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"Später haben sie mich immer wieder gefragt, ob ich denn gar keine Angst hatte in jener Nacht, als ich ganz allein an der Autobahn nach Süden stand und mir der Nieselregen nach und nach die Buchstaben des Wortes "Italien" von meinem Pappschild herunterwusch. Ja, ich hatte welche. Nicht unbedingt vor diesen freundlichen älteren Herren, die Mädels wie mich Gerüchten zufolge am Straßenrand aufzulesen pflegen. Wohl aber vor meiner Mutter, denn die hatte mir, als ich noch ein Kind war, das Trampen ausdrücklich verboten. Der Gedanke, ihr meinen nächtlichen Aufbruch erklären zu müssen, war alles andere als angenehm. Aber wovor ich mich am meisten von allen Dingen fürchtete, das war das Dableiben, war das freundliche helle Büro mit den freundlichen, hilfsbereiten Kolleginnen ..."
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Seitenzahl: 17
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Petra Hartmann
Italien. Heimkehr
Zwei dunkle Erzählungen
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Italien
Heimkehr
Die Autorin
Impressum neobooks
Später haben sie mich immer wieder gefragt, ob ich denn gar keine Angst hatte in jener Nacht, als ich ganz allein an der Autobahn nach Süden stand und mir der Nieselregen nach und nach die Buchstaben des Wortes „Italien“ von meinem Pappschild herunterwusch.
Ja, ich hatte welche. Nicht unbedingt vor diesen freundlichen älteren Herren, die Mädels wie mich Gerüchten zufolge am Straßenrand aufzulesen pflegen. Wohl aber vor meiner Mutter, denn die hatte mir, als ich noch ein Kind war, das Trampen ausdrücklich verboten. Der Gedanke, ihr meinen nächtlichen Aufbruch erklären zu müssen, war alles andere als angenehm.
Aber wovor ich mich am meisten von allen Dingen fürchtete, das war das Dableiben, war das freundliche helle Büro mit den freundlichen, hilfsbereiten Kolleginnen.
Ich möchte nicht missverstanden werden. Mein Chef war nett. Meine Kollegen nett. Die Kunden nett und verständnisvoll. Und die Klimaanlage funktionierte und gab niemals auch nur den geringsten Grund zur Beanstandung. War es das, was mir Angst machte?
Ich wusste es nicht, aber plötzlich war es da, dieses Gefühl, als würde irgendwo im Zimmer eine verborgene Uhr ticken. Eine Sanduhr, aus der langsam aber stetig der Sand herausrieselte, und die Sanduhr war ich. Als der Wecker in meinem Hinterkopf zu schrillen begann, wusste ich, dass es Zeit war zu gehen. Der letztmögliche Zeitpunkt. Und nun stand ich im Nieselregen an der nächtlichen Autobahn und hielt den wenigen Autofahrern, die zu dieser Zeit noch unterwegs waren, mein durchgeweichtes Pappschild entgegen, mit der Behauptung, ich wolle nach „Italien“.
Er war wesentlich älter als ich, zu alt jedenfalls für den feuerroten Sportflitzer mit den elektrischen Fensterhebern, zu alt auch für die locker-unkomplizierte Frage: „Wohin?“, die ich durch wortloses Antippen meines Pappschildes beantwortete.
„Hat aber nichts zu tun mit Zitronen, oder?“, vermutete er. Seine Stimme klang ein wenig wie ein untertourig gefahrener Dieselmotor, kein unangenehmer Tonfall.