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Klaus Merz erzählt die Geschichte einer Familie, deren Lebenswege immer wieder in Abgründe und Hinterhalte führen. Abseits der Kreuzungen, an denen Krankheit und Tod "Vorrang haben", wird aber gelebt, geliebt und geflunkert. Den Blick auf die Details gerichtet, rückt der Erzähler die Ereignisse in ein oft überraschendes Licht. Fast beiläufig skizziert Klaus Merz so ein Bild der fünfziger und frühen sechziger Jahre, das aber nicht der Nostalgie, sondern immer dem Leben verpflichtet bleibt.
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Seitenzahl: 44
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Klaus Merz: Jakob schläft
Klaus Merz
Eigentlich ein Roman
Mit Zeichnungenvon Heinz Egger
© 1997
HAYMON verlag
Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
ISBN 978-3-7099-7618-0
Umschlagbild: Heinz Egger
Duplex-Lithos: Laserpoint, Innsbruck
Diesen Roman erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.
Abends sieht man ihn wandern,
als wäre Gehen ein Ruhn
im Licht, das die Schätze der Welt
unberührbar
ins Offene hält.
Aus dem Gedicht „Fragment“
von Erika Burkart
KIND RENZ. Vom Fensterbrett wirbelt Staub, in meinem Rücken steht das Kreuz mit dem morschen Fuß, sein schmales Kupferdach ist hauchdünn mit Grünspan überzogen. Vor den acht Buchstaben, die ins Querholz eingebrannt sind, habe ich lesen gelernt.
Der ältere Bruder ist bei der Geburt gestorben und hätte eigentlich Jakob heißen sollen. Da es aber nicht zur Taufe gekommen ist, haben sich auch die Eltern, eigenartig zwanghaft, an die amtliche Namenlosigkeit ihres Ältesten gehalten.
An der Hand des Vaters, an der Hand der Mutter, zwischen den schwarzen Wintermänteln der Großeltern habe ich die seltsame Bezeichnung für meinen Bruder immer wieder durchbuchstabiert. Kind Renz.
Daß die Erwachsenen am Grab weinten, ist dann allmählich seltener geworden. Wie die Friedhofsbesuche auch. — Das Hochzeitsbild des jungen Paares, auf dem die Schwangerschaft als Schatten im Gesicht der Braut schon ablesbar gewesen sein muß, hat nie auf unserem Stubenbuffet gestanden.
Begonien wechselten ab mit Stiefmütterchen, Stiefmütterchen mit Geranien, am längsten hielt sich der Rosenstrauch. Bis das verwitterte Kreuz eines Tages im Holzschopf neben dem Schweinekoben stand und niemand in der Familie recht wußte, wohin damit.
Ein Jahrzehnt später ging es vermutlich samt Fahrhabe und Brennholzvorrat, samt Werkbank und verbeultem Benzinkanister, Spaltstock und Harleypneus über an den neuen Besitzer der Liegenschaft, die kurz darauf noch. ein zweites Mal die Hand wechselte, bevor sie endgültig eingeebnet wurde.
Innerlich gebückt, um den Schädel nicht wieder am Türbalken des leeren Schweinestalls aufzuschlagen wie damals, als ich im halbdunklen Koben das Sparschwein mit meinen Fünfzigrappenstücken knackte, geht es weiter im Kopf.
Die Münzen brannten in der kleinen Faust, sie fraßen sich heiß in meinen Handteller hinein, und ich begriff auf der Stelle, was die Erwachsenen meinten, wenn sie behaupteten, daß Geld auch nicht glücklich mache.
Um meinen Frevel zu vertuschen, verstreute ich die handwarmen Batzen in hohem Bogen im frisch gefallenen Schnee und betete zu Jakob, inbrünstig, er möge sie doch um Himmels Willen zum Verschwinden bringen.
Nach der Schneeschmelze blinkten die Silberlinge wieder gnadenlos in der Sonne. Ich sammelte sie erschreckt ein.
Böser Lukas, sagte Vater.
Er stand mit seinem Reisbesen in der Hand auf dem Wellblechdach des Mehlmagazins, wo ein Teil meiner Börse liegen geblieben war, und schaute auf mich herab.
Vermaledeiter Jakob! dachte ich.
Im Sand der abgebrannten Voliere hockte wie immer ein aufgeplusterter Spatz.
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