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Seit ihre Schwester ausgezogen ist, spürt Nicole vor allem eines: Langeweile.
Kurzerhand beschließt sie, mit dem alten Moped ihres Vaters nach Italien zu fahren und dort den Rest der Semesterferien zu verbringen.
Während eines Sturms gibt ihre Schwalbe kurz vor der Ankunft am Gardasee den Geist auf, doch zu Nicoles Rettung gabelt sie der attraktive Hotelierssohn Diego auf und bietet ihr nicht nur eine Mitfahrgelegenheit, sondern auch einen Schlafplatz an.
Da die Reparatur des Mopeds teurer als geplant ausfällt, schlägt Diego ihr vor, in einem der Hotels seines Vaters auszuhelfen. Nicole nimmt den Job an und steckt plötzlich in der Zwickmühle, denn nicht nur Diego macht ihr schöne Augen, sondern auch Kids-Club-Animateur Giulio. Schon bald muss sie erfahren, dass der sonnige Schein in der Hotellandschaft trügt.
Seine Stimme ist nur noch ein sinnlicher Hauch, als er seine Lippen erneut auf meine legt. Vorsichtiger. Gefühlvoller ...
Jeder Teil der "Wo die Liebe hinzieht ..." Reihe kann unabhängig von den anderen Bänden gelesen werden.
Band 1: British Love
Band 2: Swedish Kisses
Band 3: French Desire
Band 4: Italian Feelings
Wo die Liebe hinzieht ... Sammelband (Teil 1-3)
Außerdem von der Autorin erschienen:
Lisa Summer: Ich kann dich verdammt gut riechen (Liebeskomödie)
Lisa Summer: High Seas - Leidenschaft auf hoher See (romantic Thrill)
Lisa Summer: High Seas - Verloren im Paradies (romantic Thrill)
Lisa Summer: Liebspost vom Weihnachtsmann (Weihnachtsromanze)
Lisa Summer: Die Farben meiner Hoffnung (New Adult Dystopie)
Lisa M. Louis: Observe - Die neue Welt (YA-Dystopie)
Lisa M. Louis: Observe - Die andere Seite (YA-Dystopie)
Lisa M. Louis: Observe - Sammelband
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Lisa Summer
Italian Feelings
Wo die Liebe hinzieht … 4
Für Isabell, weil ich dich liebe
Kapitel 1
Nicole
Nicole
Nicole
Kapitel 2
Nicole
Nicole
Nicole
Kapitel 3
Diego
Nicole
Nicole
Diego
Kapitel 4
Nicole
Diego
Nicole
Kapitel 5
Nicole
Kapitel 6
Nicole
Nicole
Kapitel 7
Diego
Nicole
Kapitel 8
Nicole
Nicole
Giulio
Nicole
Kapitel 9
Giulio
Nicole
Nicole
Kapitel 10
Nicole
Giulio
Kapitel 11
Nicole
Nicole
Diego
Kapitel 12
Giulio
Nicole
Nicole
Kapitel 13
Giulio
Nicole
Kapitel 14
Nicole
Nicole
Diego
Nicole
Giulio
Kapitel 15
Nicole
Giulio
Nicole
Nicole
Kennst du schon die anderen »Wo die Liebe hinzieht ...« Teile?
British Love
Swedish Kisses
French Desire
Impressum
Kapitel 1
È tutto troppo pericoloso.
»Schatz, kommst du bitte?«
»Gleich, Mama.« Die Schraube fällt auf den Boden, rollt an meinem Turnschuh vorbei und unter das Auto hinter mir. »Verdammt«, fluche ich und drehe mich um. Auf dem Boden tastend, lege ich mich auf den Bauch und greife blind unters Auto. Wo ist das blöde Ding nur?
»Nicole, wo bleibst du denn? Das Essen wird kalt.«
»Ja, warte. Gleich ...«, murmle ich und spüre die metallene Spitze zwischen meinen Fingern. Ich hab’ sie. Vorsichtig rolle ich das kleine Ding zu mir und hebe sie auf. »Da bist du ja.« Bevor ich sie erneut verliere, stecke ich die Schraube in eine leere Tupper-Dose und stelle sie auf den Sitz meines Mopeds. Die alte Simson meines Vaters erstrahlt endlich wieder in neuem Glanz.
»Nicole, wo bleibst du denn?« Mein Vater steckt den Kopf durch die Garagentür und sieht mich mit zusammengezogenen Brauen an. Dann runzelt er die Stirn und ein anerkennender Blick tritt in sein Gesicht. »Wow, so gut sah Jessy zuletzt vor dreißig Jahren aus.« Seine Hand gleitet über den ledernen Sitz und er lächelt.
»Jetzt müsste nur noch der Motor anspringen«, sage ich und werfe einen skeptischen Blick auf mein Maschinchen.
»Wenn ich dir helfen soll, brauchst du nur Bescheid geben.«
»Danke, Papa. Aber wenn ich Fragen habe, dann skype ich mit Lars.«
Papa zuckt die Schultern. Klar würde er gerne mehr Zeit mit mir verbringen und die Simson in Schuss bringen, aber ich weiß auch, dass gerade eine größere Wirtschaftsprüfung in seiner Firma ansteht, die genug auf Trab hält. Da soll er sich nicht verpflichtet fühlen, hier zu sein, nur, weil ich sonst gerade niemanden habe.
Ich gehe mir die Hände waschen und folge ihm ins Esszimmer, wo meine Mutter bereits wartet.
»Sorry, mir ist eine Schraube unters Auto gerollt. Die wollte ich noch vorkramen.«
Mutter seufzt. »Es ist dein letzter Sommer, Schatz und du verbringst ihn in der Garage. Die Sonne scheint, wieso rufst du nicht jemanden an und ihr geht ins Freibad?« Wenn das nur so einfach wäre ...
»Du weißt, dass niemand hier ist.«
»Papperlapapp«, antwortet sie. »Was ist mit Christina?«
»In Australien, seit drei Wochen schon. Wir haben uns doch zusammen die Fotos angeschaut, die sie geschickt hat.«
»Stimmt. Die Soße nur über die Kartoffeln?«
Ich nicke. »Ja, bitte. Und ruhig mehr Salat.«
Mama reicht mir den Teller und ich setze mich neben meinen Vater an den Tisch.
»Und die anderen aus deiner Klasse? Die können doch nicht alle zu den Kängurus spaziert sein.«
»Nein, nur Christina und Michelle. Laura ist als Betreuerin im Ferienlager im Harz, Nick und Markus müssen arbeiten und die anderen sind fast alle im Urlaub oder schon wegzogen. Vielleicht hätte ich auch irgendwo im Osten oder Westen studieren sollen, statt in Bayern zu bleiben. Na ja, immerhin muss ich so nicht ausziehen und spare mir die Miete. Die hätte ich mir in München sowieso nicht leisten können.
»Nun ist aber gut. Du kannst doch deswegen nicht den ganzen Tag drinnen hocken und Trübsal blasen«, meint Mama und legt ihr Besteck zur Seite. »Du bist ja schlimmer als deine Schwester. Die hat nicht ständig gejammert, als sie alleine nach Schweden gezogen ist.«
Automatisch bildet sich eine tiefe Falte auf meiner Stirn. Nicht gejammert? Da habe ich aber andere Erinnerungen an sie. Na ja, immerhin ist sie bald wieder hier. Wenn alles klappt, kann Thore bei uns promovieren. Ich hoffe zumindest, dass es klappt. In den letzten Wochen ist sie mir schließlich genug damit auf die Nerven gegangen, wie sehr sie ihn vermisse. Dabei waren die nur das Sommersemester über getrennt.
»Also, wie sieht dein Plan aus?«, fragt Mama schnippisch und Papa wirft ihr einen verwirrten Blick zu.
»Mama, ich bin neunzehn und studiere bald. Wenn ich Leute kennenlernen will, dann kriege ich das schon hin. Mach dir nicht so viele Sorgen um mich.«
»Du kannst dir ja die Simson schnappen und eine Tour durch die Alpen machen, da bin ich früher oft lang gefahren.«
Mama bekommt plötzlich Schnappatmung und schaut entsetzt zu Dad. Würde ihr recht geschehen, so wie sie mich aktuell betüddelt.
»Du spinnst wohl, Richard. Meine Tochter fährt bestimmt nicht alleine durch die Alpen.«
Ich schaue gespannt von ihr zu meinem Vater, doch er kontert nicht. Mum ist schon ganz rot vor Wut.
»Warum eigentlich nicht, ich könnte zum Gardasee fahren. Dann kann ich endlich noch mal ein bisschen Italienisch sprechen. Du meintest doch selbst, dass man eine Sprache auch sprechen muss, wenn man sie nicht verlernen will.«
Oh, oh. Der Vorschlag ging zu weit. Meine, sonst immer so lockere, Mutter krallt die Nägel in die Serviette und reißt die Augen auf. Jetzt hat sie die Anmut eines Drachen und nicht mehr die einer Eidechse.
»Beruhig dich, war doch nur ein Scherz«, sage ich beschwichtigend und zerdrücke die Kartoffeln mit meiner Gabel. Langsam löst sich die Anspannung in Mums Gesicht und sie schiebt sich ein Stück Rosenkohl in den Mund. Als ich es ihr gleichtue, verbrenne ich mir prompt die Zunge. Das war dann wohl ihre Rache.
Eine halbe Stunde später liege ich wieder auf dem Boden der Garage und starre von unten auf das Moped. Irgendwie gefällt mir die Idee einer längeren Spritztour immer besser.
»Vergiss es!«
»Aber warum? Das war doch deine Idee.«
»Ich habe Nein gesagt!«
»Mann, Papa! Ich bin neunzehn, du kannst mir das nicht verbieten!«
»Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst ...« Ich verdrehe die Augen, ist das wirklich sein Ernst? Papa sieht mich streng an.
»Clara darf mal eben so nach Schweden ziehen, aber wenn ich nur eine kleine Spritztour in die Berge machen will, wird es mir gleich verboten.« Mit verschränkten Armen stehe ich vor ihm und schaue ihn patzig an. Erst schlägt er mir den Ausflug vor und jetzt, wo ich eine konkrete Planung für die Route vorgelegt habe, ist er auch wieder nicht zufrieden.
»Clara ist viel älter als du.«
Meine Augenbraue wandert nach oben. »Fünf Jahre, das ist doch nichts. Als würdest du Ja sagen, wenn ich schon vierundzwanzig wäre. Ich bin volljährig, Dad. Also, was soll die Diskussion?«
Papa zuckt mit den Schultern. »Du hast gefragt, und ich habe Nein gesagt. Basta. Deine Mutter würde es sowieso nicht dulden. Das weißt du ganz genau.«
»Sie muss es ja nicht erfahren«, schlage ich vor.
Dieses Mal ist es mein Vater, der die Brauen hochzieht und mich skeptisch ansieht. »Und wie willst du das anstellen? Was ist außerdem mit den Pferden? Ich werde sie nicht täglich ausreiten!«
Ich zucke mit den Schultern und spiele mit dem Verschluss des alten Helmes, den mir mein Vater zusammen mit der Simson vererbt hat. »Ich kann ja sagen, dass ich Freunde in Nürnberg besuche. Das sind bloß zweihundert Kilometer, die wird sie hoffentlich erlauben. Und um die Pferde kann sich Tamara kümmern. Muss sie, wenn ich bald zur Uni gehe und Prüfungen habe, ja auch.« Tamara ist die Reitbeteiligung, die sich, seit Clara ständig in Schweden ist, mit um unsere Lieblinge kümmert. Sie ist zwar erst dreizehn, macht das aber klasse.
»Hmm«, brummt mein Vater und seine Sorgenfalte auf der Stirn tritt hervor. Mit Daumen und Zeigefinger reibt er sich über seinen Dreitagebart. »Ich weiß nicht. Die Kiste fährt doch noch gar nicht richtig. Das ist alles viel zu gefährlich.«
»Ach Papa«, seufze ich. »Wenn du nicht willst, dass ich sie fahre, wieso hast du sie mir dann zum Abitur überlassen? Du kannst doch nicht davon ausgehen, dass ich jetzt die ganzen Ferien daran herumbastle, nur um sie anschließend in der Garage stehen zu lassen.«
Papa kräuselt die Lippen und presst sie zusammen. »Na gut«, sagt er schließlich, »aber bevor du auch nur einen Meter mit ihr fährst, mache ich die Endkontrolle. Und ich will die genaue Route kennen. Und … und such’ dir eine gute Ausrede für deine Mutter aus. Wenn sie spitzkriegt, wo es wirklich hingeht, reißt sie uns den Kopf ab. Und sollte sie jemals etwas davon erfahren, weiß ich von nichts! Deal?«
Ein breites Lächeln tritt in mein Gesicht und ich falle Papa um den Hals und drücke ihm einen dicken Schmatzer auf die raue Wange. »Du bist der Beste.«
»Erinnere mich daran, wenn deine Mutter hiervon Wind bekommt und du den Rest deines Lebens Hausarrest bekommst.« Trotz seiner ernsten Stimme lächelt er. Im nächsten Moment stößt er jedoch einen tiefen Seufzer aus und streichelt den Sitz der Simson. »Also, wo hakt das Schätzchen denn noch?«
Ich zeige auf die Blinker, die neben uns auf der Werkbank liegen. »Die muss ich anbringen, außerdem sind neue Bremsbacken nötig, Öl muss auch aufgefüllt werden und der Motor macht beim Start manchmal ein komisches Geräusch. Aber vielleicht kommt das auch vom fehlenden Öl.«
Dad nimmt die Blinker in die Hand und betrachtet sie genau. »Na komm, bis Montag kriegen wir das hin.«
»Und dein Auftrag? Mama meinte, du hättest jede Menge zu tun.«
Papa zuckt mit den Schultern und beginnt, im Werkzeugkasten nach irgendetwas zu suchen. »Hab’ ich auch. Aber manchmal geht Familie einfach vor. Außerdem wer weiß, wie oft ich noch die Chance haben werde, ein ganzes Wochenende mit dir zu verbringen, jetzt wo die Uni bald startet und du flügge wirst.«
»Du bist der Beste«, wiederhole ich und betrachte die losen Kabel, an die die Blinker angeschlossen werden sollen. Dann ziehe ich eine Zange aus dem Werkzeugkoffer und beginne, die Isolierung ein Stück zu lösen, damit Papa gleich alles verkabeln kann. Ich genieße es, mit ihm zusammenzuarbeiten und wahrscheinlich hat er sogar recht. Nach den Ferien war es das vermutlich. Jetzt muss ich nur noch einen Weg finden, Mama zu überzeugen.
Es ist Sonntagnachmittag und wir haben es geschafft. Aufgeregt setze ich den Helm auf, während Dad das Garagentor hochschiebt. »Bereit?«, fragt er mich und ich nicke.
»Bereit.« Ich schwinge mich auf die hellblaue Simson, drehe den Schlüssel um und lasse meinen Fuß auf den Kickstarter sausen. Der Sitz unter mir beginnt zu vibrieren und der Motor rattert los. Vor mir lächelt mich Dad zufrieden an und reckt den Daumen nach oben. Das ist mein Zeichen, dass ich vorsichtig Gas geben und mich in die Einfahrt rollen lassen soll.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Mum die Gardine des Küchenfensters zur Seite schiebt und kurz winkt. Dann öffnet sie das Fenster ganz und streckt den Kopf heraus. »Da habt ihr ja ganze Arbeit geleistet«, ruft sie über den lautstarken Motor hinweg und Papa antwortet ihr irgendetwas. Ich drehe den Gasgriff ein Stück weiter und sause den Bordstein runter und um die Kurve, bis zum Ende der Straße. Dort drehe ich und fahre gemütlich an der verdutzt dreinblickenden Nachbarin vorbei und zurück zu unserem Haus. Dad wartet bereits auf mich und nimmt mich in Empfang.
»Ein wunderbarer Sound«, sagt er und nimmt mir den Helm ab, nachdem ich abgestiegen bin.
»Lässt sie sich noch genauso gut lenken wie damals?«
»Ich denke«, antworte ich zögernd. Immerhin saß ich gerade zum ersten Mal auf ihr. In jedem Fall fährt sie genauso geschmeidig wie mein alter Roller, nur, dass sie nicht so stark gedrosselt ist und der Motor einen besseren Sound von sich gibt.
»Das sah ganz schön gefährlich aus«, gibt Mama zu bedenken, während sie uns und Jessy vom Fenster aus betrachtet.
»Ach Quatsch«, verteidigt mich Papa und ich schaue ihn überrascht an. Jetzt muss ich Mama nur noch von meinem angeblichen Scheinausflug nach Nürnberg überzeugen, und dann geht es auf nach bella Italia.
Am Abend sitzen wir gemeinsam am Tisch und essen die Reste vom Mittag. Ich genieße den Sonntagsbraten, denn wenn jetzt alles klappt, werde ich mich die nächsten drei Wochen von Pizza, Pasta und Tramezzini ernähren.
Papa sieht erschrocken auf, als ich mich räuspere. Er weiß genau, was ich nun fragen will. Ich wische mir die plötzlich verschwitzten Hände an der Hose ab und schaue zu meiner Mutter, die mein Räuspern offenbar gekonnt überhört hat. Egal. Ich zieh das Ding jetzt durch. Sarah-Marie, eine alte Schulkameradin die eine Stufe über mir war, weiß bereits Bescheid und wird im Notfall Mama alles vorlügen, was geht.
»Mama«, sage ich vorsichtig und bin selbst über meine piepsige Stimme überrascht.
Meine Mutter sieht endlich auf und lächelt mich an. »Ja, Schatz?«
»Ich hab’ gestern mit Sarah-Marie geschrieben, du weißt schon, die Tochter von Ursula, die auch auf dem Max-Born war. Sie studiert jetzt in Nürnberg und hat gefragt, ob ich sie nicht besuchen kommen will. Ihr Mitbewohner ist bis zum Ende der Ferien vereist und ich könnte so lange in seinem Zimmer schlafen.«
»Wenn du magst«, antwortet Mama überraschend. »Ich denke, du bist alt genug, um mit dem Zug nach Nürnberg zu fahren und ein paar Tage dort zu schlafen. Der Alex fährt ja durch, soviel ich weiß. Oder brauchst du Geld fürs Bayernticket?«
Ich schiele zu Papa, der leicht die Schultern zuckt, während Mama wieder auf ihre Gabel schaut. Ein Glück hat sie unseren Blickaustausch nicht bemerkt. »Also ...«, ergreife ich das Wort, »Ich wollte eigentlich mit Jessy fahren.«
»Wer ist Jessy? Jetzt sag nicht, du willst mit irgendeinem Typen dorthin fahren.«
Ich schaue zu Papa, der sich die Hand vor den Mund hält und aussieht, als würde ihm der Rotwein gleich aus der Nase schießen. Mama bemerkt meinen Blick und starrt Papa nun ebenfalls an, der plötzlich losprustet.
»Was ist so komisch?«, fragt meine Mutter trocken und nimmt Papa das Glas Wein aus der Hand, dessen Inhalt bereits bedächtig hin und her schwappte hat.
»Jessy ist die Simson«, kläre ich sie auf und ihre Stirn kräuselt sich.
»Ich weiß nicht ...«, sagt sie ruhig und stellt das Glas vor Papa ab. »Ist das denn sicher?« Sie schaut fragend von Papa zu mir, der sich langsam wieder einzukriegen scheint.
Papa nimmt einen großen Schluck, dann nickt er. Seine Wangen sind ganz rot geworden vom Lachen und die braunen Augen wirken feucht. »Liebling, lass sie ihre Erfahrung machen. Bis Nürnberg sind es knapp zweihundert Kilometer, dass wird mein Mädchen schon schaffen. Ich bin schon viel weitere Strecken mit Jessy gefahren.«
»Hmm.« Wirklich überzeugt sieht Mama noch nicht aus.
»Ich melde mich auch immer wieder zwischendurch, versprochen.«
»Und dein Gepäck? Du kannst schlecht einen Koffer aufs Moped schnallen.«
Papa verdreht die Augen, ohne dass Mama es mitbekommt. Am liebsten würde ich es ihm bei dieser dummen Frage gleichtun, doch ich will es mir nicht mit meiner Mutter verscherzen. Also greife ich stattdessen ihre Hand und antworte ganz lieb: »Ihr habt mir doch vor zwei Jahren den tollen Bergsteiger-Rucksack für den Wanderausflug in die Sächsische Schweiz geschenkt. Den würde ich einfach mitnehmen.« Papa nickt neben ihr und lächelt mich an. Offenbar war das die richtige Wortwahl.
Mama stößt einen tiefen Atemzug aus, dann nickt sie. »Na gut. Aber du meldest dich jede Stunde. Du wirst ja eh öfters tanken müssen.«
»Danke, Mama«, sage ich und beuge mich quer über den Tisch, sodass meine langen braunen Haare nur knapp an der offenen Sauciere vorbeifallen.
Ganz glücklich sieht meine Mutter noch immer nicht aus, als ich mich wieder zurücklehne. Hoffentlich kann Papa ihr die letzten Bedenken nehmen, ehe es in wenigen Tagen losgeht. Morgen will ich mir noch eine Powerbank fürs Handy und eine Halterung fürs Lenkrad holen, damit ich mein Smartphone als Navi nutzen kann. Außerdem brauche ich einen kleinen Schlafsack, falls ich in einer der vielen Alpinhütten übernachten muss. Ein bisschen kompaktes Werkzeug, Flicksachen und reichlich Proviant, sollen auch mit.
Als ich später am Abend noch einmal ins Wohnzimmer komme, sitzt Papa alleine auf der Couch und schaut Formel 1. Mama scheint so lange duschen zu sein. »Meinst du, Mama findet es heraus?«, frage ich leise und setze mich im Schneidersitz neben meinen Vater.
Dad hebt die Schultern und schaltet den Fernseher etwas leiser. »Wahrscheinlich nicht. Weiß denn diese Sarah-Marie Bescheid.«
»Ja, und ihrer Mutter will sie auch erzählen, dass ich komme. Nur für den Fall, dass Mama sie mal fragt.«
»Ist das die Ursula, die den Frisör Salon hat?«
»Ja, genau. Deswegen. Nicht, dass Mama mal zu ihr geht und sie alles auffliegen lässt.«
Papa legt den Arm um meine Schulter und ich lehne mich an ihn. Ich glaube, es ist Jahre her, dass wir das letzte Mal gemeinsam so auf der Couch saßen. »Und, traust du dir die Reise wirklich zu? Ich hab’ mir die Route angeschaut. Fünfhundert Kilometer sind viel mit der Schwalbe. Unterschätze das nicht. Und nimm einen kleinen Kanister Gemisch mit, wenigstens einen Liter, nur für den Notfall. Wenn du willst, bringe ich dir morgen von der Tanke etwas Benzin mit und mische es dir mit Öl zusammen. Irgendwo in der Garage müsste noch ein kleiner Kanister rumliegen. Und schick mir über WhatsApp deinen Standort, damit ich wenigstens halbwegs beruhigt schlafen kann«, ergänzt er mit einem Zwinkern.
»Dann schau aber, dass Mama nicht an dein Handy geht. Die kriegt einen Herzinfarkt, wenn sie mich Richtung Brenner statt Nürnberg fahren sieht.«
Papa stößt ein leises Glucksen aus und gibt mir einen Kuss auf den Schopf. »Das krieg ich hin«, antwortet er und dreht die Fernseher-Lautstärke wieder auf.
Ich schließe die Augen und lasse die Geräusche aus dem Fernseher auf mich einrieseln, bis Mama irgendwann reinkommt und mich ins Bett schickt. Ich hatte ganz vergessen, wie geborgen man sich in Papas Armen fühlen kann.
Non va. Mi sento sorvegliato.
Es geht los.
Ich hätte mir kaum besseres Wetter für den Antritt meiner Reise wünschen können. Die Sonne lacht mich an, als ich früh am Morgen das Garagentor öffne und ein frischer Wind meine Nase kitzelt. Mama kommt zur Tür und hilft mir, den schweren Rucksack, der von meinem Steißbein bis über meinen Kopf hinaus reicht, überzulegen. Ich ziehe den Hüft- und Brustgurt fest, sodass nichts mehr wackelt, setze den Helm auf und schiebe Jessy in den Hof.
Mama drückt mich fest und küsst mich auf die Wange. »Melde dich regelmäßig, bitte. Ganz egal, wie alt du inzwischen bist, für mich wirst du immer mein kleines Mädchen sein.«
»Weiß ich doch. Aber auch kleine Mädchen werden irgendwann erwachsen und wollen auf Abenteuersuche gehen.« Oh nein, jetzt werden ihre Augen feucht. Ich will nicht, dass sie meinetwegen weint und nehme sie rasch in den Arm. »Es wird alles gut gehen, Mama. Ich werde dir stündlich schreiben und wenn ich in Nürnberg bin, rufe ich fix an. Aber denk dran, beim Fahren muss ich mich konzentrieren, also warte bitte immer, bis ich schreibe, okay?«
»In Ordnung, mein Schatz. Pass auf dich auf. Und hier, vielleicht brauchst du die. Fürs Tanken oder so.« Sie drückt mir einen Fünfzig-Euro-Schein in die Hand und lächelt mich an. Das ist so typisch meine Mutter – erst gegen die Fahrt sein und dann den Sprit zahlen wollen.
»Dankeschön«, sage ich und umarme sie noch einmal. Dann stecke ich das Geld rasch in die Brusttasche meiner Lederjacke, das einzige Taschenfach, an das ich durch den Rucksack noch gut drankomme, und schwinge mich auf die Schwalbe. Zum Abschied winke ich kurz, dann rolle ich aus der Einfahrt und düse zur Aral, um den Tank mit Benzin und Öl für die erste Wegstrecke zu füllen. Hoffentlich krieg ich das mit dem Mischen richtig hin. Bevor ich es vergesse, schicke ich meinem Vater noch rasch meinen Standort, ehe es los nach Italien geht.
Mein erstes Ziel ist Garmisch-Partenkirchen vor der österreichischen Grenze. Dort will ich etwas essen, ehe es weiter Richtung Brenner und dann daran vorbei über Landstraßen geht. Vielleicht schaffe ich es heute noch bis Bozen, ansonsten werde ich mir ein Zimmer bei Innsbruck suchen.
Ich schwinge mich auf Jessy und düse los. Immer in Richtung Süden soll es gehen. Zum Glück ist das Wetter heute voll auf meiner Seite, für morgen sind die Aussichten dagegen nicht so rosig. Ab Mittag soll es in der Tiroler Gegend regnen, aber vielleicht habe ich Glück, und bin dann längst angekommen. Im Moment überlege ich noch, ob ich nicht doch weiterfahren soll. Vielleicht bis runter an die Küste Richtung Genua oder sogar bis Cannes in Frankreich. Letztens war eine Freundin dort und hat sich total blamiert, weil sie es immer wie »Kannee« aussprach und das keiner von uns kannte. Zum Schluss erklärte ihre fünfjährige Schwester dann, dass es »Kann« hieße. Dann wussten wir auch endlich, wo Tanja im Urlaub war. Die Bilder von da sahen jedenfalls klasse aus. Aber wahrscheinlich kosten die Übernachtungen dort ein Heiden Geld und ich weiß nicht, ob ich genug habe. Am Gardasee werde ich dagegen sicherlich eine günstige Schlafmöglichkeit finden.
Ich fahre gemütlich durch die vielen kleinen bayrischen Dörfer und bin es spätestens nach der dritten Landstraße gewohnt, überholt zu werden. Beim Gasthof in Schöffau halte ich kurz an. Irgendwie dachte ich, dass ich schneller vorankommen würde. Bis nach Italien werde ich es heute wahrscheinlich doch nicht mehr schaffen, dass wird mir beim Mittagessen klar. Kurz überlege ich, ob ich nicht hierbleibe und den Tag am Staffelsee verbringe, entscheide mich dann aber doch für die Weiterfahrt. Ich war jetzt schon so oft mit meinen Eltern hier, dass mich die Fünfseenlandschaft nicht mehr wirklich reizt. Also schicke ich meiner Mutter bloß eine kurze Nachricht, dann fahre ich weiter und halte sicherheitshalber noch schnell an der nächsten Tanke.
Die Sonne steht hoch über mir, während die Alpen vor mir immer näher rücken und einen fließenden Übergang zum blauen Himmel bilden. Die Lederjacke habe ich ausgezogen und in meinen Rucksack gesteckt. Es ist so warm, dass mich der Wind nicht wirklich stört. Bis nach Garmisch sind es noch fünfundzwanzig Kilometer, der Tank ist noch ausreichend voll und es wird nicht mehr lange dauern, dann kann ich die österreichische Grenze überschreiten.