3,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,49 €
Ein Urlaub voller ungeplanter Überraschungen in Barcelona.
Lehrerin Mara will einfach nur einen schönen Urlaub mit ihrer Freundin in Barcelona verbringen: Die Sonne genießen, durch die Stadt schlendern und shoppen gehen. Das wäre so einfach, wenn sie nicht am ersten Abend Markus kennenlernen würde, der ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. Hätte sie nur vorher gewusst, wer er ist und dass er nichts als Chaos in ihr Leben bringt. Chaos, und ganz viele Schmetterlinge.
Ein leichter Liebesroman voller Überraschungen, der einem die Zeit bis zum nächsten Urlaub versüßt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Mit Chaos rein ins Liebesglück
1 − Mara
2 – Sabrina
3 – Mara
4 − Mara
5 − Markus
6 − Mara
7 − Markus
8 – Mara
9 − Markus
10 – Mara
11 – Markus
12 – Sabrina
13 – Mara
14 – Markus
15 – Markus
16 – Sabrina
17 – Mara
18 – Mara
19 – Sabrina
20 – Markus
21 – Mara
22 – Mara
23 – Markus
24 - Mara
25 – Mara
26 – Markus
27 – Mara
28 − Mara
29 – Max
30 – Markus
31 – Mara
Noch mehr von Lisa Summer: Swedish Kisses
Kapitel 1
Clara
Clara
Kapitel 2
Thore
Clara
Impressum
Hätte ich gewusst, in welches Chaos mich diese Reise stürzen würde, wäre ich am liebsten im Flieger sitzengeblieben.
»Darf es noch etwas sein?«, fragte die Stewardess freundlich und schob den Servierwagen durch den schmalen Gang.
»Na, noch einen Piccolo?« Sabrina grinste mich an und schob sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht.
Auf Sekt zum Frühstück konnte ich verzichten. Ich war viel zu müde, um etwas anderes als Kaffee zu inhalieren. Aber dafür ruckelte es mir im Flugzeug zu sehr. »Nein danke. Landen wir nicht eh bald?« Ich blickte aus dem Fenster, auf dem sich kleine Eiskristalle gebildet hatten. Noch war von der gekachelten Fläche Barcelonas nichts zu sehen. Stattdessen sah ich in einen wunderschönen Sonnenaufgang über den Wolken. Der Himmel strahlte rosa und gelb, während die gebogene Spitze des Flügels über den Horizont glitt. Wir waren heute Nacht in München gestartet und müssten tatsächlich bald da sein.
»In fünfundzwanzig Minuten ungefähr«, betonte die Stewardess und schritt weiter durch den schmalen Gang. Die Maschine, in der wir saßen, war nicht sonderlich groß. Einige der Sitze waren dennoch leer geblieben. Vielleicht lag es daran, dass die Sommerferien in Bayern erst begannen, wenn unsere in Sachsen endeten.
Ich starrte weiter aus dem Fenster, bis ich schließlich die Augen schloss. Wir hatten so früh am Flughafen sein müssen, dass ich jetzt gerne für ein paar Stunden schlafen würde.
Plötzlich ertönte das vertraute Ping. Ohne aufzublicken war ich mir sicher, dass die Anschnallzeichen ertönt waren und tatsächlich gab der Pilot im nächsten Moment durch, dass wir in den Landeanflug sanken.
»Mara, schau mal«, sagte meine beste Freundin und Lieblingskollegin Sabrina. Ihre langen, blonden Haare kitzelten in meinem Ausschnitt, als sie sich über meinen Schoß beugte, um aus dem Fenster sehen zu können.
»Was denn?«, fragte ich müde. Doch schon im nächsten Moment wusste ich, worauf sie hinauswollte. Unter uns erstreckte sich unsere Zielstadt: Barcelona. Ich war das letzte Mal mit meinem Abi-Jahrgang zur Abschlussfahrt hier gewesen. Das war inzwischen zwölf Jahre her.
Ich sah am weißen Flügel vorbei, der sich jetzt Richtung Meer streckte. Hunderte Straßen schlängelten sich durch die Wälder und auf die Häusermassen zu, verloren sich im Nichts und verschmolzen schließlich mit abertausenden Gässchen. Die Sonne tauchte den Himmel am Horizont in ein zartes gelb-orange. Plötzlich machte der Flieger einen Schlenker und wir flogen ein Stück über das Meer. Mein Blick folgte einer breiten Straße, die mitten durch die Innenstadt zu verlaufen schien. War das die Diagonal? Oder Parallel? Oder doch eine ganz andere Straße? Vielleicht eine Art Highway? Meine Erinnerungen an das letzte Mal, als ich hier war, waren inzwischen nichts weiter als ein blasser Dunst aus Erinnerungen. Da waren ein paar Sehenswürdigkeiten gewesen, der Hafen und die Mall, die dort stand. Und irgendwo in der Nähe war ein großes Aquarium gewesen, doch das war eigentlich alles, was mir im Gedächtnis geblieben war.
»Wollen wir auch mal an den Strand gehen?«, fragte Bine und lehnte sich endlich wieder zurück in ihren Sitz.
»Klar, den Bikini habe ich jedenfalls eingepackt.«
Sie streckte beide Daumen nach oben und lächelte. Dann drehte das Flugzeug eine weitere Schleife und wir sahen nun zum Meer hinaus. Ein letzter Schlenker, und ich schaute auf die Landebahn.
Der Flieger setzte zur Landung an. Ich spürte, wie sich mein Magen leicht zusammenzog und der Druck in meinen Ohren seinen Höhepunkt erreichte. An den Flügeln bogen sich die Landeklappen auf, dann war es vorbei. Die Maschine setzte auf, es ratterte kurz und wir rauschten über den Teer unter uns hinweg. Die Vorfreude auf das Abenteuer, das uns in Barcelona erwartete, überlagerte jedoch schnell meine Nervosität. Das hier war der erste Urlaub, seit ich mit dem Studium fertig war. Der erste, den ich mir nach meinem Referendariat gönnte.
Niemand klatschte, als das Flugzeug schließlich im Schritttempo an seinen Platz fuhr. Offenbar war ich früher zu viele Billigflieger geflogen, dass mich diese Tatsache jetzt so überraschte. Es gab eine kurze Durchsage, dass ein Bus uns zum Terminal bringen würde, dann sprangen auch schon die ersten Leute auf und holten ihre Sachen aus den Gepäckfächern. Es war ein einziges Gewühl.
»Wir bleiben sitzen, oder?«, fragte ich Bine mit Blick auf den knackigen Hintern im Anzug des Herren vor uns.
Sie lachte. »Definitiv. Das tue ich mir jetzt sicherlich nicht an.«
Ich schloss noch einmal die Augen, atmete schwer aus, dann zog ich mein Handy aus der Tasche und nutzte die Frontkamera als Spiegel. Mein Pony fiel mir wirr ins Gesicht und meine Wimperntusche war leicht verschmiert. Irgendwie saß der Long Bob, den ich mir zu Beginn der Sommerferien hatte schneiden lassen, überhaupt nicht mehr ordentlich. Meine Haare sträubten sich kreuz und quer in alle Richtungen.
Sabrina musste meinen kritischen Blick bemerkt haben, denn schon im nächsten Moment kramte sie in der Handtasche zwischen ihren Beinen nach ihrer Haarbürste und reichte sie mir.
»Danke«, sagte ich und machte mich wieder halbwegs zurecht.
Die Türen der Maschine mussten inzwischen geöffnet worden sein. Es kam Bewegung in den Gang und Mr. Knackpopo stand bereits vier Reihen vor uns. Wir warteten noch ein paar Minuten, bis hinter uns niemand mehr war, dann standen auch wir auf, nahmen unsere Sachen und gingen nach draußen.
Warme Luft wehte um meine Nase, dabei war es erst halb sieben am Morgen. Als wir gegen vier gestartet waren, war es in München eklig kühl gewesen und hatte genieselt.
Ich band mir die dünne Jacke, die ich während des Fluges auf dem Schoß liegen hatte, um die Hüften und streckte mich.
»Komm, der Bus wartet«, hörte ich Bine sagen und folgte ihr. Der Bus kam mir im Verhältnis zum Flugzeug nun richtig voll und stickig vor. Es waren keine Plätze mehr frei, also mussten wir stehen.
»Das-hier-ist-der-mit-Abstand-gigantischste-Flughafen-den-ich-je-gesehen-habe«, sagte Bine stockend und betonte dabei jedes Wort, als wir in der riesigen Halle standen und uns hilflos umblickten. Wo zur Hölle waren unsere Koffer?
»Bist du dir sicher, dass wir richtig sind? Ich meine, dass sieht aus wie die Haupthalle und nicht, wie ein Ankunftsbereich.« Von den üblichen Kofferbändern fehlte jede Spur, stattdessen sahen wir auf einen Gang aus Geschäften. Das war jetzt schon das reinste Shoppingparadies, dabei waren wir noch nicht mal richtig in Barcelona angekommen, sondern dümpelten lediglich am Flughafen herum.
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Bine steif.
Ich drehte mich einmal im Kreis. Meine Augen suchten nach irgendeinem Hinweis, der uns unserem Gepäck näherbringen würde. »Da entlang«, sagte ich schließlich entschlossen und zeigte auf ein Schild.
Wir liefen quer durch die Halle, vorbei an zahlreichen Boutiquen, Parfümerien, Fressständen und Drogerien.
»Ich schätze, dort ist es«, sagte ich, nachdem wir locker tausend Schritte quer durchs Terminal hinter uns gebracht hatten, und zeigte auf eine Glastür, die zu den Seiten hin aufschwang, sobald sich ihr jemand näherte.
Als wir in München abgeflogen waren, war der Flughafen wie ausgestorben gewesen. So früh machten sich offenbar nur wenige auf den Weg Richtung Urlaub und Ferne. Hier dagegen herrschte das reinste Chaos. Fast alle Gepäckbänder waren von einer Schar von Leuten umringt, die auf ihre Taschen und Koffer warteten. Bine zeigte auf die große Anzeigentafel gegenüber, dann zog sie mich mit nach links. Unser Gepäckband war eines der letzten. Gleich daneben rollten gerade die ersten Koffer aus Nürnberg ein.
Unsere Flugnummer stand bereits auf dem Display, doch noch hatte es sich nicht in Gang gesetzt. Es lagen noch zwei alte Koffer auf dem grauen Band und warteten darauf, abgeholt zu werden. Jedoch schien sich niemand wirklich für sie zu interessieren.
Ich setzte mich auf eine Bank, während Bine kurz auf der Toilette verschwand, und starrte ins Leere. Ich war so müde! Am liebsten würde ich mich einfach hinlegen und wegpennen.
Mit einem Mal tat sich vor mir etwas und das Band setzte sich in Bewegung. Ich wartete und wartete und wartete. Von unseren Koffern war nichts in Sicht, obwohl das Band inzwischen die vierte Runde gedreht hatte.
Sabrina stand längst wieder neben mir und starrte gefühlt ins Nichts. Sie schaute planlos auf das Band nebenan und dann wieder zu unserem. Plötzlich wurde ihr Gesicht ganz bleich.
»Was ist?«, fragte ich.
Sie legte den Kopf schief und schaute ans andere Ende der Kofferbandschlange. Ihre Hand schnellte nach vorne. »Da, ist das nicht dein Koffer?« Ihre Stimme war ruhig.
Ich kniff die Augen zusammen. »Ja«, flüsterte ich. »Mein Gott, ja!« Und ohne einen Augenblick länger zu zögern, spurtete ich los und vergaß jegliche Manieren. Ich hastete auf den Mann im dunklen Jackett zu, der eben noch in unserer Nähe zwischen den beiden Kofferbändern gestanden hatte und nun zwei Koffer neben sich Richtung Toilette zog.
Ich riss ihm meinen Koffer förmlich aus der Hand und stieß ihn zur Seite.
Er blieb perplex stehen. Schnaufend starrten wir uns an.
»Das ist meiner!«, polterte ich dem Dieb entgegen. Hätte ich nur besser hingesehen!
Der Mann strich sich das Jackett glatt. Er musterte erst mich und dann den braunen Samsonite Koffer. »Nein, ist er nicht«, sagte er erstaunlich ruhig mit tiefer Stimme. »Der gehört meinem Sohn.« Er zeigte auf den Anhänger, auf dem Max irgendwas draufstand. Mehr konnte ich auf die Schnelle nicht entziffern.
Ich blickte vom Koffer zu ihm. Shit! Ich begann zu stammeln: »Aber ...« Oh Gott, das war mir so peinlich! Plötzlich kam auch noch Sabrina angelaufen, ihren Koffer links, und meinen rechts neben sich her rollend. »Mara, warte! Sorry, hab mich geirrt«, sagte sie hastig.
»̉Tschuldigung«, murmelte ich sichtlich verlegen und lief vermutlich rot an. Meine Wangen glühten, während ich spürte, wie mir buchstäblich der Schweiß runterrann. »Es tut mir wirklich leid. Ich dachte nur ...«
»Schon gut«, unterbrach er mich und lächelte dabei sogar. »Bitte entschuldigen Sie mich jetzt, ich muss meinen Sohn suchen, der wollte eigentlich nur zur Toilette. Aber ich würde ihm zutrauen, dass er sich stattdessen irgendwo heimlich Zigaretten besorgt.«
»Natürlich. Schöne Reise noch.« Ich sah ihn entgeistert an. Wie schaffte ich es bloß jedes Mal, mich so zu blamieren?
Der Mann nickte und ging schließlich Richtung Ausgang.
»Verdammt sah der gut aus!«, tönte Bine plötzlich und wir brachen beide in schallendes Lachen aus, dass sich sogar ein paar Leute zu uns umdrehten. »Warum hast du ihn nicht nach seiner Nummer gefragt? Der war doch genau dein Typ.«
»Er ist mindestens zehn Jahre älter als ich!«, meinte ich, musste aber zugeben, dass sie eigentlich recht hatte.
Als wir endlich zum Terminalausgang kamen, bei dem bereits gut dreißig Männer und eine Hand voll Frauen mit Schildern in der Hand auf ihre Transferkunden warteten, waren wir bereits seit gut einer Stunde im Terminal unterwegs.
»Siehst du unseren Transportservice irgendwo?« Sabrina sah von ihren Reiseunterlagen auf und blickte mich an. »Travel Mare«, ergänzte sie.
Ich ließ den Blick über die Menge schweifen und schüttelte schließlich den Kopf. Da war niemand mit diesem Namen und auch niemand, der unsere Namen auf seinem Schild stehen hatte.
»Ich will endlich ins Hotel«, quengelte ich. Ich war einfach so unendlich müde! Wo war bloß unser blödes Taxi oder ein Bus oder was auch immer uns das Reisebüro gebucht hatte?
Wir liefen an den ganzen Leuten vorbei, die konzentriert auf den Ausgang der Gepäckausgabehalle starrten und dabei Schilder, Handys und Tabletts in die Höhe hielten. Auf einem Schild stand zwar Sabrina, doch statt meinem Namen war daneben nur ein komplizierter Nachname gedruckt. Nachdem wir eine viertel Stunde an den Fahrdienstlern vorbeigelaufen waren, gaben wir auf.
»Da vorne ist so eine Touristikinformation. Ich gehe hin und pack mein bestes Englisch aus. Vielleicht können die uns helfen.«
Sabrina nickte und zog ihren Koffer hinter mir her.
»Excuse me, we are searching for our Transportation Service, they are from Travel Mare, do you know, where we can find them?«, stammelte ich und hoffte, dass mein Schul-Englisch-Kauderwelch nicht komplett falsch war.
»They are at Terminal two«, kam vom Mann hinter der Glasscheibe. »Take the bus shuttle in front of the Entre.«
»Wir sollen irgendeinen Bus zum anderen Terminal nehmen«, übersetzte ich Sabrina, die zwei Meter entfernt von mir stand und die Fahrer weiterhin beobachtete.
»Thank you«, sagte ich und führte anschließend meine Freundin zum Ausgang.
»Bestimmt ist das der Bus«, meinte sie, als wir an der frischen Luft angekommen waren.
»Sieht so aus«, sagte ich erschöpft und hievte meinen Koffer durch die Hintertür des Busses. Die Fahrt dauerte fast fünfzehn Minuten. Langsam wurde mir erst richtig bewusst, wie dermaßen riesig der Flughafen war. Ich wollte endlich ins Hotel! Ich war müde, hungrig und genervt.
Als wir endlich am anderen Terminal angekommen waren, fanden wir den Stand unseres Shuttleservices relativ schnell. Leider unbemannt.
»Hier steht, dass die sonntags geschlossen haben.« Bine verdrehte die Augen. »Das ist jetzt nicht ihr Ernst, oder? Kannst du mal die Nummer anrufen, die auf dem Zettel dort steht? Dein Englisch ist besser als meins.« Sie zeigte auf das orangefarbene Blatt, das oben auf die Standtheke geklebt war.
Ich gab die Nummer ein und es tutete, tutete und tutete. »Geht keiner ran.«
Sabrinas Schultern sanken zunehmend weiter Richtung Boden.
»Komm, wir nehmen ein Taxi, ich zahl auch. Du schreibst dafür nachher dem Reisebüro und beschwerst dich.«
»Deal«, sagte sie und wir schlurften genervt nach draußen.
Als wir dann endlich im Hotel angekommen waren, war es bereits halb zehn. Drei Stunden, Drei! Hat es gedauert, um richtig anzukommen. Damit hatten wir mehr Zeit am Flughafen verbracht, als im Flugzeug selbst.
Immerhin konnten wir bereits einchecken und mussten nicht noch ewig warten, bis unser Zimmer fertig war.
Ich sah aus wie ein Waschbär. Und ich war müde. So-verdammt-müde. Schlafen, ich konnte an nichts anderes mehr denken.
»Du kannst zuerst ins Bad«, sagte Mara und ließ sich aufs Bett fallen, während sie sich ihre Sneaker von den Füßen streifte. Sie schloss die Augen und ich beneidete sie darum, wie schnell sie sich entspannen konnte.
Ich wusch mich kurz, zog mir meine Jeans aus und lockerte den Zopf, den ich mir am Flughafen gemacht hatte. Dann verkroch ich mich neben ihr ins Bett. Während ich im Bad gewesen war, musste Mara noch einmal aufgestanden sein und die schweren, grauen Vorhänge zugezogen haben. Im Raum war es jetzt schön dunkel, obwohl es nicht einmal Mittag war. Ich kuschelte mich neben sie in meine Bettdecke und versuchte abzuschalten. Einfach den ganzen Ballast der letzten drei Wochen vergessen: Meine Beziehung mit Thomas, die in die Brüche gegangen war, der Streit mit meiner Mutter um einen möglichen Hospizplatz für meinen Vater, und den laufenden Kredit für das Auto, das ich mir neu gekauft hatte.
Die Klimaanlage sprang an. Na toll! Lautes, unangenehmes Surren durchbrach die Stille.
»Ich geh schon«, murmelte Mara und stand neben mir auf, während ich langsam in den Dämmerschlaf sank. Verdammt tat das gut.
Irgendein lauter Knall weckte mich. Aber ich war zu müde, um aufzustehen und aus dem Fenster zu schauen. Neben mir atmete Mara leise in ihr Kissen. Offenbar hatte sie den Knall nicht gehört. Vielleicht tat sie aber auch nur so, als würde sie schlafen, damit ich leise blieb. Oder der Knall hatte sie einfach nicht interessiert. Ich drehte mich zur Seite und schaute auf mein Handy. Viel Akku hatte ich nicht mehr. Irgendwie hatte ich vor lauter Müdigkeit völlig vergessen, das iPhone aufzuladen.
Sollte ich aufstehen? Meine Beine fühlten sich mit einem Mal viel zu schwer an und die Decke zu kuschlig. Außerdem wollte ich Mara nicht wecken, schließlich war das Ladekabel irgendwo in den Tiefen meines Rucksacks. Noch vierzehn Prozent Akku; bis Mara aufwachen würde, sollte das reichen.
Ich legte das Handy weg, drehte mich um und versuchte noch eine Runde zu schlafen, doch es klappte nicht. Ein paar Sekunden später ertappte ich mich erneut dabei, wie ich mein Handy in der Hand hielt und gelangweilt durch Facebook scrollte. Wann war ich eigentlich so alt geworden, dass ich meine Freizeit, pardon, Schlaflosigkeit, am liebsten auf dieser Rentner-Plattform verbrachte? Vor drei Wochen sollten meine Schüler Diagramme erstellen und eine Schülerin startete für ihres eine Umfrage zu genutzten Social-Media Plattformen. Ich war mir noch nie so alt vorgekommen! Ich hatte keine Ahnung, was Snapchat war, und kannte TikTok nur aus den Nachrichten. Twitter, oder X, benutzte die Jugend offenbar ebenfalls nicht mehr. Richtig uncool fühlte ich mich jedoch erst, als ich den traurigen, winzigen Balken, unter dem in Krakelschrift „FB“ auf dem Plakat stand, sah. Keiner der Teenies nutzte Facebook. Aber vielleicht war es auch ganz gut. Wenigstens eine Plattform, die uns Millennials und den Älteren noch gegönnt war.
Ich war kurz davor, das Handy wieder wegzulegen, nachdem ich den dritten Grünen-Bashing-Post gelesen hatte, als mein Blut zu kochen begann.
Wie − konnte − er − nur? Ich musste tief ein und durch die Nase ausatmen, um nicht das Handy gegen die Wand zu klatschen. Drei Wochen! Nicht einmal einen Monat konnte er warten? Ich starrte entsetzt auf das Display, auf das Bild von Thomas und dieser Mia. Wir waren drei Jahre zusammen gewesen. Drei! Und er hatte sich bereits nach einem halben Monat jemand Neues geangelt?
Verträumt schaute Thomas sie auf dem Foto an, auf dem er das Weib verlinkt hatte. Darunter ein schnödes Herz samt Kusssmiley. Kreativ wie eh und je.
Neben mir regte sich Mara und sah von meinem entsetzten Gesicht auf mein Handy. »Nicht sein Ernst?«, murrte sie und blickte mich mit hochgezogenen Brauen an. Dann nahm sie mir das Handy aus der Hand und schmiss es ans Bettende. »Vergiss den Typen!«
»Du hast gut reden«, sagte ich und stand endlich auf. Ich zog die Vorhänge zur Seite und blickte runter auf die Straße. Autos fuhren auf der vierspurigen Einbahnstraße, die parallel zur Diagonal verlief. Ich war immer noch fasziniert von der Straßenanordnung der Stadt. »Wollen wir das Hotel erkunden? Die Frau an der Rezeption meinte, es gäbe eine Bar auf der Dachterrasse.«
»Du willst dich aber nicht seinetwegen besaufen, oder?« Mara rollte die Augen.
Ich zuckte nur die Schultern und ging ins Bad. Wenn es mir danach besser ging, wo war dann das Problem?
Es dauerte fast eine Stunde, bis wir uns beide so aufgebrezelt hatten, dass die Augenringe nicht mehr durchschienen und wir halbwegs ausgehbereit waren.
Aus einem der Hotelzimmer drang leise Technomusik, aus einem anderen abwechselnd ein Kichern und Stöhnen. Wir warfen uns fragende Blicke zu und gingen den Kopf schüttelnd die Treppen nach oben. Weit war es nicht bis zum Dach, da unser Zimmer mit der siebten Etage bereits ziemlich hoch lag.
Ganz oben mussten wir durch einen langen Gang, vorbei an weiteren Zimmern, aus denen teils undefinierbare Geräusche drangen, bei denen ich hoffte, dass einfach nur der Fernseher an war.
Die Nachmittagssonne stand bereits tief, als ich die Tür öffnete und mir eine warme Brise entgegenwehte. »Herrlich«, sagte ich zu Bine und genoss die Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Die Hotelterrasse erstreckte sich vor uns mit gemütlichen Lounge-Sesseln und einem atemberaubenden Blick über Barcelona. In der Ferne konnte man gerade so mit etwas Fantasie die Spitzen der Sagrada Família sehen, die von Häuserreihen umrahmt war.
Wir fanden schnell einen Tisch in der Nähe der Bar und ließen uns in die bequemen Sessel sinken.
»Es ist so entspannend hier«, bemerkte Bine und lächelte. »Keine plärrenden Kinder, kein ΄Frau Mayer, Frau Mayer΄. Als wüsste ich nicht selbst, wie ich heiße. Ich bin wirklich froh, dass wir uns diese Auszeit gegönnt haben. Das Schuljahr war dieses Jahr zwar echt kurz, trotzdem zerren die Lautstärke und die ganzen Wochenendkorrekturen ganz schön an einem.«
Ich nickte zustimmend. Es war genau das, was wir beide nach den stressigen Wochen im Schulalltag gebraucht hatten. Ein paar Tage fernab vom üblichen Trott, um die Batterien wieder aufzuladen und neue Energie zu tanken. »Wem sagst du das? Abschlussarbeiten in drei Klassen hatte ich dieses Jahr. Und manche geben in Deutsch einfach sechzehn Seiten ab. Sechzehn! Und das in einer Sauklaue! Hast du mal versucht, Fynns Schrift zu lesen? Da hätte ich auch Hieroglyphenforscher werden können oder Handschriften Forensiker.«
Bine lachte. »Gibt es so etwas?«
Ich zückte mein Handy und googelte: »Die Untersuchung von handschriftlich verfassten Dokumenten wird unter anderem als Handschriften Forensik bezeichnet«, bestätigte ich. »Habe ich auch so im Studium gelernt.«
»Unnützes Wissen 3.0 sozusagen.«
»Exakt. Aber wenn ich bedenke, wie wenig man aus dem Studium später braucht, war es doch fast alles irgendwie unnützes Wissen. Aber Hauptsache ich kann den armen Heinrich aus dem Mittelhochdeutschen übersetzen. Beim Mittelalterfest konnte ich damit trotzdem niemanden aufreißen.« Ich reckte meine schmale Nase gen Sonne und blickte verträumt auf die schleierhafte Wolke davor, die wie eine Feder sanft vorbeizog. Sommerferien. Es war einfach herrlich.
Plötzlich verdunkelte sich die Umgebung, als ein Kellner vor uns trat. »Spanish, english, german?«, fragte er mit starkem, spanischem Akzent.
»German«, antwortete ich und hielt mir die Hand über die Augen, da er sich zur Seite gedreht hatte und mir die Sonne über seine Schulter hinweg nun extrem ins Gesicht schien.
»Ahh, trinken?«
»Was haben Sie denn?«, fragte Bine.
Er schaute einen Moment verwirrt zu uns, dann nickte er jedoch und reichte uns eine Cocktail Karte.
»Wie lange hier?«, wollte er wissen.
»Eine Woche. Wir sind heute erst angereist«, erklärte ich.
»Erste Mal Barcelona?«
»Nein, ich war mal mit der Schule hier«, sagte ich. Ich hatte gerade keine Lust auf Small Talk und wollte nur die Sonne genießen.
»Für mich das erste Mal«, antwortete Bine und bestellte einen Mojito.
Ich nahm einen Bacardi Razz und Mateo, wie er sich uns nach einem kurzen Plausch vorgestellt hatte, verschwand hinter der Bar.
»Gefällt der dir?«, fragte ich meine Freundin, die schon wieder am Handy hing. Ich vermutete, dass sie erneut online war und schaute, ob es Neuigkeiten von Thomas gab.
»Wer?« Sie schaute nicht mal auf.
»Der Kellner.«
Nun blickte sie doch hoch, drehte sich zur Seite und sah zur Bar. »Dieser Mateo? Ne, der ist bestimmt so ein Gigolo.«
Ich lachte. So sah er eigentlich nicht aus. Tatsächlich war er ganz nett, wenn auch zu aufdringlich. Aber das war sein Job. Für mich war er jedoch entschieden zu jung. Irgendwie waren mir etwas ältere Männer lieber, auch wenn ich das selten vor anderen zugab.
Er kam wieder und stellte die zwei Gläser und eine Schale Erdnüsse vor uns ab. Dann ging er zum nächsten Tisch.
»Was gibt es Neues?«, fragte ich, löffelte eine Himbeere aus meinem Glas und nahm einen Schluck von meinem Long Drink. Die Sprite prickelte erfrischend auf der Zunge und ich merkte, wie mich das bisschen Bacardi bereits schummrig werden ließ. Ich vertrug einfach nichts.
Bine seufzte und lehnte sich zurück. »Na ja, du weißt ja, wie das ist. Immer dasselbe Drama in der Schule und mit dem Direktor und immer denselben Stress mit meinem Nachbarn. Meinem Vater geht es außerdem auch täglich schlechter. Aber zum Glück sind jetzt Ferien.«
Ich lächelte verständnisvoll. Herr Peters, unser Direktor, war alles andere als ein umgänglicher Mann. Keine Ahnung, wie er für diesen Posten eingesetzt werden konnte. Ein Glück ging er nächstes Jahr in Rente. Und Bines Vater war an Darmkrebs erkrankt. Es wurde wöchentlich schlimmer bei ihm. Dabei war er noch gar nicht so alt.
»Und wie steht es mit deinem Liebesleben?«, erkundigte sie sich neugierig. Mir fiel auf, wie lange wir nicht mehr ausgelassen gequatscht hatten. In der Schule hatten die Wände Ohren. Da kamen wir viel zu selten zu einem richtigen Plausch unter Freundinnen.
Ich verdrehte die Augen und lachte. »Oh bitte, lass uns nicht darüber reden. Meine letzte Beziehung war ein genauso großes Desaster wie deine.« Ich bemerkte, wie selten wir über meines und wie häufig wir über ihr Aus mit Thomas in den vergangenen drei Wochen gesprochen hatten. Im Grunde war diese Reise sogar spontan aufgrund ihres Liebesdramas entstanden. Ich wollte sie unbedingt ablenken, also haben wir Last Minute den Urlaub gebucht. Außerdem hatte ich zwanzig Kilo durch den ganzen Stress mit Vaters Demenz und den vielen Pflegeanträgen in den letzten Monaten abgenommen und musste dringend shoppen gehen. Wo ging das besser als hier?
Sie konnte sich ein Schmunzeln offenbar nicht verkneifen. Unsere Liebesleben waren in letzter Zeit wie eine Seifenoper gewesen, voller Höhen und Tiefen.
»Nun gut, dann erzähl mir stattdessen lieber von deinem letzten Date«, schlug Bine vor und zwinkerte mir zu.
Ich seufzte. »Es war ... interessant, könnte man sagen.«
»Klingt sehr berauschend. Wieder Tinder?«
Ich atmete schwer aus. Ich wusste ganz genau, dass sie sich innerlich gerade lustig über mich machte. Ihre leicht zuckenden Mundwinkel und die feinen Grübchen verrieten sie.
»Ja«, sagte ich Trocken. »Alex, 36, eigentlich recht gutaussehend und ein Humor, der leider nicht vorhanden ist.«
Es war ein Desaster gewesen. Er schien charmant und gebildet zu sein, aber als wir uns trafen, stellte sich heraus, dass er überhaupt kein Gespür für Humor hatte. Jeder meiner Witze wurde mit einem unbeholfenen Lächeln und einem nervösen Husten quittiert.
»Er war irgendwie ... steif«, begann ich zögernd. »Ich meine, er war nett und so, aber es war einfach keine Chemie da.«
Bine grinste. »Das klingt nach einem Abend voller Lacher.«
»Oh ja, ich hatte Tränen in den Augen«, erwiderte ich ironisch und nahm einen weiteren Schluck von meinem Drink.
Wir lachten beide, und für einen Moment vergaß ich den Stress und die Sorgen meines chaotischen Alltags. Es war schön, einfach zu sitzen, die warme Sonne auf der Haut zu spüren und sich mit ihr zu unterhalten.
Wir ließen das Thema meiner gescheiterten Verabredung hinter uns und unterhielten uns über noch belanglosere Dinge. Einfach Quatschen. Genau das hatte ich gebraucht.
Ich zuckte zusammen, als hinter mir jemand lauthals auflachte, und drehte mich um.
Eine Gruppe von Männern betrat lachend und scherzend die Dachterrasse. Den grünen Shirts mit JGA-Aufschrift zu urteilen waren sie Teil eines Junggesellenabschieds und wirkten bereits ziemlich ausgelassen, oder, um es treffender zu formulieren: sturzbesoffen.
Einer von ihnen, offensichtlich der Bräutigam in Spe, schwankte leicht und wurde von seinem Kumpel gestützt. Mateo schien besorgt und flüsterte seinem Kollegen etwas zu, der daraufhin den betrunkenen Mann sanft zur Seite führte, weg von der Kante der Terrasse.
Wir beobachteten die Szene mit einem amüsierten Lächeln, bis plötzlich einer der Männer, der noch relativ nüchtern schien, sich zu uns gesellte. Dabei wollte ich doch meine Ruhe haben!
Der Kerl sah jung aus. Oder er hatte sich einfach nur gut gehalten. Er hatte ein breites Grinsen im Gesicht und funkelnde, tiefbraune Augen, die uns abwechselnd musterten.
»Na Mädels, darf ich mich zu euch setzen?«, fragte er mit einem charmanten Lächeln.
Bine und ich warfen uns einen kurzen Blick zu, bevor sie antwortete: »Klar, warum nicht?«
Ich sah sie überrascht an. Normalerweise war das nicht ihre Art.