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Gesammelte Blog-Kolumnen aus dem Jahr 2016 zu New Work und der Zukunft der Arbeit.
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Seitenzahl: 92
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Arbeiten 4.0, Neue Arbeit oder Zukunft der Arbeit: Spätestens mit dem Jahr 2016 wird dieses Phänomen auch in Deutschland intensiv diskutiert. Auch der Autor hat mit seinem New Work - Buch „Arbeit – die schönste Nebensache der Welt“ hierzu einen Beitrag geleistet.
Parallel zu diesem Buch verfasste Markus Väth im Jahr 2016 über fünfzig Kolumnen, die sich dem Thema New Work aus unterschiedlichen Perspektiven nähern. Für diesen Kolumnenband wurden nun die besten dreißig ausgewählt und kuratiert. Sie bilden einen unterhaltsamen, anregenden, manchmal überraschenden und scharfsinnigen Blick auf New Work und auf eine Arbeitswelt, die vor großen technologischen, sozialen und wirtschaftspolitischen Veränderungen steht.
Markus Väth ist Psychologe und arbeitet seit über zehn Jahren als Speaker und Coach. Hier widmet er sich Themen wie Selbstwirksamkeit, New Work, Führung und neuer Arbeitskultur. Daneben ist er Verfasser mehrerer arbeitspsychologischer Bücher und schreibt unter anderem auf seinem Blog eine wöchentliche Kolumne zu aktuellen Themen aus Wirtschaft, Politik und Psychologie. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in der Nähe von Würzburg.
Emanzipation, reloaded
New Work ist mehr als Organisationsentwicklung
Dieselgate: Über Autokonzerne und andere Kleinkriminelle
Wachstumsdogma
New Office
Berliner Chaostage
Spurwechsel
Systemfehler
Gier, Erpressung, rauhe Sitten – die hässliche Realität der Autobranche
Die Welt wird besser, nicht schlechter!
Warum wir weniger fühlen und mehr denken sollten
Drei Gründe, warum die AfD scheitern wird
Über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Über den Brexit und die Chance maximaler Instabilität
Geil auf Gefühl – nur nicht bei der Arbeit
New Work: Sprachlicher Kauderwelsch im Elfenbeinturm
Wie der SPIEGEL eine Lanze für reaktionäres Hierarchiedenken bricht
Der feuchte Traum eines jeden Beraters
Über Fußball, Frauen und andere nichttriviale Systeme
Bullshitjobs und die Frage nach dem beruflichen Sinn
Motivation ist egal – Bedürfnisse sind wichtig
Es wird Zeit für einen „New Work Deal“ mit der Politik
Diese drei Denkfehler reißen die Commerzbank in den Abgrund
Samsung sitzt in der Beschleunigungsfalle
Unternehmen brauchen einen Paradigmenwechsel
New Work fördert einen maßvollen Kapitalismus
Miroslav Klose ist der New Worker der Woche
Können Konzerne New Work?
New Work ist die erste humanzentrierte Arbeitsphilosophie
Grundeinkommen...und dann?
Literatur
Ich sitze im Cafe. Das tue ich oft und gern. Es ist nie dasselbe Cafe, aber immer eins von vier, fünf auf meiner Gewohnheitsliste. Wären die Cafes Menschen, könnte man vielleicht von serieller Polygamie im kleinen Kreis sprechen.
Ich schaue mich um und sehe den Bedienungen bei der Arbeit zu. Keine Ahnung, wie es bei Ihnen ist, aber in Nürnberg sind gefühlt 90 % der Bedienungen weiblich – was zu einer aktuellen Statistik passt, wonach über 60 % aller Teilzeittätigen Frauen sind. Es arbeiten heute in Deutschland mehr Frauen als noch vor 20 Jahren, aber die Arbeitszeit dieser Frauen ist im gleichen Zeitraum im Schnitt um drei Stunden gesunken. Es verteilt sich also weniger Frauenarbeit auf mehr Frauenköpfe. Neben den „durchstartenden Karrierefrauen“, wie die Presse sie gerne nennt, erobert die weibliche Teilzeit-Kraft Terrain zurück, das ihr die Frauenbewegung in den letzten Jahrzehnten mühsam abgerungen hatte.
Noch ein paar Zahlen: Nur in 10 % aller Beziehungen verdient die Frau mehr als der Mann. Und nach einer Berechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft würden lediglich 2 % der Arbeitnehmer die 32h – Woche praktizieren wollen, wenn Mann und Frau 50/50 arbeiten. Der Trend geht – entgegen aller feministischen und emanzipatorischen Bemühungen – in die Gegenrichtung: Für Paare mit Kindern beispielsweise verfestigt sich das 1,5 Stellen-Modell: Er arbeitet Vollzeit, sie Teilzeit; außerdem versorgt sie die Kinder. 2011 praktizierten in Deutschland 70 % der Paare mit Kindern ein solches Einkommensmodell; 1996 waren es noch 53 %.
Was bedeutet das für die künftige Arbeitswelt? Ja, es gibt viele gut ausgebildete Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Aber: Nachdem Frauen nun zur „Arbeitsfähigkeit“ befreit worden sind (Vorsicht, Ironie), zünden sie nun eine weitere Stufe der Emanzipationsrakete selbst. I would prefer not to, lässt sich das Motto nicht weniger Frauen zusammenfassen. Diesen Satz lässt Hermann Melville seinen Helden Bartleby sagen, dem verschiedene Tätigkeiten als Schreiber angedient werden, der sie aber allesamt ausschlägt.
Warum sich in der kapitalistischen Mühle verschleißen lassen, wenn der Mann genügend Geld verdient und man den eigenen Lebenssinn auch in Familie und Kindererziehung finden kann? Selbstverständlich denkt nicht jede (arbeitende) Frau so. Aber es gibt einen interessanten sozio-ökonomischen Trend, eine Art Flashback des rheinischen Nachkriegsbürgertums: Die (Teilzeit-) Hausfrau ist zurück. Manche sehen darin die bedrohliche Rückkehr des finsteren Patriarchats, andere die logische Schlussfolgerung der Emanzipationsbewegung: Nur weil ich Schnitzel essen darf und kann, heißt das nicht, dass ich jeden Tag Schnitzel essen will. Nur weil ich eine qualifizierte Vollzeitstelle annehmen kann, heißt das nicht, dass ich sie auch annehmen muss. I would prefer not to. Nein danke, lieber nicht.
Die moderne Frau kann damit zum wertvollen Impulsgeber für New Work und eine künftige Arbeitsgesellschaft werden. Meint es die Wirtschaft mit dem Fachkräftemangel ernst und will sie darum verstärkt die Frauen an die Laptops und Werkbänke bringen, muss sie Bedingungen schaffen, die eine Integration von Arbeit und Familie fördern: die Einführung von Home Office etwa, neue Krankheitsregelungen (zum Beispiel: Könnte die Krankheit des 3-jährigen Sohnes, den man daheim betüteln muss, als eigener Krankheitstag angerechnet werden?) oder das Justieren von Zielerreichungskriterien (Präsentismus!).
Auf der anderen Seite braucht es von Seiten der Frauen auch ein klares Commitment zum Unternehmen. Das spricht gegen die implizite Mentalität vieler Teilzeitjobs, die „Nichts Halbes und nichts Ganzes“ seien. Man mache es eben „wegen des Geldes“. Der entscheidende Faktor für erfolgreiche Teilzeit in der künftigen Arbeitswelt wird das gegenseitige Engagement von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sein. Damit Teilzeit die neue Vollzeit werden kann. Und vielleicht auch irgendwann die Männer zur Vollzeitstelle sagen: I would prefer not to.
New Work war nicht immer, was es heute ist. Und New Work ist heute weniger, als es früher war. Klar soweit? Gut. Genug der Wortverdrehungen. New Work hat in der Tat eine gewisse intellektuelle Verarmung hinter sich – was besonders deshalb schade ist, weil viele sich noch gar nicht mit dem Konzept beschäftigt haben. Tun sie es heute dennoch, werden sie mit einer abgespeckten New Work – Version in Kontakt kommen. Man hat sozusagen das Gourmet-Menu auf den Salat reduziert. Nichts gegen Salat, aber ein Risotto hat auch seinen Reiz.
New Work vereinte ursprünglich eine radikale Kapitalismuskritik mit einer technologischen Vision der Selbstversorgung und einer Vision der beruflichen Sinnerfüllung. (Wer etwas über Innovation im technischen Bereich der Selbstversorgung, des 3D-Drucks etc. erfahren will, dem sei diese Facebook-Gruppe empfohlen.) Heute ist davon wenig bis nichts geblieben. Es geht sehr technisch zu in der New Work – Bewegung heute. Organisationsentwicklung ist das Zauberwort. Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, Scrum und so weiter bestimmen die Debatte. Dabei ging es am Anfang gar nicht um Organisation, nicht einmal um Arbeit. Sondern um Freiheit. Die Freiheit des Menschen, erst generell und dann in der Arbeit. Diese tiefe Bedeutung des New Work dürfen wir heute nicht vergessen. Daher sollten wir das Werk einiger Intellektueller bewusst in die Diskussion um New Work einbeziehen, auch wenn diese sich nicht direkt auf New Work beziehen. Eine kleine Auswahl: Thomas Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert, David Graeber, Schulden: Die ersten 5.000 Jahre oder Byung-Chul Han, Müdigkeitsgesellschaft.
Wird man jedoch modern und widmet man sich der zweiten Generation von New Workern, bestimmen schnell die „Großen Drei“ die Diskussion: Demokratisierung, Digitalisierung, Dezentralisierung. Praktisch jede New Work – Initiative lässt sich auf einer der drei Dimensionen verorten. Wertvoll sind alle drei, selbstverständlich. Und schön kategorisieren kann man die New Work – Instrumente auch noch – ein großer Vorteil für die Beratungsarbeit und das Verständnis des Kunden.
Doch immer gilt das „wozu“. Cui bono – wem nutzt es? Dem Eigentümer, dem Shareholder, den Kunden, den Mitarbeitern? Am besten allen. Doch wir sollten nicht vergessen, dass New Work immer im Zeichen der Freiheit und der Kapitalismuskritik stand. Handle so, dass sich deine Optionen vergrößern. Handle so, dass sich die Optionen deines Gegenübers vergrößern. Kollaboration, nicht Konkurrenz ist die Handlungskonstante der neuen Arbeitswelt. Noch nicht viele haben das begriffen. Doch wie sollte man demokratisieren, wenn man dem Gegenüber nur schlechte Entscheidungen zutraut? Wie sollte man dezentralisieren, wenn man keine Kontrolle abgeben kann? Schwierige Sache, dieses New Work. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – so ging früher ein Spruch. Erst die Freiheit, dann die Arbeitsgestaltung – so sollte New Work heute sein.
Dieselgate ist ja nun wahrlich kein hot pick mehr für deutsche Redaktionen. Dass Volkswagen in unfassbarem Ausmaß betrogen und belogen hat, sollte nun auch dem letzten Fernsehzuschauer, Zeitungsleser oder ADAC-Mitglied bekannt sein (letztere sind Betrug gewohnt, der ADAC hat da eine gewisse Begabung).
Aber nicht nur die Presse hat eifrig berichtet. VW hat mit Dieselgate den Olymp der Internet-Relevanz erreicht: eine eigene Wikipedia-Seite. Dort wird sehr lesenswert und haarklein aufgelistet: Vorgeschichte des Skandals, technische Details, sogar „staatliche Reaktionen“ und vieles mehr. Es ist eine der längsten Wikipedia-Einträge, die ich in meinem Leben zu Gesicht bekommen habe. Da kann man lange drin schmökern. Doch keine Angst. Wer es kürzer mag, für den gibt es sogar einen eigenen Twitter-Hashtag (#dieselgate). Kein Scherz.
Und es hat ja nicht nur VW mit seinen Untermarken Skoda, Audi und Porsche betrogen (um nur die wichtigen zu nennen). Immer mehr Autoriesen stehen am Pranger: Ford, Honda, Mitsubishi, GM und so weiter und so fort. Im Grunde kann man vermuten: Wer nicht manipuliert hat, wer entweder zu dumm oder wurde noch nicht enttarnt. Man kann hier ruhig von einem globalen Vertrauens-GAU sprechen, was die Autoindustrie angeht. Und genau das ist für mich der interessante Punkt: Nicht nur ein Unternehmen einer Branche betrügt, sondern anscheinend die ganze Branche, komplett. Seit Jahrzehnten. Wie also entwickelt eine ganze Branche ein derart kriminelles Verhalten? Und kann man das überhaupt verhindern?
Autokonzerne ticken wie Kleinkriminelle. Man könnte sie so beschreiben: Sie sind nicht wirklich böse, haben aber auch nichts gegen einen kleinen Betrug hier und da, solange man damit durchkommt und keine großen Strafen fürchten muss. Zündschlösser, Benzinverbrauch oder Stickoxid-Ausstoß: Erlaubt ist, was gefällt. Dazwischen sonnt man sich in einer gefühlten Großartigkeit (weil man ja noch nicht erwischt worden ist). Und ist man nicht total wichtig, eine „deutsche Schlüsselindustrie?“ Kann man sich da nicht das eine oder andere Ding erlauben? Und andere machen das doch auch! Genau das sind die Denkmuster eines gewöhnlichen Kleinkriminellen. Er ist nicht wirklich böse, dreht aber sein kleines Ding, Betrug oder sonstwas und hofft, dass er nicht erwischt wird. Und natürlich ist er viel zu clever, um erwischt zu werden – bis es doch passiert wird. Dann ist das Elend groß.