Interkulturelles Webdesign - Sascha Noack - E-Book

Interkulturelles Webdesign E-Book

Sascha Noack

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Beschreibung

Das Buch befasst sich mit kulturellen Unterschieden zwischen Gesellschaften und deren Auswirkungen für das Webdesign. Damit will es zur Sensibilisierung und zu einem vermehrten Bewusstsein für die kulturell bedingten und daher verschiedenartigen Ansprüche von Verbrauchern und Kunden in anderen Ländern beitragen. Die Erörterung verschiedener kultureller Aspekte auf ihre Konsequenzen für das Webdesign hin sowie der Einsatz von Kulturdimensions-Modellen lassen die Profilierung von Nutzererwartungen zu, durch deren Berücksichtigung die Gestaltung von Webseiten im internationalen Umfeld wirksam unterstützt werden kann. Die aus der Analyse und einer Benutzerumfrage gewonnenen Erkenntnisse münden in einen prototypischen Unternehmensleitfaden für Internetauftritte am Beispiel von Indien.

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Danksagung

Großer Dank für umfassende Unterstützung bei Recherche und Erstellung

dieses Buches gebühren Carolin Ott, Daniela Binz, Dorothee Dworschak,

Martin Schweder, Michael Schnepf und Dr. Nitish Singh.

Mein besonderer Dank geht an meine Eltern, Ralf und Tunja Noack, sowie an meine bezaubernde Freundin Ines Hršak.

Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Management Summary

1 Einleitung

1.1 Einführung in die Thematik

1.2 Zielsetzung

1.3 Methodik und Struktur der Abhandlung

TEIL 1: Theoretischer Teil

2 Standardisierung versus Differenzierung im internationalen Marketing

2.1 Ursprünge der Diskussion

2.2 Standardisierung

2.3 Differenzierung

2.4 Kritische Auseinandersetzung

2.5 Die Lokalisierungsbranche

3 Kulturelle Aspekte der internationalen Kommunikation

3.1 Kultur als Gegenstand der Wissenschaft

3.2 Der Kulturbegriff

3.3 Kulturbestandteile und ihre Auswirkungen auf Kommunikation und Webdesign

3.3.1 Kommunikative Elemente

3.3.2 Weltanschauungen

3.3.3 Wahrnehmung

3.4 Kultur und Nationalstaat

3.5 Status quo: Kulturelle Adaption und Webdesign

3.5.1 Jakob Nielsen

3.5.2 Marcus und Gould

3.5.3 Dormann und Chisalita

3.5.4 Singh und Pereira

4 Kulturkreis Indien

4.1 Geographie

4.2 Bevölkerung

4.2.1 Sprachen

4.2.2 Religion

4.2.3 Gesellschaftsstruktur

4.3 Alltag

4.4 Wirtschaft

4.5 Informationstechnologie

5 Dimensionsanalytische Erklärungsansätze

5.1 Kulturdimensionen nach Hofstede

5.1.1 Machtdistanz

5.1.2 Individualismus/Kollektivismus

5.1.3 Maskulinität/Feminität

5.1.4 Unsicherheitsvermeidung

5.1.5 Langzeitorientierung/Kurzzeitorientierung

5.2 Weitere Kulturdimensionen

5.2.1 Low-Context/High-Context

5.2.2 Monochrones/polychrones Zeitverständnis

5.2.3 Tätigkeitsorientierung/Sinnorientierung

5.2.4 Universalismus/Partikularismus

5.3 Abschließende Betrachtung der vorgestellten Kulturtheorien

TEIL II: Anwendungsteil

6 Adaption von Webseiten mit Kulturdimensions-Modellen

6.1 Machtdistanz und Webdesign

6.2 Individualismus/Kollektivismus und Webdesign

6.2.1 Individualismus und Webdesign

6.2.2 Kollektivismus und Webdesign

6.3 Maskulinität/Femininität und Webdesign

6.3.1 Maskulinität und Webdesign

6.3.2 Femininität und Webdesign

6.4 Unsicherheitsvermeidung und Webdesign

6.5 Kurzzeitorientierung/Langzeitorientierung und Webdesign

6.5.1 Kurzzeitorientierung und Webdesign

6.5.2 Langzeitorientierung und Webdesign

6.6 Low-Context/High-Context und Webdesign

6.6.1 Low-Context und Webdesign

6.6.2 High-Context und Webdesign

6.7 Monochrones/polychrones Zeitverständnis und Webdesign

6.7.1 Monochrones Zeitverständnis und Webdesign

6.7.2 Polychrones Zeitverständnis und Webdesign

6.8 Tätigkeitsorientierung/Sinnorientierung und Webdesign

6.8.1 Tätigkeitsorientierung und Webdesign

6.8.2 Sinnorientierung und Webdesign

6.9 Universalismus/Partikularismus und Webdesign

6.9.1 Universalismus und Webdesign

6.9.2 Partikularismus und Webdesign

7 Interkultureller Webseitenvergleich zwischen Indien und Deutschland

7.1 Gegenstand der Analyse

7.2 Durchführung der Analyse

7.3 Ergebnisse und Auswertung der Analyse

7.3.1 Auswertung der Dimension Machtdistanz

7.3.2 Auswertung der Dimension Individualismus/Kollektivismus

7.3.3 Auswertung der Dimension Maskulinität/Femininität

7.3.4 Auswertung der Dimension Unsicherheitsvermeidung

7.3.5 Auswertung der Dimension Kurzzeitorientierung/Langzeitorientiertung

7.3.6 Auswertung der Dimension High-Context/Low-Context

7.3.7 Auswertung der Dimension Tätigkeitsorientierung/Sinnorientierung

7.3.8 Auswertung der Dimension monochrones/polychrones Zeitverständnis

7.3.9 Auswertung der Dimension Universalismus/Partikularismus

8 Befragung indischer und deutscher Internetnutzer

8.1 Gegenstand der Befragung

8.2 Erstellung des Fragebogens

8.3 Durchführung der Befragung

8.4 Analyse und Interpretation der Umfrageergebnisse

8.4.1 Auswertung der allgemeinen Fragen

8.4.2 Auswertung der Dimension Machtdistanz

8.4.3 Auswertung der Dimension Individualismus/Kollektivismus

8.4.4 Auswertung der Dimension Maskulinität/Femininität

8.4.5 Auswertung der Dimension Unsicherheitsvermeidung

8.4.6 Auswertung der Dimension Kurzzeitorientierung/Langzeitorientierung

8.4.7 Auswertung der Dimension High-Context/Low-Context

8.4.8 Auswertung der Dimension Tätigkeitsorientierung/Sinnorientierung

8.4.9 Auswertung der Dimension monochrones/polychrones Zeitverständnis

8.4.10 Auswertung der Dimension Universalismus/Partikularismus

9 Unternehmensleitfaden für Internetauftritte in Indien

9.1 Gesamtbild der Webseite

9.2 Sprachliche Adaption

9.3 Gesamtbild des Unternehmens

9.4 Darstellung von Personen

9.5 Produkte und Services

9.6 Sicherheit und Qualität

9.7 Kunden und Service

9.8 Informationszugang

9.9 Benutzertests

10 Fazit

Literaturverzeichnis

Anlagenverzeichnis

Anlagen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:Standardisierte Marktbearbeitung als sich selbst verstärkender Prozess

Abbildung 2:Standardisierbarkeit verschiedener Produktkategorien

Abbildung 3:Prozentualer Anteil von Lokalisierungsleistungen an Kundenbudgets

Abbildung 4:Ausgewählte Bereiche der Kulturforschung

Abbildung 5:Zwiebeldiagramm

Abbildung 6:Organonmodell von Karl Bühler (1934)

Abbildung 7:Die am meisten gesprochenen Sprachen der Welt

Abbildung 8:Farben und deren Bedeutung in verschiedenen Ländern

Abbildung 9:Was bedeutet Blut?

Abbildung 10:Internetseite eines Lebensmittelherstellers aus Indien

Abbildung 11:Bevölkerungsentwicklung Indiens

Abbildung 12:Internetseite für Heiratswillige

Abbildung 13:High-Context und Low-Context Kulturen nach Hall

Abbildung 14:Homepage der Firma Submarino

Abbildung 15:Webseite des mexikanischen Lebensmittelherstellers Herdez

Abbildung 16:Deutsche Webseite der Firma Kodak

Abbildung 17:Webseite eines amerikanischen Gebäckverkäufers

Abbildung 18:Webseite der indischen Unternehmensgruppe Godrej

Abbildung 19:Auszug Analysebogen für Webseiten

Abbildung 20:Auszug Fragebogen, deutsche Version

Abbildung 21:Indische und deutsche User nach Geschlecht

Abbildung 22:Indische und deutsche User nach Alter

Abbildung 23:Webseiten der indischen Unternehmen Parle und Vidur Exports

Abbildung 24:Breadcrumbs auf der Sony Webseite

Management Summary

Das vorliegende Buch befasst sich mit kulturellen Unterschieden zwischen Gesellschaften und deren Auswirkungen für das Webdesign. Es soll zur Sensibilisierung und zu einem vermehrten Bewusstsein für die kulturell bedingten und daher verschiedenartigen Ansprüche von Verbrauchern und Kunden beitragen.

Verschiedene Kulturbestandteile werden mit Webdesign in Verbindung gebracht und es wird erörtert, inwieweit Kulturdimensions-Modelle die Gestaltung von Webseiten für andere Länder unterstützen können. Anhand einer Webseiten-Analyse sowie einer Benutzerumfrage wird der Einsatz dieser Modelle mithilfe eines dafür entwickelten Frameworks am Beispiel Indiens erprobt.

Trotz des vorgeschlagenen Frameworks wird ersichtlich, dass sich mit jedem Kulturkreis intensiv auseinandergesetzt werden muss, um die Mitglieder dieser Gesellschaften mit einer Internetpräsenz kulturkonform zu adressieren.

Die aus der Analyse sowie der Umfrage gewonnenen Erkenntnisse münden in einen Unternehmensleitfaden für Internetauftritte in Indien.

1 Einleitung

1.1 Einführung in die Thematik

Durch den zunehmenden Wettbewerb werden die Unternehmen gezwungen international zu agieren – sei es um neben dem ausgeschöpften Binnenmarkt weitere Einnahmequellen zu generieren, oder die Produktlebenszyklen zu verlängern. Mit der internationalen Kundschaft werden die Unternehmen auch mit unterschiedlichen Kulturen konfrontiert, an die sie sich mehr oder weniger erfolgreich anpassen.

Um in den heutigen Auslandsmärkten erfolgreich zu agieren muss mit einer marktorientierten Unternehmensführung auf die Probleme und Bedürfnisse der Kunden eingegangen werden.1 Bei der Kaufentscheidung sind neben ökonomischen Faktoren auch kulturelle Faktoren eine wichtige Determinante. Vor allem in Ländern mit ähnlichem Pro-Kopf-Einkommen kann es also nur der Faktor Kultur sein, mit dem sich die dort existierenden und unterschiedlichen Konsumgewohnheiten erklären lassen.2 Alles deutet darauf hin, dass der oft zitierte globale Konsument bis heute noch nicht Realität geworden ist.3

Gerade das Internet als interaktives, vielfältiges und relativ kostengünstiges Medium, eignet sich besonders, um potenzielle Kunden in aller Welt zu erreichen. Die interaktiven Bestandteile und die Komplexität einer Internetseite stellen gegenüber der klassischen Werbung umfangreichere und verschiedenartigere Anforderungen an eine Anpassung an unterschiedliche Kulturen.

Auch die immensen Wachstumszahlen rücken das neue Medium in den Mittelpunkt. Laut Forrester Research nutzten im Jahr 2004 ungefähr 941 Millionen Menschen das Internet, im Gegensatz zu nur 350 Millionen im Jahr 2000.4 Studien ergaben, dass Internetnutzer Webseiten in ihrer Landessprache bevorzugen. So bevorzugen 75% der chinesischen Onlinekäufer Webseiten in Mandarin.5

Was nun bei einer kulturellen Anpassung von Webseiten neben sprachlichen Aspekten im Internet vorgenommen werden sollte und welche Möglichkeiten sich hierfür bieten, soll Gegenstand dieses Buches sein.

1 Vgl. Meffert/Bolz, Internationales Marketing-Management, S. 7

2 Vgl. Terpstra/Sarathy, International Marketing, S. 89f.

3 Vgl. Backhaus u.a., Internationales Marketing, S. 84

1.2 Zielsetzung

Ziel dieses Buches ist es, Unternehmen bei der Anpassung ihrer Internetseiten an verschiedene Länder und deren Kulturen zu unterstützen. Es soll ein Bewusstsein entwickelt werden, wie komplex und wichtig der Kulturbegriff im Kontext des internationalen Marketings ist und wie ausführlich man sich mit kulturellen Unterschieden beschäftigen muss, um keine Fehler mit weit reichenden Folgen zu begehen.

Ein Framework soll helfen, unterschiedliche Merkmale einer Webseite kulturell bedingt in einem Land mehr, in einem anderen Land weniger ausführlich auf der Unternehmens-Webseite zu kommunizieren. Dies soll am Beispiel von Indien verdeutlicht werden. Bei einer Analyse deutscher und indischer Internetseiten sowie einer Benutzerumfrage mit Usern aus beiden Ländern soll dieses Framework zum Einsatz kommen. Aus den gewonnenen Erkenntnissen entsteht ein Unternehmensleitfaden, mit dem Internetseiten an den Kulturkreis Indiens angepasst werden können.

Das Buch befasst sich ausschließlich mit einem Teilbereich des Internetmarketing: Kulturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Gesellschaften und deren mögliche Auswirkungen auf das Webdesign. Ziel ist es nicht, Internetmarketing in seiner Gesamtheit zu beschreiben. Mit all seinen Bereichen wie rechtlichen Aspekten, Online-Promotions, technischen Rahmenbedingungen, Usability und vielem mehr übersteigt das Thema den Rahmen dieser Abhandlung.

4 Vgl. o.V., Global Challenges, http://www.acunu.org/millennium/ch-06.html (20.06.2005)

5 Vgl. Singh/Pereira, Customized Web Site, S. 5

1.3 Methodik und Struktur der Abhandlung

Der erste Teil des Buches befasst sich mit allgemeinen Fragen des interkulturellen Marketings. Dabei wird auch auf die Standardisierungs-/ Differenzierungsdiskussion eingegangen. Desweiteren wird der Kulturbegriff erklärt und in die Wissenschaftslandschaft eingeordnet. Kultur und deren Einfluss auf die internationale Kommunikation wird aufgegriffen und in Verbindung mit dem Design von Internetseiten gesetzt. Der Status quo gibt einen Überblick über bereits publizierte Abhandlungen zum Thema interkulturelles Webdesign. Danach wird der Kulturkreis Indiens, mit einem Einblick in dessen Lebensweise, Religion, Wirtschaft und Technologie, vorgestellt. Abschließend werden kulturelle Erklärungsansätze erläutert, die versuchen, Kultur zu operationalisieren.

Im zweiten Teil werden den zuvor vorgestellten kulturellen Erklärungsansätzen Web-Merkmale zugeordnet, mit denen sich bestimmte kulturelle Werte im Internet verstärkt kommunizieren lassen. Dieses Framework soll mithilfe einer Analyse von Unternehmenswebseiten deutscher und indischer Unternehmen der Konsumgüterbranche erprobt werden. Im Anschluss werden auch die Meinungen der Benutzer durch eine Online-Umfrage in Indien und Deutschland ermittelt und ausgewertet. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse aus dem Kulturkreis Indien, der Webseiten-Analyse sowie der Benutzerumfrage wird ein Unternehmensleitfaden zur kulturellen Adaption von Webseiten in Indien erstellt.

TEIL 1: Theoretischer Teil

2 Standardisierung versus Differenzierung im internationalen Marketing

2.1 Ursprünge der Diskussion

Die Ursprünge der Standardisierungs-/Differenzierungsdebatte führen zu zwei strategischen Alternativen im Marketing, über die langfristige Wettbewerbsvorteile sichergestellt werden sollen:

- Kostenführerschaft gegenüber

- Qualitätsführerschaft

6

Kostenführer rationalisieren in Bereichen wie Produktion, zum Beispiel durch Automatisierung von Prozessen und Standardisierung von Produkten, durch Einsparung von Personal und durch Konzentration auf wenige Lieferanten, um dadurch eine gegenüber den Wettbewerbern günstigere Kostenstruktur zu erlangen.7 Dadurch können sie zu günstigeren Preisen als die Konkurrenz an den Markt und so ihren Absatz beträchtlich erhöhen, was zur Erhöhung ihres Marktanteils führt und zur Fixkostendegression beiträgt. Eine langfristige Kundenbindung ist mit dieser Strategie oft nicht möglich, da, um den Kosteneffekt zu erzielen, Service und Qualität meist zu kurz kommen. Es besteht auch die Gefahr eines ruinösen Preiswettbewerbs, wenn Unternehmen sich gegenseitig mit immer günstigeren Preisen unterbieten.8

Qualitätsführer hingegen setzen auf die Vorteile eines hochwertigen Produktes oder einer hochwertigen Dienstleistung. Dabei bezieht sich der Qualitätsbegriff nicht nur auf das Produkt selbst, sondern auch auf Leistungen wie Service, Garantie, Design, Image und dem Kauferlebnis, also allen Bestandteilen die das Produkt für den Kunden einzigartig in seiner Gesamtheit erscheinen lässt.9 Durch diese Strategie lässt sich eine bessere Kundenbindung realisieren und das allgemeine Unternehmensimage verbessern. Die Kunden sind bereit, höhere Preise für das Produkt bzw. für die Dienstleistung zu bezahlen.10

Die Standardisierung-/Differenzierungsdiskussion wurde 1968 von Robert D. Buzzell, Experte des Strategischen Marketings, initiiert und Anfang der achtziger Jahre von Vertretern des Internationalen Marketings fortgeführt.11

Im internationalen Umfeld werden oft die Begriffe Standardisierung/ Differenzierung verwendet, wobei hier klare Parallelen zur weiter gefassten, auch das Marketing innerhalb eines Landes betreffenden Kostenführer-/Qualitätsführerschaft zu erkennen sind:

- Weltweite Standardisierung des Marketing-Mix führt zu Kosteneinsparungen und wiederum zu Preisvorteilen

- Differenzierung verleiht den Leistungen der Unternehmen Einzigartigkeit durch Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppen

12

Theodore Levitt vertritt in The Globalization of Markets die Meinung, dass sich eine einheitliche Weltkultur entwickelt, in der sich die Bedürfnisse der Konsumenten immer mehr angleichen. Gegner der Standardisierung sind der Meinung, die zu beobachtende Angleichung sei nur oberflächlicher Natur und ist auf wenige Konsumbereiche, wie zum Beispiel Sportartikel oder Fast-Food beschränkt. Folglich sollte nach deren Ansicht auch weiterhin ein differenzierter Ansatz verfolgt werden.13

6 Vgl. Müller/Gelbrich, Interkulturelles Marketing, S. 458

7 Vgl. ebenda

8 Vgl. ebenda, S. 458f.

9 Vgl. Meffert/Bolz, Internationales Marketing-Management, S. 147-151

10 Vgl. Müller/Gelbrich, Interkulturelles Marketing, S. 459

11 Vgl. ebenda, S. 463 12 Vgl. ebenda, S. 461 13 Vgl. ebenda, S. 463

2.2 Standardisierung

Die Befürworter der Standardisierungsstrategie plädieren für eine weltweite Vereinheitlichung der Marktbearbeitung, um dadurch Kostenvorteile und somit Preisvorteile erzielen zu können.

Zusammenfassend lassen sich folgende Argumente zahlreicher Befürworter der Standardisierungsstrategie darstellen:

- Weltweite Angleichung der Bedürfnisse und Verhaltensweisen von Entscheidungsträgern, Konsumenten, etc.

- Entwicklung transnationaler Marktsegmente mit ähnlichen Bedürfnissen und Präferenzen

- erhöhte internationale Mobilität durch gesunkene Transportkosten - grenzenlose Kommunikation durch das Internet

- Konzentration des Welthandels auf Europa, Nordamerika und Asien-Pazifik

- internationale Ausbreitung nicht kulturgebundener Produkte (z.B. Computer)

- steigende regionale Integration wichtiger Volkswirtschaften (z.B. EU, MERCOSUR, NAFTA) und Abbau von Handelshemmnissen

14

Diese Veränderungen sorgen für ein Zusammenwachsen des Weltmarktes in ein so genanntes Global Village, in dem folgende Prinzipien wirksam sind:

-

Economies of scale

in vielen Unternehmensbereichen

- schnellere Einführungsphase von weltweit angebotenen Produkten und Dienstleistungen

- einfachere Steuerung der internationalen Geschäftstätigkeit

- Kommunikation, Unternehmens-Image, etc. kann vereinheitlicht werden

- vorhandenes Wissen kann global genutzt werden.

15

Die Argumentationskette, die eine global einheitliche Marktbearbeitung möglich machen soll, besteht aus vier Thesen, die von Levitt und anderen Autoren aufgestellt wurden.16

Abbildung 1: Standardisierte Marktbearbeitung als sich selbst verstärkender Prozess Quelle: Meffert, Marketing, S. 195

Die in der Grafik dargestellte Kette bezeichnet Meffert als einen sich selbst verstärkenden Globalisierungsprozess.17

Die Konvergenzthese, aufgestellt von Webber (1969), besagt, dass sich Verbrauchergruppen zunehmend angleichen und sich dies in einer Homogenisierung der Bedürfnisse bemerkbar macht.18 Dies bestätigen globale Marken wie McDonalds oder Coca Cola. Die Fastfood Kette McDonalds hat Restaurants nach dem gleichen Prinzip und nahezu den gleichen Produkten in Ländern der ganzen Welt. Sowohl in Moskau, als auch in New York werden deren Hamburger konsumiert.19 Durch diese kulturübergreifenden und einheitlichen Wünsche wird es möglich, standardisierte Produkte mit einer standardisierten Werbebotschaft zu vermarkten (=Standardisierungsthese). Dies resultiert mittelfristig in einer produktorientierten Organisationsstruktur sowie einer Integration und Koordination von Informationsbeschaffung und Entscheidungsfindung (=Zentralisierungsthese).20 Die Strategie der Kostenführerschaft und die Nutzung von Preisvorteilen in den Märkten (=Kosten- bzw.

Preisvorteilsthese) zählen zu den weiteren Faktoren eines globalen Marketingansatzes. Die Weitergabe des Preisvorteils an die Kunden beschleunige dann, nach Meinung der Verfechter dieses Ansatzes, die Homogenisierung der Nachfrage.21

So drückt Standardisierung in ihrer extremsten Ausführung aus, „…, daß identische Produkte zu unveränderten Preisen/Konditionen über gleiche Distributionskanäle bei Anwendung des gleichen Kommunikationskonzeptes vertrieben werden“.22

14 Vgl. Müller/Gelbrich, Interkulturelles Marketing, S. 463f.

15 Vgl. ebenda

16 Vgl. Müller/Kornmeier, Grenzen der Standardisierung, in Jahrbuch Absatz, Heft 1, 1/96, S. 5

17 Vgl. Meffert, Marketing, S. 194f.

18 Vgl. Müller/Kornmeier, Grenzen der Standardisierung, in Jahrbuch Absatz, Heft 1, 1/96, S. 5

19 Vgl. Müller/Gelbrich, Interkulturelles Marketing, S. 464

20 Vgl. ebenda, S. 466

2.3 Differenzierung

„The real world is not a global village.”23 Die Strategie der Differenzierung passt die Produkte und Dienstleistungen einschließlich der notwendigen Marketingaktivitäten an den Zielmarkt an. Die im Folgenden näher erläuterten anpassungsbedürftigen Bereiche soziodemographische Struktur, technisch-physikalische Gegebenheiten, Markt- und Wettbewerbsbedingungen, Rechtsvorschriften, Verbraucherverhalten und Kultur bilden gleichzeitig die Grenzen der Standardisierung.24

Soziodemographische Struktur: In Industrieländern ist eine Angleichung bestimmter soziodemographischer Merkmale zu beobachten, in Schwellen- und Entwicklungsländern divergieren diese Merkmale jedoch weiterhin.25 Doch selbst innerhalb Europas existieren gravierende Unterschiede zum Beispiel in den Gebrauchs- und Verzehrgewohnheiten. In Deutschland ist jeder Dritte Haushalt ein Single-Haushalt, in Italien jeder Sechste, in Spanien jeder Neunte und in Irland nur noch jeder Elfte. Diese Unterschiede fordern angepasste Produkte und eine auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnittene Ansprache durch die Werbung.26

Technisch-physikalische Gegebenheiten: Da das Klima in Deutschland milder als in Italien ist, wird eine Waschmaschine mit hoher Schleuderzahl gefordert, um den Trocknungsprozess zu beschleunigen, im Gegensatz zu Italien, wo eine geringere Leistungsfähigkeit ausreichend ist. Im Bereich Werbung ist die gegebene Infrastruktur der Werbemedien ausschlaggebend für die Richtung der Werbung: Aufgrund der beschränkten täglichen TV-Werbezeit ist es zum Beispiel in skandinavischen Ländern nicht aussichtsreich mit einer TV-gestützten Werbekampagne in einen umkämpften Markt einzudringen. Dort sollte der Fokus auf Zeitschriften mit hoher Reichweite, oder der Anmietung von Plakatflächen gesetzt werden.27

Markt- und Wettbewerbsbedingungen: Solange ein Unternehmen als Monopolist in einem Markt aktiv ist, verspricht eine Standardisierungsstrategie gute Aussichten auf Erfolg. Existiert jedoch schon Konkurrenz durch einen namhaften Marktteilnehmer, so muss, um eine Wettbewerbsposition zu erhalten, differenzierter vorgegangen werden. Auch der Produktlebenszyklus ist in unterschiedlichen Ländern oft nicht gleich vorangeschritten wie im eigenen Land. Daher muss ein anderer Fokus auf die jeweils eingesetzten Marketing-Instrumente gesetzt werden.28

Rechtsvorschriften: Unterschiedliche nationale Rechtsvorschriften beeinflussen die Inhalte der Werbung. Frankreich zum Beispiel verbietet Werbung mit Kindern und Werbebotschaften, die an Kinder adressiert sind. In Dänemark sind ernährungswissenschaftliche Hinweise auf das beworbene Produkt verboten. Hier muss zum Beispiel ein Nahrungsmittelhersteller differenziert vorgehen, um die Werbemöglichkeiten voll ausschöpfen zu können.29

Verbraucherverhalten: Folgende Beispiele zeigen, dass Verbraucherverhalten oft nicht rational nachvollziehbar ist: Finnische und französische Haushalte bevorzugen von oben zu befüllende Waschmaschinen, während alle anderen westeuropäischen Länder von vorne befüllbare Waschmaschinen bevorzugen.30 Procter & Gamble betonte bei der Einführung eines neuen Waschmittels in Japan als Hauptargument wie effektiv es bei höheren Wassertemperaturen sei. Diese Botschaft ist jedoch nahezu bedeutungslos, wenn man bedenkt, dass in Japan fast alles mit kaltem Wasser gewaschen wird.31

Kultur: Die meisten Fehlentscheidungen in der Produktgestaltung und der Kommunikation sind jedoch auf kulturspezifische Eigenheiten eines Marktes zurückzuführen. Zeichen, Symbole, Farben oder Formen haben in unterschiedlichen Kulturen einen völlig unterschiedlichen Bedeutungsgehalt. So musste die Brauerei Carlsberg, um auf dem schwarzafrikanischen Markt erfolgreich zu sein, auf sämtlichem Werbematerial den beiden als Logo eingesetzten Elefanten einen Dritten hinzufügen, da zwei Elefanten dort Unglück symbolisieren.32

Zudem hält die Sprachbarriere ein global einheitliches Marketing doch sehr in Grenzen: Laut einer Studie von Eurobarometer (2001) besitzen nur 31% der EU-Bürger Kenntnisse, um eine englischsprachige Werbebotschaft zu verstehen.33 Auch das Umweltbewusstsein einer Zielgruppe ist zu wesentlichen Anteilen kulturell determiniert. In Deutschland besteht ein größeres Umweltbewusstsein als zum Beispiel in Frankreich, was Auswirkungen auf die Anwendung von Öko-Marketing-Konzepten hat.34

Wie folgende Grafik zeigt, sind vor allem Konsumgüter eherkulturgebundene Produkte:

Abbildung 2: Standardisierbarkeit verschiedener Produktkategorien Quelle: Meffert/Bolz, Internationales Marketing-Management, S. 183

Die genannten Bereiche, die eine Anpassung der Marketingaktivitäten benötigen sind sicher auch der Grund, warum Marketingpläne bei Coca Cola, die in anderen Ländern konzipiert oder eingesetzt werden sollen, zuerst nach einer umfassenden Prüfung von der Zentrale freigegeben werden.35

21 Vgl. Mennicken, Interkulturelles Marketing, S. 2

22 Raffée/Kreutzer, Global-Marketing, in Thexis, Heft 2, 3/86, S. 11

23 Simmonds, Deadly Traps, S. 53, zitiert nach Müller/Gelbrich, Interkulturelles Marketing, S. 467

24 Vgl. Müller/Kornmeier, Grenzen der Standardisierung, in Jahrbuch Absatz, Heft 1, 1/96, S. 10

25 Vgl. Kreutzer, Global Marketing, S. 41f.

26 Vgl. Müller/Kornmeier, Grenzen der Standardisierung, in Jahrbuch Absatz, Heft 1, 1/96, S. 10f.

27 Vgl. ebenda

28 Vgl. ebenda, S. 14

29 Vgl. Müller/Kornmeier, Grenzen der Standardisierung, in Jahrbuch Absatz, Heft 1, 1/96, S. 16

30 Vgl. ebenda, S. 17f.

31 Vgl. Ricks, Business Blunders, S. 49f.

32 Vgl. ebenda, S. 18

33 Vgl. o.V., Eurobarometer,http://europa.eu.int/comm/education/policies/lang/languages/index_de.html#2most%20useful (20.06.2005)

34 Vgl. Müller/Kornmeier, Grenzen der Standardisierung, in Jahrbuch Absatz, Heft 1, 1/96, S. 10f.

2.4 Kritische Auseinandersetzung

Der Eindruck der Standardisierbarkeit kann auch täuschen. Wie bereits angesprochen verkaufen sich der Walkman von Sony sowie die Hamburger von McDonalds sehr gut als standardisiertes Produkt. Nur wird der Walkman von unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich interpretiert. Der Deutsche hört Walkman, um von der Umgebung nicht gestört zu werden, der Japaner, um seine Mitmenschen nicht zu stören und die in Japan gewünschte Distanz zu seinen Mitmenschen aufrecht zu erhalten. Bei McDonalds gibt es Unterschiede in der Motivation eines Besuches: In Amerika geht man zu McDonalds um schnell und günstig zu essen, in Russland wird McDonalds eher als ein Restaurant betrachtet und nicht jeder kann es sich leisten, es zu besuchen.36

Dies hat zur Folge, dass die Werbung für die genannten Produkte nicht standardisiert werden kann, da die Verbraucher in anderen Kulturen auch eine andere Kaufmotivation besitzen. Werbung mit dem Ziel, Aktualität zu vermitteln, kann eher standardisiert werden, da in diesem Fall keine Inhalte kommuniziert werden müssen.37 Trotzdem muss auch hier beachtet werden, dass Aktualität und informative Werbung oft mit Bildern zur Verbesserung der Wahrnehmungsatmosphäre dekoriert wird, die wiederum kulturell sensitiv sind.38

Die für eine Standardisierung sprechenden Kostenvorteile sind oft unbewiesen. Die Berechnung einer Kosteneinsparung ist nur ungenau möglich, da die Opportunitätskosten, also der entgangene Gewinn durch die Standardisierung, meist nicht mit einbezogen werden. Im Bereich Werbung nehmen die eingesparten Kosten auch nur einen geringen Teil an den Gesamtkosten ein. Duncan Moriarty vermutet, es „lohnt sich nur die Standardisierung von TV-Spots, weil ihre Produktionskosten besonders hoch sind.“39 Heutzutage ist jedoch auch eine kostengünstige Anpassung von Werbespots mithilfe digitaler Produktionstechniken möglich.

Gerade gegen die von den Verfechtern der Standardisierung als Hauptargument propagierte Konvergenzthese, die ja voraussetzt, dass Märkte konvergieren und somit an Homogenität gewinnen, sprechen viele Argumente. Die Verfechter der Konvergenzthese berufen sich meistens auf die relative Annäherung demographischer Merkmale und vernachlässigen hierbei die oft bedeutungsvolleren absoluten Veränderungen. Um die zunehmende Angleichung der Einkommensverhältnisse zu bestätigen, wurde die Entwicklung des BIP (reales Wachstum) asiatischer Schwellenländer wie Südkorea (+8,2%), Thailand (+ 6,4%), Singapur (+ 6,1%) und Hongkong (+5,4%) von 1980 bis 1993 mit dem der USA (+1,7%) verglichen. Die Ergebnisse scheinen die Konvergenzthese zu bestätigen. Betrachtet man jedoch die Änderungen der absoluten Zahlen, so merkt man, dass das reale Wachstum der Schwellenländer nicht viel in Bezug auf die Angleichung der Einkommensverhältnisse bewirkt hat.40 Die Konvergenzthese ist auch wenig spezifiziert und geht nicht auf empirische Beobachtungen zurück. Es ist nicht bekannt, welche Bedürfnisse universal sind und daher auch nicht wie diese durch standardisierte Werbung angesprochen werden sollten.41

Usunier und Walliser raten zu soviel Standardisierung wie kulturell möglich und soviel Differenzierung wie kulturell nötig, denn im internationalen Geschäft wird es zunehmend wichtiger, auf den kulturellen Hintergrund der verschiedenen Kunden einzugehen und diesen als einen Wettbewerbsvorteil zu nutzen.42