziellen Internetauftritte des „Flügels“ sowie den Verzicht auf offizielle „Flügel“-Veranstaltungen. Ungeachtet dieser formalen Selbstauflösung waren nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Jahr 2020 weiterhin Fortsetzungsaktivitäten des Personenzusammenschlusses „Der Flügel“ zu beobachten (BMI 2021, S. 94). Björn Höcke selbst beschrieb in zwei Interviews, er könne als führender Funktionär des „Flügels“ lediglich dessen öffentliche Auftritte beenden, wie beispielsweise die Facebook-Seite des „Flügels“, nicht aber die inhaltliche und ideologische Einflussnahme auf die Gesamtpartei. Die Personen aus dem Umfeld des „Flügels“ seien laut Höcke auch nach dessen Auflösung in der Partei aktiv. Ähnlich äußerte sich auch der ehemalige Landesobmann des „Flügels“ für Sachsen. So sei die Grundhaltung des „Flügels“ schon vor der formalen Auflösung in die Gesamtpartei „eingesickert“ (BMI 2021, S. 94).

Die ideologischen Standpunkte des „Flügels“ ergeben sich in der Analyse des Bundesamtes für Verfassungsschutz vor allem aus den Reden seiner exponierten Funktionäre sowie aus Verlautbarungen über die offiziellen Kommunikationskanäle. „Das durch den ‚Flügel‘ propagierte Politikkonzept ist auf Ausgrenzung, Verächtlichmachung und letztlich weitgehende Rechtlosstellung von Migranten, Muslimen und politisch Andersdenkenden gerichtet“, stellte das Bundesamt für Verfassungsschutz fest (BMI 2020, S. 84). Nach Auffassung von „Flügel“-Funktionären ist das Überleben des – biologistisch definierten – Volkes bedroht. Wie ein roter Faden durchzieht deren Reden deshalb die Warnung vor einer vermeintlich bevorstehenden „Abschaffung“ und „Auflösung“ Deutschlands. „Kulturfremde“ Migranten gelten dem „Flügel“ durchweg als nicht integrierbar, weswegen ihnen eine Bleibeperspektive konsequent zu verwehren sei. Diese Annahme wird durch pauschal flüchtlings- und muslimfeindliche Äußerungen verstärkt, indem Migration in ihren Auswirkungen als „Zivilisationsbruch“ verunglimpft und bezogen auf ihre finanziellen, ökonomischen und sozialen Folgen für die einheimische Bevölkerung mit einem Krieg gleichgesetzt wird (BMI 2020, S. 85–86).

Die „Junge Alternative für Deutschland“ (JA) der AfD wurde 2013 gegründet und ist nach § 17 a der Parteisatzung die offizielle Jugendorganisation der AfD. Im Januar 2019 stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz die JA als Beobachtungsobjekt (Verdachtsfall Rechtsextremismus) für das Bundesgebiet ein. Die JA verfügt über 15 Landesverbände, die sich wiederum in Bezirks- und Kreisverbände untergliedern. Im Jahr 2020 gehörten der JA circa 1.600 Mitglieder an. Die Ideologie der JA ist nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz durch einen ethnisch-kulturell geprägten Volksbegriff bestimmt, der im Widerspruch zur Offenheit des Staatsvolksverständnisses des Grundgesetzes steht (BMI 2021, S. 96). Daneben finden sich fremden- und minderheitenfeindliche Einstellungen in der JA wieder, denen mit z. T. aggressiver Rhetorik Nachdruck verliehen wird. Dazu kommen Äußerungen zum Parlamentarismus, in denen dieser regelmäßig durch Vergleiche mit totalitären Regimen verunglimpft wird. Diese Äußerungen von Mitgliedern der JA enthalten Anhaltspunkte für Bestrebungen, die sich gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip richten. So war beispielsweise vor der Verabschiedung des Dritten Bevölkerungsschutzgesetzes davon die Rede, dass man „Auf dem Weg in die totale Corona-Diktatur“ sei (BMI 2021, S. 97). Durch diskriminierende Positionen zu Muslimen und die Ablehnung jeglichen Moscheebaus missachtet die JA außerdem die Religionsfreiheit. Laut Bundesamt für Verfassungsschutz sind bei der JA tatsächliche Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht dafür feststellbar, dass ihre zentrale politische Vorstellung die Erhaltung des deutschen Volkes in seinem ethnischen Bestand sowie den Ausschluss von ethnisch „Fremden“ beinhaltet. Ein derart völkisch-abstammungsmäßiger Volksbegriff verstößt gegen die Menschenwürde. Vor allem der behauptete „Große Austausch“ des deutschen Volkes, dessen „Abschaffung“ und „Umvolkung“ durch „Messermigranten“ ist sichtbar darauf gerichtet, Migranten die Menschenwürde abzusprechen (BMI 2021, S. 98).

Am 8.3.2021 urteilte das Verwaltungsgericht Köln, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD deutschlandweit als Verdachtsfall Rechtsextremismus einstufen darf. Damit kann die Partei AfD nun als Ganzes beobachtet werden. In der Konsequenz des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln dürfen die Verfassungsschutzbehörden nun nachrichtendienstliche Mitteln einsetzen, E-Mails mitlesen, Telefone abhören, V-Leute einsetzen. Zahlreiche Äußerungen von AfD-Vertretern hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz vor Gericht angeführt – als Beleg für pauschale Muslim-, Migranten- oder Demokratiefeindlichkeit. So ging es etwa um die Behauptung von AfD-Politikern, dass es „Passdeutsche“ gebe im Gegensatz zu „ethnischen Deutschen“ (ZDF 2022). Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln zur Gesamt-AfD ist ein Novum in der deutschen Parteiengeschichte. Noch nie durfte eine Bundestagspartei als Ganzes von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet werden. Die Verfassungsschutzbehörden dürfen mit der Beobachtung der Gesamtpartei AfD allerdings nicht sofort beginnen. Derzeit gilt noch ein sogenannter Hängebeschluss, mit einem weiteren Eilbeschluss werden die Richter zeitnah regeln, wie zu verfahren ist, bis rechtskräftig über den Fall entschieden ist. Denn gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln kann noch Berufung eingelegt werden.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, kommentierte das Urteil mit den Worten: „Es ist ein Sieg für die Demokratie in Deutschland und ein guter Tag für die Demokratie in Deutschland“ (ZDF 2022). Mit Blick auf AfD-Mitglieder im öffentlichen Dienst erklärte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dass „bei Beamten und anderen dort Beschäftigten eine Mitgliedschaft in der AfD durchaus kritisch zu sehen“ sei und er sich vorstellen könne, dass es nun in zahlreichen Fällen „Einzelfallprüfungen geben wird, wo geprüft wird, ob diese Personen im öffentlichen Dienst verbleiben können“.

→Rechtsextremismus

→NPD, „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“

→„DIE RECHTE“

→Islam/-Muslimfeindlichkeit

🕮 Quellen

►Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2021): Verfassungsschutzbericht 2020. Berlin.►Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020): Verfassungsschutzbericht 2019. Berlin.►Decker, F. (2020): Alternative für Deutschland. https://www.bpb.de/themen/parteien/parteien-in-deutschland/afd/ (20.2.2022).►Decker, F. (2020b): Kurz und bündig: Die AfD. https://www.bpb.de/themen/parteien/parteien-in-deutschland/afd/211108/kurz-und-buendig-die-afd/ (20.2.2022).►Frankfurter Allgemeine Zeitung (2022): Urteil zu Beobachtung. Eine „schallende Ohrfeige“ für die AfD. 9.3.2022. https://www.faz.net/aktuell/politik/afd-urteil-verfassungsschutz-begruesst-einstufung-als-verdachtsfall-17863131.html (20.2.2022) (FAZ 2022).►ZDF (2022): Sieg vor Gericht – Verfassungsschutz darf AfD beobachten. 8.3.2022. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afd-verdachtsfall-verfassungsschutz-urteil-100.html(20.2.2022).

Al Qaida

Al Qaida, (Arabisch القاعدة, übersetzt „die Basis“, „das Fundament“) ist ein weltweit operierendes dschihadistisches Netzwerk unterschiedlicher regionaler dschihadistischer Ableger. Weltweite Bekanntheit erlangte Al Qaida mit dem Anschlag auf das World Trade Center 1993. Der Bombenanschlag am 26. Februar 1993 tötete sechs Personen und verletzte über 1000. Dieser Anschlag war der erste islamistische Terroranschlag auf dem Territorium der USA. Spätestens die dschihadistischen Anschläge am 11. September 2001 in New York und Washington D. C. verdeutlichten der Welt, vor allem der „westlichen Welt“, das terroristische Bedrohungspotenzial, das von der Al Qaida ausgeht. Die beiden Anschläge der Al Qaida auf die US-Botschaften in Nairobi, Kenia, und Daressalam, Tansania am 7. August 1998 – mit 257 Toten und über 5000 Verletzten – und der Anschlag auf das US-Kriegsschiff USS Cole im jemenitischen Hafen von Aden am 12. Oktober 2000 – ein mit Sprengstoff beladenes Schlauchboot riss ein metergroßes Loch in den Rumpf des Schiffs, 17 US-Soldaten wurden getötet – hatten bereits Jahre zuvor den Sicherheitsbehörden der USA und englischsprachigen Politikwissenschaftlern das Bedrohungspotenzial der Al Qaida verdeutlicht. Spätestens seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 ist die Al Qaida ein Global Player in den Bereichen der inneren und äußeren Sicherheit zahlreicher Staaten (Goertz 2022, S. 174).

Die Al Qaida als islamistisch-terroristische Organisation hat ihre Wurzeln in der ersten islamistischen Bewegung, der 1928 in Ägypten gegründeten Muslimbruderschaft. Aus der ägyptischen Muslimbruderschaft entstanden regionale Dschihad-Organisationen, wie beispielsweise die Hamas in Israel/Palästina und der „Islamische Dschihad“ in Ägypten. Zwei Prediger der Muslimbruderschaft mit einer universitären islamisch-theologischen Ausbildung, Dr. Abdullah Azzam und Mohammed Qutb – der Bruder des noch bekannteren Islamisten der ersten Stunde, Sayyid Qutb – hatten seit den 1970er-Jahren Lehrstühle an der König-Abdul-Aziz-Universität in Jiddah, Saudi-Arabien. An der gleichen Universität studierte Osama bin Laden und wie viele seiner Kommilitonen trat auch Osama bin Laden der Muslimbruderschaft bei. In den Personen Abdullah Azzam und Mohammed Qutb fand bin Laden Mentoren und Vorbilder. Diese drei Personen stellen eine personelle Brücke von Saudi-Arabien zum Afghanistan-Krieg der 1980er-Jahre gegen sowjetische Truppen dar. Die Organisation, die Strategie und Taktiken des „afghanischen Dschihad“ der 1980er-Jahre waren das Vorbild für die Al Qaida des 20. Jahrhunderts. Zahlreiche weitere regionale Kleine Kriege des 20. und frühen 21. Jahrhunderts mit Beteiligung internationaler Dschihadisten wurden von dieser nach dem Vorbild Afghanistans unterwandert und internationalisiert: Bosnien, Tschetschenien, Südostasien, ­Somalia, ab 2003 der Irak und seit 2011 Syrien (Goertz 2022, S. 174–175).

Seit der Umbenennung von „Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf“ (GSPC) zu „Al Qaida im islamischen Maghreb“ im Januar 2007 wandelte sich diese von einer rein nationalen, auf Algerien beschränkten dschihadistischen Organisation zu einer überregional aktiven Organisation mit teilweise global-dschihadistischen Zielen. Ihr Operationsgebiet sind die Maghreb-Staaten (im Sinne der „Al Qaida im islamischen Maghreb“ sind damit Tunesien, Algerien, Marokko, Libyen, Mauretanien, Mali und Niger gemeint) beziehungsweise der westafrikanische Teil der Sahelzone, vor allem der Norden Malis. In Mali agiert sie gemeinsam mit weiteren kleinen, regional geprägten dschihadistischen Gruppierungen und mit sympathisierenden Tuareg-Stämmen der Region seit März 2017 unter der einheitlichen Bezeichnung „Jama’at Nasr al-Islam wal Muslimin“ (JNIM) (BMI 2021, S. 233; Goertz 2022, S. 175).

Im Januar 2009 schlossen sich die „Al Qaida im Jemen“ und „Al Qaida“-Kräfte aus Saudi-Arabien zu „Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ (AQAH) zusammen, wodurch die bis dahin ausschließlich im Jemen aktive „Al Qaida im Jemen“ ihren terroristischen Aktionsradius auf Saudi-Arabien erweiterte. Ihr Ziel ist die Errichtung eines islamistischen Staates auf der Arabischen Halbinsel. Seit ihrer Gründung hat die AQAH ihre operative Handlungsfähigkeit durch Anschläge und Anschlagsversuche unter Beweis gestellt. Ziele waren unter anderem der internationale Luftverkehr und staatliche Einrichtungen auf der Arabischen Halbinsel. Der weiter andauernde Krieg im Jemen, auch unter Beteiligung ausländischer Militärkräfte, verschafft der „Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ geeignete Voraussetzungen für ihre terroristischen Aktivitäten (BMI 2021, S. 235; Goertz 2022, S. 175).

„Al-Shabab“ trat erstmals 2006 als Sammlungsbewegung militanter Anhänger der entmachteten „Union islamischer Gerichtshöfe“ in Somalia in Erscheinung. „Al Shabab“ bekämpfte primär die bis zum Jahr 2009 in Somalia stationierten äthiopischen Truppen sowie die damalige somalische Übergangsregierung. Im Anschluss richtete sie ihre terroristischen Aktivitäten auch gegen die im Jahr 2012 eingesetzte offizielle Regierung in Somalia. Im Februar 2012 wurde „Al Shabab“ zudem von der Kern-„Al Qaida“ als regionaler Ableger in Ostafrika anerkannt. Neben Überfällen auf polizeiliche und militärische Kontrollstellen in weiten Teilen Somalias sind ebenso komplexe Anschläge auf von westlichen Personen besuchte Einrichtungen in der somalischen Hauptstadt Mogadischu, aber auch im benachbarten Kenia durch „Al Shabab“ zu verzeichnen. Im Januar 2020 griff „Al Shahab“ einen kenianischen Militärstützpunkt an. Dabei starben drei US-Amerikaner. Mitte August 2020 verübte „Al Shabab“ einen Anschlag auf ein Hotel in Mogadischu. Ein Selbstmordattentäter sprengte die Tore der Hotelanlage mittels einer Autobombe. Im Anschluss stürmten Terroristen das Hotel und nahmen Geiseln. Während des folgenden Feuergefechts wurden alle „Al Shabab“-Kämpfer und elf Geiseln getötet (BMI 2021, S. 236; Goertz 2022, S. 175–176).

Das Bundesamt für Verfassungsschutz analysiert aktuell, dass die von Osama bin Laden gegründete Al Qaida ein islamistisches Regime zumindest in den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern und darauf aufbauend eine globale Ausdehnung anstrebt. Ihr Kampf gilt sowohl dem „äußeren Feind“ (dem westlichen Einfluss, insbesondere den USA und Israel) als auch dem „inneren Feind“ (sogenannten unislamischen Regierungen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika). „Al-Qaida“ versteht sich dabei als Avantgarde einer internationalen dschihadistischen Bewegung. Das weltweite Netzwerk von Regionalorganisationen und klandestinen Unterstützerstrukturen besteht – trotz internationalen militärischen und nachrichtendienstlichen Gegenmaßnahmen – seit Jahren fort. „Al-Qaida“ und der „­Islamische Staat“ konkurrieren um den Einfluss und die Deutungshoheit bei Dschihadisten weltweit (BMI 2021, S. 232; Goertz 2022, S. 176).

Die „Al Qaida“ und der „Islamische Staat“ waren und sind die dschihadistischen Großorganisationen, die sowohl in arabischen, asiatischen und afrikanischen Staaten als auch in der demokratischen, westlichen Welt operieren und über Tausende Unterstützer verfügen. Die Al Qaida entwickelte sich nach dem 11. September 2001 als Reaktion auf die staatlichen Gegenmaßnahmen von einer hierarchisch geführten Organisation zu einem System aus Zellen und Einzeltätern. Der „Islamische Staat“ entwickelte sich aus einer Nachfolge-Organisation der Al Qaida zunächst zu einer dschihadistischen Organisation, dann zu einer Guerilla mit para-militärischen Fähigkeiten im Irak, danach auch in Syrien und existierte ab Juni 2014 als Neo-Kalifat und Quasi-Staat. Die militärischen Niederlagen seit 2016 und verstärkt im Jahr 2017, verbunden mit dem Verlust strategischer Städte, bedeuten allerdings keineswegs das Ende des „Islamischen Staats“ als dschihadistischer Großorganisation, sondern haben im Umkehrschluss eine Intensivierung terroristischer Strategien und Taktiken sowohl in der „islamischen Welt“ als auch in der westlichen Welt zur Folge. Auch auf der Ebene eines Neo-Kalifats ist mittelfristig keinesfalls ausgeschlossen, dass der IS weiterhin über Territorien und Menschen regieren wird (Goertz 2022, S. 176–177).

Das Internet-Magazin der Al Qaida ist INSPIRE. Erschienen sind dort u. a.:

INSPIRE Issue No. 1 “The Schools of Dschihad”

INSPIRE Issue No. 2 “The Open Fronts & The Individual Initiative”

INSPIRE Issue No. 4 “The Military Theory of Open Fronts”

INSPIRE Issue No. 5 “Individual Terrorism Jihad and the Global Islamic Resistance Units”

INSPIRE Issue No. 6 “Practical Stepps for Partaking in Individual Dschihad”

Dort wird auf einer taktisch-operativen Ebene eine Dezentralisierung und Individualisierung des Dschihad als neuem Dschihad propagiert (Goertz 2021, S. 37).

→Islamistischer Terrorismus / Dschihadismus

→„Islamischer Staat“, der „Islamische Staat“, IS

→Islamistische und dschihadistische Internetinhalte

🕮 Quellen

►Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2021): Verfassungsschutzbericht 2020. Berlin (BMI 2021).►Goertz, Stefan (2022): Extremismus und Sicherheitspolitik. Studienkurs für die Polizei und die Verfassungsschutzbehörden. Wiesbaden.►Goertz, Stefan (2021): Der neue Terrorismus. Neue Akteure, Strategien, Taktiken und Mittel. Wiesbaden. 2. Auflage.

Anarchisten

Anarchisten streben eine staats- und herrschaftsfreie Gesellschaftsordnung an und lehnen die Herrschaft von Menschen über andere Menschen ab. Das beinhaltet jede Form staatlicher Hoheitsgewalt, auch die innerhalb freiheitlicher Demokratien. Die Werte von Freiheit und Gleichheit sollen nach Auffassung von Anarchisten „uneingeschränkt in einer vollkommen herrschaftsfreien Staats- und Gesellschaftsordnung gelebt werden können“. Im Unterschied zu Autonomen streben Anarchisten daher nicht nur die Schaffung von „Freiräumen“ innerhalb einer gegebenen Staatsform an. Stattdessen sollen Nationalstaaten ebenso überwunden werden wie die darin etablierten Herrschaftsformen – einschließlich der freiheitlichen Demokratie. Kennzeichnend für die anarchistische Szene ist hierbei ihr hoher Grad an Vernetzung, welche als unerlässlich für die revolutionäre Herbeiführung der anarchistischen Gesellschaft angesehen wird (BMI 2021, S. 152).

Eine stark organisationsgebundene Ausprägung ist der Anarchosyndikalismus mit der Strategie, mittels Branchengewerkschaften die „Produktionsmittel“ zu übernehmen. Syndikalistischen Anarchisten geht es strategisch nicht darum, innerhalb des bestehenden Systems politische Verantwortung zu übernehmen, aus der heraus sie gesellschaftliche Veränderungen bewirken könnten. Vielmehr geht es dem Anarchosyndikalismus um die unmittelbare Abschaffung jeglicher Form von Herrschaft und damit auch des demokratischen Verfassungsstaates und seiner Einrichtungen durch eine Revolution. Anarchosyndikalisten schließen laut der Analyse des Bundesamtes für Verfassungsschutz auch Gewalt mit Blick auf die angestrebte „soziale Revolution“ nicht aus (BMI 2021, S. 152–153).

→Linksextremismus

🕮 Quellen

►Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2021): Verfassungsschutzbericht 2020. Berlin.

„Anti-Asyl“

Die deutsche rechtsextremistische Szene nutzte den Anstieg der Flüchtlingszahlen in Deutschland in den Jahren 2014 und 2015 für eine umfassende Anti-Asyl-Agitation. Deutsche Rechtsextremisten nutzen seither die Anti-Asyl-Debatte, um eine fundamentale Ablehnung der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Ordnung zu propagieren. Anhänger der Regierungspolitik werden nach Angaben der Verfassungsschutzbehörden von Rechtsextremisten als „Volksverräter“ bezeichnet und die Medien als „Lügenpresse“, eine Terminologie, die nur noch zwischen „gut“ und „böse“ unterscheidet und einem demokratischen Diskurs den Raum nimmt (BMI 2016, S. 56). In den letzten Jahren beobachteten die deutschen Verfassungsschutzbehörden, dass viele Anmelder von Anti-Asyl-Demonstrationen den deutschen Sicherheitsbehörden als Rechtsextremist bekannt waren. Auch das Motto der Veranstaltung oder die auftretenden Redner und deren Aussagen waren für die Einordnung der Anti-Asyl-Demonstrationen relevant. Allein im Jahr 2015 nahmen insgesamt 95.200 Personen an rechtsextremistischen oder maßgeblich von Rechtsextremisten gesteuerten Demonstrationen gegen Flüchtlinge teil, im Jahr zuvor waren dies noch 20.610 gewesen (BMI 2016, S. 56).

Die NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) beispielsweise kategorisierte Muslime pauschal rassistisch: „Auch wenn wir den Islam nicht als das Hauptproblem ansehen, ist die Bedrohung einer feindlichen Übernahme durch die Steinzeitmenschen akuter denn je. Wir müssen sie aufhalten, bevor sie unsere Kultur gänzlich verbannen und Europa ins Mittelalter katapultieren“ (Facebook-Seite JN, 3.9.2015) (BMI 2016, S. 57). Eine rechtsextremistische Website rief im Kontext von Anti-Asyl zu Gewalt auf: „Der Krieg kommt zu uns, in unsere Städte und Dörfer. Es ist an der Zeit Neger und Musels wieder aus Europa zu vertreiben, sonst ist unser Fortbestehen und unsere Kultur dem Untergang geweiht. Von allen Edelmetallen ist BLEI das Wertvollste zur Zeit: als Flugblei im Kaliber .45“ (Homepage „Globalecho“, 23.10.2015) (BMI 2016, S. 58).

Die rechtsextremistische Partei „Der III. Weg“ sah in den steigenden Flüchtlingszahlen in den Jahren 2014 und 2015 eine existenzielle Notlage und forderte zur „Gegenwehr“ auf: „Der Rest des deutschen Volkes, die noch deutsch sein wollen und ihren Kindern eine lebenswerte Heimat hinterlassen möchten, sollten endlich die geballte Faust aus den Taschen nehmen und sich mit aller Vehemenz gegen diese identitätsvernichtende und im Grunde für alles Deutsche todbringende Politik zur Wehr setzen“ (Homepage „Der III. Weg“, 20.8.2015) (Zitiert nach: BMI 2016, S. 58).

Auf der rechtsextremistischen Internet-Plattform „Altermedia Deutschland“ wurde eine „Hassliste“ abgebildet, auf der u. a. Politiker und Personen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, in Fadenkreuzen abgebildet waren. Diese Personen seien „zum Abschuss freigegeben“. Bereits im Jahr 2015 – vor dem rechtsterroristischen Attentat auf den CDU-Politiker Walter Lübcke und vor den beiden rechtsterroristischen Anschlägen in Halle und Hanau – analysierten die deutschen Verfassungsschutzbehörden, dass die Anonymität des Internets zu einer Verrohung der Sprache führe. So lösten sich in der Realwelt noch vorhandene zivilisatorische Schranken im Internet gänzlich auf und in völlig enthemmter Art und Weise werden Flüchtlinge entmenschlicht und bedroht, ebenso wie Politiker und Flüchtlingshelfer. Das Internet bietet Rechtsextremisten ein hohes Potenzial an Öffentlichkeitswirksamkeit für Propaganda- und Rekrutierungszwecke (BMI 2016, S. 62; Goertz 2021, S. 88).

→Rassismus

→Rechtsextremismus

→Rechtspopulismus

🕮 Quellen

►Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2016): Verfassungsschutzbericht 2015. Berlin.►Goertz, S. (2021): Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland. Eine analytische Einführung für Polizei und Sicherheitsbehörden. Hilden.

„Antifaschistische Aktion“ („Antifa“)

Nach Gewalttaten oder Ausschreitungen von Linksextremisten, aber auch bei Aufrufen oder Kundgebungen, die sich gegen so bezeichnete „Faschisten“ richten, wird häufig von „der Antifa“ gesprochen, geschrieben oder ihr Verbot gefordert. Tatsächlich tauchen in diesen Zusammenhängen oftmals Gruppierungen auf, die das Wort „Antifa“ in ihrem Namen tragen. Auch ist das „Antifa“-Symbol regelmäßig bei Demonstrationen, Veranstaltungen, auf Plakaten oder im Internet zu sehen. In ganz Deutschland gibt es eine Vielzahl lokaler Gruppierungen und Initiativen, die sich unter den Begriffen „Antifa“ oder „Antifaschistische Aktion“ anlassbezogen zusammenfinden oder diese als Namensbestandteil tragen. Oft handelt es sich dabei um lockere, zeitlich begrenzte Verbindungen mit wechselnden Personen, die sich im linksextremistischen Aktionsfeld „Antifaschismus“ betätigen. „Die“ „Antifa“ im Sinne einer bundesweit agierenden, klar umgrenzten und strukturell auf eine gewisse Dauer verfestigten Organisation dieses Namens existiert nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz aktuell nicht (BMI 2021, S. 132).

Das Aktionsfeld „Antifaschismus“ hat für Linksextremisten nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz seit jeher einen hohen Stellenwert. Entsprechende Aktivitäten richten sich dabei in der Analyse des Bundesamtes für Verfassungsschutz aber nur vordergründig auf die Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen. So sei das Ziel von „Antifaschismus“ vielmehr die Überwindung der fdGO, um so die dem „kapitalistischen System“ angeblich zugrunde liegenden Wurzeln des „Faschismus“ endgültig zu beseitigen. Direkte Angriffe gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten sowie Anschläge gegen rechtsextremistische Strukturen würden dafür in der Szene akzeptiert (BfV 2018).

Auch das heutige Symbol der „Antifa“ steht nicht für eine einzelne Organisation. Es beinhaltet nach Angaben der deutschen Verfassungsschutzbehörden vielmehr die Botschaft, dass es bei der „Antifaschistischen Aktion“ nicht um zivildemokratisches Engagement gegen Rechtsextremismus geht, sondern um die Abgrenzung vom „bürgerlichen“ Kampf mit rechtsstaatlichen Mitteln. Dies werde durch die gegen rechts geneigten Doppelfahnen versinnbildlicht. Das historische Vorbild aus den 1930er-Jahren zeigte noch zwei nach links geneigte rote Fahnen, die für die „Kommunistische Partei Deutschlands“ (KPD) und für die sozialistische Basis der SPD standen. Die Neuinterpretation des Logos entstand in den 1980er-Jahren in der Göttinger autonomen Szene. Darin symbolisiert die rote Fahne noch immer den Sozialismus, während die schwarze Fahne für den autonomen Anarchismus stehe (BMI 2021, S. 132). Das „Antifa“-Symbol findet im Linksextremismus breite Verwendung, vor allem im gewaltorientierten Teil der Szene, für den das Symbol Zeichen „militanter Aktionsformen“ ist. Zur Strategie von „Antifa“ gehört nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz auch das „Outing“ als solcher ausgemachter Rechtsextremisten. Die betroffenen Personen sollen mittels Internetbeiträgen, Plakaten oder Briefkasteneinwürfen in ihrem Umfeld als „Nazis“ sozial geächtet werden. Daneben wird anderen Linksextremisten die Möglichkeit eröffnet, selbst gegen diese Person vorzugehen. So sind „Outings“ häufig mit mehr oder minder verklausulierten Aufrufen zu Straf- und Gewalttaten gegen den Betroffenen verbunden. Damit wird ein Bedrohungsszenario aufgebaut und die „geoutete“ Person eingeschüchtert, da sie jederzeit mit einem Angriff auf sich, ihre Familie oder ihr Eigentum rechnen muss. Dabei handelt es sich nicht nur um die Ausübung psychischen Drucks, sondern um eine durchaus reale Gefahr. Immer wieder kommt es im Nachgang zu „Outings“ zu Brandstiftungen an Fahrzeugen, Sachbeschädigungen oder gewaltsamen Überfällen auf die „geoutete“ Person. In einigen Fällen verwüsten Linksextremisten auch die Wohnungen ihrer Opfer (BMI 2021, S. 133–134).

→Linksextremismus

🕮 Quellen

►Bundesamt für Verfassungsschutz (2018): Kompendium des BfV – Darstellung ausgewählter Arbeitsbereiche und Beobachtungsobjekt (BfV 2018).►Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2021): Verfassungsschutzbericht 2020. Berlin.

Antikapitalistische Linke

Die „Antikapitalistische Linke“ (AKL) gehört nach Angaben der Verfassungsschutzbehörden zu den extremistischen Strukturen der Partei Die Linke. Die Partei hat die AKL förmlich als bundesweiten Zusammenschluss anerkannt und unterstützt sie finanziell. Innerhalb der Partei besitzt die AKL in der Analyse der deutschen Verfassungsschutzbehörden strukturelle Möglichkeiten, den politischen Kurs mitzugestalten (BMI 2021, S: 184). Die extremistischen Strukturen der Partei Die Linke orientieren sich an marxistisch-leninistischen Traditionen und zielen darauf, über einen revolutionären Weg eine kommunistische bzw. sozialistische Gesellschaftsordnung durchzusetzen. Sie interpretieren politische und wirtschaftliche Probleme entlang ihrer Ideologie als Symptome einer zunehmenden Krise des „Kapitalismus“ (BMI 2021, S. 184). Jede dieser Strukturen versucht, gemäß ihrer eigenen Schwerpunktsetzung steuernden Einfluss auf die Partei auszuüben. Zudem werden Themen- und Aktionsfelder besetzt, die nach ihrer Ansicht von der Partei aus unterschiedlichen Gründen nicht auf diese Weise bedient werden. Die AKL fordert einen „grundsätzlichen Systemwechsel“ sowie ihrer Namensgebung folgend die Überwindung der bestehenden „kapitalistischen“ Gesellschaftsordnung (BMI 2021, S. 184). Ihren ideologischen Schwerpunkt „Antikapitalismus“ bringt die AKL regelmäßig über verschiedene Themen in die innerparteiliche Diskussion ein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt aus, dass die Kapitalismuskritik als Klammer wirke, die weitere, für die AKL relevante Themenbereiche miteinander verbinde. Die AKL ist ideologisch beeinflusst und mitbestimmt von Mitgliedern trotzkistischer Organisationen wie der „Sozialistischen Alternative“. Diese versucht, über die AKL den Kurs der Partei Die Linke in ihrem Sinne zu beeinflussen (BMI 2021, S. 184).

→Linksextremismus

🕮 Quellen

►Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2021): Verfassungsschutzbericht 2020. Berlin.

Antisemitismus

Das Bundesministerium des Innern definiert Antisemitismus wie folgt:

„Antisemitismus gilt als Sammelbezeichnung für alle Einstellungen und Verhaltensweisen, die den als Juden geltenden Einzelpersonen oder Gruppen aufgrund dieser Zugehörigkeit negative Einstellungen unterstellen, um damit eine Abwertung, Benachteiligung, Verfolgung oder Vernichtung ideologisch zu rechtfertigen. Antisemitismus ist ein typischer ideologischer Bestandteil des Rechtsextremismus, kommt aber auch in anderen extremistischen Ideologien und Weltanschauungen vor. Als Vorurteils- und Einstellungssyndrom werden dabei Juden häufig im Sinne einer Verschwörungsideologie verschiedene negative Wesensmerkmale und Charaktereigenschaften zugeschrieben. Eine besondere Rolle spielt hierbei die Behauptung einer angeblichen weltweiten Dominanz in Politik und Wirtschaft. Das nationalsozialistische Regime hat sich beim Genozid an den europäischen Juden (Holocaust) auf solche antisemitischen Klischees berufen“ (BMI 2021).

Antisemitismus ist ein zentrales Ideologieelement des Rechtsextremismus und in allen seinen Äußerungsformen virulent, seien sie publizistisch, parlamentarisch oder auch aktionistisch orientiert. Der rechtsextremistische Antisemitismus zielt auf die Diffamierung und Diskriminierung einer behaupteten Gesamtheit „der Juden“ ab. Antisemitismus gehört zu den ideologischen Grundüberzeugungen des Rechtsextremismus und ist in quasi allen rechtsextremistischen Organisationen präsent (Freter 2017). Nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden baut der rechtsextremistische Antisemitismus insbesondere auf dem rassistischen Weltbild des Nationalsozialismus auf, der das Judentum als „nichtdeutsche, fremde Rasse“ definierte und diesen „Feind der eigenen Rasse“ „ausmerzen“ wollte. Nicht zuletzt aufgrund der strafrechtlichen Konsequenzen meiden Rechtsextremisten mittlerweile in ihrer Propaganda offenen, rassistisch motivierten Antisemitismus. Vielmehr weichen sie auf einen angedeuteten Antisemitismus aus, insbesondere durch die Behauptung eines übermäßigen politischen Einflusses von Juden (politischer Antisemitismus). Auch religiös begründeter Antisemitismus ist gelegentlich zu beobachten. Im Rechtsextremismus finden sich sowohl religiöse als auch kulturelle oder rassistische Begründungsmuster für Antisemitismus. Häufig korrespondieren diese mit verschwörungstheoretischen Ansätzen. Beide zeugen von ideologischer Nähe zum historischen Nationalsozialismus und treten meist in Verbindung mit revisionistischen Positionen auf (LfV Bremen, 2022). Daneben nutzen Rechtsextremisten die im politischen und gesellschaftlichen Alltag geäußerte Kritik an der Politik Israels, um die Existenzberechtigung des Staates Israel infrage zu stellen. Die grundsätzliche Ablehnung Israels basiert auf der prinzipiellen Ablehnung des Judentums. Gleichsetzungen der israelischen Politik mit den Verbrechen an Juden im Nationalsozialismus sind ebenfalls ein gängiges Muster des antizionistischen Antisemitismus (LfV Bremen, 2022).

Im Rahmen des sekundären Antisemitismus werfen Rechtsextremisten „den Juden“ vor, sie benutzten die Verantwortung Deutschlands für den Holocaust als Mittel der Erpressung, um finanzielle und politische Forderungen durchzusetzen. Antisemitischen Verschwörungstheorien zufolge wird Deutschland im Rahmen einer planvollen Konspiration instrumentalisiert, um den „jüdischen Einfluss“ zu vergrößern oder das Ziel der jüdischen Weltherrschaft zu erreichen. Häufig wird ein „jüdischer Einfluss“ auf politische Entscheidungen der Regierungsverantwortlichen behauptet.

Nach der Auffassung der deutschen Verfassungsschutzbehörden sind in nahezu allen Teilbereichen des Rechtsextremismus in Deutschland antisemitische Einstellungs- und Agitationsmuster in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung feststellbar. Weil in Politik, Medien und Mehrheitsgesellschaft ein klarer Konsens gegen Antisemitismus vorherrscht, stehen antisemitische Agitationsmuster oftmals nicht im Mittelpunkt rechtsextremistischer Agitation, sondern fließen in Nebensätze oder Randbemerkungen ein (BMI 2019, S. 73).

Einen breiten Raum innerhalb der rechtsextremistischen Szene nimmt im Augenblick der antizionistische Antisemitismus ein. Er negiert das Existenzrecht Israels und diffamiert Israel, indem er dem Land einen „Vernichtungskrieg“ und eine Politik der „Ausrottung“ gegenüber den Palästinensern vorwirft. Dadurch wird der Staat Israel zu einer Projektionsfläche für antisemitische Ressentiments. Verbunden ist damit eine starke Zunahme antisemitischer Äußerungen in den sozialen Medien, Blogs und Online-Kommentaren zu verzeichnen. Dabei werden häufig antisemitische Stereotype verwendet sowie Judenhass in vermeintliche „Israelkritik“ gekleidet. Die vordergründige Anonymität des Internets verleitet zahlreiche Antisemiten zur offenen Artikulation ihres Judenhasses (BMI 2019, S. 75; Goertz 2021).

Rechtsextremistische Musik spielt eine wichtige Funktion für die Verbreitung von Antisemitismus im Rechtsextremismus in Deutschland und international. Die Bandbreite in der rechtsextremistischen Musik reicht hierbei von „Vernichtungsfantasien bis hin zu subtileren Formen des Antisemitismus“. Unverhohlener Judenhass und vor allem die Androhung und Aufrufe zu Gewalt und Mord finden meistens in Texten von sogenannten Untergrund-Produktionen statt. Diese werden oft von Musikern unbekannter Identität eingespielt oder von Musikern, die sich ausschließlich für einen einzigen Tonträger oder nur für ein zeitlich begrenztes Musikprojekt zusammenschließen. In rechtsextremistischen Liedtexten werden Juden in typisch nationalsozialistischer Diktion als „Untermenschen“ und „Volksschädlinge“ herabgesetzt und als „Parasiten“ entmenschlicht, ihr Tod herbeigesehnt und ihnen Daseins- und Lebensrecht prinzipiell abgesprochen. Antisemitismus wird offen als etwas Positives bewertet und verschiedene Mordmethoden imaginiert: erschießen, vergasen, verbrennen (BfV 2020, S. 20–21; Goertz 2021).

In der Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden besitzt der Antisemitismus als ideologisches Identifikationsmerkmal und Agitationsfeld für die rechtsextremistischen Parteien einen hohen Stellenwert. So sind antisemitische Positionen und Feindbilder tief in der Gedankenwelt der Parteimitglieder und -aktivisten verwurzelt. Antisemitische Positionen sind in der Ideologie der NPD tief verfestigt und sind oftmals mit der positiven Bezugnahme auf den historischen Nationalsozialismus und geschichtsrevisionistischen Standpunkten verbunden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz analysiert, dass sich Judenfeindlichkeit – vordergründig verborgen – bei rechtsextremistischen Parteien in Deutschland in der Nutzung antisemitischer Chiffren und vermeintlicher Israel-Kritik ausdrückt. Regelmäßig werden durch NPD-Vertreter Verschwörungstheorien im Sinne eines politischen Antisemitismus bedient, indem eine jüdische Verschwörung mit dem Ziel der Vergrößerung „des jüdischen Einflusses“ unterstellt wird (BfV 2020, S. 24; Goertz 2021).

Die rechtsextremistische Partei „DIE RECHTE“ propagiert in ihrem Auftreten, ihren Aussagen und Aktivitäten ein rechtsextremistisches Weltbild, das mit geschichtsrevisionistischen Thesen und antisemitischen Positionen einhergeht. Die antisemitische Haltung dieser rechtsextremistischen Partei zeigt sich nicht zuletzt an aktuellen Wahlplakaten. So nahm der Slogan „Israel ist unser Unglück“ die aus dem 19. Jahrhundert stammende und seit 1927 auf jeder Titelseite des antisemitischen NS-Hetzblatts „Der Stürmer“ abgedruckte Losung „Die Juden sind unser Unglück“ auf. Auch der Twitter-Post des Bundesvorsitzenden Sascha Krolzig vom 18.5.2019 mit der Aussage, die Partei „DIE RECHTE“ sei „die einzige konsequent anti-israelische Partei auf dem Stimmzettel“, offenbart diese Grundhaltung (BfV 2020, S. 26).

Die rechtsextremistische Partei „Der III. Weg“ bezeichnete Israel auf ihrer Partei-Homepage als „Terrorstaat“ und ruft unter dem Motto „Was jeder gegen den zionistischen Völkermord tun kann“ offen zum Boykott von Produkten aus Israel, dem „zionistischen Geschwür im Nahen Osten“, dem „zionistischen Raubstaat“, auf. Dies helfe dabei, „den Völkermord in Palästina [zu] bekämpfen“ (Zitiert nach: BfV 2020, S. 27).

Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt aus, dass von Funktionären und Anhängern des offiziell aufgelösten AfD-Personenzusammenschlusses „Der Flügel“ „Versatzstücke eines sekundären Antisemitismus vertreten werden“ (BfV 2020, S. 28). Die meisten solcher antisemitischen Verlautbarungen werden über kurze Beiträge in den Sozialen Medien verbreitet. Björn Höcke, Vorsitzender der AfD Thüringen und ihrer Landtagsfraktion sowie prominentester „Flügel“-Repräsentant, bemühte in seinen eigenen Schriften und Reden nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz Motive des sekundären Antisemitismus (BfV 2020, S. 28).

Das Bundesamt für Verfassungsschutz analysiert aktuell, dass Rechtsextremisten verstärkt das Internet nutzen, um antisemitische Ideologieelemente zu verbreiten. Durch die anonyme und multilaterale Kommunikation ist so eine neue Form der antisemitischen Propaganda entstanden. Die virtuellen Kommunikationsmöglichkeiten – vor allem durch Soziale Medien, Foren, Teil- und Unterforen – verschmelzen zu einer virtuellen „Echokammer“. Innerhalb dieser führt die positive Bezugnahme Anderer auf die eigenen Positionen zur Bestätigung der bereits vorgefassten Meinung und zum Ausblenden abweichender Argumente, so auch zu Antisemitismus (BfV 2020, S. 36).

Quasi jede neue Internet-Plattform wurde in den vergangenen 30 Jahren auch von rechtsextremistischen Antisemiten genutzt. Häufig kam es dabei zu Abwanderungsbewegungen der antisemitischen Rechtsextremisten, z. B., weil die Plattformanbieter strengere Moderationsregeln einführten, um menschenfeindliche Inhalte einzuschränken oder zu entfernen. Dennoch werden Plattformen des gesellschaftlichen Mainstreams immer wieder verwendet, um in der Mitte der Gesellschaft Anknüpfungspunkte für die Verbreitung antisemitischer Inhalte zu finden. Das gilt aktuell für Plattformen wie Facebook oder YouTube und galt ebenso für die Anfang des 21. Jahrhunderts in Deutschland populären Plattformen StudiVZ und Myspace (Goertz 2021).

Ein Beispiel für eine offen antisemitisch agierende Gruppierung bei vk.com ist nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz die „Goyim ­Partei Deutschlands“ (GPD). Der Begriff „Goyim“ leitet sich von „Goi“ ab, eine jüdische Bezeichnung für Nichtjude. Das Selbstverständnis als „Partei“ deutet darauf hin, dass es sich um einen Zusammenschluss von Nichtjuden handelt, der das Ziel anstrebt, gemeinsam gegen Juden vorzugehen. Auf der vk.com-Seite der GPD wird massiv antisemitische Hetze betrieben. Insgesamt bieten die zahlreichen einsehbaren Fotos, Videos und Postings Anhaltspunkte für Verstöße gegen die §§ 86 a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen), 111 StGB (Öffentliche Aufforderung zu Straftaten) und 130 StGB (Volksverhetzung) (BfV 2020, S. 41–42). Allein am 21.4.2019 wurden vom Account der GPD mehrere Bilder mit antisemitischen Sprüchen gepostet: „Wer den Weltfrieden will, muss die Juden ausrotten!“, „Religionsfreiheit abschaffen! Das Judentum ist eine verfassungsfeindliche und terroristische Vereinigung!“, „Wir fordern Reparationszahlungen für die 60 Millionen getöteten Gojim des 2. Weltkriegs!“, „Deutsche wehrt euch! Rottet die Juden aus!“, „Das Vierte Reich 100 % ­JUDENFREI!“, „JUDENTOD LÖST WELTENNOT!“ (Zitiert nach: BfV 2020, S. 41–42).

Der extremistische Phänomenbereich „Reichsbürger und Selbstverwalter“ ist durch seine staatsfeindlichen Einstellungen und Verschwörungstheorien geprägt. Letztere bedingen auch eine Anschlussfähigkeit an antisemitische Erklärungsmuster. Bei „Reichsbürgern und Selbstverwaltern“ finden sich daher immer wieder antisemitische Einstellungen und Äußerungen. Die Bandbreite reicht von Schuldzuweisungen Einzelner, die „die Juden“ für ihre Arbeitslosigkeit verantwortlich machen, über offen antisemitische Verschwörungstheorien, wonach beispielsweise der Erste Weltkrieg von „den Juden“ geplant worden sei, bis hin zur Leugnung des Holocaust. Antisemitismus bildet aber nach Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden in der Regel kein tragendes Ideologieelement und keinen Agitationsschwerpunkt dieser extremistischen Szene (BfV 2020, S. 52; Goertz 2021).

In kleineren Teilbereichen, in denen sich das Spektrum der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ mit der rechtsextremistischen Holocaustleugner-Szene überschneidet, tritt der Antisemitismus deutlich hervor. Die „Reichsbürger und Selbstverwalter“-Gruppierung „Geeinte deutsche Völker und Stämme“, die am 19.3.2020 vom Bundesminister des Innern verboten wurde, äußerte sich in ihren Verlautbarungen nicht nur offen antisemitisch, sondern forderte ausdrücklich eine tiefgreifende Diskriminierung und Entrechtung von Juden. Die Vorstellung einer jüdischen Verschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft ist in einer Reihe verschiedener Veröffentlichungen der Gruppierung präsent. So bezeichneten Mitglieder der Organisation „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ Juden als „dunkle Rasse, die der hellen den Kampf angesagt hat“ oder „Andersweltler“, die „(…) in ihren Grundfesten und Glaubenssätzen daran gebunden sind ohne die Achtung der Schöpfung die Weltherrschaft zu erringen und dazu kreative Geschichten erfinden, um den Menschen wiederholt glaubhaft zu machen versuchten, dass sie ein verfolgtes Volk sind (…).“ Als Sühne für ihre angebliche „Unbelehrbarkeit“ soll es Juden nach Vorstellung der GdVuSt untersagt werden, Eigentum an Grund und Boden zu erwerben und ihren Glauben auszuüben; teils wird ihnen gar das Wahlrecht abgesprochen (BfV 2020, S. 53).

In allen islamistischen Strömungen und Organisationen lassen sich antisemitische Ideologieelemente nachweisen, nur die Art und Weise, wie einzelne Gruppierungen damit in der Öffentlichkeit, auch im Internet, auftreten, variiert.

Im Islam wird über die Versuche des Propheten Mohammeds berichtet, drei jüdische Stämme zu seiner Glaubensauffassung zu bekehren. Als diese Bemühungen scheiterten, kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, die mit der militärischen Niederlage der Stämme endeten. Diese Ereignisse bilden den Hintergrund für die im Koran zu findenden judenkritischen Stellen. Zusammengefasst lautet die Anschuldigung, die Juden hätten den Bund mit Allah und den Muslimen gebrochen, indem sie Mohammed nicht als den von Gott auserwählten Propheten anerkannten. Daneben wird der Vorwurf erhoben, Juden würden bei den von ihnen getätigten Geldgeschäften betrügen. Diese Koranstellen, die bis in die Gegenwart hinein immer wieder aus ihrem historischen Zusammenhang gelöst und wortwörtlich verstanden wurden und werden, bilden nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Islam die Grundlage für eine Judenfeindschaft, die „einen integralen Bestandteil des religiösen Selbstverständnisses“ darstellt (BfV 2019, S. 16).

Das Bundesamt für Verfassungsschutz bezeichnet die 1950 vom ägyptischen Islamisten Sayyid Qutb verfasste Schrift „Unser Kampf mit den Juden“ als eine „ideologischen Meilenstein“ des islamistischen Antisemitismus. Der Ägypter Qutb galt bereits zu Lebzeiten als einer der wichtigsten Theoretiker der islamistischen „Muslimbruderschaft“. Er verband in dieser Schrift europäisch-antisemitische Stereotype, die Verschwörungstheorien der „Protokolle der Weisen von Zion“ und antijüdische Koranstellen zu einer gedanklichen Einheit und entwickelte so die ideologische Grundlage für einen islamistischen Antisemitismus. Durch die Adaption des europäischen Antisemitismus und dessen Anpassung an die religiösen, sozialen und kulturellen Eigenheiten der arabischen Welt schuf Qutb einen neuartigen – islamistischen – Antisemitismus. Dessen europäische Wurzeln sorgen nach Einschätzung der deutschen Verfassungsschutzbehörden bis heute dafür, dass der islamistische Antisemitismus anschlussfähig für Antisemiten aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen ist, hier nennt das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtsextremistische Holocaustleugner und die Unterstützung der palästinensischen Hamas durch deutsche Linksextremisten (BfV 2019, S. 19–20).

Der von Qutb zur Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte islamistische Antisemitismus ist ein prägendes Element aller islamistischen Organisationen weltweit, auch im 21. Jahrhundert. Dies hat zur Folge, dass sich in sämtlichen islamistischen Ideologieelementen die gleichen oder zumindest vergleichbare antisemitische Ausführungen über Juden finden. Der Kerngedanke ist dabei durchgängig die Behauptung, dass „Juden im Verborgenen nach der Weltherrschaft streben“ bzw. diese bereits „ausüben und somit die Weltpolitik und -wirtschaft kontrollieren“ (BfV 2019, S. 20). In ­diesem islamistisch-antisemitischen Stereotyp wollen die vermeintlichen „jüdischen Verschwörer“ angeblich den „Rest der Welt durch absichtlich verursachte Wirtschaftskrisen sowie durch eine künstliche Verknappung der Geldmittel von sich abhängig machen“. Diese Behauptung greift das seit dem Mittelalter bestehende Bild des „gierigen Juden“ auf und überträgt es in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts (BfV 2019, S. 19–20).

Das „Schüren von Kriegen und Konflikten durch Juden“ ist ein weiteres islamistisch-antisemitisches Stereotyp. Den „Protokollen der Weisen von Zion“ zufolge „zetteln jüdische Verschwörer weltweit Kriege und Konflikte an, um Völker und Nationen gegeneinander auszuspielen und zu zermürben“. Dieser Vorwurf wird beispielsweise in der Charta der palästinensischen Hamas aufgegriffen, die „den Juden“ unterstellt, sowohl den Ersten als auch den Zweiten Weltkrieg ausgelöst zu haben. Das (erfolgreich umgesetzte) Ziel der Juden sei es gewesen, sich an „diesen Kriegen zu bereichern“ und damit die finanzielle Grundlage für ihre „Weltherrschaft“ zu legen (BfV 2019, S. 21).

Das nächste islamistisch-antisemitische Stereotyp ist das „jüdische Handeln mit Hilfe von Geheimagenten und Geheimorganisationen“. Teil des in den „Protokollen der Weisen von Zion“ behaupteten „jüdischen Weltherrschaftsstrebens“ sei es, durch „Geheimorganisationen und Geheimagenten gesellschaftliche Konflikte und Spannungen“ herbeizuführen. Auch dieser Vorwurf wurde und wird von zahlreichen islamistischen Organisationen aufgegriffen. Die Unterstellung: „Die Juden“ würden als Drahtzieher hinter verschiedensten Vereinigungen und Bewegungen stehen, angefangen von den USA über die UN und den Liberalismus bis hin zu den Freimaurern.

Das islamistische Narrativ des „ewigen Kampfes zwischen Muslimen und Juden“ wird weltweit stark vom islamistischen und dschihadistischen Milieu aufgegriffen. In dieser Dichotomie werden Juden von Salafisten als „Anführer der Ungläubigen“ dargestellt. Das Ziel „der Juden“ sei es, den Islam systematisch zu bekämpfen und zu zerstören (BfV 2019, S. 22).

Abschließend führt das Bundesamt für Verfassungsschutz aus, dass es allen islamistischen Organisationen gemein ist, dass sie kaum bis gar nicht zwischen dem Staat Israel und dem jüdischen Volk unterscheiden, weder sprachlich noch inhaltlich. So werden oftmals jahrhundertealte antisemitische Stereotype auf den aktuellen Staat Israel übertragen. Ein besonders weit verbreitetes Beispiel ist die sogenannte Ritualmordlegende, die ihren Ursprung im christlichen Mittelalter hat. Den Juden wurde hierbei unterstellt, zur Vorbereitung ihres Pessach-Festes ungesäuertes Brot (Mazzen) mit dem Blut christlicher Kinder zu backen. Das Motiv des „Kinder schlachtenden Juden“ rückte nach Angaben der deutschen Verfassungsschutzbehörden vor allem nach dem Gazakrieg im Jahr 2014 in den Mittelpunkt antiisraelischer Agitation (BfV 2019, S. 25).

Islamistische Organisationen und Akteure von Antisemitismus in Deutschland sind nach Angaben der deutschen Sicherheitsbehörden u. a. die „Muslimbruderschaft“ (MB), die Hamas, die Hizbullah, die „Hizb ut-Tahrir“, die „Millî Görüş“-Bewegung, das salafistische Milieu sowie Dschihadisten (Goertz 2021).

Organisationen und Anhänger von auslandsbezogenem Extremismus mit rechtsextremistischen Ideologieelementen sind nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz stark nationalistisch geprägt und messen der eigenen Volksgruppe einen höheren Stellenwert zu als anderen Ethnien. Ihrer Ideologie liegt nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz ein übersteigertes Nationalbewusstsein zugrunde und das Menschenbild solcher Gruppierungen ist stark von rassistischem Gedankengut beeinflusst (BfV 2022). Als bedeutsamsten Akteur hierbei bewertet das Bundesamt für Verfassungsschutz die rechtsextremistische türkische „Ülkücü“-Bewegung, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts in der Türkei entstanden ist. Ziel der „Ülkücü“-Bewegung ist der „Schutz des Türkentums“ sowie die Errichtung von „Turan“, einem (fiktiven) ethnisch homogenen Staat unter Führung „der Türken“, der die Siedlungsgebiete der Turkvölker umfasst und – je nach Lesart – vom Balkan bis nach Westchina oder sogar bis Japan reicht (BfV 2022; Goertz 2021).

Für türkische Rechtsextremisten („Ülkücü“-Anhänger) stellt Antisemitismus nach Auffassung der deutschen Sicherheitsbehörden ein ideologisches Kernelement dar. So ist ihre Ideologie geprägt von einer Überhöhung des (unterschiedlich definierten) Türkentums bei gleichzeitiger Abwertung anderer Nationen, Ethnien und Religionen. Der Antisemitismus hat hierbei einen besonderen Stellenwert. Während andere Feindbilder ­historisch-territorial (z. B. bei den Armeniern) oder ideologisch („die USA“, Kapitalismus) hergeleitet werden, werden Juden sowohl wegen der behaupteten „biologischen Minderwertigkeit“ als auch wegen ihres vermeintlich „weltumspannenden verschwörerischen Einflusses“ von türkischen Rechtsextremisten angefeindet (BfV 2020, S. 75). Das Bundesamt für Verfassungsschutz analysiert, dass der Antisemitismus der „Ülkücü“-Anhänger in bestimmten religiösen Interpretationen, Verschwörungstheorien und biologistisch hergeleiteten Minderwertigkeitszuschreibungen begründet ist. Mit Gründung des Staates Israel trat ein Antizionismus hinzu, der sich als einseitige Parteinahme für die Palästinenser manifestiert.

Bei linksextremistischen türkischen Ausländerextremisten kommt es anlassbezogenen zu israelkritischen Stellungnahmen, die jedoch nicht vorherrschend auf Religion und Ethnie abstellen, sondern auf den Territorialkonflikt mit den Palästinensern (BfV 2020, S. 75).

Die „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) bekennt sich seit ihrer Gründung im Jahre 1967 zu den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus und ist ideologisch von einem starken Nationalismus geprägt. Die PFLP verfolgt das Ziel des Aufbaus eines palästinensischen Staates in den Grenzen des historischen Palästina vor Gründung Israels mit Jerusalem als Hauptstadt. Dieses Ziel soll durch die „Beseitigung der zionistischen Besatzung“ realisiert werden, was bedeutet, dass die PFLP das Existenzrecht Israels bestreitet und offen den bewaffneten Kampf gegen Israel propagiert. Ihre antisemitische Agitation stufen die deutschen Verfassungsschutzbehörden aufgrund der Zielsetzung der PFLP und ihrer ideologischen Ausrichtung als stark antizionistisch geprägt ein (BfV 2020, S. 76; Goertz 2021).

Die antisemitische BDS-Bewegung steht für „Boykott, Desinvestitionen & Sanktionen“ (Boycott, Divestment & Sanctions) und propagiert eine Kampagne, die aus totalem wirtschaftlichen Boykott, dem Rückzug von Investitionskapital und staatlichen politischen Sanktionen gegen Israel bestehen soll. Nach eigenen Angaben besteht die BDS-Bewegung aus einem Zusammenschluss von 171 hauptsächlich palästinensischen Organisationen (unter ihnen auch die terroristischen Organisationen Hamas und PFLP), die im Jahre 2005 gegründet wurde. Der Deutsche Bundestag hat am 17.5.2019 einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen mit dem Titel „BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ angenommen. Darin wird ausgeführt: „Die Argumentationsmuster und Methoden der BDS-Bewegung sind antisemitisch“ (BfV 2020, S. 77).

Die deutschen Verfassungsschutzbehörden konstatieren, dass der Antisemitismus weder ein Wesensmerkmal des Linksextremismus noch ein elementarer Bestandteil seiner Ideologie ist. Dies schließt nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz jedoch individuelle antisemitische Einstellungen und Rückgriffe auf antisemitische Stereotype bei Linksextremisten nicht aus. Im deutschen Linksextremismus gibt es nach Auffassung des BfV eine „antisemitische Tradition“, ausgehend von den Frühsozialisten und der Arbeiterbewegung bis hin zu von Linksextremisten verübten Anschlägen gegen jüdische Einrichtungen Ende der 1960er-Jahre und einer antiisraelischen Haltung von Angehörigen der ersten RAF-Generation. Dieser Antisemitismus war u. a. antikapitalistisch motiviert und basierte historisch auf einer Gleichsetzung von „Juden“ und „Kapital“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz analysiert, dass deutsche Linksextremisten aktuell in der Regel nicht dezidiert antisemitische, sondern antiisraelische Positionen vertreten; dabei wird „Israelkritik“ zudem mit Kapitalismuskritik verbunden (BfV 2020, S. 80).

Die antiisraelische Haltung wird vor allem von einem Teil der deutschen Linksextremisten, den sogenannten Antiimperialisten, vertreten. Antiimperialistische Gruppierungen, so z. B. der „Rote Aufbau Hamburg“, sind mit Schwerpunkt im norddeutschen Raum, also z. B. in Hamburg, aber auch in Bremen und Berlin vertreten. Antiimperialisten verurteilen Israel als „verlängerten Arm“ der „imperialistischen“ USA, insbesondere in Bezug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt. Im Zusammenhang mit israelischen Aktionen gegen die Palästinenser werden auch antisemitische Stereotype – u. a. die Begriffe „Apartheidsregime“, „Holocaust“, „Pogrom“, „Vernichtungskrieg“ und „Völkermord“ – verwendet. Insofern setzen Antiimperialisten die Politik Israels mit den Verbrechen des Nationalsozialismus gleich. Vor diesem Hintergrund wird auch das Existenzrecht Israels negiert (BfV 2020, S. 81).

Daneben finden sich im Rahmen linksextremistischer Kapitalismuskritik auch antisemitische Versatzstücke. In einer verkürzten Kapitalismuskritik, wie sie vor allem unter marxistischen-leninistischen Bestrebungen zu finden ist, werden die Auswirkungen und Missstände des wirtschaftlichen Systems personalisiert und einer konkreten Gruppe angelastet. Die dabei bemühte Unterscheidung zwischen Finanz- und Realkapital erinnert nach Auffassung des BfV deshalb nicht zufällig an jene vom „raffenden“ und „schaffenden Kapital“ im Nationalsozialismus (BfV 2020, S. 83).

Der sich ideologisch anschließende Antiimperialismus führt in der Analyse der Verfassungsschutzbehörden oftmals zu einer „Kritik“ an Israel, die in ihrer Einseitigkeit und Intensität als antisemitisch gewertet werden kann. Je dogmatischer eine Gruppe ihren Antiimperialismus vertritt, desto eher überschreitet sie die Linie zum Antisemitismus (BfV 2020, S. 84; Goertz 2021).

→Rechtsextremismus

→„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“

→Islamismus

→Linksextremismus

→Auslandsbezogener Extremismus

🕮 Quellen

►Bundesamt für Verfassungsschutz (2022): Begriff und Erscheinungsformen. https://www.verfassungsschutz.de/DE/themen/auslandsbezogener-extremismus/begriff-und-erscheinungsformen/begriff-und-erscheinungsformen_artikel.html#doc714082bodyText3 (22.2.2022):►Bundesamt für Verfassungsschutz (2020): Lagebild Antisemitismus. Köln/Berlin.►Bundesamt für Verfassungsschutz (2019): Antisemitismus im Islamismus. Köln/Berlin.►Bundesministerium des Innern und für Heimat (2021): Lexikon. Wichtige Begriffe kurz erläutert. https://www.bmi.bund.de/DE/service/lexikon/functions/bmi-lexikon.html;jsessionid=3628C010A8DFF5E9788514A7ACA0A2F0.2_cid364?cms_lv3=9397740&cms_lv2=9391092#doc9397740 (21.2.2022).►Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2019): Verfassungsschutzbericht 2018.►Freter, W. (2017): Der Antisemitismus im heutigen Rechtsextremismus. 8.12.2017. https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/261322/der-antisemitismus-im-heutigen-rechtsextremismus/ (21.3.2022).►Goertz, S. (2021): Antisemitismus in Deutschland – Eine aktuelle Analyse der Sicherheitsbehörden. 29.7.2021. https://ksv-polizeipraxis.de/antisemitismus-in-deutschland-eine-aktuelle-analyse-der-sicherheitsbehoerden/ (23.2.2022).►Landesamt für Verfassungsschutz Bremen (2022): Glossar der Verfassungsschutzbehörden. Antisemitismus. https://www.verfassungsschutz.bremen.de/oeffentlichkeitsarbeit/glossar-11578#glossar_2096 (21.2.2022) (LfV Bremen 2022).

Antiterrordatei (ATD)

Durch die Antiterrordatei werden vorhandene Erkenntnisse zu Personen aus dem Bereich des internationalen Terrorismus und des ihn unterstützenden Extremismus für alle beteiligten Behörden rasch auffindbar. Beteiligt sind das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, die jeweils 16 Landeskriminalämter und Landesämter für Verfassungsschutz sowie der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst, das Zollkriminalamt und die Bundespolizeidirektion (BMI 2022).

Rechtsgrundlage für die Antiterrordatei ist das am 31. Dezember 2006 in Kraft getretene Antiterrordateigesetz (BGBl. I, Nr. 66, S. 3409). Es enthält detaillierte Regelungen zu den zu speichernden Personen und Objekten sowie zu den Voraussetzungen der Datenverarbeitung. Neben sichtbaren Grunddaten zur ersten Identifizierung einer Person werden auch Daten gespeichert, die eine fachliche Bewertung der gespeicherten Personen im Sinne einer Gefährdungseinschätzung zulassen. Diese sogenannten „erweiterten Grunddaten“ können für Recherchen genutzt werden. Sie werden aber nur im Eilfall oder auf Nachfrage bei der speichernden Behörde sichtbar. Die Antiterrordatei hat am 30. März 2007 ihren Wirkbetrieb aufgenommen (BMI 2022).

In der Antiterrordatei (ATD) werden seit 2007 Erkenntnisse von Polizeien und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder aus dem Bereich des internationalen Terrorismus vernetzt. An der ATD beteiligte Behörden sind das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt Militärischer Abschirmdienst, das Zollkriminalamt, die 16 Landeskriminalämter sowie die 16 Landesämter für Verfassungsschutz.

→Islamistischer Terrorismus / Dschihadismus

🕮 Quellen

►Bundeskriminalamt (2022): Datenbestand und Nutzung der Antiterrordatei (ATD). https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/AntiterrordateiRechtsextremismusdatei/antiterrordateiRechtsextremismusdatei_node.html.►Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Lexikon. Wichtige Begriffe kurz erläutert. https://www.bmi.bund.de/DE/service/lexikon/functions/bmi-lexikon.html?cms_lv3=9397742&cms_lv2=9391092#doc9397742 (24.2.2022).

Antiziganismus

Mit dem Begriff „Antiziganismus“ sind spezifische Stereotype und Vorbehalte gegenüber Sinti und Roma gemeint, die historisch gewachsen sind und als tradiertes gesamteuropäisches Vorurteil betrachtet werden können. Antiziganismus ist eine spezielle Form des Rassismus, die sich gegen Roma, Sinti, Fahrende, Jenische und andere Personen richtet, die auch häufig als „Zigeuner“ stigmatisiert werden.

„Rom“ bedeutet Mensch – und hat sich als Sammelbegriff und Selbstbezeichnung für die vielfältigen Gruppen von Roma und Romnija in Europa etabliert. Als Sinti und Sintize bezeichnen sich die Angehörigen einer Teilgruppe, die seit dem 15. Jahrhundert im deutschen Sprachraum und in Mitteleuropa zu Hause sind. Rassistische Vorurteile gegen Sinti und Roma sind bis heute weit verbreitet. Viele Angehörige dieser Minderheit erfahren in ihrem Alltag Diskriminierung. Auch in der Sprache findet Diskriminierung statt. Der Begriff Antiziganismus ist umstritten, weil er die abwertende Fremdbezeichnung „Zigeuner“ beinhaltet. Er wird trotzdem von einigen Roma-Organisationen verwendet, auch um die darin enthaltenen rassistischen Zuschreibungen sichtbar zu machen, die von tatsächlichen Lebenswirklichkeiten völlig unabhängig sind (BpB 2022).