John Sinclair 2117 - Marc Freund - E-Book

John Sinclair 2117 E-Book

Marc Freund

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Beschreibung

Der Wendigo

Er sah sie zu spät. Die Hindernisse, die plötzlich mitten auf der Fahrbahn auftauchten. Von den Scheinwerfern gnadenlos herausgerissen aus der Finsternis und hineinkatapultiert in die Realität. Alec Duncans Realität. Der Holzfäller versuchte, zu bremsen, doch noch bevor sein rechter Fuß das mittlere Pedal ganz durchgetreten hatte, wusste er bereits, dass es sinnlos war.
Die Reifen gaben ein verzweifeltes Kreischen von sich, bevor sie über die von Nägeln durchbohrten Holzbretter rumpelten.
Und das war erst der Anfang vom Ärger. Einer verdammten Menge von Ärger ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Wendigo

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Lightspring/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7609-8

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Wendigo

von Marc Freund

Er sah sie zu spät. Die Hindernisse, die plötzlich mitten auf der Fahrbahn auftauchten. Von den Scheinwerfern gnadenlos herausgerissen aus der Finsternis und hineinkatapultiert in die Realität. Alec Duncans Realität. Der Holzfäller versuchte, zu bremsen, doch noch bevor sein rechter Fuß das mittlere Pedal ganz durchgetreten hatte, wusste er bereits, dass es sinnlos war.

Die Reifen gaben ein verzweifeltes Kreischen von sich, bevor sie über die von Nägeln durchbohrten Holzbretter rumpelten.

Und das war erst der Anfang vom Ärger. Einer verdammten Menge von Ärger …

Alec fluchte lautstark, während der heiße Kaffee im Schrittbereich in seine Jeans sickerte. In einer beiläufigen Bewegung stellte er den Behälter in den Getränkehalter und wischte sich seine Finger am Hosenbein ab. Währenddessen lenkte er den Dodge Ram an den rechten Straßenrand und stellte den Motor ab.

Unterhalb seiner Baseball Cap mit dem Schriftzug der Colorado Rockies kratzte sich der Hüne die Stirn.

Er stieg aus und wusste bereits, was er zu sehen bekommen würde, noch bevor er das Malheur im Licht der eingeschalteten Scheinwerfer ganz in Augenschein genommen hatte.

Mit seiner breiten Hand, die einer Bärenpranke glich, griff er nach dem Brett, das sich halb unter dem linken Vorderreifen seines Wagens verkeilt hatte. Mit einem kräftigen Ruck riss Alec es ab und hielt es ins Licht. Das Brett war nagelneu, ebenso die blanken Nägel, die man pfeilgerade durch das Holz getrieben hatte und die so dick waren, dass sie wie kleine Bolzen wirkten.

Natürlich hatte dieser Dreck nicht zufällig auf der Fahrbahn gelegen, das war Alec Duncan klar. Hier hatte jemand ganze Arbeit geleistet. Jemand, der auf Nummer sicher hatte gehen wollen.

Alec erhob sich in einer sprunghaften Bewegung. Unter der Jeans spielten die kräftigen Muskeln seiner Oberschenkel.

Mit einer wütenden Bewegung schleuderte er das Nagelbrett über die Straße hinweg in das dichte Gebüsch. Er hielt ein paar Sekunden inne, als erwarte er irgendeine Antwort.

Dann wandte er sich ab, beugte sich durch die offene Wagentür seines Dodge ins Innere und packte den schwarz lackierten Baseballschläger, der hinter dem Fahrersitz im Fußraum lag. Alecs Finger klammerten sich fest um den Griff. Der Schläger in seiner Hand gab ihm ein Gefühl der Überlegenheit. Mit diesem Baby hatte er an der Highschool so manche Homeruns geschlagen und, besser noch, etliche scharfe Line-Drives, die bei seinen Gegnern gefürchtet gewesen waren. Dieser Schläger gehörte zu ihm, sie beide bildeten eine perfekte Einheit.

Alec Duncan horchte in die Dunkelheit hinein. Leichter Wind strich durch die Büsche und Bäume, die in einigen Metern Entfernung ein fast perfektes Dickicht bildeten. Es knisterte und raschelte hier und da, doch zu sehen war nichts. Niemand.

Alec lehnte Baby gegen die Fahrerseite des Dodge, holte den hydraulischen Wagenheber heraus und brachte ihn in Position.

Er machte sich daran, das Rad zu wechseln. Eine Tätigkeit, die er beinahe im Schlaf beherrschte.

Währenddessen waren seine Sinne gespannt. Und tatsächlich war jetzt ein Rascheln zu hören, das sich von den bisherigen Geräuschen unterschied. Das war nicht mehr der Wind, der an den trockenen Blättern zerrte oder Zweige und kleinere Äste gegeneinander reiben ließ. Dies waren die Vorwärtsbewegungen eines Lebewesens, das sich durch das Buschwerk anpirschte.

Alec Duncan tat so, als hätte er nichts gehört. Mit routinierten Bewegungen nahm er das Rad mit den platten Reifen herunter und setzte das neue auf. Dabei behielt er immer seinen Schläger im Auge, der in praktischer Reichweite auf ihn wartete. Oh ja, wenn ihn nicht alles täuschte, würde es bald wieder Arbeit für Baby geben.

Für einen Moment herrschte fast absolute Stille. Selbst die Grillen hatten ihr allgegenwärtiges Zirpen eingestellt.

Alec Duncan wusste, dass der Angriff kurz bevorstand.

Etwas brach aus dem Gebüsch, verließ seine Deckung mit furchtbarer Gewalt und der Behändigkeit einer Wildkatze.

Alecs Hände ließen von dem breiten Reifen ab. Die Finger seiner rechten Hand klammerten sich um Baby und drückten so fest zu, wie sie es seit Highschoolzeiten nicht mehr getan hatten. Wie ein echter Batter auf seinem Schlagmal federte Alec kurz in den Knien und wirbelte herum, den Schläger jetzt mit beiden Händen fest umschlossen.

Etwas sprang auf die Fahrbahn. Ein Schatten noch, der in der nächsten Sekunde jedoch schon zu etwas Greifbarem wurde. Und zugleich zu etwas Unfassbarem!

Was Alec Duncan knapp außerhalb der Lichtkegel der Dogde Scheinwerfer erkannte, ließ ihm die Kinnlade heruntersacken und ihn vor Entsetzen aufschreien.

Es hockte vor ihm auf der Straße, noch seltsam geduckt und zum Sprung bereit. Ein Wesen, das nur noch entfernt an einen Menschen erinnerte. Sein Schädel war bis auf ein paar weiße Haarsträhnen kahl, die Nase fehlte ganz. Das Gesicht selbst war grauenhaft zerfurcht und entstellt, und das Schlimmste für Alec war, dass das Ding am ganzen Körper keine Haut mehr zu haben schien, so als hätte man sie vor langer Zeit bei lebendigem Leib abgezogen.

»Was zum Teufel …«, entfuhr es Alecs trockener Kehle. Weiter kam er nicht, denn das Ding von der Fahrbahn sprang ihn aus seiner gehockten Haltung heraus an.

Alec stieß einen gellenden Schrei aus, als das Monstrum ihn mit voller Wucht rammte und er mit Rücken und Hinterkopf gegen das Blech seines Wagens prallte.

Der Mann landete mit dem Hintern platt auf dem Boden.

Baby befand sich aber noch immer in seiner rechten Hand. Alec spannte die Muskeln seines Oberarms, als ihm ein furchtbarer Schmerz durch das Handgelenk fuhr. Er jagte auf direktem Weg bis hinauf in sein Hirn, wo er in grellen Lichtreflexen explodierte.

Der Fahrer des Trucks riss die Augen auf und starrte an sich herab. Das Ding hatte sich in seinem rechten Unterarm verbissen. Reflexartig öffnete Alec seine Faust und hörte Baby mit einem hellen Geräusch auf die Fahrbahn klappern.

»Nein«, flüsterte er. Es war kaum mehr als ein Hauch, der ein zartes Wölkchen vor seinen Lippen entstehen ließ.

Das Monstrum zog und zerrte an ihm. Es hatte sich in seinem Fleisch festgebissen und gab gierige, schmatzende Laute von sich. Blut war auf die Fahrbahn gespritzt, und Blut tränkte bereits den rechten Ärmel von Alecs mit Kunstfell gefütterte Jeansjacke.

Ein wütender Aufschrei drang aus der Kehle des Mannes, als er seinen verletzten Arm in die Höhe riss und den Angreifer in einer brachialen Bewegung gegen die Fahrerseite des Dodge schleuderte. Ein dumpfer Laut war zu hören, als das Ding das schwarze Blech des Wagens eindellte.

Der furchtbare Druck auf Alecs Handgelenk war gewichen. Der Schmerz hingegen blieb, wenngleich es dem Mann gelang, ihn für einen kurzen Augenblick auszublenden.

Das Wesen krümmte sich, halb unter dem Wagen liegend. Dann richtete es sich auf und schüttelte sich wie ein Hund.

Alec machte einen Satz nach vorne. Halb im Fallen griff er mit seiner Linken nach seinem Baseballschläger. Sofort richtete er sich wieder auf. Keine Sekunde zu früh, denn der Angreifer war bereits wieder heran.

Alec streckte den Schläger nach vorne, um das Ding auf Abstand zu halten. Was für eine kurze Weile sogar funktionierte.

Die Augen des menschenähnlichen Wesens waren weiß. Blind und von milchigen Schlieren durchzogen. Das halb verweste Fleisch schimmerte hell im Licht der Scheinwerfer. Dazwischen waren die Sehnen und Muskeln zu erkennen.

Das Biest öffnete sein Maul und ließ ein Durcheinander von unterschiedlich langen Zähnen erkennen, die in verschiedene Richtungen gewachsen waren. An den meisten von ihnen klebte nasses Blut.

Alec keuchte. Der Schmerz in seinem rechten Handgelenk begann, sich wieder bemerkbar zu machen. Er kehrte mit unangenehmer Wucht zurück.

Dem Biest schien das zu gefallen. Es geriet in helle Aufregung, witterte eine neue Chance, sein Opfer zu erlegen.

Der Verletzte vermied es, seinem Gegner in die Augen zu sehen. Es war nahezu undenkbar, dass die Kreatur etwas erkennen konnte, dennoch waren die toten Augäpfel in ständiger Bewegung. Und sie schienen auf Alec eine hypnotische Wirkung auszuüben.

Er machte eine Bewegung mit seiner linken Hand, stieß den Schläger nach vorn.

Die Bestie gab einen grollenden Laut von sich, der entfernt an das Knurren eines großen Hundes erinnerte.

Als sie unvermittelt aus dem Stand lossprang, tauchte Alex zur Seite weg und entging dem Angriff mehr durch Glück als durch Absicht. Er musste zurück zum Wagen, ganz egal wie. Und den halb gewechselten Reifen sollte der Teufel holen, er würde einfach drauflos fahren.

Alec vollführte auf der Straße eine Kehrtwende und rannte die wenigen Schritte zum Dodge zurück. Hinter sich hörte er, wie die Krallen seines Verfolgers hektisch über den Asphalt scharrten.

Alec katapultierte sich ins Wageninnere, warf Baby auf den Beifahrersitz und schlug beinahe in derselben Bewegung die Tür hinter sich zu.

Dabei stieß er mehrfach heisere Schreie aus, denn er hatte fest damit gerechnet, dass sich im letzten Augenblick scharfe Zähne ihn seine Waden verbeißen würden.

Stattessen sprang eine helle Gestalt auf seine Motorhaube, hockte für den Bruchteil einer Sekunde dort und schien ihn höhnisch anzugrinsen. In den klauenartigen Händen hielt die Kreatur einen faustgroßen Stein, den sie im nächsten Moment mit voller Wucht in die Mitte der Windschutzscheibe schlug.

Das Glas bekam hunderte von Rissen, die sich einem Spinnennetz gleich in alle Richtungen erstreckten.

Alec Duncan hörte es knirschen.

Er fingerte nervös nach dem Zündschlüssel, der noch immer im Schloss steckte. Mit einem Ruck drehte er ihn um, und der Dodge Ram erwachte zum Leben.

Hinter den Rissen im Glas tauchte eine helle Fratze auf.

Alec trat das Gaspedal voll durch. Die Hinterreifen kreischten auf dem Asphalt, und der schwere Wagen machte einen Satz nach vorne.

Etwas schlug hart und polternd auf dem Wagendach auf.

Alec verzog sein Gesicht zu einer bösen Grimasse, als er weiter Gas gab und den Dodge über die nächtliche Straße jagte.

Wieder ein Poltern von hinten. Offenbar war die Kreatur jetzt auf der Ladefläche gelandet. Alec schaltete einen Gang höher. Er würde der Missgeburt einen heißen Tanz bereiten.

Aber dazu kam es nicht.

Alec hörte es hinter sich klirren. Im nächsten Augenblick flogen ihm zahlreiche gekörnte Glasbröckchen ins Haar.

Etwas Scharfes grub sich von hinten in seinen Nacken.

Alec schrie auf und versuchte, mit seiner nutzlos gewordenen rechten Hand nach der Bestie zu schlagen, die sich in diesem Moment hinter ihm durch die schmale Hecköffnung zwängte.

Alec hörte es scharren und glaubte, so etwas wie einen Atemhauch hinter seinem rechten Ohr zu spüren.

Dann biss das Vieh zu.

Alec schrie auf und spürte einen glühend heißen Schmerz an seiner rechten Kopfhälfte. Blut spritzte umher, bis hinauf zum Inneren des Wagendachs.

Instinktiv stieg Alec auf die Bremse, trat das Pedal bis zum Bodenblech durch.

Die Kreatur in seinem Nacken wurde nach vorne katapultiert, riss Alec das rechte Ohr ab und verschwand durch die geborstene Windschutzscheibe hinaus in die Nacht.

Alec wünschte sich in diesem Moment, dass er das Monstrum durch Zufall überfahren würde, doch diesen Gefallen tat man ihm nicht.

Stattdessen löste sich das linke Vorderrad und jagte, sich mehrfach überschlagend, als gefährliches Geschoss ins Dickicht.

Der Dodge geriet ins Schlingern und kam gute fünf Meter weiter von der Fahrbahn ab. Es gelang Alec nicht mehr, ihn unter Kontrolle zu bringen.

Der Wagen durchschlug die Böschung, fraß sich in die Sträucher, die nicht die Macht hatten, ihn aufzuhalten.

Ein dumpfer Laut war zu hören, als der Koloss über eine Unebenheit im Boden rumpelte.

Der Dodge Ram überschlug sich, landete auf der Beifahrerseite und schlitterte einen Abhang hinunter. Auf einem Kiesbett, das zu einem Nebenarm des Colorado River gehörte, türmte er einen Wall von Steinen auf, fraß sich in den Boden und stand endlich still. Für die Dauer von wenigen Minuten rührte sich nichts in dem Fahrzeug.

Alec blinzelte und schlug schließlich mühsam und unter Schmerzen die Augen auf.

Obwohl er seine nähere Umgebung nur schemenhaft erkennen konnte, wusste er sofort, dass es noch immer nicht vorbei war.

Aus der vollkommen zertrümmerten Windschutzscheibe ins Freie zu kriechen war ein Kraftakt, der Alec Duncan alles abverlangte. Fast bis zur Ohnmacht trieb er sich weiter voran. Er wusste, dass der Dodge zu einer Falle für ihn werden konnte, wenn er länger als nötig in dem nutzlos gewordenen Fahrzeug blieb.

Noch immer rann das Blut aus der Stelle, an der einmal sein rechtes Ohr gewesen war und tränkte den Kragen seiner Jacke. Alecs geschundener Körper schien nur noch aus Schmerz zu bestehen. Eine weitere Welle, die ihn erneut an den Rand der Bewusstlosigkeit brachte, erfasste ihn, als er sich gezwungenermaßen über die bullige Motorhaube des Dodge abrollte und er hart auf den faustgroßen Steinen des Flussufers aufkam. Ein lang gezogenes Stöhnen drang aus der Brust des Mannes.

Alec wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als dass diese entsetzliche Nacht endlich ein Ende nehmen würde.

Die Finger seiner linken Hand tasteten über die feuchten Steine, bis sie auf etwas trafen, das ihm nur zu vertraut vorkam.

»Baby«, flüsterte er und hätte beinahe laut aufgelacht. Er streichelte über das Holz des Baseballschlägers, das sich im Vergleich zu den Steinen warm und freundlich anfühlte.

Etwas bahnte sich seinen Weg durch die Böschung. Irgendwo weit über ihm. Aber es kam näher. Schnell und zielstrebig wie ein Raubtier. Nur dass es keines war.

Alec wusste, was sich auf ihn zu bewegte. Dazu hätte es nicht einmal des Knackens der Äste und Zweige bedurft.

Keuchend drehte er sich auf die Seite, hätte sich dabei fast übergeben, und kam qualvoll auf die Knie.

So saß er etwa eine halbe Minute, mit hängenden Schultern und geschlossenen Augen, während er auf die Geräusche hörte, die nun bedrohlich nahe waren.

Etwas fegte mit scharfen Krallen über die Steine am Ufer hinweg.

Beim Baseball, das Alec Duncan für die Königin aller Sportarten hielt, hatte er gelernt, dass der größte Fehler im Spiel darin bestand, seinen Gegner zu unterschätzen.

Nun, dies hier war kein Spiel, war es von Anfang an nicht gewesen. Aber der Gegner war real. Und Alec würde ihn ernst nehmen, ihn mit der ihm gebührenden Aufmerksamkeit empfangen.

Nur noch wenige Sekunden, nur noch wenige hastende, gierige Schritte. Alec Duncan nahm sämtliche Eindrücke um ihn herum nur noch als abgerissene Bildfetzen wahr.

Ein heller Schatten, zwei milchig weiße Augen, ein abgrundtief hässlicher Schädel.

Kratzende Krallen auf dem Asphalt beim alles entscheidenden Sprung. Ein Maul voller schiefer, spitzer Zähne. Ein Albtraumwesen, das sich ins Blickfeld hineinkatapultierte.

Der kniende Mann bäumte seinen Oberkörper auf, reckte ihn in die Höhe und zeigte voller Stolz seine breite Brust.

Der linke Arm holte weit aus und sauste der Kreatur dann mit dem Baseballschläger entgegen.

Ein satter, knackender Laut war zu hören. Hell im Klang und beinahe so, als hätte Alec noch einmal auf dem Schlagmal gestanden. Baby traf ihr Ziel mit absoluter Präzision. Die weiße Kreatur wurde aus Alecs Sichtfeld katapultiert und gab dabei einen wütenden und zugleich irgendwie auch verletzten Laut von sich.

Alec kniete noch eine ganze Weile so da, bis seinen linken Oberarm die Kraft verließ und er mit Baby in der Hand langsam nach unten sank. Der Schläger berührte die Steine, auf denen der Mann kniete.

Eine weitere Minute verging. Dann lief ein fiebriges Zittern durch Alecs Körper. Langsam kippte er vornüber und blieb auf den Steinen liegen, die etwas in seinem verborgenen Innern inzwischen als angenehm kühl empfand.

Und als der Segen der Bewusstlosigkeit über ihn kam, brachte Alec Duncan es noch fertig, zu lächeln. Das war definitiv der beste Schlag seines Lebens gewesen.

Den Denver International Airport erreichte ich nach einem gut achtstündigen Flug ein wenig zerknittert und unausgeschlafen. Auch wenn mir Langstreckenflüge nicht sonderlich sympathisch waren, hatte ich doch gehofft, mich etwas ausruhen zu können. Zum einen von den Fällen, die hinter mir lagen, zum anderen von der letzten Nacht, die ich in den Armen von Glenda Perkins verbracht hatte. Eigentlich hatten wir nur nach Feierabend eine Kleinigkeit zusammen essen wollen, doch in dem asiatischen Restaurant, auf das wir es abgehen hatten, war kein Tisch mehr zu bekommen gewesen.

Also hatte Glenda in ihrer Wohnung für uns gekocht. Und dann … war es einfach über uns gekommen. So seltsam es klingen mag, aber dies war eine Sache, die das Vertrauen zwischen uns stets noch weiter verstärkte, zugleich aber auch noch immer den gewissen Nervenkitzel in uns wachrief, den jeder von uns auf seine Weise brauchte und auch genoss. Weder Glenda noch ich hatten ein schlechtes Gewissen dabei.

Nach dem erfolgreichen Start der Maschine von London Heathrow hatte ich meinen Sitz zurückgestellt und die Augen geschlossen. An Schlaf oder wenigstens Ruhe war jedoch nicht zu denken gewesen, denn die etwa vierjährigen Zwillinge der Frau vor mir hatten es offenbar darauf angelegt, buchstäblich jeden Fluggast von dem abzuhalten, was er gerade im Begriff war zu tun.

Einen ganz besonderen Spaß schien es den beiden Mädchen zu bereiten, auf ihrer gemeinsamen Expedition durch die beiden Gänge an meinem Platz Halt zu machen, um mir am Ärmel meines Sakkos zu zupfen oder mir Keksreste ins Gesicht zu bröseln. Das Ganze wurde begleitet von einem Kichern, das nur während der ersten zwei Flugstunden süß wirkte, dann aber nach und nach seinen Charme verlor.

Die Mutter der beiden, eine gestresst und übernächtigt wirkende Frau mit strohblondem Haar, sah tatenlos zu, wir ihr die Situation immer mehr entglitt.

Zwischendurch verfiel sie auf die Idee, Megan und Rosie mit pappbraunen Dinkeltalern zu füttern. Sie fand in ihren Töchtern dabei auch dankbare Abnehmer, nicht ahnend, dass die beiden allerdings für die verdammten Kekse längst eine vollkommen andere Verwendung gefunden hatten.

Ein Gedanke streifte mich. War es in Horrorfilmen nicht auch oft so, dass jemand nach einer durchwachten Liebesnacht vom Bösen heimgesucht wurde? Nun, dann schienen die Zwillinge wohl meine gerechte Strafe zu sein.

Ich musste mich eben damit abfinden, dass die Waffen des Lichts, insbesondere mein silbernes Kreuz, nicht gegen jeden meiner Gegner Wirkung zeigte.