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Dreihundert Jahre nach Jesus saßen Bischöfe am kaiserlichen Tisch und begannen, sich an Privilegien zu freuen. Und es begann eine Geschichte, die so heilig gar nicht ist, weil sie geradewegs von den Lehren des Jesus von Nazareth wegführte. Heute regieren vornehmlich ältere Herren in den amtierenden Kirchen und hantieren vornehmlich mit paulinischen Gedanken, um ihre Positionen zu begründen. Der Vorteil paulinischer Metaphysik liegt gewiss in ihrer mangelnden Erfordernis von konkreter Ethik – der Sünder erfährt ja reichlich schnell Vergebung, ohne grundlegend sein Leben ändern zu müssen. Das aber beschreiben Jakobus, Judas und die Didache – eine tiefe Einsicht in Lust, Habenwollen und Geldliebe, die im Machthunger mündet und alles zertört. Hier beginnen die Ethik und der Ansatz zu einer Änderung menschlicher Geilheit und Verdrehtheit, und das fordern die drei frühen Zeugen. Darum ist es allemal wert, sich mit diesen Texten neu zu beschäftigen und nicht, wie Luther einst Jakobus nannte, von einer „strohernen Epistel“ zu faseln, bloß weil sie anders als Paulus mit den Gläubigen redet! Wollen wir nun Paulus ablehnen? Nichts ist ferner als dies! Wir haben diese Art von Relativierung nur eingeführt, um Blicke dafür zu öffnen, dass der „große Dominator“ mitnichten einen Zwang auslösen muss, um unterschiedliche Zugänge für prägsame Erfahrungen um Jesus zu verleugnen. Paulus bleibt ein wichtiger Zeuge, der es gewiss immer wert ist, studiert zu werden. Und jeder ernsthafte Student wird Gott auf Knien dafür danken, dass klarere Blicke nicht unerhebliche Unterschiede und Zugänge offenbaren. Diese aber erlauben eine Art Entspannung bei der Frage nach „rechtem Christentum“: Paulus ist nicht der einzig mögliche Weg. Jakobus, Judas und die Didache haben andere Ansätze, und sie ermutigen zu tieferem Einlassen und Bedenken.
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Wenn es stimmt, wie der Verfasser sagt, dass er ein Bruder Jesu sei (und warum sollte das nicht stimmen?), dann dürfen wir ohne Weiteres davon ausgehen, dass Jakobus gleichsam „aus der Familie“ spricht oder zumindest stark davon beeinflusst ist: als quasi „Innenansicht“ eines Mannes, der Jesus nahe und eng erlebt hat, dürften seine Gedanken grossteils sehr beeinflusst sein vom Denken Jesu. Der Jakobusbrief dürfte also durchaus ursprüngliche Gedanken und Denkweisen Jesu enthalten und widerspiegeln, zumindest offenbart er „Stoffe“, die Jesus und seine Familie besprochen und reflektiert haben. Und das macht die Sache sehr interessant, weil das Zeugnis des Jakobus eben ganz anders erscheint als die anderen Zeugen des Neuen Testaments, und besonders fällt hier Paulus ein.
Nun ist aber Paulus ein Hauptvertreter des Neuen Testaments und hat das christliche Denken bis heute vornehmlich dominiert. Davon wird später noch zu sprechen sein.
Der Jakobusbrief wendet sich an Judenchristen. Er behandelt die Themen Anfechtung, Glauben und seine Bewährung und Sünden aus der ungezügelten Zunge. Es fällt auf, dass er nicht erwähnt: Tod und Auferstehung Jesu, Gemeinde als Leib Christi, Göttlichkeit Jesu.
Hauptaugenmerk liegt auf Gott allein. Er schenkt Weisheit, wenn sie erbeten wird. Jakobus geht sozusagen in die Tiefe und sucht da die Ursachen aller Versuchungen, alles Streits und aller Kriege: Lust, Begehrlichkeit, Habenwollen. Da soll der Mensch ansetzen. Er soll grossmütig und freigiebig sein, nicht die Person ansehen und auch im Armen die Würde sehen, Gottes Geschöpf zu sein. Und so versteht er Gemeinde als Ort des Sündenbekenntnisses und der Heilung.
Sehr interessant ist auch ein Begriff, der nur bei Jakobus vorkommt: Rad der Geburt in 3, 6. Hat Jesus vielleicht diesen Begriff gebraucht und reflektiert? Denn er ist ein typischer Begriff aus Buddhas Lehre, und die kam aus Indien.
Nun gibt es einige Forscher, die Berichte, Jesus sei in Indien gewesen, nicht von der Hand weisen. Tatsächlich gibt es im Kaschmir eine lange Jesustradition. Der interessante Leser möge sich kundig machen und wird zumindest sehr nachdenklich werden. Jakobus jedenfalls benutzt einen Begriff des Buddhismus, den er von seinem Bruder Jesus übernommen haben könnte. Und wie Buddha spricht auch Jakobus von Lust, Begehrlichkeit und der Macht der Zunge, wenn es um Gründe für Versuchung und Sünde geht – er muss darüber mit seinem Bruder Jesus oft geredet haben und darin einen tiefen Grund der Verwirrung gesehen haben.
Und hier ist der Brudes des Jakobus und damit auch des Jesus, also ein zweiter Zeuge „aus der Famile“ mit einer „Innenansicht“. Auch er wendet sich an Judenchristen, die apokalyptisch denken, also auf ein Ende der Welt hoffen, da sich der Messias offenbart und das Reich Gottes offen zutage tritt.
Der Abfall kommt nicht von aussen her, sondern von innen durch „Klippen“ in Form von Irrlehrern, an denen die Treuen zu zerschellen drohen. Diese sollen geduldig sein und nicht teilhaben an ihrem Schmutz, sondern wenn möglich, sie „aus dem Feuer reißen“. Dabei sollen sie nicht hochmütig sein gegen satanische Mächte, Dämonen und Teufel, denn nur der Herr selbst hat die Macht über sie. Gott ist langmütig und barmherzig, ebenso sollen die Gläubigen sein.
Auch Judas kritisiert Ggeldgier und Lästerworte gegen etwas, das die Lästerer nicht verstehen. Die Kennzeichen der Gläubigen sind Geduld, Zurückhaltung, Barmherzigkeit und Vertrauen in die Kraft des Glaubens. Duch Jesus wird Gott verherrlicht. Der heilige Geist hilft zum Beten.
Judas spricht nicht von Tod und Auferstehung Jesu, Gemeinde als Leib Christi und Vergöttlichung Jesu. Im Gegenteil – der Blickpunkt ist ganz auf Gott allein gerichtet.
Interessant ist auch die Beobachtung im Brief, dass Judas das Henochbuch kannte und benutzte. Lässt das darauf schließen, dass auch Jesus in dem Buch las, das später in der äthiopischen Kirche in den Kanon aufgenommen wurde? Auzuschließen ist das wohl nicht.
Die Didache ist eine frühe Form von „Katechismus“, also eine Kurzform dessen, was Gläubige wissen sollen. Sie lehrt den Umgang mit kultischen Vollzügen (Liturgie) und mit Wanderpropheten, die in Gemeinden auftauchen. Kein Jesuswort aus den Evangelien ist überliefert im Text, auch keine Paulustheologie.
Es geht um zwei Wege, Taufe, Abendmahl. Anders als Paulus, vollzieht die Didache keine metaphysischen Begründungen und Exkursionen, bezieht sich auch nicht auf Jesus Leiden, Sterben und Auferstehen. Vielmehr übrliefert der Text, messianisch gefärbt, jüdische Mahlgebete. In der anschließenden Ermahnung über „verwirrte Propheten“ stellt der Text gleichsam ein Gegenbild zu Jesus dar.
Alle drei Texte sprechen ganz anders als Paulus, der den neutestamentlichen Kanon klar dominiert. Sämtliche Überlieferungen, die der geschulte Christ auch heute noch lernt oder übernimmt, beruhen grösstenteils auf Paulus:
# Beten zu Jesus;
# Trinitarismus – Jesus als Gott:
# Taufe als Hineingepflanztsein in Jesus;
# Brot und Wein als Gegenwart Christi;
# Gemeinde als Leib Christi:
# die Lehren von der Auferstehung der Gläubigen;
# die Enthistorisierung Jesu, zu der sich Paulus offen bekennt, indem er „nicht am Fleisch“ interessiert ist;
# die Aushebelung der Regel der Apostel, dass nur jemand, der leiblichen Kontakt zu Jesus hatte und ihn kannte, Apostel sein kann; Paulus dagegen kannte Jesus nicht und beruft sich auf eine Privatoffenbarung.