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"Zwischen Sehnsucht und Erinnerung das zarte Grau des brachen Tages." Gedichte und Geschichten, die einfangen, was im Innersten bewegt, die dort anknüpfen, wo wir uns verloren fühlen, die auffangen im Jetzt Es sind nicht nur die Worte, die widerhallen, sondern die Räume, die sich dazwischen auftun. Räume, in denen sich Lebensgeschichten entwickeln, Räume, die sich mit Klang und Farbe füllen, in denen sich die Gedanken auf die Reise begeben und wieder zu sich zurückkehren. Dabei nimmt Klaus Merz die Wörter stets beim Wort. Er verzichtet auf alles überflüssige Beiwerk und verschafft der Sprache so den Spielraum, sich zu entfalten. Klaus Merz über Erinnerung, das Flirren der Zukunft, den Moment "Noch Licht im Haus" bündelt die ganze Vielfalt des poetischen Werks von Klaus Merz: das vermeintlich Beiläufige, dem er neue Tiefe und Weite abgewinnt; unscheinbare Momente, in denen sich Türen zur Erinnerung auftun; der Dialog mit Musik und bildender Kunst, den er weiterführt. Neben die Gedichte dieses Bandes stellt Klaus Merz kurze Geschichten, poetische Miniaturen, die in wenigen Zeilen ganze Romane erzählen. "So spielerisch genau kann die Kunst kleiner Form werden, wenn ein Könner wie Merz seine Fantasie auf ein Minimum an Worten verpflichtet." Thomas Poiss, Frankfurter Allgemeine Zeitung
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Seitenzahl: 24
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Unsere Aufgabe bleibtdie Aufgabe. Icharbeite daran.
Als wir endlich begriffen hatten,
dass auch die Hydranten altern,
stand die Welt um uns
schon in Flammen.
Wir warfen Teller und Tassen
aus Türen, aus Fenstern,
trugen das warme Bettzeug
aus dem brennenden Loft.
Sodom und Gomorra,
flüsterte eine Frau, die
wie angewurzelt mit uns
auf der Straße stand.
Wie ist Ihr Name?
fragten wir.
Ich habe keinen,
sagte sie.
Zwischen zwei Zügen
tritt der Bahnmeister
ans Brett.
Er hebt die Kelle
und winkt uns ab:
Matt In Trubschachen.
Sah ihn durchs Fenster,
den hageren Mann,
er stand vor seinen Bücher-
regalen. Als stünde er
vor einer Urnenwand:
Sprich, Erinnerung, sprich!
I
Sitzen bleiben am Tisch
und warten, bis die Bilder
an den Zimmerwänden
aus ihren Rahmen treten.
Als verwunschene Zeugen
unserer kurzen Reise
durch Raum und Zeit.
II
Den Kopf tief ins Kissen gebettet,
durchquere ich Gegenden,
die in keiner Karte
verzeichnet sind:
Flussläufen gleich
leuchten die alten
Vernarbungen auf.
Und alle Wege führen
im Morgengrauen
zurück zu mir.
Kurz nach Mitternacht
wuchs das Seidengebirge,
eine fragile Gegend,
vor mir in den Himmel
hinauf. Ich erklomm es
barfuß in der Frühe.
Diese schwülen Julitage,
sie tauchen dich ein in den
Schweiß deiner Vorfahren.
(Abends kehrten sie heim,
die Sensen geschultert,
übers auskühlende Land
in Hemden hart vom Salz.)
Und der Donner an deinem Ohr,
er bleibt ein gestriger Donner,
leiser Nachhall der großen
Kindheitsgewitter.
Leermond, die Tür zur
Vergangenheit steht offen,
lichte Bilder treten hervor.
Unterm Brustbein
rumort für Augenblicke
ein gleißendes Glück.
Für N. L.
Allein am Tisch, und
es ist mir wohl an meinem Platz.
Gegenüber gibt eine junge Frau
ihrem Säugling die Brust. Auch
das Leben der übrigen Gäste
nimmt allmählich Gestalt an.
Ich salze nach und schreibe:
Immer öfter dieser leise
Widerstand gegen alles,
was über den Augen-
blick hinaus will.
Die Zeitung bleibt
hängen, ungelesen.
Die Tagesschau stiehlt uns
den vergangenen Tag,
Saharastaub wirbelt auf.
Und um Mitternacht dann
diese unbändige Lust,
sich selber aufzurauchen.
Schaute dem Nachbarn von weitem
beim Häuten eines Kaninchens zu.
Der bLutenD engeL steht
als Legende unter der vergilbten
Kinderzeichnung, sie hängt hinter
meinem Rücken am Bücherbrett:
Aus einem Flügelwesen fallen
rote Tropfen. Als fielen Bomben
durch den hohen Himmel
ins kurze grüne Gras.
Schwere Einschläge in Kiew,
meldet aus der Küche das Radio.
Ein Leben lang
schrieb er sich Boden
unter die Füße.
Dann legte er den Stift
beiseite und überließ sich,
die Arme ausgebreitet,
dem freien Fall.
Die göttliche Stimme als
Orgelpunkt lesen:
Darüber
(improvisierend)
zur eigenen Stimme
finden.
Für R. L.
Den Waldrand entlang
noch eine Spur von Schnee.
Schwarzdorn bricht auf.
Aus einer Wolke
von Blütenstaub stößt